26.09.2009

Vashtu VI

Zwei Pfleger hoben die Trage hoch und machten sich auf den Weg in die Krankenstation. Auf dieser Bahre lag, bewußtlos, Dr. Rodney McKay.
Vashtu Uruhk, die Antikerin, die sich dem menschlichen Team von Atlantis anschließen wollte, saß auf einer Stufe der Treppe und beobachtete, wie die Pfleger den Wissenschaftler wegbrachten. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Dr. Beckett zu, der ihren Arm gewissenhaft untersuchte.
„Sie haben einen Haufen Glück gehabt, nach dem, was Sie erzählten, Vashtu", sagte er gerade in einem leicht tadelnden Tonfall.
„Was ist mit Dr. McKay?" Sie nickte in die Richtung, in der die Bahre verschwunden war.
„Er hat einen ziemlichen Stromschlag abbekommen." Beckett drehte ihren Arm, um die Beweglichkeit der Schulter zu überprüfen.
Vashtu senkte ihren Blick auf ihren Unterarm. Dort zeichneten sich fünf blutunterlaufende Halbmonde ab. So fest hatte Lt. Colonel John Sheppard sie gekrallt, doch genutzt hatte es ihm wenig. Er war in das Tor und wahrscheinlich auch durch das Wurmloch gezogen worden.
Die Antikerin dagegen hatte kaum eine Blessur abbekommen. Die Fingerknöchel ihrer rechten Hand waren blutig und ein Schnitt in der Handfläche der linken. Ein paar Prellungen, die sich gerade bemerkbar machten. Nichts, womit sie nicht fertig werden würde.
Doch was in ihr vor sich ging, war etwas ganz anderes. Sie hätte sich verfluchen können, von dem Moment an, als sie bemerkte, daß etwas aus dem geöffneten Wurmloch zu ihnen zu gelangen suchte. Sie hätte schneller reagieren und nicht erst um Einverständnis bitten sollen. Dann wäre Sheppard nie verloren gegangen.
Mit Hilfe ihrer Wraith- und Iratus-Käfer-Gene war es ihr schließlich gelungen, dem Tor die Energie zu entziehen. Und daraufhin war das Wurmloch zusammengebrochen. Doch sie hatte den Colonel, den sie festgehalten hatte, loslassen müssen dafür. Er hatte sich nicht halten können und war abgerutscht und wohl in das geöffnete Wurmloch hineingezogen worden.
Dr. Elizabeth Weir, die Leiterin der Expedition auf Atlantis, kam mit ernstem Gesicht aus dem Kontrollraum und stellte sich neben sie.
Vashtu wagte nicht aufzublicken. Sie fühlte sich so verdammt schuldig!
„Was ist passiert?" fragte Weir.
Vashtu atmete tief ein, schüttelte dann den Kopf. „Ich konnte ihn nicht festhalten. Er ist in das Tor gerutscht."
„Das konnten wir alle sehen. Aber wie konnten Sie ihn vorher so lange festhalten? Es muß ein gewaltiger Sog geherrscht haben."
Vashtu blickte nun doch auf, Weir ins Gesicht. „Ich habe meine fremden Gene eingesetzt. Aber selbst damit ist mir nicht leicht gefallen."
Weir nickte stirnrunzelnd.
Beckett erhob sich nun, blickte ebenfalls auf sie hinunter. „Sie sollten mit in die Krankenstation kommen. Ihre Schultern wurden bei dieser Kraft beinahe ausgekugelt, und die Schnitte könnten sich entzünden. Außerdem ..."
Vashtu seufzte. „Es geht mir gut." Sie sah wieder Weir an. „Er ist weg, nicht wahr? Wir werden ihn nie wieder sehen."
Weirs Gesicht zeigte keine Emotion. „Das wissen wir noch nicht genau. Solche Arten von Unfällen sind selten, aber manchmal gibt es sie. Das Wurmloch brach in dem Moment zusammen, als er gerade hineingezogen wurde. Vielleicht ... Ich weiß es nicht."
Vashtu schloß die Augen und senkte den Kopf wieder.
Das alles war ihre Schuld. Sie hatte den einzigen, der von Anfang an freundlich zu ihr gewesen war, in den Tod stürzen lassen. Sie hätte ihn irgendwie retten müssen.
Weir hockte sich plötzlich neben sie und legte ihr schüchtern eine Hand auf die Schulter. Die Berührung brannte wie Feuer.
„Wenn es möglich ist, werden wir ihn zurückholen, Vashtu. Und vielleicht können Sie dabei sogar mithelfen. Und jetzt sollten Sie auf Dr. Beckett hören und zur Krankenstation gehen. Oder möchten Sie lieber einen Rollstuhl?"
Die Antikerin erhob sich, verzog kurz das Gesicht. Dann nickte sie und folgte Beckett.

Eine Stunde später

Weir trat nachdenklich in die Krankenstation, winkte Beckett zu sich. Ein Stück entfernt sah sie die Antikerin auf einem der Untersuchungstische sitzen. Eine Krankenschwester war gerade damit beschäftigt, ihre oberflächlichen Wunden zu versorgen.
Wenn Vashtu Sheppard wirklich so ähnlich war, würden die Pflaster allerdings nicht sonderlich lange halten. Wahrscheinlich wartete sie nur darauf, von hier fortzukommen. Und wenn sie Sheppard ähnlich war, würde sie ...
„Elizabeth, gibt es Neuigkeiten?" Beckett war näher zu ihr gekommen.
Weir trat durch die Tür nach draußen auf den Gang und wartete, bis der Mediziner ihr folgte. „Bowman und Hornbach arbeiten an dem Problem. Beide sind sich ziemlich sicher, daß noch nicht alles verloren ist. Aber zunächst muß die Energieversorgung zum Tor wiederhergestellt werden", erklärte sie.
Beckett nickte. „Hornbach? Ach, dieser Neue. Er soll ein sehr guter Theoretiker sein, hörte ich."
Weir nickte. „Aber das ist nicht das, was mir Sorgen bereitet. Wie geht es Vashtu?"
„Ein paar Schrunden und Prellungen, nichts lebensgefährliches."
Weir nickte. „Sie waren nicht dabei, Carson, als sie im Torraum waren. Sheppard stürmte in seiner üblichen Art vor, und sie lief hinterher. Wenn sie nicht gewesen wäre ..." Sie schloß einen Moment den Mund. „Mir bereitet ihre Gentherapie Unbehagen. Sie war plötzlich weit kräftiger als jeder Mensch es je sein könnte. Was, wenn sie diese fremden Zellen in sich nicht richtig unter Kontrolle hat?"
Beckett nickte verständnisvoll. „Ich kann Sie beruhigen, Elizabeth. Ich nahm ihr noch einmal Blut ab. Bisher habe ich zwar nur einen oberflächlichen Blick darauf werfen können, aber es sieht völlig normal aus. Sie hatte mir ja bereits erklärt, daß sie die fremden Gene willentlich steuert und gerade darum für uns so normal wirkt."
Weir sah ihn an. „Und wenn etwas geschieht, das nicht geschehen sollte? Wenn sie diese Gene plötzlich nicht mehr steuern kann?"
„Sie trägt sie jetzt seit mehr als zehntausend Jahren. Ich glaube nicht, daß soetwas geschieht. Aber wenn es Sie beruhigt, werde ich ihre Proben miteinander vergleichen, ob es vielleicht zu irgendeiner Art Mutation gekommen ist", sagte Beckett lächelnd. Dann aber wurde er ernst. „Die andere Frage ist jetzt, wie sie vielleicht helfen kann. Sie hat sehr große Schuldgefühle, weil sie den Colonel losgelassen hat."
„Er ist abgerutscht. Sie versuchte noch nachzufassen, doch er war schon außerhalb ihrer Reichweite", berichtigte Weir.
„Sie sieht das ein wenig anders." Beckett lächelte wieder, wenn auch humorlos. „Sie hat Atlantis in den wenigen Wochen, die sie hier ist, ganz schön durcheinander gebracht. Und dann ist da immer noch der Colonel. Sie liebt ihn, wenn Sie mich fragen."
Weir zögerte mit einer Antwort. „Sie versucht, sich ins Team einzufügen. Die Frage allerdings lautet eher, kann Atlantis zwei John Sheppards verkraften." Sie erinnerte sich an eine kurze Szene, deren Zeugin sie vor kurzem gewesen war. „Auf der anderen Seite wird ihm einmal vor Augen geführt, wie er selbst ist. Das heißt, wenn ..."
„Sie werden schon eine Lösung finden", sagte Beckett im Brustton der Überzeugung. „Ob Vashtu dabei allerdings eine Hilfe sein wird, das weiß ich nicht. Sie brütet im Moment zu sehr, als daß da nicht noch etwas wäre. Meines Wissens hat sie zwar ein, für unsere Verhältnisse, sehr großes Allgemeinwissen, aber möglicherweise stößt diese Sache dann doch an ihre Grenzen."
Weirs Gesicht blieb ausdruckslos. Eigentlich war sie hierher gekommen, um die Antikerin um ihre Mithilfe zu bitten. Wenn diese sich aber mit der Wurmlochphysik nicht auskannte ...
„Wie geht es Rodney?" fragte sie.
Beckett zuckte mit den Schultern. „Er ist immer noch bewußtlos. Und leider kann ich Ihnen auch nicht sagen, wann er wieder zu sich kommen wird. Durch seinen Körper ist eine sehr hohe Ladung Strom geflossen. Das hätte ihn auch töten können."
Weir seufzte. „Danke, Carson. Kann ich jetzt mit Vashtu reden?"
Der Mediziner machte eine einladende Geste. „Gehen Sie nur hinein."
Vashtu war inzwischen versorgt. Um ihre Schultern lag ein Stützverband, der sie körperlich bei ihren Bewegungen störte. Ein paar Pflaster verdeckten die Schrammen. Als sie sich wieder das T-Shirt übergestreift hatte, das sie während des Unfalls getragen hatte, war ihr der Gedanke gekommen, Teyla zu besuchen, die seit ihrem Auftauchen hier in einem Bett der Krankenstation mit einem gebrochenen Knöchel lag.
Noch etwas, weswegen sie sich Vorwürfe machte. Sie hatte mit der Athosianerin reden wollen damals. Doch ihr vorheriges Auftreten hatte das Vertrauen selbstverständlich nicht unbedingt wachsen lassen. Immerhin hatte sie das Sicherheitsteam, das Sheppard damals angeführt hatte, bis auf Teyla und den Colonel zusammenschrumpfen lassen und die Soldaten einen nach dem anderen ausgeschaltet. Verletzt nicht, nein, nur bewußtlos geschlagen.
Vashtu erinnerte sich, wie sie Teyla damals gegenübergestanden hatte. Wie sie versuchte, auf die andere einzureden, ihr zu sagen, daß sie ihr kein Leid antun würde.
Teyla hatte gezögert, doch dann ...
Die Athosianerin war auf der Treppe ausgerutscht und hinuntergestürzt. Dabei hatte sie sich den Knöchel gebrochen. Vashtu wollte helfen, da kam dann Sheppard dazu und sie wurde gefangen genommen.
Jetzt setzte die Antikerin sich an das Bett der Kranken. Teyla lächelte sie an. Vashtu dagegen konnte dieses Lächeln nicht erwidern.
„Ich habe gehört, was geschehen ist", begann Teyla.
Vashtu blickte auf, senkte den Kopf aber gleich wieder.
„Sie sind eine Heldin", fuhr die Athosianerin fort.
Vashtu zog die Schultern hoch. „Haben Sie auch gehört, daß der Lt. Colonel ... ?" Sie brach ab.
Teylas Gesicht wurde ernst. „Ich bin sicher, Sie haben getan, was Sie konnten. Es gibt Dinge, die wir nicht beeinflussen können. Sich über solche Dinge Sorgen zu machen ist müßig und überflüssig. Ich bin sicher, es wird schon einen Weg geben."
Vashtu sah wieder auf, doch Teyla blickte sie nicht an. Ihre Augen schweiften ab und blieben an einem anderen Bett hängen. Dem Bett, in dem Dr. McKay lag. Sie schloß die Augen wieder.
„Waren alle Vorfahren wie Sie?" fragte Teyla leise.
Vashtu hielt die Augen weiter geschlossen, dachte nach. Nach einer Weile schüttelte sie den Kopf. „Die wenigsten, fürchte ich", antwortete sie, kreuzte die Arme vor der Brust, wobei der Verband um ihre Schultern unangenehm spannte. Dennoch krümmte sie sich zusammen, als könne sie so ihre Schuldgefühle abstreifen.
Sie fühlte Teylas Blick auf sich, doch weigerte sie sich immer noch, der anderen in die Augen zu sehen. Die Schuldgefühle nagten an ihr. Wenn sie Sheppard nur fester gepackt hätte. Wenn sie ihn irgendwie in den Kontrollraum hätte zurückbringen können, ehe der Schild versagte.
„Die Menschen von der Erde haben schon viele Probleme gemeistert", sagte Teyla in diesem Moment.
Das wußte Vashtu auch. Sie kannte jede einzelne Mission, die unternommen worden war. Alles hatte sie gelesen, sich immer wieder gefragt, ob und wie sie sich bemerkbar machen konnte. Den Menschen war es gelungen, Atlantis vor den Wraith zu schützen. Zwar um einen hohen Preis, aber es war ihnen geglückt.
Hätte sie nur nicht diesen unseligen Plan gefaßt! Hätte sie sich nur nicht so sehr auf John Sheppard versteift. Warum hatte sie das tun müssen? Warum war sie nicht einfach in ihre Stasiskammer zurückgekehrt und hatte auf das Ende gewartet?
Vashtu preßte die Lippen fest aufeinander.
Natürlich war es einfach zu behaupten, die Wraith-Gene in ihr hätten reagiert und sich ihrer Kontrolle entzogen. Doch so war es nicht gewesen. Sie hatte einen starken Fürsprecher gebraucht und gewußt, daß sie, eben durch die veränderten Erbinformationen, in Gefahr war, wenn sie sich an die Menschen wandte. Also hatte sie den Plan gefaßt, einen Anführer für sich einzunehmen. Mittels Pheromonen hatte sie Sheppard damals in den Gängen rund um ihr einstiges Labor benebelt. Immer wieder hatte sie Spuren gelegt, die er nicht bewußt wahrnahm, auf die er aber dennoch reagierte. Für die anderen mußte er danach wie von ihr besessen gewirkt haben. Es hatte sie selbst erschreckt, wie sehr er plötzlich von ihr abhängig zu sein schien. Und darum hatte sie ihre fremdartigen Duftstoffe bereits während der Quarantäne abgesetzt. Doch da war es schon geschehen und der Colonel konnte sich nicht mehr von ihr lösen. Bis zu der unseligen Mission, bei der sie am Steuer gesessen hatte.
„Vashtu?"
Sie zuckte zusammen, als sie aus ihren Gedanken gerissen wurde. Ihre Schultern brannten von der plötzlichen Bewegung.
„Es freut mich, Sie zu sehen, Dr. Weir", begrüßte Teyla die Expeditionsleiterin.
Vashtu blickte langsam auf, verzog das Gesicht, daß man vielleicht ein Lächeln in ihm lesen konnte.
Weir sah besorgt auf sie hinunter. „Es gibt Neuigkeiten. Ich dachte, das würde Sie interessieren."
Mit einem Ruck saß Vashtu aufrecht, ein kleiner Hoffnungsschimmer lag in ihren Augen. „Neuigkeiten?"
Weir nickte. „Es könnte sein, daß Colonel Sheppard vom Tor noch nicht abgestrahlt worden ist. Bowman ist sich ziemlich sicher, daß, wenn er das DHD wieder in Betrieb nehmen kann, er die Daten des Colonel finden wird." Sie lächelte. „Wie es aussieht, haben Sie genau im richtigen Moment das Tor abschalten können, Vashtu."
Der Mut der Antikerin sank. Sie zog die Brauen zusammen. „Seine Daten sind im Tor gespeichert?" Sie grübelte, ihr Blick glitt wieder ab.
Sie wußte, wie die Tore arbeiteten. Sie wußte auch, daß das betreffende Objekt erst durch das Wurmloch geschickt wurde, wenn es vollständig im Ereignishorizont verschwunden war. Aber ...
Ihr Mut sank. Sie hatte noch nie gehört, daß man diese Daten wieder abrufen konnte. Und selbst, wenn das möglich sein sollte, hätte sie keine Ahnung, wie.
„Das sind doch sehr gute Nachrichten", sagte Teyla.
Vashtu schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, ich werde Ihnen dabei nicht helfen können. Wenn ein Schaden an Tor oder DHD passiert wäre ... Aber die Speicher? Nein, ich weiß nicht, was man tun kann." Ihre Stimme klang dumpf.
Sie fühlte Weirs Blick auf sich, hörte dann ein Seufzen. „Dann sollten wir alle hoffen, daß Dr. McKay schnell wieder zu sich kommt. Er ist der einzige, der weiß, was zu tun ist."

Vor 10 000 Jahren

Vashtu schlich durch die Gänge, die Waffe nach vorn gerichtet und aufmerksam die Zeichen auf dem Detektor beobachtend. Das Dutzend Antiker, das ihr folgte, machte in ihren Ohren zu viel Lärm. Aber ändern würde sie es nicht mehr können.
Janus hatte auf den Rat eingewirkt, damit sie diese Mission durchführte. Und Vashtu war mehr als froh, einmal aus ihrem Gefängnis ausbrechen zu können. Einige wichtige Wissenschaftler waren von den Wraith gefangen genommen worden. Der Kapitän der Nehemus war ebenfalls unter ihnen, der einzige Militär in dem zusammengewürfelten Haufen.
Ahnak war es, dessentwegen sie losgeschickt worden war. Sie hatte gehört, seine Forschungen würden ihr Volk eines nicht mehr allzu fernen Tages in eine höhere Existenzebene führen. Eine Ebene, die ihr für immer verschlossen bleiben würde. Das war der Preis dafür, daß sie es fertigbrachte, sich zu wehren.
Aufmerksam betrachtete sie die Anzeigen, blieb dann stehen und gab ein Zeichen nach hinten weiter.
Die Gefangenen zu befreien war noch die leichteste Übung gewesen. Nicht umsonst hatte sie sich schon immer für Waffen und Nahkampf interessiert und irgendwann, nach ihrer Ankunft auf Atlantis, zu ihrer vorwiegenden Freizeitbeschäftigung gemacht. Enkil und sie waren als Kinder Stöcke schwingend durch die Gänge gerannt und hatten sich auf diese Weise sicher mehr als nur einen Feind geschaffen.
Vashtu riß sich mit aller Macht aus diesen Erinnerungen, spannte die Kiefer an. Acht Wraith standen zwischen ihr und dem Jumper. Acht, für sie allein nicht zu viel, aber sie hatte noch andere mit dabei.
Dies war ihre letzte Chance. Sollte sie versagen, würde sie für immer in dieses Kellerloch wandern, man würde ihr auch noch ihre Forschungen entziehen und sie sich selbst überlassen. Dem Rat war sie zu gefährlich, und das Beispiel Enkil war zu überzeugend gewesen.
„Wenn ich sage, daß Sie laufen sollen, laufen Sie, so schnell Sie können", zischte sie dem Kapitän zu. Der nickte, hob die Waffe.
Vashtu versteifte sich, nachdem sie den Detektor zurück in ihren Gürtel geschoben hatte.
Ehrlich gesagt war sie eine lausige Wissenschaftlerin. Nicht, daß sie nicht über das Wissen verfügte. Nur hielt sie es selten bei ihrer Arbeit. Es gab so viel anderes, und die Ruhe, die ihr Vater oder auch Enkil ausgestrahlt hatten, um diese konnte sie ihre Familie nur beneiden.
Wenn es ihr aber gelang, diese Lantianer zurück zu bringen, heil und unversehrt, dann würde sich vielleicht das eine oder andere ändern. Vielleicht würde der Rat dann endlich einsehen, daß sie keine Bedrohung war und sie laufen lassen, statt ihr die unwichtigsten Arbeiten vorzulegen und sie einzuschließen.
Vashtu sprang vor, senkte den Stunner, den sie erbeutet hatte und schoß. Einer der Wraith wurde herumgeschleudert und landete auf dem Boden. Zur Sicherheit drückte sie nochmal auf ihn ab, ließ den Lauf dann hochrucken und zog den Abzug durch.
Der Gang hinter ihr war frei, und sie hatte vor, die Wraith von den anderen abzulenken.
Sie sprang einen Schritt zurück, als sie bemerkte, daß ihre Gegner nun wirklich auf sie aufmerksam geworden waren, raste los. „Laufen Sie!" rief sie über die Schulter zurück, ehe sie um die Biegung rannte, Schwung nahm und hochsprang.
Augenblicklich aktivierten sich die Iratus-Zellen in ihr. Wie eine Spinne hing sie unter der Decke, die Waffe auf dem Boden unter ihr. Das würde den Wraith zu denken geben.
Und tatsächlich blieben die Verbliebenen etwas ratlos stehen.
Vashtu ließ sich zwischen sie fallen, landete auf den Schultern von einem und drückte mit einem Ruck seinen Kopf nach vorn und zur Seite. Sie konnte hören, wie sein Genick brach. Sie nutzte seinen Fall, um den nächsten anzuspringen, riß an dessen langem weißen Haar und zog ihn mit sich zu Boden. Sein Kopf krachte gegen ihr Knie, während sie schon nach seiner Waffe griff, blind den Abzug betätigte. Sie riß ihm den Lauf aus den Händen, schwang ihn herum und spießte den nun Waffenlosen auf, drückte rasch nacheinander einige Male ab, bis die Strahlen sich durch sein Rückgrad frassen und ein Loch in die Wand brannten.
Sie spürte den Schlag kommen, ehe der sie treffen konnte, warf sich flach auf den Boden und griff sich ihren Stunner, rollte sich herum und feuerte. Doch leider hatte sie den vierten Wraith unterschätzt. Dessen Stiefel knallte gegen ihre Schulter. Sie verriß den Schuß, der eine rauchschwarze Spur an die Decke malte.
Mühsam kam sie wieder auf die Beine, wich ungeschickt dem nächsten Schlag aus und stieß den Stunner vor.
Der Wraith schien sie anzustarren, auch wenn sie sein Gesicht, sollte er überhaupt eines haben, nicht sehen konnte. Er packte den Lauf, der sich in seinen Bauch bohrte, und riß ihn herum, daß sie meinte, ihre Arme würden ausgekugelt von der Gewalt.
Sie trudelte wenig elegant herum, fing sich wieder und setzte die Wraith-Waffe an ihre Schulter. Der Wraith kam auf sie zu. Ihre Augen wurden eng und sie drückte ab. Da traf sie ein Schlag in den Rücken.
Krachend landete sie an der Wand, fuhr so schnell wie möglich herum und schrie vor Schmerz auf, als ein weiterer Schlag den Arm traf, der die Waffe hielt. Beinahe öffneten sich ihre Finger. Sie biß die Zähne fest aufeinander und rammte dem Wraith den Lauf in den Bauch, um sofort abzudrücken. Wie eine Marionette wurde er nach hinten geschleudert, ein Loch in seiner Rüstung.
Ihr Arm blutete, ihre Schulter schmerzte und sie fühlte sich etwas benommen. Zeit zu verschwinden, ehe den anderen dreien auffallen würde, daß sie ...
Sie wirbelte herum und raste den Gang hinunter, um zu ihrem Jumper zu gelangen. Hoffentlich war es Kapitän Inniar und den Wissenschaftlern gelungen, sich bis dorthin durchzuschlagen. Die übrigen Wraith folgten ihr dichtauf, und das fremdartige Gewimmer des Alarms zerrte an ihren Nerven.
Sie hastete in den Hangar und schloß das von ihr manipulierte Schott. Das würde zumindest solange halten, bis sie hier raus waren.
Kapitän Inniar senkte seine Waffe und seufzte. „Da sind Sie ja endlich." Er musterte sie forschend.
Vashtu holte einige Male tief Luft, um wieder zu Atem zu kommen. „Alle da? Dann können wir fliegen." Sie lächelte siegessicher, ging zur Hecklucke des Jumpers. Doch dann blieb sie wie erstarrt stehen. Da fehlte jemand.
Sie fuhr zum Kapitän herum und starrte ihn entgeistert an. „Wo ist Vingor?"
Inniar zuckte mit den Schultern, wollte sich an ihr vorbeidrängen. „Zurückgeblieben. Wir sollten sehen, daß wir von hier verschwinden. Ändern können wir sowieso nichts mehr."
Seine Worte trafen sie tiefer, als er ahnte. Sie starrte ihn mit großen Augen an, dann griff sie nach ihrem Gürtel und holte den Detektor wieder hervor. Angestrengt starrte sie auf die kleine Anzeige, drehte sich immer wieder herum, bis sie glaubte, das Lebenszeichen des Wissenschaftlers ausfindig gemacht zu haben.
Sie ließ niemanden zurück, niemals!
Mit weiten, festen Schritten marschierte sie zu der verriegelten Tür zurück, griff nach dem Wraith-Stunner.
„Wo wollen Sie hin?"
„Bleiben Sie hier, solange Sie es verantworten können. Ich hole Vingor", antwortete sie.
„Ich befehle Ihnen ..."
Sie fuhr herum, starrte den Kapitän zornig an. „Ich lasse niemanden zurück!" Damit öffnete sie das Schott und schoß.
Der junge Wissenschaftler mußte noch in dem Gang sein, aus dem sie gekommen waren. Zumindest hatte der Detektor dort ein schwaches Signal angezeigt.
Wenn die Wraith sich schon an ihm genährt hatten ...
Vashtu biß sich auf die Lippen und trat in den Gang hinaus. Hinter ihr schloß sich die Tür.
Sie würde niemanden zurücklassen, niemals! Viel zu laut gelten noch die Schreie ihrer Mutter in ihr, viel zu sehr traf sie es immer noch, wenn sie sich daran erinnerte, wie diese damals vor ihren Augen immer älter geworden war.
Der Alarm lockte inzwischen andere Wraith hierher. Wenn sie sich nicht beeilte, würden auch die veränderten Gene nicht mehr allzu viel nützen.
Vashtu zielte, doch der Gang war momentan leer. Im Laufschritt bewegte sie sich zurück zu dem Quergang, rückwärts sprang sie dort hinein und sah sich um.
Der Gang war leer.
Fluchend griff sie nach dem Detektor, aktivierte ihn wieder und eilte los. Doch weit brauchte sie nicht, hinter der nächsten Ecke fand sie den Vermißten. Nur als jung würde sie ihn wohl nie mehr bezeichnen können.
Vashtu ließ sich auf ein Knie sinken, suchte seinen Puls. Sein Herz schlug noch, gut.
Schwach hob er den Kopf.
„Können Sie aufstehen?" fragte Vashtu.
„Ich ... ich weiß nicht", kam die geflüsterte Antwort.
Dann würde sie ihn wohl schleppen müssen. Sie griff nach ihm, um ihm beim Aufstehen zu helfen. In diesem Moment hörte sie das Zischen hinter sich. Ein Wraith.
Warum hatte sie nicht daran gedacht? Warum ... ?
Vashtu schaltete ihre Gedanken aus, fuhr herum und hob die Waffe. Doch als sie sie betätigte, passierte nichts!Der Wraith war fast über ihr. Sie riß die Waffe hoch, wollte sie ihm in den Körper rammen, doch auch dieses Mal war er schneller. Er schlug sie ihr aus den Händen.
Vashtu trat zu. Der Wraith torkelte zurück.
Sie hatte keine Ahnung, ob sie ihm überhaupt schmecken würde. Und, wenn es nach ihr ging, sie wollte das auch lieber nicht ausprobieren. Ihr war wichtiger, daß sie nahezu über die gleichen Reflexe und Kräfte verfügte. Sie konnte den Wraith schaden.
Er kam wieder näher, die Waffe lag hinter ihm.
Vashtu fluchte in Gedanken. Sie mußte auf seine rechte Hand achten. Und einfach zu töten würde er auch nicht sein, wahrscheinlich war er es gewesen, der sich an dem armen Vingor genährt hatte.
Sie stürzte sich auf den Wraith, und das wurde ihr beinahe zum Verhängnis. Sie hatte seine gesteigerten Kräfte unterschätzt. Er mußte mehr von dem Wissenschaftler genommen haben, als sie zunächst geglaubt hatte.
Seine Faust krachte in ihr Gesicht, daß sie dachte, Nase und Wangenknochen würden bersten. Die Wucht schleuderte sie herum und ließ sie taumeln.
Dann fühlte sie den mentalen Stich in ihrem Kopf. Doch gegen den konnte sie sich wappnen.
Entgegen der offensichtlichen Vermutung, nämlich daß sie sich vor Schmerz auf dem Boden krümmen würde, fuhr sie wieder herum und sprang dem Wraith mit einem wilden Knurren entgegen. Und dieses Mal gelang es ihr zumindest, einen Schlag zu plazieren, ehe sie selbst glaubte, ihr Magen würde perforiert werden durch den gewaltigen Fausthieb. Sie flog tatsächlich einige Schritte zurück, ihr Kopf knallte gegen die Wand. Benommen rutschte sie an dem halblebendigen Gewebe hinunter und blieb liegen.
Der Wraith kam näher.
Vashtu schmeckte Blut im Mund und stöhnte vor Schmerz, als sie sich bewegen wollte. Dann riß sie die Augen plötzlich weit auf. Ihre Hände packten zu, gerade als der Wraith seinen Saugmund auf ihren Brustkorb krallen wollte, um sich an ihr zu nähren.
Wenn er nur nicht so stark wäre!
Vashtu hielt seine Hand mühsam von sich ab, während ihre Gedanken rasten.
Irgendwie mußte sie aus dieser Lage heraus. Irgendwie mußte sie ...
Sie starrte mit einem kalten Lächeln zu dem Wraith hoch, der ihren Blick erwiderte. „Bist du nicht schon satt? Du solltest auf deine Figur achten." Blitzschnell zog sie die Beine an ihren Körper und rammte sie ihm in den Unterleib.
Der Wraith stolperte von ihr zurück.
So schnell wie möglich war sie wieder auf den Beinen.
Waffe, sie brauchte eine Waffe!
Ein Ganglauf!
Sie riß an dem ekelhaft warmen Material, das aus der Wand wuchs, während sie genau den Wraith im Auge behielt. Was sie jetzt auf keinen Fall gebrauchen konnte, war eine hinterhältige Attacke. Doch der Ganglauf hatte sich bereits gelockert, wahrscheinlich war sie selbst während ihre Sturzes dagegen geknallt.
Sie riß ihn ganz aus seiner Halterung und wirbelte herum.
Na bitte, das ging doch.
„Ich an deiner Stelle würde gehen", sagte sie, hob den Stock.
„Ich werde dir häppchenweise dein Leben aussaugen und mich an deinem Leid ergötzen!" zischte der Wraith.
Vashtu seufzte. „Wenn du meinst." Sie holte aus und schlug zu.
Der Wraith taumelte zurück, sein Gesicht drückte deutlichen Unglauben aus.
Vashtu kam näher, riß den Stock hoch, rammte ihn ihrem Gegner in den offenstehenden Rachen. Einige Zähne brachen ab und blieben in dem Material stecken. Der Fremdartige heulte auf vor Schmerz. Sie legte sich mit ihrem ganzen Gewicht auf den Stab, trieb ihn Stück um Stück weiter in den Rachen ihres Gegners. Um sich schlagend wurde der Wraith an die Wand genagelt und brüllte.
Sie wandte sich nun wieder dem Wissenschaftler zu. An seinem Gürtel sah sie eine der kleinen Handwaffen ihres Volkes, besser als nichts. Sie nahm die Waffe an sich und zog den ehemals jungen Mann hoch.
„Kommen Sie, es ist nicht weit."
Sie hatte keine Ahnung, wieviele Wraith inzwischen zwischen ihr und dem Jumper waren. Sie konnte im Moment nur das beste hoffen.
Und dieses Mal hatte sie zumindest etwas Glück. Es waren nur drei Wraith im Gang, und die hatten ihr den Rücken zugewandt.
Rasch drückte sie immer wieder ab und sah sie fallen. Es würde nicht lange dauern, doch es würde reichen.
Vingor trug sie inzwischen mehr als das sie ihn stützte. So schnell sie konnte kehrte sie, ihn schleppend, in den Hangar zurück und lief ... direkt in die Mündung einer Waffe. Polternd hörte sie die ihre auf dem Boden aufschlagen. Vor Überraschung hatte sich ihre Hand geöffnet.
„Lassen Sie ihn", befahl Inniar.
Vashtu zögerte einen Moment, dann ließ sie den sterbenden Körper des Wissenschaftlers los. Er sank wie Herbstlaub zu Boden.
„Und jetzt in den Jumper. Sie fliegen uns zurück in die Stadt."
Vashtu sah zu dem Sterbenden hinunter. „Aber ..."
„Ich werde dem Rat die Empfehlung geben, Sie einzusperren und den Schlüssel wegzuwerfen, Vashtu Uruhk." Er nickte zu Vingor hinunter. „Sie sind unberechenbar und haben meinen ausdrücklichen Befehl verweigert. Sie werden niemals wieder freikommen, dafür sorge ich. Einen Toten retten ..."
Sie blickte auf, ballte die Hände zu Fäusten. „Er ist nicht tot!"
Ein Energieblitz löste sich aus der Waffe und traf den sterbenden Wissenschaftler. „Jetzt schon."

Gegenwart

Vashtu riß die Augen auf. Augenblicklich flammte die Beleuchtung in ihrem Quartier auf , dimmte sich aber sofort wieder herab, als sie geblendet blinzelte.
Mit einem Stöhnen rappelte sie sich auf, rubbelte in ihren Haaren. Dann zog sie die Beine an, schlang ihre Arme um die Schenkel und stützte das Kinn auf ihre Knie.
Ein Traum, nur ein Traum.
Ein bitteres Lächeln umspielte ihre Lippen. Ein Traum, der tatsächlich geschehen war. Sie war auf diesem Wraith-Schiff gewesen, sie hatte diese Wissenschaftler gerettet. Kapitän Inniar ... das war eine andere Geschichte. Doch sie war damals froh über jede Art der Unterstützung gewesen. Er aber hatte sie nur benutzt.
Vor dem Rat war diese Rettungsaktion etwas anders dargestellt und sie als die Schuldige an dem Tod von Vingor genannt worden. Inniar war sogar soweit gegangen zu behaupten, sie hätte sich an dem Toten genährt.
Vashtu schloß die Augen.
Das war lange her, sehr lange. Weder Inniar noch einer der anderen lebte, zumindest hoffte sie das. Warum also hatte sie sich im Traum gerade an diese Mission erinnert?
Als sie ihre Augen wieder öffnete, blickte sie genau auf den Rücken des Buches, das Sheppard ihr in die Quarantäne gebracht hatte. Bisher hatte sie noch nicht weiterlesen können, und er wollte es noch nicht zurück. Sein Lesezeichen war noch sehr weit vorn plaziert gewesen.

L. Tolstoi - Krieg und Frieden

Vashtu starrte auf den Titel.
Sheppard saß im Speicher des Tores fest und sie hatte keine Ahnung, wie man ihn dort wieder herausholen konnte. Und er war dort hinein geraten, weil sie so dumm gewesen war und den Menschen von den Ladegeräten erzählt hatte, die ihr Volk damals benutzte, um genügend Energie für alles zur Verfügung zu haben.
Es war alles ihre Schuld!
Sie lehnte ihre Wange an die Knie und schloß die Augen wieder.
Sie wußte nicht, was zu tun war, sie war sich nicht einmal sicher, ob Dr. Weir nach dem zweimaligen Schlamasel überhaupt noch Wert auf die letzte Adresse legte. Wofür sollte das alles überhaupt gut sein?
John Sheppard ...
Sie war damals, wenn auch nur vorrübergehend, dem Militär unterstellt worden. Ein Militärangehöriger hatte ihr einen klaren Befehl gegeben, den sie vollkommen ignorierte, um Vingor zu retten. Einen jungen Wissenschaftler, der schon tot war, ehe sie überhaupt zu dieser waghalsigen Rettung aufgebrochen war.
Sie kannte zumindest Auszüge aus der Personalakte von Sheppard. Sie wußte, auch er hatte einen Befehl verweigert, in einer ähnlichen Situation. Nur sehr viel Glück - oder vielleicht die Vorsehung - hatten ihn hierher gebracht.
Plötzlich verstand sie.
Sie hatte sich an den Colonel gewandt, sie hatte ihn mit ihren Duftstoffen einfangen wollen, weil ihre Entscheidungen ähnlich waren. Sie selbst waren sich ähnlich. Immer wieder war ihr aufgefallen, daß sie nicht viele Worte machen mußten. Es genügte ein Blick, und der eine wußte, was der andere dachte.
Sie erinnerte sich noch an die waghalsige Jagd durch das Meteoritenfeld. Sheppard hatte ihr später vorgeworfen, sie hätte seine Befehle verweigert. Doch während des Fluges waren ihr nicht die Blicke entgangen, die Art, wie er ihre Bewegungen beobachtet hatte. Und sie war sicher gewesen, daß er ebenso wie sie gehandelt hätte, hätte er am Steuer des Jumpers gesessen.
Was dachte sie da? Das war unmöglich!
Doch eine kleine Stimme in ihrem Inneren wisperte ihr zu, daß es genau das war, was ihr aufgefallen war. Das war von Beginn an der Grund gewesen, warum sie so fasziniert von ihm gewesen war. Er ließ niemanden zurück, ebensowenig wie sie. Er setzte sein Leben aufs Spiel für andere, für Dinge, an die er glaubte - genau wie sie. Sie dachten gleich, oder fast gleich.
Er würde nie jemanden zurücklassen - sie würde das niemals tun ...
Und doch war sie gerade dabei, sich von ihm zu verabschieden. Sie suhlte sich in ihren Selbstvorwürfen, statt sich zusammenzureißen und etwas zu tun. Etwas, das ihm helfen konnte.
Vashtu hob mit einem Ruck den Kopf, schwang die Beine aus dem Bett und saß stocksteif da.
Was konnte sie tun? Wie konnte sie behilflich sein?
Sie konnte ... Die Datenbank! Sie konnte versuchen, die letzte Adresse ausfindig zu machen. Sie konnte die fehlenden Symbole suchen.
Das würde Sheppard nicht viel helfen. Aber wenn er zurückkehrte ...
Die Menschen hatten Schwierigkeiten mit der Technik ihres Volkes. Gut möglich, daß die Energiezufuhr noch immer gestört war. Immerhin hatte sie mit ziemlicher Kraft an den Kabeln gezerrt. Nun, wenn es darum ging, das konnte sie mit dem richtigen Werkzeug beheben. Wenn das Tor wieder offen war, konnte man ...
Nein, nicht solange Sheppard im Speicher festsaß. Irgendetwas sagte ihr, sie solle nicht einmal daran denken, das Tor anzuwählen, solange er noch darin war.
Aber hatte Dr. Weir nicht gesagt, Dr. McKay würde sich mit diesem Problem auskennen? Hatte sie nicht etwas von einem ähnlichen Vorfall auf der Erde erzählt?
Vashtu erhob sich, verzog kurz vor Schmerz das Gesicht, dann kleidete sie sich rasend schnell an.
Nein, Sheppard helfen konnte sie nicht. Aber sie konnte dafür sorgen, daß ihm geholfen wurde und alles bereit war, wenn er zurückkehrte!

Kurz darauf

In der Krankenstation herrschte nächtliche Ruhe und Stille. Gleichmäßige Atemgeräusche und das leise Summen einiger Apparaturen waren die einzigen Geräusche. Die Nachtschwester saß vorn, weit entfernt von den Betten, und las.
Vashtu hatte eines als erstes gelernt: sich so leise wie möglich zu bewegen. So war sie durch eine kleine Tür am anderen Ende der Räumlichkeiten eingetreten, stand jetzt vor McKays Bett und blickte auf ihn hinunter.
Was sie da tun wollte, war für ihr Volk zwar relativ selbstverständlich, doch sie hatte es schon lange nicht mehr getan. Seit sie sich selbst die fremden Gene injiziert hatte nicht mehr. Sie hoffte, die fremden Zellen würden sie nicht behindern oder ihm gar Schaden zufügen.
Sie zögerte noch einen Moment, dann trat sie näher an sein Bett heran und nahm seine Hand. Sie war eiskalt und trocken, doch sein Herz schlug.
Vashtu schloß die Augen und konzentrierte sich.
Teyla, die einen leichten Schlaf hatte, öffnete die Augen. Sie wußte im ersten Moment selbst nicht, was sie geweckt hatte, dann drehte sie den Kopf.
Die Ahnin, Vashtu, stand an McKays Bett, hatte seine Hand in ihre genommen. Ein sanftes Licht pulsierte zwischen den beiden Gestalten.
Teyla lächelte und drehte den Kopf wieder zurück.

Einige Zeit später

Vashtu betrat das Labor, in dem sie zusammen mit Dr. Zelenka und Dr. McKay gearbeitet hatte, als sie die Gate-Adressen der Ladegeräte hatten finden wollen. Von hier aus hatte sie noch immer vollen Zugriff auf den Hauptrechner, ohne daß jemand in der Kommandozentrale etwas bemerken würde.
Sie stellte sich vor den großen Bildschirm und gab ihre Befehle ein.
Augenblicklich erschien eine Abfrage, die sie beantwortete. Der Rechner lud die erforderlichen Daten herunter.
Vashtu trat an das Panel und begann, ihre Abfrage zu starten. Als sie wieder aufblickte, rasten Datenreihen über den Bildschirm.
Auch das hatte sie erledigt.

TBC ...

21.09.2009

Vashtu V

Eine Woche später

Das Gesicht auf beide Hände gestützt und müde starrte Vashtu auf den Bildschirm vor sich und überflog die Daten, die sie aus dem Hauptrechner abgerufen hatte. In ihrer Nähe stritten Zelenka und McKay sich über irgendein anderes Unterprogramm. Sie seufzte.
Sie wußte gar nicht mehr, wann sie das letzte Mal geschlafen hatte. Selbst in dem Quartier, das man ihr überlassen hatte, ging sie die Daten aus dem Hauptrechner durch. Dazu hatte sie sich einen der Laptops aus einem Lagerraum stibizt und auch den Umgang mit den Speichermedien der Menschen gelernt.
Weir hatte nicht alles verstanden, was Janus ihr gesagt hatte, erinnerte die Antikerin sich, doch zumindest einen Teil. Und ihr war klar gewesen, daß ihre Forschungsgruppe wahrscheinlich noch nie so nahe an der Entschlüsselung aller Daten war wie nie zuvor. Kurz darauf hatte die Expeditionsleiterin Vashtu in ihr Büro gebeten, wo bereits McKay und Zelenka warteten. Die Antikerin wurde gebeten, mit den beiden Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten. Ihr hatte dies zwar widerstrebt, doch auch ihr war klar, daß sie diese gewaltigen Datenmengen allein nicht würde bewältigen können.
Dieses Labor war ihnen zugeteilt worden, Vashtu selbst hatte die Daten aus dem Hauptcomputer hierher transferiert. Und seitdem suchten sie nach den Standorten der letzten beiden Ladegeräte. Da die Antikerin keine Ahnung hatte, wo genau sie suchen mußten, ging die Arbeit nur schleppend voran.
Vashtu seufzte wieder, scrollte weiter in dem Verzeichnisbaum.
Allmählich kamen ihr echte Zweifel, ob sie sich überhaupt auf dem richtigen Wege befanden. Sie konnte schon nicht mehr sagen, wieviele Dateien und Unterspeicher sie durchsucht hatte.
Die Schriftzeichen verschwammen vor ihren Augen. Sie lehnte sich zurück, um sich zu strecken und gähnte herzhaft.
Sheppard hatte sie in den letzten Tagen nicht zu Gesicht bekommen. Zwar hatte er ihr Nachrichten hinterlassen und sie wußte, daß er immer noch den Kontakt zu ihr suchte, aber sie hatte schlicht keine Zeit. Sie wollte ihrem neuen Volk helfen, sie wollte ein neues Leben führen, hier, auf Atlantis. Und sie würde diese verdammten Adressen finden!
Leicht angewidert griff sie nach der Tasse, trank naserümpfend einen Schluck von dem lauwarmen Kaffee. Sheppard hatte mit einem recht gehabt, dieses Zeug hielt wach, und das brauchte sie im Moment. Aber was den Geschmack betraf ... Ein Freund dieses Gebräus würde sie nie werden.
Ihr Blick fiel auf den Verzeichnisbaum, den sie aufgerufen hatte. Unwillkürlich erstarrte sie, beugte sich vor, bis ganz dicht vor den Bildschirm.
Sie mußte wirklich müde sein, daß sie das übersehen hatte!
Mit einem tiefen Atemzug öffnete sie das Programm. Die Anzeige des Bildschirm wechselte, Schriftzeichen und Zahlen erschienen, und Symbole.
„Ich habe es", flüsterte sie ungläubig, konnte die Augen einen Moment lang nicht von dem lösen, was sie da vor sich sah. Dann riß sie sich los, stellte die Tasse hart zurück auf den Schreibtisch.
„Ich habe es gefunden!" rief sie zu den beiden Wissenschaftlern hinüber.
Beide Männer erstarrten. McKay, der gerade dabei gewesen war, einen seiner ominösen Riegel zu verspeisen, vergaß das Kauen.
Vashtu leitete die Anzeige auf den großen Hauptschirm zurück, vor dem die beiden Männer standen, ehe sie sich erhob und zu ihnen trat.McKays Augen zuckten die Reihen der Schriftzeichen entlang, während er hektisch kaute.
Vashtu wies auf die mittlere der Gate-Adressen. „Hier, das ist die Adresse, die wir schon besucht haben. Jetzt haben wir auch eine Erklärung. Das Gerät sollte demnächst weggeschafft werden, weil ein Meteoritenhagel von außergewöhnlicher Schwere erwartet wurde. Offensichtlich aber hat man während der Evakuierung nicht mehr daran gedacht."
McKay hob die Hand. „Sie sagten, das Gerät wäre ständig eingeschaltet gewesen. Dann braucht ein Brocken nur in der Nähe eingeschlagen zu haben. Die geothermische Energie, die das Gerät speiste, dürfte den Rest erledigt haben."
Vashtu nickte.
McKay schnippte mit den Fingern, eine Angewohnheit, die sie schon des öfteren versucht hatte, ihn wieder anzufahren.
„Das bedeutet, falls eines der anderen Geräte an einem ebensolchen Platz gestanden hat, war die Suche vergeblich. Und das bedeutet ... Eine Menge. Wahrscheinlich sonderte es irgendeine Art von Strahlung ab, nicht wahr?"
Vashtu nickte, wies auf einen Absatz weit oben in der Datei. „Es wird erklärt. Wahrscheinlich sind die anderen Daten nur angefügt worden, um auf dem Laufenden zu sein. Sie würden es als harte Strahlung bezeichnen. Doch die stoßen die Geräte nur aus, wenn sie laden. Abgeschaltet werden konnten sie wegen ihrer Plasmabohrer nicht, sonst hätten sie zuviel Energie bei jedem Ladevorgang verbraucht. Doch sie schalteten ihren Energiebedarf hinunter, wurden sie nicht benötigt." Sie kreuzte die Arme vor der Brust, las aufmerksam noch einmal alles durch, was auf dem Bildschirm zu sehen war.
„Jetzt haben wir eine Antwort auf die Frage, warum die Antiker unbewohnte Monde und Planeten benutzten", sagte Zelenka.
„Das zweite Ladegerät war gerade erst installiert worden", murmelte Vashtu. „Vielleicht haben wir dort größere Chancen."
Gedanklich scrollte sie den Bildschirm hinunter ... und fühlte ihre Hochstimmung verfliegen.
McKay warf ihr einen neidischen Blick zu, konzentrierte sich dann aber ebenfalls auf das, was dort zu lesen war.
Die letzte Adresse ...
Vashtu fühlte ihren Mut sinken.
„Sieht nicht gut aus", stellte Zelenka fest.
Das konnte nicht sein!
Und doch sah sie es selbst.
Die Datei war in der Mitte der Gate-Adresse zerstört worden. Es fehlten die letzten zwei Symbole. Ob man sie schon zu ihrer Zeit gelöscht hatte, sie im Laufe der Zeit Schaden genommen hatte oder irgendjemand von der jetzigen Besatzung darin herumgepfuscht hatte, konnte sie nicht erkennen.
„Oh", war alles, was McKay von sich gab.
„Vielleicht läßt es sich wiederherstellen", mutmaßte Zelenka.
Vashtu starrte einfach nur auf die leere Stelle und fühlte, wie ihr Mut sank.

Zwei Tage später

Das Wurmloch baute sich vor ihnen auf. Vashtu fühlte einen kleinen Teilerfolg. Zumindest die Adresse existierte noch.
Leider hatten sie keine Hinweise darüber finden können, ob die Ladegeräte vom Weltraum aus zu erreichen waren oder die Gates auf Planetoiden standen. Nach einer langen Besprechung hatte Weir schließlich entschieden, sie sollten zunächst MALPs durch das Tor schicken, um nachzusehen. Sheppard und auch McKay schienen zwar nicht wirklich begeistert von dieser Idee, dennoch stand nun das kleine, fahrbare Gerät vor dem Wurmloch und wartete auf weitere Befehle.
Vashtu musterte das MALP interessiert, da sie soetwas nicht kannte. Doch sie begriff, wie wichtig es war. Eine kleine Kamera war an einem langen Arm befestigt. Auf diese Weise konnten sie feststellen, wo sie herauskommen würden.
„MALP bereit", meldete der zuständige Lieutanent. Die Antikerin beobachtete, wie der Roboter sich auf seinen sechs Rädern vorwärts bewegte, dann im Wurmloch verschwand.
Sie wandte sich dem Monitor zu, auf dem die ersten Bilder der Videokamera zu sehen sein würden.
Natürlich hatte man ihr erklärt, daß dieser Roboter noch mehr tun konnte als nur Bilder zu schicken, dennoch war sie neugierig.
„Noch keinen Kontakt", sagte der Lieutanent überflüssigerweise.
Vashtu wurde unruhig. Sie starrte auf den Bildschirm, als könne sie die ersehnten Bilder herbeizwingen.
Dieses Wurmloch war ihre letzte Chance. Sie glaubte nicht daran, daß sie jemals herausfinden würden, wie die vollständige Adresse für das letzte Gerät lautete. Die Möglichkeiten waren zu groß, selbst wenn man die Kombinationen ausließ, bei denen sich keine Verbindung bilden würde.
„Noch kein Kontakt."
„Das ist unmöglich!" ließ McKay sich vernehmen.
Vashtu starrte immer noch auf den leeren Bildschirm, Sheppard trat neben sie.
Noch immer kein Bild, keine wie auch immer gelagerten Daten. Nichts, der Bildschirm blieb leer.
„Und was, wenn es nicht klappt?" murmelte Sheppard.
Vashtu ließ sich keine Reaktion anmerken. „Dann werden wir einen möglichen letzten Kandidaten berechnen müssen."
Sheppard hob die Brauen, sagte aber nichts mehr. Er konnte sich ausrechnen, wie hoch die Chancen standen, daß sie auf diese Weise den richtigen Himmelskörper finden würden.
Vashtus Blick glitt vom Bildschirm ab, sie sah nach unten in den Torraum. Das Wurmloch war noch immer stabil. Wie eine glitzernde Wasserfläche stand es offen, schwappte sacht vor sich hin.
Und doch ...
Sie wußte selbst nicht wie und warum, aber plötzlich spürte sie etwas. „Kontakt sofort abbrechen!" Sie wirbelte herum.
Weir und Sheppard sahen sie verständnislos an.
„Wir haben Energieschwankungen", sagte plötzlich der zuständige Techniker.
„Wir müssen den Kontakt sofort abbrechen", beharrte die Antikerin.
Weir sah sie an. „Aber ..."
Ein Blitz zuckte in den Torraum hinein. Er kam aus dem Gate.
„Unterbrechen Sie die Verbindung", befahl Weir daraufhin.
Der Techniker nickte, gab den Befehl ein. Doch nichts geschah.
Alle Augen richteten sich auf das aktivierte Gate.
Vashtu fühlte sich wie in einem Alptraum gefangen. Immer wieder zuckten Blitze aus dem Tor hinaus, Elmsfeuer tanzten auf den Metallplatten vor dem Gate.
„Schalten Sie es ab!" rief sie.
Es war, als habe ein unglaublich starker Sog sie plötzlich erfaßt. Sie konnte sich kaum dagegen wehren. Sie wußte selbst nicht, was mit ihr vorging. Irgendetwas geschah auf der anderen Seite des Wurmlochs, und dieses etwas war ... Energie?
Vashtu taumelte zurück, gegen eine Konsole. Benommen schüttelte sie sich.
McKay hatte inzwischen die Kontrolle über das DHD übernommen, versuchte immer noch, das Wurmloch aufzulösen.
Vashtu wußte, daß soetwas normalerweise nicht passieren durfte. Die Gates funktionierten nur in eine Richtung, also könnten diese Energieentladungen nicht auf ihre Seite treffen, trotzdem taten sie es. Und sie konnten nichts dagegen tun.
Nichts?
Sheppard sah zu Vashtu hinüber. Er war besorgt. Sie reagierte irgendwie auf das, was im Torraum passierte. Sie hatte ein paar Minuten lang gewirkt, als würde sie gleich die Besinnung verlieren. Jetzt aber straffte sie sich plötzlich, ihr Blick war klar. Und dann flüsterte sie sich selbst etwas zu, zwei Wörter, doch er begriff.
„Manuelle Abschaltung."
Vashtu drehte sich um, suchte Weir. „Wir müssen das Gate manuell abschalten, vom Torraum aus", sagte sie dann mit fester Stimme. „Das heißt, ich muß es tun. Ich muß kurzzeitig die Kontrolle über Atlantis übernehmen. Einen anderen Weg gibt es nicht."
Weir sah die Antikerin an, schien eine Sekunde nachzudenken, dann nickte sie.
Doch Sheppard war schneller. Er hastete bereits die Treppe hinunter.
Soviel hatte er verstanden. Nur jemand mit Antiker-Genen konnte die manuelle Abschaltung vornehmen. Und er würde nicht zulassen, daß jemand anderer als er sich in Gefahr begab.
Ein eigenartiger Sog schien aus dem Tor zu kommen. Kurz zuvor war es McKay zumindest gelungen, den Schutzschild hochzufahren.
„John!"
Sheppard drehte sich nicht um. Atemlos sah er sich auf dem Vorplatz um.
Eine manuelle Abschaltung, gut, aber wo? Er hätte besser zuhören sollen.
Eine Hand riß ihn herum, und er starrte in Vashtus wütendes Gesicht. „Geh zurück, das ist zu gefährlich und du weißt nicht einmal, wo du suchen sollst!"
„Ich werde das allein machen. Sag mir, wo ich suchen soll. Geh du zurück", entgegnete er.
Vashtu schüttelte den Kopf, ihre Augen blitzten unter den zusammengezogenen Augenbrauen. Das schulterlange Haar umwehte ihr Gesicht.
Und in diesem Moment brach der Schutzschild zusammen.
Aus dem Sog wurde ein wahrer Orkan. Er riß beide auf der Treppe Stehenden in den Torraum hinein.
Sheppard versuchte sich festzuklammern, wo immer er konnte, dennoch wurde er immer weiter ans Tor herangezogen. Doch plötzlich packte ihn eine Hand und hielt ihn fest. Er blickte hoch.
Vashtu lag vor seinen Augen, mit weit ausgebreiteten Armen. Ihre eine Hand umkrallte eine halb herausgerissene Bodenplatte, mit der anderen hielt sie ihn fest. Sie öffnete den Mund, doch der Sog riß ihr die Worte von den Lippen.
Sheppard war sich jedoch auch so darüber im Klaren, was sie ihm mitteilen wollte. Er griff mit seiner freien Hand nach ihrem Arm, versuchte sich an sie zu klammern.
Die Bodenfliese wurde endgültig aus ihrer Verankerung gerissen, die beiden Leiber rutschten ein Stück näher an das Tor heran.
Es kostete sie fast übermenschliche Kräfte, ihre Wraith-Zellen zu aktivieren. Doch sie wußte, nur so hatten sie beide eine Chance, nicht in das Tor gezogen zu werden. Sheppard klammerte sich an sie, während sie sich mit den Fingernägeln in den schmalen Spalt zwischen zwei anderen Platten festhielt. Doch sie spürte auch, wie sein Handgelenk allmählich aus ihrem Griff rutschte.
„Halt dich fest!" schrie sie, versuchte das Getöse der Blitze und das Jaulen des Soges zu übertönen, streckte sich ihm noch mehr entgegen. Und tatsächlich gelang es ihm, sich an ihrem Arm noch einmal festzukrallen.
Ihre Fingerspitzen rutschten endlich unter die Platte, die gewaltigen Kräfte rissen an ihr, und die Tatsache, daß sie noch jemanden halten mußte, machte das ganze nicht leichter. Sie spürte, wie die Wraith-Zellen an Wirkung verloren, konzentrierte sich stärker auf sie und biß sich die Lippen blutig.
Sie würde ihn nicht loslassen! Nicht nach allem, was sie zu Anfang falsch gemacht hatte. Sie mußte das wieder gutmachen.
Vashtu starrte auf das geöffnete Tor. Wenn sie zumindest ein Funkgerät hätte. Vielleicht gelang es jemandem im Kontrollraum, den Schild noch einmal hochzufahren, Reserveenergien müßten noch vorhanden sein. Dann hätte sie zumindest eine Sekunde Zeit.
Die Platte gab immer mehr nach. Lange würde auch sie nicht mehr halten.
Sie konnte nicht beides, Sheppard festhalten und versuchen, das Tor abzuschalten. Sie brauchte beide Hände, um an die Kabel zu gelangen. Denn die Säule würde sie niemals erreichen. Ihr blieb nur der irrsinnige Weg, die Kabel zum Kontrollraum zu kappen und dem Sternentor auf diese Weise die Energie zu entziehen.
Mit Hilfe ihrer Wraith-Zellen versuchte sie, Sheppard näher zu sich zu ziehen, damit er sich an ihrem Körper festklammern konnte. Dabei rutschte erst seine linke, dann seine rechte Hand von ihr ab. Mit einem stummen Schrei wurde er von ihr weggerissen. Sie versuchte noch, ihn wieder festzuhalten, doch sie konnte ihn nicht mehr erreichen.
Vashtu wirbelte herum, die Wraith-Zellen in ihr erhielten noch einen zusätzlichen Impuls. Mit einer Hand riß sie die Bodenplatte vollständig heraus, während sie sich mit der anderen festklammerte. Dann griff sie in das entstandene Loch. Die Pupillen ihrer Augen wurden zu vertikalen Schlitzen.
Mit einem gewaltigen Schrei, der keiner auch nur menschenähnlichen Kehle entstammen konnte, riß sie die Kabel aus der Verkleidung heraus. Die glasfaserähnlichen Stränge konnten die Gewalt ihres Griffes nicht aushalten und zerrissen.
Und im Kontrollraum überlud das DHD, gerade als McKay zum zigsten Mal versuchte, das Tor von dort aus abzuschalten. Der Wissenschaftler wurde von dem Energiestoß getroffen und zurückgeschleudert. Bewußtlos blieb er auf dem Boden liegen.
Stille senkte sich über Tor- und Kontrollraum. Atem- und fassungslos starrten die Anwesenden auf das Gate.
Dort unten lag eine Gestalt platt auf dem Bauch, richtete sich jetzt zögernd auf und blickte zum deaktivierten Tor. Dann drehte Vashtu sich um und sah hoch zu den Fenstern des Kontrollraums.
John Sheppard war verschwunden.

TBC ...

17.09.2009

Vashtu IV

Author's Note: Sorry, momentan bin ich beruflich ziemlich eingespannt dadurch, daß ich quasi zwei Jobs nebeneinander mache und beim ersten noch mit den letzten Resten der Urlaubszeit (Vertretung wenn Not am Mann/Frau) zu kämpfen habe. Ich versuche, so regelmäßig wie möglich zu posten.


Einen Tag später

Weir betrat die Kommandozentrale, gerade als der Puddlejumper in den Torraum schwebte.
„Jumper 13 bereit", meldete eine weibliche Stimme über Funk.
Weir stutzte, lächelte dann. Sie trat an das Panel und fragte: „Na, Colonel, heute nicht Sie selbst am Steuer?"
Vashtu warf dem neben sich sitzenden Sheppard einen amüsierten Blick zu, doch der starrte nur dumpf aus dem Frontfenster.
„Heute nicht", antwortete sie für ihn, „er hat eine Wette verloren."
Weir im Kontrollraum nickte lächelnd. „Dann viel Glück. Und bringen Sie alle heil wieder zurück Vashtu." Sie beobachtete, wie der Puddlejumper im Tor verschwand, sich das Wurmloch kurz darauf auflöste.
Die Maschine nahm auf der anderen Seite des Tores Fahrt auf, die Antriebsdüsen fuhren aus. Ein kleiner, vorbeifliegender Meteorit, von der Größe eines Kiesels, schlug auf der Unterseite des Rumpfes ein. Dies jedoch bemerkte keiner der Insassen, da ein größerer Brocken rumpelnd über die Seite des Gleiters schrammte. Auch entging es ihnen, daß der erste die Außenhaut genug eindellte, daß sich im Inneren einige Kabel endgültig lösten, die schon vorher nur noch sehr lose in ihrer Verbindung gesteckt hatten.
„Geh in den Tarnmodus, für alle Fälle." Das war tatsächlich das erste, was Sheppard zu sagen hatte, seit er hatte mitansehen müssen, wie Vashtu sich auf den Pilotensitz niedergelassen hatte.
Natürlich traute er ihr das Fliegen zu. Sie hatte ihm ja erst vor kurzem gezeigt, zu was sie fähig war. Dennoch empfand er es als seine ureigenste Pflicht, die Gleiter selbst zu fliegen. Sein Pech, daß Weir ihn bei dieser kleinen Schummelei erwischt hatte.
Eine Klappe an der Seite öffnete sich, ein kurzer Arm ließ eine Apparatur herausschnellen.
Sheppard hob die Brauen.
„Wir können ihn brauchen, falls sich der Standort des Ladegerätes verschoben haben sollte", erklärte Vashtu, ließ das Gerät, einen Lebenszeichendetektor wie seinen, in ihre Brusttasche gleiten.
„Halten Sie es nicht für sehr gefährlich, daß nicht Sie am Steuer sitzen, Colonel?" fragte McKay.
Sheppard drehte sich zu seinem einzig verbliebenen Teammitglied um, bedachte ihn mit einem langen Blick. „Nein."
„John?"
Er wandte sich wieder nach vorn, betrachtete die, auf der Frontscheibe erschienene Darstellung. Ein Punkt, der rasch näherkam, blinkte.
„Könnte ein Wraith-Aufklärer sein."
Im nächsten Moment änderte sich die Anzeige. Sheppard war überrascht. Er konnte tatsächlich den Jäger sehen, der rasch auf sie zuhielt.
„Stimmt." Vashtus Stimme klang ausdruckslos.
„Er kann uns nicht wahrnehmen, solange wir im Tarnmodus sind. Flieg einfach weiter. Falls er uns zu nahe kommt, können wir immer noch ausweichen." Er beschloß, sie ein wenig leiden zu lassen. Auf keinen Fall wollte er jetzt und hier zugeben, daß er dieses Unterprogramm nicht kannte.
„Das ist wirklich interessant. Ich wußte gar nicht, daß man ranzoomen kann." McKays Stimme klang das erste Mal wirklich interessiert. Er sah über Vashtus Schulter hinweg, wie der Jäger immer näher kam.
Jetzt konnte man das Schiff auch mit bloßem Auge sehen.
„Könntest du die Waffensysteme übernehmen?" fragte Vashtu. „Nur für alle Fälle."
Sheppard, der sich wieder ertappt fühlte, nickte, konzentrierte sich kurz.
Augenblicklich teilte sich die Darstellung auf der Frontscheibe. Jetzt war er wirklich verblüfft.
Auf seiner Seite sah er die taktische Anzeige, konnte die Drohnen überprüfen und losschicken. Vashtus Seite dagegen zeigte immer noch eine schematische Darstellung ihres Kurses.
„Cool!"
„Er kommt immer näher. Willst du ihn abschießen?" Vashtu warf ihm einen Blick zu, den er erwiderte, gerade zu einer Antwort ansetzen wollte.
Da zuckte direkt vor ihrem Bug ein heller Lichtblitz auf.
Beide Augenpaare weiteten sich.
„Der Tarnmodus ..." flüsterte Sheppard.
„... ist zugeschaltet", ergänzte Vashtu. In ihrem Gesicht war mindestens ebenso große Überraschung zu sehen wie in seinem.
„Was ist das für eine Meldung?" rief McKay über ihre Schulter hinweg.
Ein weiterer Lichtblitz.
Wie in Zeitlupe drehten die beiden Piloten sich wieder nach vorn. Und beide sahen die Schriftzeichen, die rhythmisch rot aufleuchteten und sich über den gesamten Schirm zogen. Und dahinter, überlebensgroß wirkend, den Wraith-Jäger.
„Fehlfunktion!"
Sheppard war es, als könne er den anderen Piloten sehen, obgleich das unmöglich war. Die Energiewände eines Wraith-Jägers waren lichtundurchdringlich.
Vashtu reagierte als erste. Ehe der Jäger noch einmal schoß - und dieses Mal wahrscheinlich wirklich getroffen hätte, so dicht war er ihnen inzwischen gekommen - riß sie den Jumper herum und beschleunigte.
Sheppard konzentrierte sich wieder auf die Waffensysteme. Wenn er eine Drohne abschoß, könnte er den Wraith vielleicht mit einem Schlag eleminieren.
Die intelligente Antiker-Waffe löste sich tatsächlich aus ihrer Halterung, doch sie schoß nach vorn, statt nach hinten, traf einen umhertrudelnden Asteroiden.
„Auf den Wraith zielen. Um alles andere kümmere ich mich", knurrte Vashtu.
Der Jäger hatte ihre Verfolgung aufgenommen, raste hinter ihnen her.
„Vielleicht sollte der Colonel jetzt doch besser das Steuer übernehmen", schlug McKay vor.
„Keine Zeit." Sheppard sah ein kleines rotes Licht auf seiner Waffenanzeige blinken.
Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Er konzentrierte sich darauf, erhielt eine weitere Meldung. Etwas mühsam las er sie sich durch und fühlte sein Herz einen Schlag aussetzen.
„Die Steuerung der Drohnen ist gestört, wie unsere Tarnung. Du mußtest ja auch unbedingt die 13 nehmen!"
Vashtu flog ein waghalsiges Manöver nach dem anderen, um dem ständigen Beschuß des Jägers auszuweichen. Sie hielt sich sehr gut, wenn Sheppard auch noch etwas anderes auf den Anzeigen lesen konnte.
„Du überhitzt die Triebwerke."
„Sie sollten das Steuer übernehmen, Sheppard", ließ McKay sich wieder vernehmen.
Vashtu jagte den Jäger weiter. „Funktioniert die Steuerung gar nicht mehr?"
„Colonel!"
„Keine Zeit, Rodney." Sheppard konzentrierte sich auf das, was er draußen sah.
Die Meteoriten nahmen immer mehr zu, die Bahn, die Vashtu flog, war einfach irrsinnig. Und vor ihnen ... Da tauchte etwas noch finsteres aus der Dunkelheit des Alls auf.
„Sir? Kann ich etwas tun?" ließ Johnson sich nun vernehmen.
„Sitzenbleiben und Klappe halten, alle beide." Wie aus einem Mund kam diese Anweisung aus zwei Kehlen.
Sie gewannen ein wenig Abstand zu dem Jäger. Der schoß immer noch auf sie, doch seine Strahlenwaffen verdampften nur auf ihrem Weg trudelnde Asteroiden, gaben ihnen damit etwas mehr Raum.
Sheppard mühte sich durch die Statusberichte des Jumpers, um den Fehler im System der Drohnen zu finden.
„Wir sind fast da. Vielleicht kann ich ein bißchen Abstand zwischen uns und den Wraith gewinnen. Viel nutzen wird es uns allerdings nicht", sagte Vashtu. Für eine Sekunde sah sie zu ihm hinüber, ehe sie sich wieder auf ihren waghalsigen Flug konzentrierte.
Sheppard fand endlich die richtige Meldung. „Die Steuerung läßt nur einen Geradeausflug der Drohnen zu." Frustriert lehnte er sich zurück, starrte aus dem Frontfenster.
So hatte er die Jumper noch nie geflogen. Er war sich nicht einmal sicher gewesen, ob das überhaupt möglich war.
Vashtu steuerte die Maschine auf den riesigen, finsteren Planeten zu, nutzte dabei jede Deckung, die sie finden konnte. „Es muß schnell gehen", sagte sie dabei, „erst einmal lassen wir die Scanner laufen, um herauszufinden, ob das Gerät überhaupt noch da ist, soweit auch der ursprüngliche Plan. Dann nehmen wir uns den Wraith vor, kehren zum Mond zurück und holen es. Wie hört sich das an?"
Sheppard nickte. „Hört sich vernünftig an, wenn du ihn uns solange vom Hals halten kannst, wie wir zum Scannen brauchen. Und ich benötige eine gute Zielvorgabe. Du mußt dich irgendwie hinter ihn bringen."
„Colonel, wir sollten nach Atlantis zurückkehren", entgegnete McKay. „Alles andere ist Wahnwitz."
Vashtu und Sheppard tauschten einen Blick.
Der Jumper flog um den Planeten herum, tauchte unter dessen Pol hindurch, den Wraith weit hinter sich gelassen. Doch was sie erwartete, war nicht, was sie gehofft hatten.
Vashtu ließ die Kontrollen los, starrte fassungslos auf das Bild, das sich ihnen bot.
Sheppard beugte sich vor, auf der Suche nach etwas, was nicht da war. Dann ging ihm allmählich etwas auf.
„Das kann nicht sein!" Vashtu schüttelte den Kopf, starrte auf das Trümmerfeld, das sich vor ihnen erstreckte. Vor zehntausend Jahren hatte es hier noch einen Mond gegeben. Einen Mond mit einem ZPM-Ladegerät.
„Aldebaran. Hier sollte Aldebaran sein", murmelte Sheppard, erntete einen halb fassungslosen, halb fragenden Blick und winkte ab. „Ich erklär's dir später."
Die Wucht der Explosion hatte sogar den Planeten getroffen. Ein gewaltiger Krater war in ihn geschlagen worden. Die Trümmer von Mond und dazugehörigem Planeten hatten sich im weiten Umkreis um letzteren in verschiedenen Umlaufbahnen gesammelt. Ein riesiges Gesteinsfeld umgab den Himmelskörper.
Sheppard konnte beinahe fühlen, wie Vashtu resignierte, und er konnte es nachvollziehen. Auch er hatte damit gerechnet, hier das Gerät vorzufinden und damit aller Energiesorgen für die Zukunft ledig zu sein.
„Laß mich ans Steuer. Ich fliege uns zurück", sagte er.
In diesem Moment nahm der Wraith-Jäger sie wieder unter Beschuß. Er kam von oben, schoß eine Salve nach der nächsten ab.
Vashtu reagierte instinktiv, ließ den Jumper absinken und zur Seite kippen. Dann beschleunigte sie wieder, hielt auf den Planeten zu.
Sheppard ließ sich in seinen Sitz zurücksinken, konzentrierte sich wieder auf die Waffensysteme, behielt aber auch ihren Kurs im Auge.
Vashtu fing den Jumper ab, brachte ihn in eine niedrige Umlaufbahn und raste über den Planeten hinweg. Nichts als tiefschwarz verbranntes Gestein starrte zu ihnen hoch.
„Wenn ich es schaffe, uns hinter ihn zu bringen, denkst du, du kannst ihn abschießen?" Sie schien sich schon wieder gefangen zu haben. Mit ernstem, konzentrierten Gesicht starrte sie auf die Anzeigen.
„Ich denke schon." Sheppard nickte.
„Sollten wir nicht zum Stargate zurück? Hier ist doch sowieso nichts mehr zu finden", schlug McKay vor.
„Wenn wir ihn nicht abschießen, schaffen wir es nicht bis zum Gate zurück", antwortete Vashtu. Mit einer winzigen Bewegung ließ sie den Jumper aus seiner Umlaufbahn aufsteigen. Der Jäger war immer noch hinter ihnen, schoß Salve auf Salve auf sie ab.
Sheppard ahnte, was sie vorhatte, machte sich bereit und aktivierte in Gedanken bereits eine Drohne.
Und tatsächlich nahm Vashtu urplötzlich den Schub weg. Sie sahen den Jäger, wie er im geringen Abstand über ihnen hinwegschoß, dann nahm sie die Verfolgung auf. Sheppard ließ die Drohne vorschießen. Doch ein Trümmerstück lag auf dem berechneten Kurs, die Drohne explodierte ohne Schaden anzurichten.
In einer engen Kurve setzte der Wraith sich wieder hinter sie.
Vashtu fluchte in einer fremden Sprache, riß das Steuer hart herum.
Besorgt beobachtete Sheppard wieder die Anzeigen. Inzwischen waren mehrere von ihnen bereits in den gelben Bereich gerutscht.
Dann ging ihm plötzlich auf, wohin ihr Kurs sie führen würde.
„Nicht in das Meteoritenfeld!"
Doch zu spät, Vashtu heizte den Jumper mitten in die vermeintlichen Mondtrümmer. Im halsbrecherischen Tempo rasten sie durch die träge dahintreibenen Gesteinsbrocken.
„Wähl das Tor an, wenn ich es sage." Ihre Stimme klang hart.
Sheppard starrte nach draußen. Noch immer war der Wraith dicht hinter ihnen.
Vashtu riß plötzlich den Jumper hoch, flog einen so engen Looping, daß Sheppard ihn nie für möglich gehalten hätte. Zum Glück gab es hier weniger Trümmer. Dafür konnte er jetzt hören, wie kleine Meteoriten auf die Außenhaut trafen.
Er schoß wieder, als er glaubte, in der richtigen Position zu sein. Die Drohne zischte dicht an dem Jäger vorbei und verpuffte an einem weiteren Gesteinsstück.
„Das ist Irrsinn!"
Vashtu raste weiter, mitten durch ein dichtes Feld von Asteroiden hindurch, den Wraith dicht auf den Fersen.
Sheppard atmete tief ein. „Du kommst zu schnell rein. Das kann der Autopilot niemals schaffen!"
„Jetzt!"
„Du bist zu schnell!"
„Wähl das verdammte Tor an!"
Vashtu beschleunigte weiter.
Sheppard sah das Stargate am Horizont auftauchen. Er preßte die Kiefer fest aufeinander und begann mit dem Wahlvorgang.
Der Jumper pendelte von einer Seite auf die andere. Kurz schrammte ein größeres Stück Gestein über eines der Triebwerke.
„Atlantis, Sheppard hier. Könnte etwas ungemütlich werden", meldete er über Funk. Dann fiel sein Blick auf die Anzeigen. Er erbleichte.
Die Anzeige für die Triebwerke leuchtete in einem tiefen Rot, und die Trägheitsdämpfung überschritt gerade den Übergang.
„Du bringst uns um!"
Vashtu schüttelte unwillig den Kopf. Ihr Blick war voll konzentriert auf das Gate gerichtet, und noch immer beschleunigte sie. Allerdings hatte sie jetzt ihre Ausweichmanöver eingestellt. Ein Energiestrahl des Wraith streifte den Jumper, ließ das kleine Schiff aufstöhnen.
„Noch so einen Treffer überstehen wir nicht", rief McKay. „Holen Sie endlich diese Verrückte vom Steuer, Sheppard!"
Das Tor raste auf sie zu. Am Rande registrierte Sheppard, daß er plötzlich nicht mehr die Kontrolle über die Waffen hatte, doch er kam nicht mehr dazu, sich zu fragen, was das zu bedeuten hatte. Jeden Moment mußte der Autopilot die letzten Meter zum Gate übernehmen.
Und genau in diesem Moment schaltete Vashtu die Triebwerke ganz ab und ruckte den Schalthebel zur Seite. Wie ein irdisches Fahrzeug riß es den Jumper herum, und Sheppard fühlte, wie er gegen die Seite gedrückt wurde. Die Trägheitsdämpfer funktionierten zwar noch, doch diese Wucht konnten selbst sie nicht aufhalten.
Das Tor verschwand aus seinem Blickfeld, statt dessen tauchte der Wraith-Jäger vor ihnen auf. Und in diesem Moment schoß eine Drohne an der Seite hervor. Der Jumper ruckte nach hinten, in das Feld des Autopiloten hinein und übernahm die Steuerung. Rückwärts glitt der kleine Gleiter in das Tor hinein.
Das letzte, was Sheppard sah, ehe sie in das Wurmloch gezogen wurden, war der explodierende Wraith-Jäger.

Plötzlich war es absolut still in der Kommandozentrale, alle Augen richteten sich auf die großen Fenster.
Weir, die sich gerade mit einem der Techniker unterhalten hatte, drehte sich um und sah den Puddlejumper mit der Nummer 13 an der Seite, wie er gerade noch im Torraum schwebte, sacht nach oben gezogen wurde. Der Gleiter schwebte falsch herum, mit dem Heck zur Treppe, als wolle er gerade abreisen und würde nicht ankommen. Beulen und Schrammen zierten die Außenhülle und an der Heckklappe befand sich ein häßlicher schwarzer Streifen.
„Wie ist der denn angekommen?" fragte endlich einer der Techniker.
Weir schüttelte ungläubig den Kopf. Sie traute Sheppard ja eine Menge zu, aber ... Da fiel ihr ein, als Jumper 13 losgeflogen war, hatte Vashtu am Steuer gesessen. Sollte die Antikerin etwa ... ?
Weir kümmerte sich nicht mehr um ihren vorhergehenden Gesprächspartner, marschierte los zur Treppe, um in den Hangar zu kommen.Kurz darauf betrat sie die Puddlejumper-Base und konnte beobachten, wie die Nummer 13 sanft landete. Auch hier standen einige Mechaniker ungläubig staunend und betrachteten das verbeulte Chassis. Mit einem widerstrebenden Stöhnen öffnete sich die Hecklucke und Johnson stürzte mit leichenblassem Gesicht heraus, beide Hände vor den Mund geschlagen. Weir konnte kurz darauf seine Würgelaute hören.
Was war passiert?
Als nächster verließ ein ebenfalls ziemlich blasser McKay den Jumper, aus dem jetzt zwei laute Stimmen zu hören waren. Weir trat näher.
„Was ist passiert?"
McKay sah sie leidend an, hielt sich den Magen. Dann kniff er die Lippen aufeinander und versuchte sich aufzurichten. „So eine Sheppard-Sache", antwortete er, nickte zurück. „Allerdings von der Antikerin."
Sheppard-Sache?
Weir lugte in den Jumper, sah die beiden Gestalten, wie sie sich gegenüberstanden.
„... Befehl gebe!" bellte Sheppards Stimme.
McKay winkte ab und ging.
Weir runzelte die Stirn und betrat zögernd den Jumper.
„Das nächste Mal lasse ich uns von dem Wraith atomisieren, wenn du so darauf bestehst!" Vashtu.
Die Leiterin der Expedition trat in den Durchgang zum Cockpit. Sheppard und die Antikerin standen sich in dem engen Raum gegenüber, beide die Arme vor der Brust gekreuzt, und blitzten sich wütend an.
„Ich habe gesagt, du sollst nicht in das Meteoritenfeld fliegen. Und was tust du? Natürlich fliegst du mitten rein." Sheppard reckte wütend den Hals.
„Wohin hätte ich denn sonst fliegen sollen? Dort hatten wir zumindest etwas Deckung. Außerdem war nicht ich es, die die Drohnen in die Felsen gejagt hat", gab Vashtu zurück.
„Wenn du Mitglied meines Teams sein willst, hast du dich meinen Befehlen zu fügen und nicht irgendwelche irrsinnigen Stunts aufzuführen. Was hast du dir davon versprochen? Das hätte das Gerät auch nicht zurückgebracht. Wir wären beinahe draufgegangen, falls dir das entgangen sein sollte!"
Vashtus Augen weiteten sich. Nun reckte auch sie den Hals, funkelte den, fast um einen Kopf größeren Sheppard an. „Ich weiß, wieviel die Jumper aushalten, John, ich bin sie oft genug geflogen. Ich wußte, was ich tue. Du hättest früher einwählen können, denn um alles konnte ich mich auch nicht kümmern!" Sie neigte leicht den Kopf, schob den Unterkiefer vor. „Und was heißt hier Mitglied deines Teams? Du wolltest mich doch dabei haben. Du hast mich doch gar nicht gefragt!"
„Du warst damit einverstanden!"
„Weil ich helfen wollte!"
„Danke, aber das nächste Mal brauchen wir deine Hilfe nicht!"
„Ihr würdet sie auch nicht bekommen!"
„Was geht hier vor?" mischte Weir sich ein.
Sheppard straffte sich, drehte sich, betont kontrolliert, zu ihr um. „Elizabeth, schön Sie zu sehen."
Weir sah forschend von einem zum anderen. „Sie hatten eine etwas ... ungewöhnliche Landung, wie ich mitansehen durfte. Woran lag das?"
Sheppards Kiefer mahlten. „Ein Wraith-Aufklärer war hinter uns her. Der Tarnmodus hat versagt und die Drohnen ließen sich nicht richtig steuern. Und was die Landung angeht ... Beinahe wäre sie schiefgegangen!" Wütend funkelte er die Antikerin an.
„Es war knapp, ja, aber schiefgegangen wäre sie nicht. Ich wollte den Wraith erledigen, da du das ja nicht geschafft hast", gab Vashtu zurück.
Weir hob eine Hand. „Dann darf ich wohl davon ausgehen, daß Sie das Ladegerät nicht mitgebracht haben?"
Beide schüttelten die Köpfe.
„Der Mond, auf dem es sich befunden hat, existiert nicht mehr", antwortete Vashtu zögernd.
Weir nickte nachdenklich.
„Wahrscheinlich habt ihr ihn auch noch in die Luft gejagt", knurrte Sheppard.
„Das ist ..."
„Das haben wir alle nicht gehört, Colonel", fiel Weir der Antikerin ins Wort, nickte ihr dann zu. „Vashtu, ich möchte, daß Sie sich zum Hauptcomputer begeben und dort nach den anderen beiden Geräten forschen. Colonel Sheppard, mit Ihnen möchte ich noch ein paar Worte wechseln."
Vashtu zögerte plötzlich, senkte betreten den Kopf.
Weir stutzte. „Stimmt etwas nicht?" fragte sie.
Die Antikerin nagte unsicher an ihrer Unterlippe. „Ich ... ich bin mir nicht sicher, ob ..." Sie stockte, straffte die Schultern und blickte auf. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt eine Zugriffsberechtigung habe. Gut möglich, daß der Rat meine Daten gelöscht hat."
„Was? Und das sagst du erst jetzt?" Sheppard schien, wie ein zorniger Raubvogel, über die kleinere Frau herfallen zu wollen. „Das setzt dem ganzen ja jetzt wirklich noch die Krone auf! Du weißt nicht, ob du in den Hauptcomputer überhaupt reinkommst und erzählst uns von den Dingern? Und dann setzt du uns fast noch in einen riesigen Felsbrocken? Hast du den Verstand verloren?"
Vashtu riß ihren Kopf herum und starrte ihn voller Wut an. „Ich dachte, das Gerät existiert noch, Lt. Colonel, sonst hätte ich nichts davon erzählt. Konnte ich denn ahnen, daß der Mond durch irgendetwas vernichtet wird?"
Sheppard hob die Hände und rang sie. Eine Vene an seinem Hals trat hervor vor unterdrückter Wut.
„Wir werden eine Lösung finden", versuchte Weir die beiden zu beruhigen. „Gehen Sie jetzt bitte, Vashtu. Melden Sie sich auf dem Kommandoposten. Vielleicht ..." Den Rest des Satzes ließ sie offen.
Die Antikerin starrte den Lt. Colonel noch einen Moment lang haßerfüllt an, dann ging sie hocherhobenen Hauptes an Weir vorbei und verließ den Jumper.
Sheppard sah ihr mit wütend zusammengezogenen Brauen nach.
Weir wandte sich wieder ihrem militärischem Leiter zu. „Und jetzt, Colonel, beruhigen Sie sich bitte und erzählen Sie mir, was da draußen passiert ist."

Vashtu zögerte, während Smithers ihr Platz am Hauptrechner schuf.
Sie wußte nicht, was passieren konnte, sollten ihre Daten tatsächlich gelöscht oder schlimmeres sein. Sie hatte keine Ahnung, ob man nicht doch noch eine Gefahr in ihr sah, daß man ihr damals sogar zugetraut hätte, sich zu befreien. Und wie weit hatte Janus interveniert?
Eine gewisse Trauer überkam sie, als sie an ihren alten Freund und Helfer dachte. Warum er ihr ausgerechnet jetzt in den Sinn kam, wußte sie nicht.
„Bitte", Smithers lächelte schüchtern.
Vashtu nickte stumm und trat an das Panel.
Warum hatte Sheppard nur so reagiert? Sie hatte doch nichts unrechtes getan. Es war schlicht zu knapp gewesen, um die Plätze zu tauschen. Sie fühlte sich einfach nur schlecht und falsch behandelt. Und ihre Mutlosigkeit nahm noch zu, als sie die Hände hob und die Kristalle bediente.
Sie erwartete nicht wirklich, daß irgendetwas geschah. Wahrscheinlich besaß sie so wenig Zugriff wie die Menschen von der Erde.
„Sei gegrüßt, Vashtu Uruhk", sagte eine bekannte Stimme.
Sie erstarrte, ihr Atem stockte.
Ein erstauntes Gemurmel erhob sich, alle Arbeitenden wichen etwas von ihren Plätzen zurück. Dann erhaschte sie einen ersten Blick auf ein Gesicht, ein bekanntes Gesicht!
Vashtu fuhr zum Hauptbildschirm hinter ihr herum.
Janus!
Er lächelte scheinbar auf sie hinunter, und auf jedem Bildschirm im Raum konnte sie sein Gesicht noch einmal sehen, mal schärfer, mal verwaschener.
„Du hast es also endlich gewagt, dich an den Rechner zu begeben. Ich habe gehofft, daß du das versuchen würdest", fuhr Janus fort.
Vashtu wurden die Knie weich, sie stützte sich mit beiden Händen schwer auf die Konsole und konnte den Blick nicht von dem verschwommenen Gesicht vor sich lösen.
„Aber ich hoffe ebenso, du tust es aus einen guten Grund und nicht wegen niedriger Instinkte. Ja, ich habe dir nicht alles gesagt, wie du inzwischen wahrscheinlich selbst hast herausfinden dürfen. Und daß du hier stehst, beweist mir, daß du meinen anderen Plan inzwischen kennst."
Unbewußt nickte sie.
Janus' Augen schienen sehr weich zu werden, sein Lächeln väterlich. „Die Menschen, die dir zur Flucht verholfen haben, erscheinen mir als wahre Erben unseres Wissens, Vashtu. Aus diesem Grund hoffe ich, du stehst ihnen mit deinem Rat und deinem Wissen zur Seite. Du warst eine der wenigen, die sich aktiv am Krieg beteiligt haben, wenn auch nicht immer im Namen unserer Führer. Doch deine Motive waren ehrlich, und darum habe ich dir auch geholfen."
Ein Klumpen wuchs in ihrem Hals, ihre Lippen begannen zu beben.
„Wenn du hier stehst, werden wir uns niemals wiedersehen. Du wirst eine der letzten sein, die es von uns noch gibt. Du hast deine Wahl vielleicht zu früh getroffen, doch du hast sie getroffen und nichts kann sie jemals wieder rückgängig machen. Ich kann nur hoffen, du bereust es nicht inzwischen."
Weir und Sheppard betraten Seite an Seite den Raum, blieben stehen. Die Expeditionsleiterin atmete tief ein.
„Janus!"
Plötzlich ging es Vashtu auf, was ihr Überleben bedeutete. Sie begriff endlich wirklich, daß sie wahrscheinlich niemanden, den sie damals gekannt hatte, jemals wiedersehen würde. Ihr Vater, Enkil, Janus, der Rat, alle anderen Freunde und Bekannten, sie alle waren verschwunden und würden nie wieder zu ihr zurückkehren. Niemand war mehr übrig, niemand außer ihr.
Natürlich hatte sie gewußt, daß ihr Volk nicht mehr existierte. Doch jetzt erst verstand sie wirklich, was das für sie bedeutete. Und dieses Begreifen allein trieb ihr die Tränen in die Augen.
Sheppard sah, wie ihre Schultern sich krampfhaft hoben. Er konnte nicht anders, langsam drängte er sich an Weir vorbei und trat auf sie zu.
„Wie nicht anders zu erwarten war hat der Rat deine Zugänge gelöscht", erklärte Janus nun gerade. „Aber mir ist es gelungen, dir doch Berechtigung zu ermöglichen. Ein Zugangskristall sollte jetzt sein Versteck preisgeben. Ich gebe dir die absolute Macht über unsere Stadt, kleine Vashtu, wenn du sie denn willst. Aber du solltest bedenken, auch die Menschen haben eine Berechtigung, hier zu sein. Entscheide also selbst, willst du dir erneut Feinde schaffen oder dieses Mal auf Freundschaft und Vertrauen bauen."
Vashtus Lippen bebten und sie zitterte am ganzen Leib. Sie spürte, wie sich hinter ihr eine kleine, verborgene Klappe öffnete. Ohne ihre Augen von der unscharfen, immer wieder leicht ruckenden Darstellung ihres alten Freundes zu nehmen, griff sie instinktiv nach dem Kristall, der sich in ihre Handfläche schmiegte.
Sheppard tat vorsichtig einen letzten Schritt, stand jetzt direkt neben ihr. In seinem Gesicht spiegelten sich Hilflosigkeit und -bereitschaft.
Janus lächelte immer noch. „Ich vertraue dir, Vashtu, das habe ich schon immer getan. Du warst vielleicht zu früh für unser Volk gekommen, aber jedenfalls zu spät für unsere Zivilisation in dieser Galaxie. Vielleicht ist die Zeit der Menschen die richtige für dich, ich jedenfalls hoffe es nach dem, was ich erfahren habe."
Tränen rannen über Vashtus Wangen.
Sheppard sah es, hob langsam die Hand, doch er konnte sie ihr nicht wie geplant auf die Schulter legen. Es ging einfach nicht. So blieb er unverrichteter Dinge stehen, den Arm halb erhoben.
Janus' Gesicht wurde ernst. „Laß dich nicht von Dingen einnehmen, die niemals deine Ziele waren", mahnte er. „Denk an Enkil. Er hoffte auf die Lösung, doch für ihn kam sie zu spät. Laß du es nicht auch zu spät sein. Du kannst dich anpassen, glaube mir. Du bist jung genug und dein Geist noch offen. Tue nichts, was du später bereuen würdest. Dies sage ich dir auch im Namen deines Vaters. Sei wie du bist, die Menschen werden dich verstehen, davon bin ich überzeugt." Er schwieg, das Bild wurde einen Moment unscharf. „Ich muß dich jetzt verlassen, kleine Freundin, und ich fürchte, es wird für immer sein. In Gedanken bin ich bei dir, solange mein Leben währt. Ich hoffe, dir wird man eines zugestehen. Ich hoffe es wirklich. Leb wohl."
Sein Gesicht blieb noch einen Moment sichtbar, dann schaltete sich die Aufnahme ab.
Vashtu weinte stumm vor sich hin, ergeben von der Trauer um ihr Volk. So viele Erinnerungen stürzten auf sie ein, von einem Leben, daß sie nie wirklich geführt hatte. Immer war sie angeeckt, immer war ja jemand gewesen, der sie maßregelte. Doch war es ihr Volk, für daß sie zu kämpfen gewagt hatte. Und doch gab es auch positive Erinnerungen, an andere Antiker, an Geschehnisse, die sie längst vergessen zu haben glaubte. All das war verloren, für immer verloren.
Sie wandte den Blick vom leeren Bildschirm ab, schloß einen Moment die Augen. Dann sah sie schemenhaft die Gestalt neben sich, die erhobene Hand, die kurz über ihrer Schulter in der Luft schwebte. Sie blickte auf, in das hilflose Gesicht von Sheppard.
Dann drehte sie sich um, sah Weir in der Tür stehen und sie mustern.
Ja, sie hatte ihr Volk verloren, sie würde niemanden je wiedersehen, den sie gekannt hatte. Aber, und das ging ihr jetzt plötzlich auf, all ihre Bemühungen waren umsonst gewesen. Sie hätte all das nicht tun brauchen, was sie getan hatte.
Vashtu begriff, sie hatte ein neues Volk gefunden, und zumindest einige aus diesem Volk boten ihr an, wonach sie sich schon ihr ganzes Leben gesehnt hatte. Und sie würde sich bemühen, dieses Angebot zu danken.
Ihr Blick glitt wieder zu Sheppard zurück. Sie lächelte hinter ihren Tränen und zeigte ihm den Kristall.

TBC ...

14.09.2009

Vashtu III

Zwei Tage später

Sheppard führte Vashtu in die Kantine. Sofort, nachdem sie den Raum betreten hatten, herrschte Schweigen. Alle starrten sie beide an, teils neugierig, andere sogar feindselig. Er ließ sich nichts anmerken, doch er spürte, wie Vashtu sich unwillkürlich versteifte. So führte er sie zu einem Stuhl, drückte sie mit sanfter Gewalt darauf nieder.
„Ich hole uns einen Kaffee", sagte er, zwinkerte Johnson, dem Marine, der zu ihrer Bewachung abkommandiert war, zu.
Überdeutlich spürte er noch immer die Blicke auf sich, zwang sich, sich ganz normal zu geben. Je mehr er sich anmerken ließ, daß ihm unwohl war, desto länger würde dieser Zustand andauern. Und er hatte vor, so schnell wie möglich zur Routine zurückzukehren - natürlich mit Vashtu.
Er nahm zwei Tassen und stellte sie vor sich. In eine füllte er soviel Kaffee, wie er mochte, dann stellte er die Kanne zur Seite und goß die zweite halbvoll Milch, ehe er sie mit der braunen Brühe auffüllte, noch etwas Zucker dazugab.
„Nanu, Colonel, ich wußte gar nicht, daß Sie Ihre Milch neuerdings mit Kaffee trinken", sagte plötzlich eine bekannte Stimme neben ihm.
Sheppard warf einen halben Blick zu seinem Nachbarn. „Rodney, die Stadt wieder in die richtige Position gebracht inzwischen?" Freundlich lächelnd wandte er sich ab und kehrte zu Vashtu zurück.
„Was ist das?" fragte sie, als sie die Tasse nahm.
„Das Geheimnis der ewig wachenden Führungskräfte: Kaffee. Für dich nicht ganz so stark. Du sollst ihn ja erst einmal kennenlernen." Er ließ sich auf dem Stuhl ihr gegenüber nieder, blickte zu Johnson hoch, der hinter ihr stand. „Na los, wir beißen uns schon nicht, solange Sie sich auch eine Tasse holen." Auffordernd nickte er zur Theke hinüber.
Johnson nickte dankbar und ging nun seinerseits hinüber.
„Ist das etwa unser Besuch aus der Vergangenheit?" fragte McKay, der Sheppard gefolgt war.
Vashtu starrte in ihre Tasse. Noch hatte sie nicht probiert.
Sheppard blickte fragend auf. „Haben Sie nicht noch etwas zu tun, Rodney?"
McKay ließ sich neben ihm auf einem Stuhl nieder. „Wie ich hörte, haben Sie unseren militärischen Leiter ja sehr in Beschlag genommen."
Vashtu blickte unter ihren Wimpern hervor auf, musterte McKay einen Moment lang, ehe sie den Blick wieder senkte. „Es ist seine Entscheidung, Dr. McKay, wenn ich mich nicht irre."
Johnson kehrte zurück, pustete in seine Tasse, aus der heißer Dampf aufstieg.
Sheppard registrierte erleichtert, daß einzelne Gespräche an den anderen Tischen wieder aufgenommen wurden. Sie waren also nicht mehr die Attraktion.
„Ich habe mir übrigens Ihr ... Labor angesehen. Was für eine Wissenschaft haben Sie denn ausgeübt? Computerspezialist kann es ja nicht gewesen sein", fragte McKay munter weiter.
Vashtu nahm nun endlich einen Schluck, stellte die Tasse dann mit ausdruckslosem Gesicht auf den Tisch.
„Sie war so etwas wie eine Genetikerin, Rodney", antwortete Sheppard für sie.
„Ach ja?" McKay musterte Vashtu mit hochgezogenen Brauen.
„Ja, genau das", murmelte sie endlich, blickte wieder auf, fixierte den Blick des Wissenschaftlers. „Ich weiß, was Sie denken, Dr. McKay. Ich habe mehrere Ihrer Protokolle gelesen."
McKay lächelte.
„Sie sind auf dem falschen Weg", fügte sie noch hinzu.
McKays Lächeln verschwand wie ausradiert. „Ich wüßte nicht, was meine Protokolle Sie angehen. Und daß ich auf dem falschen Weg bin ... nun, der Neid eines gescheiterten Volkes kann tief reichen, nicht wahr?"
Vashtu schob ihre Tasse zur Seite, stützte sich auf ihren Unterarm und beugte sich vor. „Wir sind nicht gescheitert", sagte sie.
„Nun ja, wenn man bedenkt, daß Sie eine unheilbare Seuche gegen die Wraith getauscht haben ... Warum sollte ich das nicht als Fehlschlag auffassen?"
„Weil das nicht zu vergleichen ist, Rodney, darum", wandte Sheppard warnend ein.
McKay lehnte sich wieder zurück. „Wir haben schon so viele abgebrochene Forschungsberichte gefunden, die ausgesetzt wurden, weil man sie ... Was? Ihre Regierung war doch offensichtlich nicht gerade entscheidungsfreudig."
„Der Rat hat nach seinem Gewissen gehandelt, Dr. McKay", entgegnete Vashtu. „Haben Sie eines?"
Sheppard stellte seine Tasse hart auf dem Tisch ab. „Okay, es reicht."
„Es ist schon auffällig, gleichgültig welche Technologie auch immer entwickelt wurde, immer wieder brach man kurz vor der Vollendung die Forschung ab. Mir scheint das ein bißchen zu viel Gewissen zu sein."
Vashtus Kiefer mahlten. „Ich hoffe für Sie, daß Sie nie in eine ähnliche Lage kommen, Dr. McKay. Dann würden Sie nämlich vielleicht verstehen, was damals geschehen ist."
„Die Antiker haben den Krieg verloren und sich aus der Pegasus-Galaxie zurückgezogen. Danke, das habe ich begriffen. Selbst Super-Soldaten wie Sie haben das Ende nicht mehr aufhalten können."
„Ich würde dir gern etwas zeigen, Vashtu, kommst du bitte?" Sheppard wechselte mit Johnson einen hilflosen Blick.
„Ich bin kein Super-Soldat, Dr. McKay", entgegnete Vashtu mit gefährlich leiser Stimme. „Und ich hantiere auch nicht mit Dingen herum, von denen ich nichts verstehe."
„Vashtu, wir gehen!"
Sie blickte irritiert auf. „Was?"
Sheppard nickte Johnson zu. „Wir gehen."
McKay blieb am Tisch zurück, trank seinen Kaffee.

Kurz darauf

„Sir, ich weiß nicht, ob das eine gute Idee war", ließ Johnson sich vernehmen, als sie den Puddlejumper bestiegen.
Sheppard bedachte den Marine mit einem langen Blick, setzte sich dann auf den Pilotensitz und ließ die Triebwerke des Fluggerätes hochfahren.
Vashtu beobachtete ihn dabei.
Er war tatsächlich erstaunlich begabt, doch alle Systeme schien er trotzdem noch nicht zu beherrschen. Der Puddlejumper tat, was er von ihm verlangte, doch offensichtlich waren ihm einige Fragen noch nicht in den Sinn gekommen.
Sie lehnte sich auf ihrem Sitz zurück, starrte aus dem Fenster.
Dieser Dr. McKay ... Sie wußte selbst nicht, was genau in sie gefahren war. Im Moment fühlte sie sich von der Situation etwas überfordert. Diese ständigen Blicke machten ihr Angst. Wäre Sheppard nicht an ihrer Seite gewesen, vielleicht hätte sie ihren Plan inzwischen tatsächlich aufgegeben.
Aber McKay? Sie hatte etwas in ihm gefühlt, doch es wirkte nicht wie bei Sheppard oder Dr. Beckett. Offensichtlich experimentieren auch die Menschen mit ihrem Genom herum, und offensichtlich hatten sie da etwas entdeckt - oder zumindest glaubten sie, etwas entdeckt zu haben. Dabei aber machten sie auch gewisse Fehler.
Sie hatte die Wahrheit gesagt, wenn auch etwas verdreht. Sie konnte in McKay lesen, in seinen Gedanken. Und das war etwas, was ihr selbst bei ihrem eigenen Volk verwehrt gewesen war. Es gab bestimmte Verbindungen zwischen den Individuen, das ja, aber nicht so.
Es hatte sie einfach angewidert, wie seine Gedanken sie angefallen hatten, wie er sie in seinem Geist herabsetzte und auf sie hinuntersah. In Verbindung mit der Reaktion der weiteren Atlantis-Besatzung war ihr schlicht ... Sie hatte einfach überreagiert.
„Rodney ist eigentlich gar nicht so ein schlechter Kerl", sagte Sheppard jetzt vollkommen unvermittelt.
Der Puddlejumper schwebte durch die obere Schleuse.
Vashtu biß sich auf die Lippen.
„Laß dich nicht so von ihm reizen. Man muß ihn unter Druck setzen, dann arbeitet er besser. Sein Umgang mit anderen läßt zu wünschen übrig, das gebe ich zu. Aber er ist ein guter Wissenschaftler", fuhr Sheppard fort.
Aus den Augenwinkeln sah Vashtu, daß er konzentriert durch das Sichtfenster blickte. Der Himmel über dem Ozean war blau und mit einigen weißen Wolken betupft.
„Er ist in meinem Team, darum wirst du dich wohl oder übel mit ihm anfreunden müssen. Mir ist er manchmal auch zu anmaßend, aber ich denke, inzwischen habe ich ihn ganz gut im Griff." Er drehte sich zu ihr um, lächelte ein wenig. Doch in seinen Augen stand Sorge.
Vashtu seufzte, senkte den Kopf. „Es tut mir leid, ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist", sagte sie.
Sie würde sich vor McKays Geist schützen müssen, ihre Barrieren verstärken. Vielleicht half es, wenn sie sich während seiner Anwesenheit auf andere konzentrierte. Allerdings war sie sich da nicht so ganz sicher.
„Colonel Sheppard, hier Weir. Was tun Sie da?"
Er blinzelte ihr zu, drehte sich wieder nach vorn. „Ich zeige unserem Gast die Umgebung, Elizabeth", seine Stimme klang vollkommen unschuldig bei diesen Worten.
Vashtu sah ihn forschend an, nachdem sie plötzlich Weirs Stimme nicht mehr hörte.
Das war noch etwas, was sie niederdrückte und belastete. Daß man ihr immer noch mißtraute. Sollte ihr Plan Erfolg haben, brauchte sie das Vertrauen aller Menschen auf Atlantis. Doch bis jetzt sah es nicht so aus, als würde ihr das gelingen.
Sie drehte sich wieder zum Fenster um und blickte hinaus.
Das hatte ihr gefehlt. Früher war sie oft mit den Jumpern unterwegs gewesen. Ihr Vater hatte immer scherzhaft behauptet, sie hätte in die Armee eintreten sollen. Doch dazu hatte sie sich nicht berufen gefühlt. Sie wußte, sie brauchte mehr Freiheit, als man ihr dort hätte geben können. Also glaubte sie, in der Wissenschaft diese zu finden. Doch wie schnell Vertrauen aufgebraucht war, hatte sie nur allzu schnell feststellen müssen. Daß Janus ihr die Jumper zugänglich machte, war für sie wie eine Befreiung gewesen.
„Gefällt es dir?" fragte Sheppard sanft.
Sie nickte, schloß die Augen.
Selbst wenn sie eigentlich nichts spürte, glaubte sie doch, sie könne fühlen, wie sie flog. Wie ein Vogel.
Als sie die Augen wieder öffnete, lächelte er sie an, und sie erwiderte sein Lächeln.
„Noch mehr würde es mir gefallen, wenn du mich einmal fliegen lassen würdest." Die Worte waren ihr herausgerutscht, da sie nicht glaubte, er würde es wagen.
In seinen Augen blitzte Überraschung auf, dann grinste er, schaltete kurz den Autopiloten zu und erhob sich.
Vashtu ließ sich diese Aufforderung nicht zweimal zeigen. Sofort rutschte sie auf den Pilotensitz, übernahm das Steuer.
„Sir, ich glaube nicht ..." hörte sie Johnson hinter sich mit einem zweifelnden Unterton in der Stimme sagen.
„Überwachen Sie die Kontrollen", fiel Sheppard ihm ins Wort, setzte sich auf ihren vorherigen Platz. Sie fühlte seine Blicke auf sich, er musterte sie interessiert, ob sie auch alles unter Kontrolle hatte. Dann glitt sein Blick ab und er sah zum Fenster hinaus.
Vashtu überkam der Übermut. Sie steuerte den Jumper in einen engen Looping, machte dann rasch aufeinanderfolgende Ausweichmanöver, zog dann das Gerät hoch bis in eine niedrige Umlaufbahn, um sie dann wieder fallen zu lassen und kurz über dem Ozean abzufangen. Sie beschleunigte und konnte beinahe die Wellen fühlen, die sie hinter sich herzogen.
„Du fliegst gut." In Sheppards Stimme schwang Bewunderung.
Vashtu lachte, ließ den Jumper, ohne die Geschwindigkeit wegzunehmen, eine noch engere Kurve beschreiben, zog ihn wieder hoch bis in einen weiteren Orbit hinein. Dann legte sie ihn in eine weitere Kurve, ließ ihn wieder hinunter trudeln, indem sie die Geschwindigkeit abrupt absenkte, um ihn in geringer Höhe wieder aufzufangen und in einen festen Kurs zu zwingen.
„Wow!"
Vashtus Lächeln erlosch.
Sie mußte es tun. Und jetzt war vielleicht genau der richtige Zeitpunkt. Sie musterte ihn kurz aus den Augenwinkeln, blickte dann wieder nach vorn. Noch einmal überdachte sie ihre Entscheidung, dann atmete sie tief ein. „John, ich möchte gern mit dir sprechen ... unter vier Augen." Sie sagte es so leise, daß sie hoffte, nur er würde es hören.
Verstehen blitzte in seinen Augen auf. Er drehte sich zu Johnson um. „Könnten Sie mir bitte meine Weste aus dem Abteil holen. Sie muß auf einem Sitz liegen."
Der Marine erhob sich, warf ihnen noch einen skeptischen Blick zu. „Natürlich, Sir." Damit ging er.
Kaum hatte er die Kanzel verlassen, drückte Sheppard auch schon den Knopf und ließ die Trenntür zwischen Vorderteil und Heck einrasten. Dabei grinste er wie ein kleiner Junge, der gerade einen besonderen Streich ausgeheckt hatte.
Dumpfes Klopfen drang zu ihnen hinein.
„Muß eine Fehlfunktion sein, Johnson. Ich arbeite daran", rief der Colonel über die Schulter zurück.
Vashtu ließ den Jumper im Autopiloten weiterfliegen, drehte sich zu ihm um und schüttelte den Kopf. „Manchmal ... John, ich frage mich wirklich, ob du alle deine Taten ernst meinst."
„Wenn ich ihn nicht ausgesperrt hätte, wären wir nie allein, dafür werden die anderen schon sorgen, glaube mir. Also, was wolltest du mir sagen?"
Vashtu zögerte nun doch, blickte wieder zum Frontfenster hinaus. Sie wußte, sie hatte noch mehr Trümpfe, sie wußte, sie konnte sie nach und nach ausspielen. Aber war es wirklich richtig, was sie tat? Würde ihr Plan gelingen, wenn sie auf diese Weise vorging? Oder würde er scheitern?
Sie kniff die Lippen aufeinander, knetete mit den Händen ihre Oberschenkel.
„Hey, du mußt es mir nicht sagen, wenn du nicht willst." Sheppard beugte sich vor, suchte ihren Blick.
Hinter ihnen hämmerte Johnson noch immer fluchend gegen die Tür.
Vashtu sah auf und seufzte. „Während der Zeit, in der ich euch beobachtete, ist mir euer Umgang mit den Energien aufgefallen, den ZPMs", sagte sie schließlich.
Sheppard setzte sich wieder auf und runzelte die Stirn. „Und?"
Jetzt war sie es, die sich nicht mehr traute, ihm in die Augen zu sehen. Viel zu sehr wünschte sie sich, ihm etwas anderes sagen zu dürfen. Aber dazu war jetzt keine Zeit, wollte sie an ihrem Plan festhalten. Und sie hatte Angst, daß er genau das in ihrem Gesicht lesen konnte.
„Ihr benutzt die ZPMs, bis sie leer sind. Dann baut ihr sie aus und ... was? Werft ihr sie einfach weg?"
Sheppard stutzte. Offenbar hatte er sich darüber noch keine Gedanken gemacht.
Vashtu nickte. „Die Geräte, die ihr ZPMs nennt, waren nie dazu gedacht, nur einmal verwendet zu werden. Es gab und gibt vielleicht noch immer Geräte, mit denen sie ihre Energie wiederherstellen können. Ihr nutzt die Macht der Stadt nicht, weil ihr immer nur ein oder zwei ZPMs verwendet, vielleicht weil ihr von diesen Maschinen nichts wußtet. Ihr könntet wesentlich mehr haben, ihr könntet Atlantis wirklich wiederauferstehen lassen." Jetzt wagte sie doch einen Blick.
Sheppard starrte sie mit großen Augen an. „Wir könnten den Schild verwenden!"
Vashtu nickte. „Ihr könntet Atlantis fliegen lassen", setzte sie hinzu.
In seinen Augen leuchtete es auf. „Cool!" Er wurde ernst. „Aber ... es sind immerhin zehntausend Jahre vergangen ..."
„Die Technologie ist gleich. Ich denke, irgendeines müßte noch funktionieren, selbst wenn die anderen vielleicht zerstört sind."
„Andere? Wieviel Ladegeräte gab es?" Sheppard beugte sich vor, in seinen Augen blitzte Abenteuerlust und Neugier.
„In dieser Galaxie drei", antwortete Vashtu. „Und wo eines ist weiß ich. Bei einer meiner Expeditionen hatte ich mich einem Reparaturtrupp anschließen dürfen. Ich kenne die Gate-Adresse."
Johnson, der sich noch immer die Lunge aus dem Hals brüllte und wie irr gegen die Tür hämmerte, war endgültig vergessen. Vashtu und Sheppard sahen sich an, während in ihren Köpfen fast gleiche Bilder abliefen. Dann nickten sie einander im stummen Einverständnis zu.
„Wir sollten es Weir sagen."

Einen Tag später

Vashtu betrat den Konferenzraum von Atlantis, blickte sich um. Sie hatte sich gewappnet, da Sheppard ihr erzählt hatte, daß zu dieser Versammlung auch McKay erscheinen würde. Doch noch war nur Dr. Beckett anwesend, der sich mit einem schmalen Mann mit wirrem Haar und einer Brille unterhielt.
Sheppard trat hinter ihr ein, geleitete sie zu dem Tisch und setzte sich neben sie. Beckett und dem anderen nickte er freundlich zu.
„Das ist Dr. Zelenka, ein richtig kluger Kopf", wisperte der Colonel ihr zu.
Vashtu nickte. Kurz spürte sie hinaus, doch da war nichts, was sie mit ihm verbinden konnte. Nein, er trug das Erbe nicht in sich wie Beckett oder Sheppard. Doch er sah kurz hinüber, lächelte ihr zu. Seine Augen blickten freundlich.
„Johnson, warum nehmen Sie sich nicht auch einen Stuhl", schlug Sheppard dem Marine vor, der neben den Türen stand, sich offensichtlich sehr unwohl fühlte.
Vashtu spürte kurz zu Beckett hinaus, zog sich dann sofort wieder zurück. Vielleicht sollte sie mit ihm über das Problem sprechen, daß sie mit McKays ... Bewußtsein hatte. Er schien ihr zumindest der richtige Ansprechpartner zu sein.
In diesem Moment betrat Dr. Weir, gefolgt von McKay, den Raum. Die Leiterin der Expedition ließ sich am Kopfende des Tisches nieder, McKay setzte sich neben Zelenka, musterte die Antikerin abschätzend.
Wieder wollten seine Gedanken mit voller Wucht auf sie einstürzten. Doch dieses Mal war Vashtu gewappnet. Sie hatte einen geistigen Schild errichtet, so daß seine Gedanken von ihr abgeschirmt waren.
„Vashtu Uruhk, ich freue mich, daß wir uns jetzt endlich kennenlernen. Ich hoffe, Sie fühlen sich inzwischen wohl bei uns. Wie ich hörte, führt Colonel Sheppard Sie ein wenig herum und zeigt Ihnen unsere Einrichtungen", begrüßte Weir sie.
Vashtu nickte, beugte den Kopf weit, um ihre Ehrerbietung zu zeigen. „Ich danke Ihnen, daß Sie mich hier aufgenommen haben. Ich weiß, es ist nicht selbstverständlich, daß Sie mir all das ermöglichten."
McKay starrte sie an.
Weir lächelte. „Nun, es freut mich, wenn es Ihnen hier gefällt. Sie werden sicher verstehen, daß wir noch die ein oder andere Frage an Sie haben, wenn Sie sich eingewöhnt haben, versteht sich. Sie werden sicher mehr Antworten kennen als wir."
Vashtu zögerte, ehe sie nickte. „Ich denke, ich kann bei dem einen oder anderen helfen. Darum ... darum haben Colonel Sheppard und ich ja auch um dieses Treffen gebeten."
Weir sah etwas überrascht aus, beugte sich ein wenig vor. „An mich war nur der Colonel herangetreten und hat sehr geheimnisvoll getan."
„Ich wollte, daß sie Ihnen das selbst sagt, Elizabeth", antwortete Sheppard wie auf eine Frage.
„Inwiefern meinen Sie denn, Sie könnten uns helfen, Vashtu? Indem Sie unseren munteren Colonel noch weiter in seine Rolle treiben? Im Moment fühlt er sich ja wohl wieder wie Captain Kirk", wandte McKay ein.
Sheppard schüttelte resignierend den Kopf, als wüßte er, was jetzt geschehen würde.
„Ich weiß nicht, wer Captain Kirk ist, Dr. McKay. Aber ich denke schon, ich kann helfen. Ihre, teils doch recht stümperhaften Versuche, unsere Technik mit der Ihren zu verbinden, haben bereits einigen Schaden angerichtet. Letztendlich war das auch der Grund, aus dem ich Sie auf mich aufmerksam machte", entgegnete Vashtu. Die letzten Worte richtete sie wieder an Weir. „Ich kenne zwar auch nicht alle Einzelheiten und Geräte in dieser Stadt, aber ich denke, ich könnte Ihnen weiterhelfen. Wie mit den ZPMs."
McKay lachte, während ansonsten plötzlich absolute Stille im Raum herrschte. „Eine Antikerin, und Sie kennen sich nicht einmal mit Ihrer eigenen Technik aus?" Ihm schien plötzlich aufzugehen, daß alle anderen gespannt schwiegen, räusperte sich und verstummte.
Vashtu hatte ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt und nickte. „Ich bin kein Universalgenie, Dr. McKay. Das waren wir alle nicht. Ich habe nur ungefähres Wissen über bestimmte Techniken, andere dagegen beherrsche ich im Schlaf. Wir hatten Techniker, Wissenschaftler, Ärzte, ein Militär. Denken Sie etwa, jeder von uns hätte jedes einzelne Detail gewußt? Atlantis war, als ich hierher kam, schon einige Jahrmillionen alt. Selbst wir, die hier lebten, kannten sich nicht mit allem aus, was wir vorfanden. Aber die Technologie reagierte auf uns, wir konnten sie verändern, wir wußten, wie wir etwas reparieren konnten, wenn es zerstört oder beschädigt wurde." Sie wandte sich wieder Weir zu. „Ich möchte mich in ihre Gesellschaft einfügen, Dr. Weir. Es mag sein, daß ich bereits auf einer höheren Stufe stehe als sie, aber ich möchte es versuchen. Bisher ist es mir gelungen, wenn ich Colonel Sheppard und Dr. Beckett glauben darf. Ich möchte Ihnen mein Wissen und meine Kraft zur Verfügung stellen. Im Gegenzug möchte ich hier bleiben, mich frei bewegen und mich vielleicht einem Forschungsteam anschließen dürfen. Ich möchte ein Leben, ein freies Leben. Und ich bin bereit, für diese Freiheit zu arbeiten."
Weir lehnte sich nachdenklich zurück. „Sie erwähnten die ZPMs. Was hat es damit auf sich?"
Vashtu lächelte, breitete ihre Hände vor sich auf dem Tisch aus, die Handflächen nach oben. „Das ist der Grund, aus dem Colonel Sheppard Sie um diese Unterredung bat. Es geht um mein Wissen, über das Sie nicht verfügen. Die ZPMs sind wie ... wie ..." Hilfesuchend sah sie zu Sheppard. Er hatte ihr diesen Vergleich vorgeschlagen, doch irgendwie begriff sie ihn noch nicht so ganz.
„Akkus", half der aus, beugte sich jetzt ebenfalls vor. „ZPMs sind offenbar wiederaufladbar, nachdem sie verbraucht sind. Wir müssen uns ein Ladegerät besorgen und sind erst einmal alle Sorgen los." Er faltete die Hände auf dem Tisch und lächelte sehr zufrieden.
„Das ist vollkommen unmöglich!" brauste McKay auf. „Die Null-Zeit im Vakuum kann nicht zweimal in die gleiche Kammer gelangen."
„Wenn sie verbraucht ist schon", entgegnete Sheppard.
„Das ist richtig. Sie müssen entladen sein, dann kann man ihnen neue Energien zuführen", bestätigte Vashtu.
Weir setzte sich wieder auf. „Und Sie wissen von so einem Ladegerät?"
Sheppard grinste und hob die Finger. „Wir wissen von drei Ladegeräten", antwortete er, zuckte mit den Schultern. „Sofern sie noch existieren und funktionstüchtig sind. Wir haben sogar eine Gate-Adresse."
„Was Sie da erzählen, ist schlicht ein wundervolles Märchen, Vashtu." McKay hob eine Hand und begann zu gestikulieren, als wolle er seine Worte unterstreichen. „ZPMs nutzen die Energie der Null-Zeit, soviel dürfte Ihnen auch klar sein. Nur allein die Struktur des ganzen ist nicht dazu angelegt, diese Vakuumenergie neu zu ordnen, geschweige denn, sie erneut aufzunehmen. Ist ein ZPM entladen, bleibt es entladen."
„Das ist nicht ganz richtig, Rodney", wandte nun Zelenka mit akzentschwerer Stimme ein. „Gerade die Kristallstruktur ist für riesige Speichermengen geeignet, die weit über unser Vorstellungvermögen reichen. Denken Sie nur an die Speicher des Stargates. Wenn die Energie des Vakuums aufgebraucht ist, gibt es kein Vakuum mehr. Um es wieder zu einem Vakuum zu machen, muß man ihm wieder Energie zuführen."
„Und warum haben wir bisher nichts davon gefunden?" ereiferte McKay sich.
„Weil Sie an den falschen Stellen gesucht haben", antwortete Vashtu trocken, fühlte wieder alle Blicke auf sich gerichtet. „Dr. Zelenka hat recht. Echte Vakuumenergie kann wieder zugeführt werden, nur werden dafür selbst riesige Energien aufgewendet. Dennoch war es einfacher, die ZPMs aufzuladen als sie ständig neu herzustellen."
Sheppard nickte, Zelenka ebenso.
„Sie haben doch gerade noch selbst gesagt, Sie würden sich nicht in allen Bereichen auskennen. Und Sie bezeichnen sich selbst als Genetikerin. Was hat das mit Physik zu tun? Das ist ... das ist, als würde ich einen Frosch bitten, eine Atombombe zu bauen."
Vashtu stutzte wieder, wandte sich dann an Weir: „Die Vakuumenergie eines ZPMs wieder herzustellen, benötigt, wie gesagt, selbst gewaltige Kräfte. Und genau darum wurden die Ladegeräte auf anderen Planeten gebaut. Es war zu gefährlich, sie hier zu benutzen. Wenn also die Geräte noch funktionsfähig sind, sollten wir sie dort lassen oder auf einen anderen Planeten bringen und dort ein Kraftwerk errichten."
Sheppard nickte ernst.
„Projekt Arkturos", sagte Zelenka, warf einen langen Blick auf McKay.
Vashtu runzelte die Stirn. „Arkturos? Was hat Arkturos damit zu tun? Es war schon zu meiner Zeit gescheitert und hatte eine gesamte Zivilisation ausgelöscht."
Sheppard lehnte sich zurück, kreuzte die Arme vor der Brust. „Inzwischen ein bißchen mehr als nur eine Zivilisation", bemerkte er.
Vashtu warf ihm einen fragenden Blick zu.
„Fünf Sechstel des Sonnensystems sind zerstört, wenn wir genau sein wollen", erklärte er ihr leise.
„Arkturos kam zu früh, die Antiker konnten es nicht beherrschen", erklärte McKay. „Wenn es Ladegeräte für ZPMs geben würde, und wenn diese eine noch gewaltigere Energie benötigen, um die Null-Zeit herzustellen, was anderes als Arkturos bliebe übrig?"
„Geothermische Energie", wandte Sheppard ein.
Vashtu hob die Hand. „Moment, bitte. Ich habe verfolgt, daß Sie sich über Arkturos informiert haben. Aber warum sollte ein abgeschalteter Reaktor plötzlich wieder anlaufen?"
Sheppard nickte zu McKay hinüber. „Er hatt's eingeschaltet."
Vashtu blieb der Mund offen stehen. Mit großen Augen starrte sie McKay an.
„Sie waren mit dabei, Colonel. Reden Sie sich jetzt nicht hinaus", verteidigte dieser sich, woraufhin Sheppard nachdenklich nickte, den Blick auf den Tisch vor sich gerichtet. „Außerdem tut das nichts zur Sache. Es ist physikalisch vollkommen unmöglich, ein ZPM wieder aufzuladen, wenn es sich entladen hat."
„Haben Sie in Ihrem Größenwahn vollkommen den Verstand verloren, Dr. McKay?" brauste Vashtu auf. „Haben Sie eine Ahnung, wieviele Leben dieses Projekt damals gekostet hat? Es war kein Irrtum, es kam auch nicht zu früh, es war schlicht der falsche Weg. Keen hatte sich in etwas verrannt, daß er nicht beherrschen konnte. Und dann kommen Sie zehntausend Jahre später und schalten einen Reaktor wieder ein, über den Sie vorher gelesen haben, daß er schlichtweg gemeingefährlich ist? Ich kannte einige der Wissenschaftler, die damals ihr Leben gelassen haben, als das Gerät überlud. Es waren gute und fähige Leute, die eine große Zukunft vor sich gehabt hätten, hätte Keen sich nicht in diese Sache verrannt!"
Sheppard warf ihr einen fragenden Blick zu. „Keen?"
„Bringen wir doch wieder etwas Ruhe in die Runde", sagte Weir scharf, sandte sowohl McKay als auch Sheppard und Vashtu strenge Blicke. „John, Sie warfen da gerade einen Begriff in den Raum. Was meinen Sie damit?"
Sheppard drehte sich mit seinem Stuhl zu Vashtu herum. „Ich denke, daß sollte Sie besser erklären."
Vashtu nickte. „Die Reaktoren der Ladegeräte liefen über stabile geothermische Energien. Die Anlagen an sich waren sehr klein, ich selbst habe einmal eine gesehen. Mittels eines Dorns wurden die Energien des jeweiligen Planeten oder Mondes angezapft und direkt in die nötige Energie für die ZPMs umgewandelt."
„Der Haken war, sie konnten die Ladegeräte nicht abschalten", fuhr Sheppard fort. „Für uns gut. Wir können die Energiesignaturen orten. Für die Antiker schlecht, denn die Wraith konnten die Energien ebenfalls orten. Darum sind wir nicht ganz sicher, ob noch alle drei Geräte funktionieren."
McKay lachte bitter auf.
„Sie wurden regelmäßig auf andere Himmelskörper gebracht, nachdem die Wraith aufgetaucht waren. Eine der letzten Stationen deckte sich zufällig mit einem meiner Forschungsziele", berichtete Vashtu weiter. „Darum kenne ich die Gate-Adresse. Ich kann Ihnen auch sagen, daß sich dieses Tor im Weltraum befindet. Über die anderen beiden Stationen weiß ich nichts. Doch es sollte mir nicht schwerfallen, sie im Hauptcomputer ausfindig zu machen."
„Sehen Sie denn nicht, daß das alles ein riesengroßes Märchen ist?" McKay sah hilfesuchend in die Runde. „Selbst wenn es diese Geräte gegeben hat, wenn man sie nicht abschalten konnte, dürften sie inzwischen überladen und vielleicht sogar die jeweiligen Standorte mit sich gerissen haben. Ganz zu schweigen davon, daß geothermische Energie alles andere als stabil ist, zumal, wenn man sie anzapft. Ich bitte Sie, Vashtu. Diesen Bären können Sie jemand anderen aufbinden."
„Bei der Menge der entnommenen Energie aus dem jeweiligen Planetenkern handelte es sich um einen Bruchteil seiner eigenen Kraft, Dr. McKay. Selbst wenn ich keine Physikerin bin, so weiß ich doch, wann und wo die kritische Masse erreicht wird. Und mit den Geräten konnte es kaum zu solchen Zwischenfällen kommen, es sei denn, der Kern selbst wird instabil."
Zelenka nickte anerkennend.
McKay hob stolz das Kinn. „Wie auch immer, ich denke, wir sollten kein einziges Wort glauben."
„Ihre Sache, Rodney", wandte Sheppard ein, neigte den Kopf und faltete die Hände wieder vor sich. „Ich glaube sie. Und, wenn ich das richtig sehe, bin ich da nicht ganz allein."
McKay warf dem neben ihm sitzenden Zelenka einen unsicheren Blick zu, dann wandte er sich ab.
Weir, die sich die Diskussion stirnrunzelnd angehört hatte, wandte sich jetzt auch dem Tschechen zu: „Was denken Sie, Radek?"
Zelenka sah Vashtu nachdenklich an, drehte sich dann zu der Leiterin um. „Ich denke, es ist möglich. Selbst ohne Berechnungen hätte ich vermuten können, daß die Antiker solche Geräte geschaffen haben, wir sind nur nie auf den Gedanken gekommen. Bedenken Sie doch, für was sie die ZPMs alles verwendeten."
Sheppard nickte.
Weir wandte sich wieder Vashtu zu. „Und Sie werden uns die Adresse freiwillig zur Verfügung stellen?"
Die Antikerin nickte.
Weir fiel auf, daß beide, sowohl Vashtu als auch Sheppard, genau die gleiche Haltung eingenommen hatten, schüttelte wie abwehrend den Kopf.
„Ich bleibe dabei, es ist unmöglich", ließ McKay sich leise vernehmen.
Weir beachtete ihn nicht weiter. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Vashtu. „Und was, wenn das Gerät beschädigt wurde? Dr. McKay hat recht, es sind über zehntausend Jahre vergangen."
„Wir hätten zumindest einen Ansatz. Wenn das Gerät tatsächlich defekt sein sollte, können wir es mit hierher nehmen und vielleicht reparieren. Ich denke, mit der Hilfe Ihrer Wissenschaftler müßte ich das schaffen", antwortete die Antikerin.
„Wir?" Weirs Blick glitt von ihr zu Sheppard. Der saß auf seinem Stuhl, lächelte sie mit großen, unschuldigen Augen bittend an. Sie seufzte. „Diese Entscheidung werde ich später treffen. Dr. Zelenka, Vashtu, ich würde gern noch mit Ihnen sprechen, allein", sagte sie.

Einige Tage später

Weir betrat die Sporthalle. Sie hatte sich erkundigt, wo sie die Antikerin finden könnte, und war auf eben diesen Ort verwiesen worden.
Sie war sich immer noch nicht ganz sicher über Vashtu, doch etwas in ihr sagte ihr, daß sie ihr doch vertrauen konnte. Inzwischen hatte es einige Unterredungen mit ihr gegeben, größtenteils über die Möglichkeit, ein ZPM-Ladegerät zu beschaffen.Weir teilte nicht ganz Vashtus Vertrauen in die Technik ihres Volkes, dafür hatte sie inzwischen zuviel erlebt. Doch sie mußte zugeben, der Reiz eine solche Quelle an Energie zu besitzen, für immer sicher vor den Wraith zu sein sowie diese Technik der Antiker auf der Erde als kostengünstige Variante der Energiegewinnung zu nutzen, all das reizte sie.
Nur einige Kleinigkeiten machten ihr noch Sorgen, darum war sie hergekommen.
„Vashtu?"
Die Antikerin drehte sich zu ihr um, neigte den Kopf. „Dr. Weir?"
Weir lächelte ein wenig unsicher, als sie die Stöcke bemerkte, die ihr Gegenüber in den Händen hielt. „Üben Sie allein?"
Vashtu schüttelte den Kopf. „Ich warte auf Lt. Colonel Sheppard. Wir haben einen Handel geschlossen, er und ich", antwortete sie.
Weir hob das Kinn, kreuzte die Arme vor der Brust. „Ich habe davon gehört, daß er Sie hat testen lassen. Wie waren die Ergebnisse?"
Vashtu wirkte etwas verschämt. „Im Schießen bin ich wohl nicht ganz so gut", gestand sie ein. Sie legte die Stöcke zurück und sah Weir offen an. „Aber ich denke, Sie sind nicht deshalb gekommen. Sie möchten etwas anderes mit mir besprechen."
Weir atmete tief ein. „Das ist richtig. Ich habe eine Anfrage von Colonel Sheppard. Er möchte Sie zumindest vorerst in sein Team aufnehmen für diese Mission."
Vashtu nickte verständnisvoll und senkte den Kopf.
„Ehe ich eine endgültige Entscheidung treffe, möchte ich noch einige letzte Fragen an Sie richten, Vashtu", fuhr Weir fort.
Die Antikerin blickte wieder auf, eine leise Hoffnung in ihren Augen.
Weir schüttelte wie benommen den Kopf. „Es ist mir nicht ... Ich frage mich, wie Sie diese Jahrtausende überstehen konnten, ohne zu altern. Irgendwie fällt es mir wirklich schwer, Sie als ..."
„Ich kenne die Berichte über das, was Janus getan hat", fiel Vashtu ihr ins Wort. Bedauernd hob sie die Schultern, ließ sie wieder sinken. „Hätte ich gewußt, daß noch jemand in der Stadt war, ich hätte versucht, Ihr Ebenbild zu retten. Ich ... wahrscheinlich wäre ich selbst dann auch stärker gealtert, doch es wäre gleich gewesen. Woran es liegt, daß ich noch so jung wirke? Es sind die Wraith-Zellen in mir, Dr. Weir. Wie Dr. Beckett schon bemerkte, sind Wraith-Gene bar jeder Form der Alterung. Da sie in meinem Genom ein Drittel einnehmen, habe ich den gleichen Vorteil. Ich bin schwer zu töten und lebe, wenn das nicht eintrifft, nahezu ewig. Gealtert bin ich, das können Sie mir glauben. Aber ich war selbst überrascht, wie wenig, als ich mich das erste Mal in einem Spiegel sah."
Weir nickte nachdenklich, sah sie forschend an.
„Das ist es aber nicht, was Sie wirklich interessiert, nicht wahr?" Vashtu lächelte freundlich.
„Es ist mir unangenehm, aber ... Ihr Verhältnis zu Colonel Sheppard. Er hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, damit Sie aus der Zelle kamen. Und seit Sie sich in der Stadt frei bewegen dürfen, sieht man Sie kaum ohne ihn. Dann die Sache mit dem Puddlejumper. Vashtu, ich möchte Ihnen nichts unterstellen, doch sie beide verhalten sich ... etwas merkwürdig."
Die Antikerin senkte den Blick, ihre Finger strichen über einen der Stöcke. Dann sah sie wieder auf, Weir direkt in die Augen.
Was keine der beiden Frauen bemerkt hatte, war, daß Sheppard seit einiger Zeit vor der geöffneten Tür stand und mithörte. Stirnrunzelnd wartete er jetzt auf Vashtus Antwort.
„Wenn Sie meinen, ob meine Absichten ehrlich sind, kann ich Ihnen nur sagen ja", erklärte die Antikerin nun. „Lt. Colonel Sheppard und ich haben viel gemeinsam, vielleicht mehr, als Sie ahnen. Zwischen uns besteht ein gewisses Band. Sie müssen wissen, daß es diese Art von Verbindung schon zu meiner Zeit gegeben hat. Dieses Band zu zerstören ... Nun, es ist nicht ratsam." Sie seufzte. „Falls Sie sich fragen, wie weit dieses Band reicht ... die Antwort darauf ist unendlich. Es kann alles geschehen, doch es muß nicht. Es kommt auf die an, die es tragen. Tut mir leid, besser kann ich es Ihnen nicht erklären."
Sheppard runzelte die Stirn.
„Ich werde ihn nicht verletzen, wenn es das ist, was Sie vielleicht glauben. Ich würde mich selbst verletzen. Nein, ich würde das niemals tun. Noch ist alles möglich, die Zeit wird zeigen, wie dieses Band sich zwischen uns entwickelt. Aber ändern können wir beide es nicht mehr."
Sheppard atmete tief ein.
„Weiß er davon?" erkundigte Weir sich.
„Nicht bewußt", antwortete Vashtu. „Sehen Sie, wie, wann und warum ein solches Band entsteht, das ist völlig willkürlich. Sie haben vielleicht einen anderen Begriff dafür, heute, auf der Erde. Ich kann nur von dem sprechen, das ich kenne. Das Band zwischen dem Lt. Colonel und mir ist noch frisch, noch sehr stark. Es hat sich noch nicht in eine Richtung entwickelt. Darum sage ich, es ist noch alles offen."
„Das kommt mir etwas anders vor. Ich kenne John Sheppard schon eine Weile, Vashtu. Und ich kann Ihnen sagen, bisher hat er sich noch nie so vernarrt verhalten wie jetzt bei Ihnen. Und umgekehrt scheint es ebenso zu sein."
Sheppard wurde dieses Gespräch allmählich etwas zu privat. Er überlegte noch einen Moment, dann betrat er die Turnhalle.
Weir wandte sich ihm zu, als sie sah, wie Vashtus Augen plötzlich aufleuchteten.
„Bin da, wie abgesprochen." Sheppard klatschte in die Hände. „Störe ich?"
Die beiden Frauen wechselten einen Blick, dann sagte Weir: „Nein, wir sind hier fertig. Danke für Ihre Antworten, Vashtu."
Die Antikerin nickte, griff jetzt wieder nach den Kampfstöcken.
Weir ging zur Tür, blieb dann aber stehen und drehte sich um. „Ach, John", sagte sie in einem möglichst neutralen Ton, „wie hat Ihre Kandidatin abgeschnitten?"
Sheppard, der sich gerade selbst zwei Stöcke geholt hatte, hob den Kopf. Ein schiefes Lächeln lag auf seinen Lippen, als fühle er sich ertappt. „Im Nahkampf sehr gut. Im Schießen ... 76 von 100."
Weir nickte, kreuzte wieder die Arme vor der Brust. „War das nicht auch Ihr Wert bei Ihrer letzten Prüfung?"
Sheppard kniff die Lippen zusammen, während Vashtu ihn amüsiert musterte. Langsam nickte er. „Genau der gleiche Wert", gab er zerknirscht zu.
Weir hob das Kinn, schmunzelte. Dann wurde sie übergangslos wieder ernst. „Dann würde ich vorschlagen, nach Ihrem Training beginnen Sie mit den Vorbereitungen für Ihre neue Mission, mit zwei neuen Teammitgliedern. Aushilfsweise erst einmal, solange Teyla und Ronon noch auf der Krankenstation liegen."
Und wieder hatte sie das Vergnügen, den gleichen Gesichtsausdruck auf zwei verschiedenen Gesichtern zu sehen. Es war immer noch unheimlich, doch allmählich glaubte sie zu verstehen.
Sie überlegte kurz, dann ging sie zu der Bank, die an der Seite stand, und setzte sich.
Sheppard wurde übergangslos wieder ernst. In seinen Augen stand ein gewisser Schrecken zu lesen.
„Wenn ich Ihnen schon diese Mission genehmige, möchte ich selbst sehen, was ein Mitglied Ihres Teams leisten kann", antwortete Weir auf die stumme Frage, die sich daraufhin in ein eindringliches Flehen verwandelte.
Dann seufzte Sheppard schließlich ergeben.
Vashtu nahm eine bestimmte Haltung ein, einen Arm mit dem Stock nach vorn und oben, den anderen hinter ihrem Rücken. „Na komm, Mister ich-schaffe-100-Punkte."
Sheppard seufzte, stellte sich jetzt ähnlich wie sie auf.
Vashtu hob eine Braue, sagte aber nichts, sondern griff an. Ihre Stöcke trommelten einen Moment auf seinen erhobenen, dann traf sie seine Hand, was Sheppard vor Schmerz aufstöhnen ließ. So schnell wie möglich brachte er die andere Hand hoch, tat einen Schritt zurück.
Weir betrachtete den ungleichen Kampf aufmerksam. Selbst Teyla hätte Schwierigkeiten, gegen eine Gegnerin wie die Antikerin zu bestehen, ging ihr auf, nachdem der Lt. Colonel in drei rasch aufeinander folgenden sehr kurzen Gefechten seine eigenen Waffen verloren hatte und sich rote Striemen auf seinen Handrücken und -gelenken deutlich abzeichneten.
„Du kannst es wirklich nicht", seufzte Vashtu ergeben und schüttelte den Kopf. „Im Nahkampf bist du besser."
Sheppard nahm seine Stöcke wieder auf. „Ich frage mich ohnehin, warum diese Art von Waffen in dieser Galaxie gebräuchlich sind. Die Wraith sind doch keine Vampire ... naja, zumindest im herkömmlichen, irdischen Sinn."
„Vampire?"
Sheppard winkte ab, nahm wieder seine Grundhaltung ein. „Eine Legende von der Erde. Nur sollen unsere Vampire Blut trinken statt ihren Opfern die Lebensenergie zu entziehen."
Vashtu runzelte die Stirn. „Und warum erinnern dich die Stöcke an Vampire?"
Weir beugte sich interessiert vor.
Sheppard zuckte mit den Schultern. „Von den Vampiren heißt es, mit einem Holzpfahl ins Herz könne man sie töten", antwortete er.
Vashtu nickte nachdenklich, verzog dann das Gesicht ein wenig. „So geht das nicht, John", sagte sie. „Du bist zu steif. Du mußt den Stockkampf wie einen Tanz sehen. Dein Gegner ist dein Tanzpartner. Paß auf."
Sie stellte sich vor ihm auf, nahm ihre Grundstellung ein. „Jetzt stellst du dich mir gegenüber, spiegelverkehrt in der gleichen Haltung", befahl sie.
Weir ging auf, daß die beiden sie tatsächlich vollkommen vergessen hatten. Schmunzelnd beugte sie sich vor, stützte die Ellenbogen auf ihre Oberschenkel und beobachtete das so eigenartige Paar.
Vashtu gab sich viel Mühe, bewegte sich in Zeitlupe, erklärte Sheppard jede einzelne Bewegung. Und allmählich ging es tatsächlich voran, zumindest wurden beide schneller, wenn das Tempo auch immer wieder stockte.
Weir dachte nach, während sie das Paar beobachtete. Dann nickte sie schließlich, erhob sich und verließ die Turnhalle.

TBC ...