19.12.2010

Unsauberer Handel II

Anne sah schnell wieder auf ihre Unterlagen hinunter, konnte ein leises Lächeln dabei nur mit Mühe unterdrücken.
Sie hatte sich also doch endlich entschieden, sie hatte es sich beinahe schon gedacht. Zumindest aber hatte sie es gehofft.
Anne räusperte sich vernehmlich und konzentrierte sich wieder auf ihre Unterlagen. „Wie war der Test?" fragte sie schließlich, sah wieder auf.
Die Antikerin und der junge Wissenschaftler wechselten einen langen Blick. „Katastrophal", antwortete sie dann.
„Ich habe irgendetwas übersehen," entgegnete Babbis sofort mit schneidender Stimme. „Aber eine Katastrophe war das nicht. Nur ein kleiner ... Rückschlag."
Major Uruhk sah ihn mit großen Augen an, setzte sich auf. „Rückschlag?" fragte sie. „Ich wäre in dem Ding fast gebraten worden!"
„Dann darf ich davon ausgehen, daß die Sekundärwaffe noch nicht einsatzbereit ist." Anne warf beiden strenge Blicke zu.
Babbis kreuzte schmollend die Arme vor der Brust und brummte etwas Unverständliches vor sich hin. Die Antikerin grinste breit und war offensichtlich sehr mit sich zufrieden.
Anne schüttelte den Kopf. Diese kleinen Sticheleien zwischen den beiden wirkten mindestens ebenso irritierend wie ihr sonstiges Verhalten. Andererseits aber lockerte es offensichtlich mögliche Spannungen auf, sie wußte es nicht genau. Für sie persönlich war dieses Verhältnis zwischen den beiden noch immer ein Quell der Überraschungen.
„Wenn wir noch Zeit finden, ehe Sie wieder zur Prometheus zurück müssen, können Sie Dr. Babbis gern zur Hand gehen. Im Moment ist er wohl etwas ... ausgelastet und konnte den Jumpern nicht recht die Aufmerksamkeit schenken, die sie sicherlich verdient hätten", sagte Anne noch immer beschwichtigend. „Ich bin sicher, gemeinsam wird Ihnen schon eine Lösung einfallen."
Beide warfen sich leicht skeptische Blicke zu, richteten ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf sie.
Anne seufzte. Dieses Zusammenspiel würde sie eines Tages entweder akzeptieren oder wahnsinnig machen.
„Also gut." Wieder konzentrierte sie sich kurz auf ihre Papiere, sah dann auf. „Major, ich habe Sie hier herunterholen lassen unter dem Vorwand, wir hätten irgendein Gerät entdeckt, das wir nicht ganz unter Kontrolle haben. Ich hoffe, Sie können damit leben."
Die Antikerin nickte. „Solange Sie sich nicht im wissenschaftlichen Sektor herumtreiben ..." Sie hob die Schultern, ließ sie dann langsam wieder sinken.
Anne lächelte. „Tatsächlich aber möchte ich mein Wort Ihnen gegenüber einlösen, Major Uruhk. Sie haben uns die Stadt zugänglich gemacht, haben mitgeholfen, wo und wie Sie konnten, Sie haben das Gate repariert."
Die Antikerin nickte wieder, hob jetzt aber fragend eine Braue. In ihren Augen lag leichte Skepsis.
Anne beugte sich etwas vor. „Ich habe Ihnen versprochen, daß Sie als erste durch das Sternentor gehen dürfen. Und dieses Versprechen möchte ich jetzt einlösen. Ich möchte, daß Sie Ihr Team zusammenrufen und Kontakt zu einem anderen Volk als möglichen Handelspartnern aufnehmen."
Unvermittelt setzte die Antikerin sich auf. „Ich soll was?" fragte sie. „Aber ... ich bin kein Mitglied von Vineta."
„Aber möglicherweise finden Sie Hinweise darauf, wie Sie in eine bekannte Galaxie zurückkehren und Pendergast damit entkommen können", wandte Anne ein. „Außerdem sehe ich Sie durchaus als ein Mitglied dieser Stadt. Wenn Sie nicht gewesen wären, wüßten wir nichts von Vineta, und wir hätten es auch nie für uns einnehmen können."
Die Antikerin blinzelte, wechselte dann einen Blick mit Babbis, ehe sie sie wieder anstarrte.
„Wenn Sie nicht wollen ... ?" Anne hob die Hände.
„Und ob ich will!" entfuhr es Major Uruhk. Und tatsächlich schien es sie nur mit Mühe auf ihren Platz zu halten. „Aber ... unser netter Colonel über unseren Köpfen. Wenn der erfährt, daß ich nicht auf diesem Planeten bin ..." Wieder zuckte sie etwas hilflos mit den Schultern.
Anne sah sie an. „Dafür finden wir eine Lösung. Es gibt, und das wissen Sie, abgeschirmte Gebäude in der Stadt. Ihr Ausflug darf eben zunächst einmal nicht zu lange dauern."
Stirnrunzelnd lehnte die Antikerin sich wieder zurück und begann, an ihrer Unterlippe zu nagen.
„Wie steht es mit Ihrem Kontakt zu Heimdahl?" wagte Anne sich etwas weiter vor.
Major Uruhk blickte wieder auf. „Er steht unter Bewachung. Ist nicht ganz einfach. Bisher kommunizieren wir ausschließlich über Dritte."
„Und wenn er den Transporter noch einmal manipuliert?"
„Pendergast ist hinter unsere kleine Plünderung gekommen, dafür saß ich gut die Hälfte meiner Zeit dort oben in der Brick." Ein verschämtes Lächeln folgte. „Ich bin mir nicht sicher, ob er herausgefunden hat, daß Heimdahl die Waffen herunterbeamte. Was war eigentlich in den Kisten?"
„Hauptsächlich Munition." Anne schüttelte amüsiert den Kopf und las kurz von einer Liste den neuen Inhalt der Waffenkammer ab.
Major Uruhk nickte beeindruckt, ein spöttisches Licht in den Augen. „Dann haben die siebzehn Tage sich ja gelohnt", meinte sie mit einem zufriedenen Grinsen.
Anne nickte beifällig, schloß die Liste wieder. „Ich weiß nicht, ob Sergeant Dorn bereits an Sie herangetreten ist, Major", fuhr sie dann mit dem nächsten Punkt ihrer persönlichen Hoffnungen fort, nachdem die andere bis jetzt alles wie erwartet, akzeptierte. „Wir wollen SG-Teams zusammenstellen. Aber er ... nun durch seinen Dienst und der Rehabilitation, die er gerade vornimmt, ist er etwas überlastet. Er wollte Sie fragen, ob Sie eventuell bei der Zusammenstellung behilflich sein könnten."
Die Antikerin nickte. „Kein Problem. Es sei denn ..." Sie hob den Kopf. „War da nicht etwas mit den anderen Sternentoren in dieser Galaxie?"
„Ich habe Danea und Cornyr zu dieser Sitzung geladen. Ich denke, selbst wenn sie nie von diesem Planeten fortgekommen sind, können die Erethianer uns immer noch am besten helfen."
„Sie wissen eine Menge, ich erinnere mich. Es muß doch wohl ein wenig Kontakt zu anderen Planeten geherrscht haben." Major Uruhk begann wieder, an ihrer Unterlippe zu knabbern.
„Wir hoffen auch, daß uns selbst etwas wegen der Beschaffung oder vielleicht sogar Herstellung von Nahrung einfällt. Cornyr wollte sich mit den anderen Ältesten beraten", fuhr Anne fort.
„Eine gute Idee." Major Uruhk blinzelte, hob dann den Kopf. „Vielleicht der Mond? Solange hier unten noch nichts wächst, könnte er benutzt werden. Genug Platz wäre da oben auf alle Fälle."
Anne lächelte wieder. „Soweit waren wir mit unseren Vorschlägen noch nicht gekommen. Aber eine interessante Idee, Major."
Die Wände öffneten sich wieder.
Major Uruhk sah über die Schulter, nickte den Ankommenden freundlich zu. Ein kurzes Lächeln glitt über ihr Gesicht, als die beiden Erethianer den Raum betraten. Als letzter rollte der alternde Marine und jetzige militärische Leiter Vinetas in den Raum hinein, hinter ihm glitten die Wände wieder in ihre vormalige Stellung.
Dorn warf der Antikerin einen warmen Blick zu, als er seinen Platz am Tisch einnahm, sah dann kurz zu Anne und hob die Brauen.
Die Leiterin nickte unmerklich und erntete ein amüsiertes Grinsen.
Sie hatte sich vornehmlich mit Dorn über das eigentliche Problem ausgetauscht, das sie hatte, nämlich Major Uruhk für Vineta zu gewinnen. Er hatte ihr den Vorschlag unterbreitet, den sie jetzt aufgenommen hatte, wohl mit, zumindest bisher, mehr als gutem Ergebnis. Major Uruhk brachte sich, wie sie es bereits vor ihrer Rückkehr auf die Prometheus getan hatte, wieder voll ein und arbeitete mit. Dabei schien ihr nicht klar zu sein, daß sie bereits erneut in die Leitung der Stadt eingebunden wurde. Die Sache mit der Aufteilung der Teams gehörte definitiv nicht zu den Aufgaben einer Helferin.
Anne war auch sehr zufrieden mit dem Ergebnis von Babbis' Basteleien. Genau die Stimmung, die die Majorin beim Eintritt in diesen Raum gezeigt hatte, wollte sie nutzen. Und als erstes bei dem Umgang mit dieser so eigenartigen Frau hatte sie gelernt, sie am besten machen und ihre eigenen Gedanken schweifen zu lassen.
Dr. Walter Spitzbart lächelte Anne kurz an, nachdem er die Antikerin einen Moment lang aufmerksam gemustert hatte. Er nickte ihr zu, und sie wußte, er war von Anfang an mit ihrer Wahl einverstanden gewesen, wie so gut wie jeder in der Stadt.
Cornyr und Danea ließen sich neben dem Major nieder, die den Kopf zu Dorn hinübergebeugt hatte und leise auf ihn einsprach.
Sie sollte doch nicht ... ?
Dorn schüttelte den Kopf, und Anne ging auf, daß die Antikerin tatsächlich versuchte, ihr altes Erd-Team SG-27 wieder zu reaktivieren, als sie sich etwas frustriert zurücklehnte und vor sich hinzubrüten begann.
Die Leiterin schüttelte amüsiert den Kopf.
Das war es also gewesen, was Major Uruhk so zugesetzt hatte am Tag der Wahl, als sie beide sich im Kontrollraum trafen. Sie hätte es sich denken können. SG-27 schien eine eingeschworene Gemeinschaft gewesen zu sein, ehe sie irgendwie in dieser Galaxie strandeten. Und Anne war mehr als froh, daß sie hier gestrandet waren, in welcher Dimension auch immer.
Jetzt richtete sie sich wieder auf. Kurz glitt ihr Blick hinüber zu dem leeren Platz, den eigentlich Dr. Peter Grodin einnehmen sollte. Doch der Arzt befand sich noch immer auf der Prometheus, und einen Stellvertreter für ihn gab es nicht.
Noch ein Problem, das sie irgendwie lösen mußte. Bisher hatten sie sehr viel Glück gehabt, vor allem auch, da Dr. Babbis sich wohl etwas auf Antiker-Geräte verstand. In der ehemaligen Krankenstation von Vineta hatte er etwas entdeckt, das Wunden schneller heilen ließ. Seitdem hatten Markham und er noch einen weiteren Nebenjob, neben ihrer eigentlichen Arbeit und der Aktivierung verschiedenster Geräte, die die neuen Einwohner der Stadt vielleicht brauchen konnten.
Die Wände glitten noch einmal auf ihren Schienen zu Seite und machten der letzten Person Platz, die zu dieser Unterredung geladen war: Andrea Walsh, der jungen Technikerin, die bereits die Leitung über den Kontrollraum an sich gebracht hatte, ehe überhaupt die Rechner, geschweige denn das Stargate aktiviert waren. Auch sie machte ihre Sache bisher ausgesprochen gut. Wie sie sich schlagen würde, wenn sie wirklich durch das Tor treten und mit anderen Völkern Kontakt aufnehmen würden, würde sich zeigen, doch Anne war sich sicher, auch hier eine gute Wahl getroffen zu haben.
Walsh ließ sich ebenfalls auf ihrem Platz nieder, ordnete noch schnell die letzten Ausdrucke, die sie offensichtlich vorgenommen hatte, ehe sie der Leiterin leicht gehetzt zunickte.
„Gut", begann Anne nun zu sprechen. „Ich freue mich, das alle erschienen sind."
Sofort hatte sie das Interesse der Antikerin wieder zurück. Major Uruhk saß, wieder mit überkreuzten Armen da, und musterte sie aufmerksam.
Anne räusperte sich. „Wie wir alle bemerkt haben in den letzten Wochen, haben wir ein dringendes Nahrungsproblem. Die Bereiter sind zwar einsatzbereit und wir nutzen sie auch, aber die sonstigen Vorräte schwinden im erschreckenden Maße. Außerdem, und das dürfte ebenfalls allen klar sein, können wir nicht den Rest unseres Lebens Nährungsbreie zu uns nehmen."
Ein triumphierendes Lächeln erschien auf Major Uruhks Gesicht bei diesen Worten. Und Anne erinnerte sich noch sehr genau an die Diskussionen, die sie beide vor der Aktivierung der Geräte geführt hatten zu diesem Thema.
„Cornyr hat für die Erethianer gesprochen und hofft, bald etwas anbauen zu können. Die Frage dabei allerdings ist, wo", fuhr sie fort.
„Auf dem Mond", wandte die Antikerin wie aus der Pistole geschossen ein und erntete dafür einige überraschte Blicke. Nur Babbis ignorierte sie im Moment.
„Das ist der Vorschlag von Major Uruhk", baute Anne die Worte sofort ein. „Ein sehr guter Vorschlag, wie ich finde. Ein Gutteil von uns kennt diesen Mond, wir wissen, er ist bewohnbar und verfügt über ein gutes Klima. Wahrscheinlich ist er, solange hier unten noch keine Vegetation wiederhergestellt ist, die beste Lösung. Was meinen Sie, Cornyr?"
Der ältere Erethianer, der seinem Sohn, der neben ihm saß, auffallend ähnlich sah, blickte nachdenklich auf. „Wir kennen den Mond nicht. Aber wenn ihr meint, werden wir ihn uns gern einmal ansehen, Dr. Stross."
Anne fühlte, wie ein triumphierendes Lächeln sich auf ihre Lippen stahl.
Vier Wochen hatten sie um dieses Problem herumgeredet, aber auf diesen Gedanken war niemand gekommen. Erst die Antikerin hatte zurückkehren müssen, damit sie den Mond über Erethia überhaupt in Betracht zogen.
„Allerdings ändert das nichts daran, daß wir über kein Saatgut verfügen, da dieses mit dem Planeten in der Feuersbrunst zerstört wurde", fuhr Cornyr fort.
„Dazu kommen wir als nächstes, Ältester." Anne nickte dem Mann freundlich zu. „Und zwar mit dem, was schon lange für uns aussteht: Den Gang durch das Stargate. Wir sollten Handelsbeziehungen zu anderen Völkern suchen, vielleicht Verbündete gegen die Devi."
Einhelliges Nicken, bis auf das Warten der beiden Erethianer.
Das allerdings könnte ein Problem werden. Die ursprünglichen Einwohner dieses Planeten standen Vineta und, vor allem, dem Sternentor mehr als skeptisch gegenüber. Es war schon harte Arbeit gewesen, sie von dem Einzug in die Stadt zu überreden. Anne wollte sich gar nicht denken, was da möglicherweise noch auf sie zukommen konnte. Dabei, auch das mußte sie zugeben, ein Stückweit konnte sie die Erethianer auch verstehen. Die Geschichte dieser Stadt der Antiker war alles andere als angenehm.
„Allerdings, so sagten Sie mir, Cornyr, und auch Sie, Danea, seien die Stargates dieser Galaxie an vielen verschiedenen Orten."
„Das ist richtig", antwortete der junge Danea, erntete einen vorwurfsvollen Blick seines Vaters, ehe der sich wieder umdrehte und fortfuhr: „Soweit wir wissen, befinden sich die Runde der Schöpfer an vielen unterschiedlichen Stellen auf verschiedensten Planeten. Wir haben das unsere nicht benutzt, da wir auch wissen, daß die Devi durch sie kommen können. Außerdem war es unbrauchbar."
Major Uruhk drehte sich um und sah den Alten aufmerksam an. „Was heißt, an unterschiedlichen Stellen?" fragte sie.
Cornyr sah sie einen Moment lang an. „Ihr solltet zunächst einmal sehr genau überlegen, ob ihr das tatsächlich wagen wollt. Hier ist mindestens eine Schöpferin unter euch, verzeih, Major Uruhk. Und ich kenne kein Volk, das die Schöpfer sonderlich schätzt. Sie haben uns vor langer Zeit zurückgelassen und den Devi ausgeliefert. Wenn ihr jetzt das Rund benutzt, könnte das die Devi anlocken."
„Sie werden ohnehin kommen, nach allem, was Sie uns mitgeteilt haben", wandte Major Uruhk wieder ein. Ihr Gesicht war plötzlich sehr hart geworden, jede Spur Humor aus ihren Augen getilgt. „Uns geht es im Moment darum, etwas zu essen zu bekommen und mit anderen Bündnisse zu schließen, damit wir gemeinsam gegen die Bedrohung antreten können."
Cornyr sah sie wieder an. „Ihnen glaube ich, Major Uruhk, Sie sind ehrlich gewesen und haben uns geholfen", entgegnete er. „Aber andere werden Ihnen nicht glauben, wenn sie erfahren, was Sie sind."
„Muß ich es ihnen auf die Nase binden?"
„Viele können spüren, daß Sie eine Schöpferin sind, Major Uruhk", wandte Danea ein. „Nabuck zum Beispiel wußte sofort, wer Sie sind, noch ehe wir hergekommen waren."
Anne tauschte mit der Antikerin einen langen Blick. „Was soll das heißen?" fragte sie dann.
Danea beugte sich vor, um sie besser mustern zu können. „Es gibt, soweit wir wissen, in verschiedenen Welten Menschen, die die Schöpfer wahrnehmen können, ebenso wie die Devi sie wahrnehmen. Bei uns Erethianern ist es der alte Nabuck. Er konnte das schon immer."
Anne nickte nachdenklich, warf der Antikerin wieder einen Blick zu.
Die hatte sich nachdenklich zurückgelehnt und die Stirn gerunzelt.
„Trauen Sie es sich trotzdem zu, Major?" erkundigte die Leiterin sich.
Major Uruhk blickte auf. „Ja", sagte sie dann einfach nur. „Ich wollte sowieso, daß Danea mit in mein Team kommt. Sollte es Probleme geben, kann er vielleicht klärend und beschwichtigend auf die jeweiligen Bewohner einwirken."
Anne starrte die andere einen Moment lang groß an. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Aber ... warum eigentlich nicht? Sie wollten ohnehin mehr als nur eine reine Zweckgemeinschaft mit den Erethianern aufbauen.
„Ich soll durch das Rund der Schöpfer gehen?" rief Danea entsetzt aus.
„Sie sollen nicht. Es ist ein Angebot." Die Antikerin zwinkerte. „Macht Spaß - hoffe ich zumindest."
„Aber ..."
„Erst einmal würde ich gern wissen, was das bedeutet, die Tore wären an unterschiedlichen Stellen", fiel Major Uruhk dem jungen Erethianer ins Wort.
„Soweit wir wissen, gibt es Runde wie dieses hier auf vielen Planeten", antwortete Cornyr endlich, fixierte die Antikerin aus schmalen Augen. „Einige befinden sich wohl auf der Oberfläche, einige aber auch darunter. Und einige sind über den Planeten."
Anne atmete tief ein. „Unter der Oberfläche?" fragte sie.
„In Stollen oder auf dem Meeresgrund", antwortete jetzt wieder Danea. „Wir können nicht durch den Teich gehen. Nicht, wenn wir auf der anderen Seite nicht atmen können."
Anne warf der Antikerin einen langen Blick zu.
Die nickte sinnend, schien wenig überrascht. Aber möglicherweise war ihr diese Information auch schon bekannt, wenn auch entfallen gewesen. „Wozu haben wir die Jumper?" fragte sie nach einer kleinen Weile.
„Wir haben aber nur drei, die die Puddlejumper auch fliegen können, Major. Und zumindest Sie wollen ein eigenes Team, das ich Ihnen auch sehr gern zugestehe", wandte Anne ein.
„Dann müssen wir eben Chauffeur spielen für die anderen. Kein Problem. Durchs Tor, abladen, warten, wieder einsammeln und zurück. Allerdings dürften dann nie mehr als drei Teams draußen sein." Major Uruhk hob die Hände in einer unschuldigen Geste. „Viel wichtiger ist es, herauszufinden, was wir anbieten können. Denn bisher sehe ich herzlich wenig, womit wir tauschen können, es sei denn Technologie. Und die ... Dazu müßten wir erst einmal wissen, was genau uns erwartet da draußen. Was wir aber auch erst herausfinden, wenn wir durch das Gate gehen."
„Sie können es wieder kaum erwarten, was?" höhnte Babbis plötzlich los.
Die Antikerin warf ihm einen kurzen Blick zu. „Vorsicht, Peter. Ich soll mir ein neues Team zusammenstellen." Ein breites Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. „Vielleicht entscheide ich mich ja für einen anderen, weniger anstrengenden Wissenschaftler." Sie zwinkerte. Dann drehte sie sich wieder zu Anne um. „Haben wir keine MALPs?"
„Die MALPs waren auf der Daedalus", antwortete Walsh für die Leiterin und schüttelte bedauernd den Kopf. „Wir haben nichts, Major. Und da haben Sie verdammt recht."
Wieder ein nachdenklicher Blick aus den großen Augen.
„Major Uruhk hat recht, wir müssen durch das Tor, ob wir wollen oder nicht", wandte Anne mit sanfter Stimme ein.
„Moment!" Spitzbart hob die Hand, drehte sich zu den beiden Erethianern um. „Woher wißt ihr soviel von anderen Planeten, wenn ihr doch nie dort gewesen seid?"
„Es gibt Handel zwischen den Welten", antwortete Danea. „Oder ... es gab ihn. In den letzten Jahren wurden es immer weniger. Die Devi ... sie vermehren sich überall. Und sie brauchen mehr Nahrung."
„Ein Grund mehr, sie endlich auszutilgen!" knurrte Major Uruhk kalt.
„Darüber reden wir, denke ich, ein anderes Mal", wandte Anne sofort ein, wandte sich dann ebenfalls den Erethianern zu. „Und wie wurde dieser Handel mit diesem Planeten betrieben, wenn das Sternentor doch defekt war?"
„Früher waren wir Erethianer weiter entwickelt. Wir hatten selbst Schiffe, die das All durchfliegen konnten. Dann kehrten die Devi zurück und ... zerstörten unsere Städte und auch unsere Schiffe. Aber einige haben die ihren retten können, zumindest zu einem Teil. Einige verloren ihre Planeten und wurden Wanderer im Weltraum", berichtete Cornyr. „Aber, wie gesagt, diese Wanderer und auch die Händler werden in den letzten Jahren immer seltener. Es gibt auch Berichte von anderen Welten, in denen die Bewohner eine wesentlich höhere Technik entwickelt haben und die auch wieder durch das All fliegen. Aber davon wissen wir nichts genaues."
Major Uruhk hob wieder den Kopf, wechselte einen Blick mit Anne. Und die fühlte das erste Mal etwas anderes als Verwirrung, als sie in diese sprechenden Augen sah. Genau konnte sie das Gefühl noch nicht benennen, aber ihr ging auf, wie eng die Beziehung zu Babbis sein mußte, daß sie beide über diese Blicke kommunizieren konnten.
„Die Devi kamen zurück?" Major Uruhk drehte sich mit ihrem Stuhl wieder um und sah Cornyr groß an.
„Sagte ich dir doch, Kleines", brummte Dorn, doch die Antikerin reagierte nicht darauf.
Cornyr nickte. „Sie leben eine lange Zeit auf den Planeten, die sie sich zur Heimat gesucht haben. Dann aber, eines Tages, wird das Volk immer größer. Eine neue Königin wächst heran. Wenn diese bereit ist, übernimmt sie einen Teil des Volkes und zieht mit ihnen zu einem anderen Planeten", erklärte er. „Aber, in unseren Legenden heißt es, es gäbe auch ein anderes Verhalten. Wenn nämlich zuviele Königinnen geboren und die Völker zu groß werden, ziehen sie in Schwärmen aus auf der Suche nach neuen Heimatwelten. Das passiert aber nur alle paar tausend Jahre. Die Menschen in der verlassenen Region können sich erholen und vergessen die Bedrohung, bis die Devi eines Tages zurückkehren und gute Auftriebe haben."
Die Antikerin holte scharf Atem, wechselte mit Babbis einen Blick. Der junge Wissenschaftler war blaß geworden bei dem Bericht des alten Erethianers. Jetzt schluckte er sichtlich.
„Sie schwärmen?" fragte Anne beunruhigt.
Major Uruhk drehte sich zu ihr herum. „Dr. Babbis und ich meinten bei der Durchsuchung der Ruinen, daß wir die dritte Komponente möglicherweise gefunden haben, die nötig war, um die Devi zu schaffen. In den Berichten auf Antarktica dagegen war nichts davon zu lesen."
„Dritte Komponente?" Spitzbart beugte sich vor. „Major, ich weiß, daß mit Ihnen irgendetwas nicht stimmt und daß das mit den Devi zusammenhängt. Aber ... was meinen Sie?"
„Sie trägt Fremdzellen in sich", murmelte Babbis. „Sie ist zu einem Drittel Wraith, zu einem anderen irgendein Käfer. Nur das letzte gehört noch den Lantianern."
Anne beobachtete die Antikerin, die bei diesen Worten sichtlich zusammenzuckte, aufmerksam. Jetzt war das Geheimnis heraus, das sie hütete, seit sie auf der Prometheus aufgetaucht war.
Spitzbart starrte sie an.
„Was ist ein Wraith?" fragte Danea verwirrt.
Major Uruhk sank auf ihren Stuhl zurück und atmete einige Male tief ein. „Ein Wraith ist ein Wesen, das sich von der Lebenskraft anderer ernährt", antwortete sie. „Sie waren die Feinde meines Volkes, deretwegen die Devi ... geschaffen wurden." Sie schloß die Augen und senkte den Kopf.
Dorn drehte sich zu ihr herum und legte ihr eine Hand auf den Arm.
Ein bitteres Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Die Forschung, durch die ich zu dem wurde, was ich heute bin", fuhr sie fort, „wurde hierher weitergeleitet und verwendet. Aber es braucht drei aufeinander abgestimmte Komponenten, die gemeinsam das neue Wesen bilden. Die Devi sind, zumindest zu einem Drittel, menschlich, vielleicht von meinem Volk, ich weiß es nicht. Die anderen beiden Teile wurden von Insekten oder etwas insektenähnlichem genommen." Die großen Augen öffneten sich wieder, starrten aber ins Leere. „Der Vermutung von Dr. Babbis und mir nach müßte es sich bei der vermißten zweiten Komponente um etwas termitenartiges handeln. Der dritte Teil von ihnen kommt von spinnenähnlichen Wesen, die früher hier heimisch waren, es vielleicht auch immer noch sind."
Spitzbart starrte zu Anne hinüber, pures Entsetzen im Gesicht. Die Leiterin nickte nur stumm. Der Wissenschaftler atmete hektisch ein und ließ sich ächzend zurück auf seinen Stuhl sinken.
Major Uruhks Gesicht war hart, als sie wieder aufblickte, Anne unverwandt anstarrte. „Pendergast weiß davon noch immer nichts. Und ich möchte, daß das so bleibt", sagte sie, richtete sich unvermittelt wieder auf. „Und darum geht es jetzt nicht. Wir müssen irgendwoher Nahrung beschaffen, ebenfalls Saatgut und was wir sonst noch benötigen. Wir brauchen Kontakt zu anderen Völkern. Und wir wissen nicht, wie wir anders Kontakt herstellen sollen als über das Stargate. Wir können uns nicht darauf verlassen, daß ein Planet der näheren Umgebung bewohnt ist und wir dort alles finden, was wir brauchen."
Anne nickte.
Schweigen breitete sich über den Raum.

TBC ...

13.12.2010

2.05 Unsauberer Handel

TV-Serie: Stargate general
Reihe: SG-V (Stargate: Vineta)
Genre: action, adventure, humor
Rating: PG


Der Puddlejumper schoß durch das große Loch im Felsen hoch in den wolkenverhangenen Himmel, raste im atemberaubenden Tempo durch den dichten Regen und drehte sich dabei immer wieder um sich selbst. Dann durchbrach er die Wolkendecke, um sofort in den Tarnmodus zu wechseln und in der Dunkelheit des Alls zu verschwinden.
Major Vashtu Uruhk jagte die Anzeigen wieder hoch, ein zufriedenes und breites Grinsen auf dem Gesicht.
Einen Monat eingesperrt in der Prometheus, bis es den Vinetern gelungen war, sie da wieder herauszuholen. Einen verlorenen Monat, in dem sie die meiste Zeit in der Brick gesessen und sich gelangweilt hatte.
Nun gut, sie hatte auch Probleme gewälzt, meist Probleme, die die verborgene Stadt in der gewaltigen Höhle betrafen. Vineta ließ sie nicht mehr los, seit sie, direkt nach der Wahl der Leitung, abgereist war mit den Marines, die ihrer Expedition angehört hatten.
Pendergast faßte sie nicht mehr mit Samthandschuhen an - ihr sollte es recht sein. Wenn er das nicht tat, brauchte sie auch keine Rücksicht mehr auf ihn zu nehmen. Für sie gab es im Moment nur ein Ziel, und dieses hieß Vineta.
„Sind Sie auf Kurs?" meldete sich die Stimme von Dr. Peter Babbis über Funk.
Vashtu seufzte, fügte sich aber. Kurz berührte sie das kleine Gerät in ihrem Ohr. „Ja, ich bin soweit", antwortete sie, ließ den Jumper wieder in die Atmosphäre eintauchen und ihn durch die obersten und dünnsten Luftschichten jagen. Der Gleiter wurde wieder sichtbar.
Fliegen war einfach das herrlichste Gefühl, das sie sich vorstellen konnte. Und nach einem Monat eingesperrt in einem mehr oder weniger defekten Raumschiff hatte sie sich nach nichts mehr gesehnt als nach ein bißchen Entspannung.
„Gut, dann ..." Peters Stimme klang verzerrt, als würde sich irgendetwas zwischen ihm und seinem Mikro befinden.
Vashtu schüttelte den Kopf, ließ die Hologrammanzeigen hochfahren und stellte gedanklich den Scanner ein. Sofort blinkten einige Lichter in den Anzeigen auf.
„Habe die Ziele gefunden. Nehme Kurs darauf."
Mit einer kleinen Drehung wechselte sie die Richtung, ohne jedoch die Geschwindigkeit zu reduzieren.
„Nehmen Sie die ersten mit den Drohnen", schlug Peter vor.
Vashtu schürzte die Lippen. Na gut, wenn er es so wollte.
Das Hologramm wechselte zur Zieleinrichtung über, als sie kurz ihre Gedanken darauf richtete. Die leisen Finger der AI in ihrem Hirn reagierten in Gedankenschnelle auf ihre Wünsche.
Vashtu hob die Brauen. Dieser Jumper mochte sie definitiv, anders konnte sie sich das nicht erklären.
„Ziel 1 erfaßt", meldete sie, drosselte jetzt doch ein wenig die Geschwindigkeit, und dachte nur kurz an die Drohnen, als eine sich bereits gelöst hatte und auf das Trümmerteil zuschoß, das sie als Testziel anvisierte.
„Ziel 1 eliminiert."
Vashtu schüttelte den Kopf.
Die beiden gelblich leuchtenden Schalter auf der Konsole vor ihr waren wesentlich verlockender, aber wenn Peter es so haben wollte ...
Ein neuer Punkt tauchte auf
„Ziel 2 erfaßt."
Sie verschwendete kaum einen halben Gedanken an die nächste Drohne, als diese schon losjagte. Kurz darauf detonierte das Trümmerteil sehr spektakulär, während sie den Jumper wieder hochzog, ein spitzbübisches Lächeln auf den Lippen. Die Scanner hatten eine Gestalt erfaßt, die auf einem nahen Hügel stand.
Vashtus Grinsen wurde breiter. „Ziel 2 eliminiert", sagte sie, senkte den Jumper wieder ab und beschleunigte. „Ziel 3 nehme ich im Tiefflug."
„Sie nehmen was?" Peters Stimme klang verwirrt.
Vashtu senkte den Jumper noch weiter, bis sie kurz über den Boden dahinjagte, direkt auf die einsame Gestalt zu.
Eine Abreibung hatte er ohnehin verdient. Selbst wenn es ihm gelungen sein sollte, die Mikrowellen online zu schalten in diesem Gleiter, er hatte sich vor einem Monat schon zu weit aus dem Fenster gelehnt für ihren Geschmack.
Dem Verlauf des Hügels folgend, raste ihr Jumper kaum mehr als zwei Meter über dem Gelände entlang, dann zog sie ihn unvermittelt hoch, direkt über der schlacksigen, dunkelhaarigen Gestalt mit der Drahtbrille.
Peter Babbis warf sich mit einem entsetzten Gesichtsausdruck in die aufgeweichte Asche, während die Antikerin direkt über ihm hinwegjagte.
„Haben Sie den Verstand verloren!" brauste er auf.
Die nächste Drohne fand ihr Ziel.
„Kann ich jetzt vielleicht endlich die Sekundärwaffe einsetzen?" erkundigte Vashtu sich unschuldig.
Peter fluchte immer noch.
Als sie wieder Kurs auf ihn nahm, sah sie, daß er sich gerade aufrappelte.
Noch eine Schlammschlacht?
Nein, entschied sie. Eine Abreibung reichte.
„Dann drosseln Sie zumindest die Geschwindigkeit etwas. Falls es noch irgendeine Fehlfunktion gibt, sollten Sie schon in einem Stück auf dem Boden ankommen."
Vashtu nickte. Das klang eindeutig vernünftig.
„Tut mir leid, Kumpel", murmelte sie dem Jumper zu, während sie die Geschwindigkeit drosselte.
Schade, es hatte gerade richtig Spaß gemacht.
„Ziel 4?" fragte Peter.
Der nächste Punkt blinkte auf.
„Bin dran", meldete sie, dann ging ihr auf, daß es da einen kleinen Fehler in der Konstruktion dieser Jumper gab. „Äh, Peter, wenn ich die Schalter betätige, habe ich keine Hand mehr frei", fügte sie deshalb ihrem Funkspruch hinzu.
„Sie sollen ja auch nur die beiden Knöpfe ... oh!"
„Also Autopilot." Vashtu seufzte ergeben, sich wieder auf ihren nächsten Wunsch konzentrierend. Dann hob sie die Hände von den Kontrollen und nickte anerkennend.
Dieser Jumper mochte sie auf alle Fälle - und sie mochte ihn.
Sie konzentrierte sich auf die Zieleinrichtung, ihre Daumen schwebten über den beiden Knöpfen. „Da werden wir uns aber noch etwas anderes einfallen lassen müssen, Peter", sagte sie, gerade als sie abdrückte.
Das Licht im Cockpit flimmerte auf, dann knallte es hinter ihr lautstark - und ihr wurde verteufelt warm.
Dann begriff sie, packte augenblicklich die Kontrollen und setzte den Gleiter hart auf dem Boden auf. Sofort raste sie los, während die Heckluke noch aufschwang und brachte sich mit einem Hechtsprung in Sicherheit.
Der Regen klatschte ihr kalt ins Gesicht, und die Asche hatte sich zu einer ekelhaft klebrigen Masse verflüssigt, die sie jetzt einzusaugen versuchte.
Vashtu kämpfte sich wieder hoch, zumindest bis in eine kniende Position, und sah über die Schulter hinweg zum Puddlejumper.
„Vashtu?" fragte Peters Stimme in ihrem Ohr.
Die Antikerin keuchte, wischte sich mit einer Hand durch das nasse Haar und verklebte dadurch nur Asche darin.
„Ich wäre fast gebraten worden, Peter", meldete sie sich ungläubig, rappelte sich endgültig auf und wischte sich die Hände am hinteren Teil ihrer Hosen ab. „Was auch immer Sie da gebastelt haben, es hat definitiv ein noch schlimmeres Ergebnis als die Techniker vor zehntausend Jahren."
„Major Uruhk, Dr. Babbis? Bitte melden Sie sich so bald wie möglich im Besprechungsraum. Dr. Stross möchte mit Ihnen reden."
Vashtu blinzelte in den regenschweren Himmel hinauf. „Wenn ich mich vorher noch duschen darf ..." murmelte sie, stapfte dann durch die knöcheltiefe Asche wieder zum Jumper zurück. „Soll ich Sie einsammeln oder kehren Sie allein zurück, Peter?" fragte sie, während sie mit langem Hals in das Innere des Gleiters lugte. Doch die Strahlung schien unterbrochen worden zu sein, wann auch immer.
Hoffentlich waren keine Leitungen geschmolzen bei dieser Fehlfunktion.
Vashtu betrat die Rampe und schüttelte sich wie ein nasser Hund. Die AI des Jumpers streckte wieder ihre tastenden Finger in ihren Geist aus, und sie fühlte etwas, das sie als eine Entschuldigung empfand.
„Hey, du bist Jumper 1, du gehörst mir. Du mußt dich nicht entschuldigen", sagte sie leise und strich mit der Hand über die metallene Außenwand.
„Bin da!" keuchte eine Stimme hinter ihr.
„Dann los. Ich möchte mich zumindest noch abtrocknen und umziehen." Sie ging mit langen Schritten nach vorn ins Cockpit und ließ sich wieder auf ihrem Sitz nieder.
„Ja, umziehen wäre keine schlechte Idee", bemerkte Peter, die Augen sehr konzentriert auf den Gang gerichtet, den sie gerade die wenigen Schritte bis nach vorn marschiert war. Für diese Worte erntete er nur einen verächtlichen Blick.

***

Dr. Anne Stross blickte auf, als die beweglichen Wände aufschwangen, lächelte den beiden Neuankömmlingen, die bereits wieder in irgendein Fachgespräch vertieft waren, amüsiert entgegen.
Irgendwie hatte sie diese eigenartigen Diskussionen, in denen sie sich ständig Brocken hinzuwerfen schienen und der eine die andere ergänzte, die letzten Wochen trotz aller Arbeit vermißt. Dabei war das ganze, mußte sie zugeben, noch immer etwas merkwürdig für sie, vor allem, da einer von beiden dem Militär angehörte. Eine solche Verbindung und Eintracht kannte sie aus ihrer Dimension nicht. Kein Wunder, daß die Majorin bei der Wahl zur Expeditionsleitung nur knapp gegen sie verloren hatte, obwohl sie gar nicht hatte aufstellen lassen.
Anne schmunzelte, als sie bemerkte, was die Antikerin trug. Wieder diesen Overall, der ihr seinerzeit bereits auf der Prometheus nicht wirklich gepaßt hatte. Jetzt allerdings hatte sie das Oberteil bis zur Hüfte hinuntergekrempelt und trug ein Unterhemd offen zur Schau, das ihre weiblichen Formen eher betonte als kaschierte.
„Major, Sie sollten das besser nicht Pendergast sehen lassen", unterbrach Anne die Diskutierenden.
Augenblicklich verstummte das Wortgefecht der beiden, in dem sie nicht einen Blick von den Augen des anderen gelassen hatten, als würden dort die Worte zu lesen sein, die sie nicht aussprachen.
Anne ging auf, daß für Fremde diese eigenartige Eintracht einen falschen Eindruck erwecken konnte. Dabei, und das war ihr recht schnell klar geworden, sah die Antikerin etwas anderes in dem schlacksigen Wissenschaftler als einen möglichen Liebhaber. Ihr Umgang miteinander war zwar vertraut, sehr vertraut sogar, aber nicht der von zwei Menschen, die gewisse Gefühle füreinander hegten, zumindest von Seiten der Antikerin aus nicht.
Die blinzelte sie jetzt einen Moment lang an, dann nickte sie ihr zu. „Ich mußte mich nur kurz umziehen", sagte sie. „Tut mir leid, wenn es länger gedauert hat."
Anne winkte ab. „Setzen Sie sich, Major", forderte sie die Antikerin auf. „Sie auch, Dr. Babbis. Der Rest des Stabes kommt in einigen Minuten. Ich wollte mich nur kurz mit Ihnen beratschlagen, ehe wir beginnen."
Babbis nickte, trollte sich auf die eine Seite der in Hufeisenform aufgestellten Tische und ließ sich an seinem üblichen Platz nieder.
Die Antikerin dagegen sah ein wenig hilflos drein, wollte ihrem ehemaligen Teammitglied nach, stockte dann aber und zögerte wieder.
„Auf der anderen Seite, Major", half Anne ihr lächelnd aus.
Sie wußte ja noch nichts von der Sitzordnung, die sich inzwischen eingebürgert hatte bei Stabsversammlungen, rief die zivile Leiterin der verbotenen Stadt der Antiker sich ins Gedächtnis. Vier Wochen lang hatte sie keinen Kontakt hierher aufnehmen können, bis es ihnen endlich gelungen war, sie irgendwie wieder auf den Planeten zu holen.
Anne wollte sich gar nicht daran erinnern, was sie hatte auffahren müssen, um Pendergast seine Beute zumindest für ein paar Tage abzuschwatzen. Dabei hoffte sie, irgendwann eine Lösung für das vordringlichste Problem zu finden und die Antikerin ganz in der Stadt zu wissen. Vollkommen abgeneigt schien sie dem schon eine Weile lang nicht mehr zu sein, denn bereits vor ihrem Flug zurück zur Prometheus war einiges geschehen, was Anne nicht anders deuten konnte. Den größten Vertrauensbeweis hatte Major Uruhk geleistet, indem sie den Steuerkristall, den sie offenbar die ganze Zeit mit sich herumgetragen hatte, zurückließ und den Vinetern damit Zugang zu der Datenbank ihres Volkes ermöglichte.
Die Antikerin zögerte noch einen Moment, dann trat sie an den entgegengesetzten Tisch und schob sich einen Stuhl neben dem freien Platz zurecht, den Sergeant Dorn üblicherweise einnahm mit seinem Rollstuhl. Sie flätzte sich in den Stuhl, die Beine weit von sich ausgestreckt und die Arme überkreuzt, und sah fragend zu Anne.
Sie saß auf dem richtigen Platz. Jetzt mußte sie nur noch überredet werden, auch den dazugehörigen Posten anzunehmen. Und das, das wußte die Leiterin, würde noch ein Haufen harte Arbeit werden.
„Ich weiß zwar nicht wie, aber erst einmal danke für die Hilfe. Noch ein paar Tage weiter da oben, und ich wäre durchgedreht", sagte der weibliche Major und nickte zu einem unbestimmten Punkt über der Stadt hinauf.
Anne seufzte. „Wir haben erst einmal nur ein paar Tage herausschlagen können, Major", gab sie zu bedenken. „Und wir alle wissen, daß Pendergast nicht zögern wird, Sie hochbeamen zu lassen, bleiben Sie auch nur eine Sekunde länger."
Ein dumpfes Brüten trat in die großen, dunklen sprechenden Augen der Antikerin. „Dafür wird sich auch noch eine Lösung finden", murmelte sie, erntete überraschte Blicke.

TBC ...

05.12.2010

Vinetas Wiederauferstehung VIII

Anne staunte nicht schlecht, als vor ihr plötzlich ein gleißendes Licht aufflammte und, als dieses verlosch, ein gewaltiger Kistenhaufen auf dem Platz stand, auf dem sonst die Jumper parkten. Einige Helfer, die sie mitgebracht hatte, um die Kisten zur Seite zu schaffen, die gestern geliefert worden waren, wechselten unsichere Blicke, starrten dann aber schließlich sie an.
Anne zuckte hilflos mit den Schultern. Dann hörte sie ein deutlich vernehmbares Klicken in ihrem Ohr, ihr Funkgerät aktivierte sich.
„Doc, könnte sein, daß die letzte Fuhre noch vor uns unten ist. Ich wollte Sie nur eben informieren", meldete sich die Stimme der Antikerin.
Annes Augen wurden groß. „Die Sachen ... sind schon hier, Major", antwortete sie wie mechanisch.
„Oh, gut", sagte die Antikerin. „Wir sind auf dem Weg zurück."
Anne nickte wie betäubt, dann schüttelte sie blinzelnd den Kopf. „Wo ... ? Wie ... ?" Sie schloß den Mund, als ihr klar wurde, was hier gerade geschehen war.
„Heimdahl möchte sich Ihnen in Vineta anschließen", antwortete die Antikerin auf ihr Gestammel. „Ich habe ihm zwar gesagt, ich könne das nicht entscheiden, aber ihm war das wohl Antwort genug. Jetzt müssen wir nur noch einen Weg finden, ihn aus der Prometheus zu holen."
„Aha?" Anne staunte immer noch.
Wie war der Antikerin das jetzt wieder gelungen? Bis jetzt hatten die wenigsten ihres Teams Kontakt zu dem Asgard aufnehmen können. Wie auch immer, diese Major Uruhk wurde immer interessanter, mußte sie zugeben. Und sie konnte nur hoffen, daß sie auf ihren Vorschlag eingehen würde.

***

Peter schlich an Dorns Seite durch die Grenzbereiche des wissenschaftlichen Sektors. Hier war alles in Schatten und Dämmer getaucht, anders als in den beiden anderen Stadtteilen Vinetas, die zwar unzureichend, aber immerhin halbwegs beleuchtet waren.
„Sind Sie wirklich sicher, daß wir hier etwas finden?" erkundigte sich der junge Wissenschaftler flüsternd.
Dorns Kopf drehte sich in Zeitlupe zu ihm herum, er konnte einen amüsierten Blick spüren, wenn auch nicht wirklich sehen. Das war ihm Antwort genug. Offensichtlich glaubte der Marine, sie seien hier auf dem richtigen Weg.
Aber ... hier war nichts! Absolut nichts außer leerstehenden Gebäuden und Schatten, die unruhig im Licht, daß durch die Einschußlöcher in der Decke der Höhle einfiel, tanzten. Es war eine unheimliche Atmosphäre, mußte er zugeben. Ganz anders als in den anderen Sektoren, selbst bevor diese mit Energie wieder versorgt wurden.
Allmählich begann Peter zu verstehen, warum Vashtu sich solche Sorgen gerade um diesen Bereich machte. Hier schien es wirklich nicht ganz mit rechten Dingen zuzugehen. Beinahe konnte er die Geister der Lantianer sehen, die durch die engen Gassen strichen, und vielleicht auch die ihrer Opfer, wissenschaftlicher Experimente, die bis zum Exzess getrieben worden waren.
Peter erschauderte unwillkürlich.
„Detektor?" fragte Dorns Stimme in die Stille hinein.
Der junge Wissenschaftler zuckte beim Klang dieses einen Wortes zusammen. Dann aber ging ihm auf, was sein Begleiter meinte.
Eilig kramte er das tragbare Gerät aus seiner Brusttasche und aktivierte es. Beinahe sofort sprang die Anzeige an.
Peter blieb staunend stehen. „Wow!" entfuhr es ihm, dann rief er sich, unter einem weiteren, tadelnden Blick des Marines, zur Ordnung und orientierte sich nach den Anzeigen.
Die Stadt hinter ihnen wurde als großer Klecks Energie angezeigt, einzelne kleine Punkte bewegten sich, mal mehr, mal weniger schnell, darin entlang - die Menschen, die Vineta für sich einnehmen wollten und nun mit den Arbeiten zur Machtergreifung beschäftigt waren.
Gut, dort schien definitiv nichts anderes zu passieren, als er ohnehin wußte. Was interessanter war, waren die beiden Anzeigen, die sich hinter ihm befanden und nicht Dorn zugeordnet werden konnten.
Peter drehte sich wieder um und suchte die Richtung. Dann blickte er auf.
Der Detektor wies ihm den Weg direkt zu einem der kleinen Gebäude hin, die Vashtu bei ihrem kurzen Besuch hier als Lagerhäuser bezeichnet hatte. Hatte die Antikerin sich vielleicht geirrt?
„Da lang!" flüsterte Peter, setzte mit weiten Schritten zu dem Gebäude.
Die Anzeige wuchs, er befand sich also auf dem richtigen Weg. Und jetzt meinte er auch, einen schwachen Lichtschein aus einem der kleinen Fenster auf seiner Seite kommen zu sehen.
„Na warte!"
Peter dachte gar nicht mehr an eine mögliche Gefahr.
Über ihm zogen in rascher Folge zwei Puddlejumper dahin, hielten auf den militärischen Sektor Vinetas zu, doch er achtete kaum darauf.
Er kam bei der Tür an, schlug mit der flachen Hand gegen den Öffnungsmechanismus und wartete, ungeduldig von einem auf das andere Bein springend, darauf, bis diese endlich auf ihrer Schiene in der Wand versank. Und schon stürmte er das Gebäude, allein und unbewaffnet.

***

„Heimdahl hält auf jeden Fall Wort." Vashtu nickte befriedigt, als sie den Kistenstapel vor sich sah, der noch vor wenigen Minuten auf der Prometheus ihrer geharrt hatte. „Und Miller hat uns noch ein paar Abschiedspräsente zusammengestellt." Ein zufriedenes Grinsen erschien auf ihrem Gesicht.
Stross warf ihr einen Blick zu, den sie nicht so recht zu deuten wußte.
Vashtu klatschte unternehmungslustig in die Hände. „Dann sollten wir uns langsam daran machen, die Stadt wieder aufzuwecken, finden Sie nicht, Doc?"
Wieder traf sie ein Blick, ein Lächeln der Wissenschaftlerin folgte, dann ein Nicken. „Ganz meine Meinung, Major."

***

„Du!"
Peter packte den schmächtigen Erethianer beim Kragen und knallte ihn gegen die nächste Wand. „Bist du eigentlich noch recht bei Sinnen?" brüllte er ihn an.
Kalpun, ein sehr junger Mann, fast noch ein Junge, wand sich unter seinem Griff, blinzelte verständnislos. „Ich habe doch nur getan, worum Danea mich gebeten hat", ächzte er.
„Du Idiot hast mir nichts als Ärger eingebracht! Warum bist du denn nicht zu erreichen? Wie bist du überhaupt hierher gekommen?"
Plötzlich ging Peter auf, was er da gerade bei seinem Sturm auf das Gebäude gesehen hatte. Den jungen Erethianer noch immer am Kragen gepackt ruckte sein Kopf herum und er starrte das koffergroße Gerät an, das leise vor sich hinsummte und dabei ... Papier ausspuckte. Bedrucktes Papier mit seinem Gesicht darauf.
„Was ist das?" Peter blinzelte, wandte seine Aufmerksamkeit wieder Kalpun zu.
„Es macht Sachen", antwortete der. „Als Danea mir sagte, ich solle diese ... diese Flugblätter anbringen und mehr davon herstellen, fiel es mir ein. Da dachte ich, es sei eine gute Idee, wenn ..."
Peters Interesse war geweckt. Wieder betrachtete er aufmerksam das Gerät. Dann ging ihm auf, wer sich gleich auch noch in diesem Gebäude einfinden würde.
Schnell riß er den Schuldigen an seiner persönlichen Misere mit sich und marschierte, Kalpun noch immer am Kragen gepackt, Richtung Ausgang.
Dieses Gerät wollte er lieber erst ... geheim halten und selbst untersuchen. Dann konnte er immer noch entscheiden, was er tun wollte mit dem Ding.
Dorn kam gerade, so schnell sein Rollstuhl fahren konnte, um die Ecke, hielt auf den Eingang zu, als er das Gebäude wieder verließ, den jungen Erethianer noch immer fest gepackt.
„Da ist er!" Er stieß den anderen von sich. Der taumelte auf Dorn zu, der ihn streng musterte.
„Wirst einiges zu erklären haben, Junge", sagte der Marine mit tiefer Stimme.

***

Fünf Tage später

Peter schlich gesenkten Hauptes den Gang entlang zu seinem Quartier.
Nicht einmal ein Dutzend Stimmen! Nicht einmal zehn Stimmen!
Magere vier Leute hatten für ihn gestimmt, besser drei, wenn er seine eigene Stimme noch mit dazu zählte. Und dabei war er sich ziemlich sicher, diese anderen drei zu kennen.
Dabei hatte er doch wirklich viel versucht, um sich beliebter zu machen. Er hatte bei der Diskussionsrunde wirklich alles getan, um von sich zu überzeugen. Er hatte beim Einzug in die Stadt mitgeholfen, wo immer er konnte. Er hatte sich so sehr zurückgehalten, bis er glaubte, an seinen Einwänden ersticken zu müssen. Doch nichts hatte ihm das gebracht, gar nichts. Drei Stimmen, und er war sich ziemlich sicher, daß diese zwei dieser drei Stimmen von Vashtu und Dorn stammten. Und ihn würde es nicht nicht wundern, wenn sich die vierte irgendwann als die von Dr. Stross herausstellen würde.
Und wenn er sich dann vorstellte, wie seine ehemalige Leaderin abgeschnitten hatte ... Er wollte gar nicht daran denken! Nein, nur nicht daran! Sie würde es ihm sehr wahrscheinlich noch mehr als einmal unter die Nase reiben.
Peter blieb vor der Tür zu seinem Quartier stehen und seufzte schwer.
Unten im Gebäude fand eine kleine, sehr beschauliche Feier statt. Doch ihm war nicht danach, irgendetwas zu feiern. Er wollte seine Wunden lecken und sehen, daß er zumindest noch mit etwas Stolz aus dieser Sache wieder herauskam. Und er mußte nachdenken, was er denn nun eigentlich falsch gemacht hatte.
Peter berührte den Türöffner und seufzte wieder.
Vier Stimmen! Das konnte doch einfach nicht wahr sein. Gegen eine Frau verloren, die sich nicht einmal zu dieser Wahl gestellt hatte. Das durfte nicht wahr sein!
Die Tür schwang auf und ... eine gewaltige Welle schwappte ihm entgegen, riß ihn fast von den Füßen. Er sah in sein eigenes, gewinnend lächelndes Konterfei, während er nun wirklich das Gleichgewicht verlor und schließlich, auf dem Boden sitzend, bis zum Schoß in Flugblättern badete.
Er sollte so schnell wie möglich einen Weg finden, diesen verdammten Kopierer abzustellen!

***

Vashtu stand im Kontrollraum, sah hinaus in den Gateroom und spielte gedankenverloren mit einer der beiden Ketten um ihrem Hals. Ihr Gesicht wirkte angespannt, noch immer rang sie mit sich, auch wenn sie glaubte, sich bereits entschieden zu haben. Und, wenn sie ehrlich war, wollte sie für die Vineter alles gute, mußte sie es tun, so schwer es ihr fiel.
Dr. Stross betrat den stillen Raum, blieb bei der Tür stehen und musterte sie schweigend.
Vashtu fühlte den Blick der anderen auf sich ruhen, riß sich aus ihren Gedanken und drehte sich um. Ein zerknirschtes Lächeln glitt auf ihre Lippen. „Ist die Wahl gut gelaufen für Sie, Doc?" fragte sie.
Stross musterte sie noch immer, zuckte dann mit den Schultern. „Ich habe gewonnen. Aber es dürfte zumindest den einen oder anderen überrascht haben, wen ich in meinen Stab aufnehmen will", antwortete sie und trat näher.
Vashtu biß sich auf die Lippen und senkte den Kopf.
Ihre Arbeit war getan. Vineta mochte zwar nicht hundertprozentig funktionieren, aber alles bis auf eines war erledigt. Die letzten Tage waren selbst für sie anstrengend gewesen, so daß sie sich sogar etwas auf ihr Quartier, oder möglicherweise auf die Brick, freute. Da Pendergast sie sicher wieder isolieren würde, würde ihr nicht viel zu tun bleiben.
„Sie haben gute Arbeit geleistet, Major", sagte Stross mit sanfter Stimme. „Sehr gute sogar. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll."
Vashtu blickte wieder auf, sah der anderen tief in die Augen. „Ich hoffe, ich kann noch etwas tun." Ein Ruck ging durch ihren Körper, als sie diese Worte aussprach. Langsam zog sie den Steuerkristall unter ihrem T-Shirt hervor, löste dann die Kette.
Stross sah sie verwirrt an. „Was meinen Sie?"
Vashtu wog den Kristall in ihrer Hand und betrachtete ihn.
Eines blieb noch, ein letztes, bevor die Stadt endgültig wieder auferstehen konnte. Und dieses eine konnte nur sie tun.
Es fiel ihr trotz allem schwer, so lange hatte sie den Kristall gehütet, so lange so viel riskiert, wenn sie sich nur an das eine oder andere erinnerte, was in der Milchstraße geschehen war. Dennoch aber mußte sie sich jetzt und hier entscheiden. Und eigentlich, das wußte sie, hatte sie sich bereits entschieden, schon vor Wochen.
„Ich wollte sowieso noch mit Ihnen sprechen, Major", wandte Stross jetzt ein. Offensichtlich ertrug die Wissenschaftlerin das Schweigen nicht mehr.
Vashtu zögerte, dann schloß sich ihre Faust um den Kristall. Sie blickte auf, sah die andere fragend an und schwieg weiter.
Stross lächelte unsicher. „Ich weiß nicht, ob Sie erfahren haben, wen ich in meinen Stab aufgenommen habe ... ?"
„Nein, davon weiß ich nichts." Die Antikerin schüttelte den Kopf.
Stross atmete einige Male tief ein. „Mein wissenschaftlicher Leiter wird Dr. Walter Spitzbart werden, ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen."
Sie überlegte, schüttelte dann den Kopf. „Nicht namentlich", antwortete sie.
Stross nickte. „Er ist ein guter Mann, auch wenn er noch nicht allzu lange in Atlantis war. Nun, sein Stellvertreter ..." Sie lächelte wieder. „Seinen Stellvertreter hat er sich selbst ausgesucht. Dr. Babbis wird diesen Posten übernehmen."
Vashtu sah wieder auf ihre Faust hinunter und biß sich auf die Lippen. Langsam nickte sie, schwieg jetzt wieder.
„Als Leiter des militärischen Dienstes innerhalb der Stadt ..." Stross schloß den Mund wieder, suchte ihren Blick. „Ich habe lange mit mir gerungen, und eigentlich ... Aber es bot sich an nach der Sache mit Babbis und den Flugblättern. Er hat eine gute Spürnase. Den internen Sicherheitsdienst wird Sergeant Dorn übernehmen, Major."
Vashtu schluckte, blinzelte einige Male, als sie ein gewisses Brennen in ihren Augen fühlte.
Damit war es vorbei. SG-27 existierte nicht mehr, endgültig. Sie würde zur Prometheus zurückkehren, allein und abgeschnitten. Die beiden anderen überlebenden Mitglieder ihres Teams aber würden hier eine neue Heimat finden und sicher ihren Weg machen.
Vashtu nickte, blickte wieder auf, als sie glaubte, sich im Griff zu haben. Ein trauriges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Danke", hauchte sie.
Stross schüttelte den Kopf und hielt ihr die Hand hin. „Ich habe zu danken, Major", entgegnete sie, als die Antikerin zögernd einschlug. „Und ich möchte Ihnen sagen, daß meine Tür auch weiterhin immer offenstehen wird. Ich ..." Wieder schloß sie den Mund, hielt Vashtus Hand weiter fest. „Ich möchte, daß Sie, wenn Sie wieder herunterkommen von der Prometheus, ein eigenes SG-Team zusammenstellen. Wir werden keine Reisen unternehmen, bis Sie zurückkommen, Major. Es war so abgemacht. Die erste, die dieses Sternentor benutzen darf, sind Sie. Und dabei bleibt es." Sie ließ ihre Hand los.
Vashtu runzelte die Stirn. „Und wenn ich nicht zurückkomme?" fragte sie.
Stross lächelte. „Sie werden zurückkommen, da bin ich mir sicher. Sie haben hier noch einiges zu erledigen, und das werde ich Pendergast sicher sehr schnell klar machen."
Eine leise Hoffnung wuchs in ihr und plötzlich wußte sie, sie hatte die richtige Entscheidung getroffen. Es blieb nur noch dieses eine, ehe sie gehen würde - für diesmal. Sie mußte vertrauen, und sie würde vertrauen.
Vashtu wandte sich ab und ging, langsam und mit leichtem Zögern, zum Hauptrechner von Vineta. Als sie ihre Hand kurz auf das Panel legte, flammte dieser auf, wie immer, seit sie die erste Energie in diesen Raum geleitet hatte.
Sie sah kurz auf, betrachtete das indirekte Licht, das den Raum erhellte. Und sie fühlte, wie Stross ihr folgte, nahe bei ihr stehenblieb.
„Dieses Problem werden Sie auch noch lösen, Major", sagte die Wissenschaftlerin mit einfühlsamer Stimme.
„Ich habe es bereits gelöst, Dr. Stross." Mit diesen Worten steckte Vashtu ihren Steuerkristall in die dafür vorgesehene Ausbuchtung. Augenblicklich flammte der Bildschirm über ihrem Kopf auf. Mit leisem Summen sprangen auch die anderen Rechner an. Einer nach dem anderen erhellten sich die Bildschirme.
Vashtu blickte auf und betrachtete die Anzeigen. Dann lächelte sie.
Vineta war wieder zum Leben erwacht.

ENDE

14.11.2010

Vinetas Wiederauferstehung VII

Als Vashtu am nächsten Morgen an Markhams Seite zu den beiden geparkten Jumpern kam, glaubte sie ihren Augen nicht mehr recht zu trauen.
„Das gibt's doch nicht!" entfuhr es ihr, dann schoben ihre Brauen sich zornig zusammen.
Beide Gleiter waren von oben bis unten mit Peter Babbis' Konterfeis und diversen Wahlkampfsprüchen übersäät. Selbst die großen Frontfenster waren vollkommen beklebt worden.
Vashtu holte tief Atem, wollte gerade wieder zurück zum Wohnkomplex marschieren und sich ihr ehemaliges Teammitglied noch einmal gründlich zur Brust nehmen, als Stross ihr entgegenkam, ein hilfloses Lächeln auf den Lippen.
„Guten Morgen, Major. Markham."
Vashtu schluckte mit einiger Mühe ihre Wut herunter und nickte grüßend, noch immer sehr genau die Straße zurück in Auge behaltend.
„Major, ich würde gern noch kurz mit Ihnen sprechen, wenn Sie erlauben", bremste Stross sie zum zweiten Mal.
„Wenn es sein muß", knurrte die Antikerin, wandte sich jetzt endgültig der Wissenschaftlerin zu. Einige Helfer, die Stross offensichtlich gefolgt waren, eilten zu den beiden Jumpern, um diese von ihrer unfreiwilligen Verkleidung zu befreien.
Die Blonde warf den Fluggeräten einen langen Blick zu und schüttelte den Kopf. „Eigentlich hatte ich geglaubt, Dr. Babbis hätte mich gestern verstanden", seufzte sie, sah dann Vashtu offen an. „Halten Sie es wirklich für eine gute Idee, selbst wieder zur Prometheus zu fliegen, Major? Nach dem, was Sie da gestern mitgebracht haben, könnte es sein, daß ..."
„Er weiß noch nichts. Miller hält noch den Mund." Vashtu kreuzte die Arme vor der Brust. „Und, ehrlich gesagt, heute wäre ich in der Stimmung, mich wirklich mit Pendergast anzulegen." Ein langer Blick auf die beklebten Jumper folgte.
Ein hilfloses Lächeln von Stross. „Ich schätze, ich werde noch einmal versuchen, mit Dr. Babbis zu sprechen."
„Viel Glück. Da kann ich nur hoffen, Sie erreichen ihn, ehe ich es kann." Vashtus Kiefer mahlten. „Meine Tür war auch wieder gepflastert."
Die Wissenschaftlerin sah sie wieder an. „Wie oft müssen Sie noch hoch, ehe alles hier unten ist?"
Vashtu atmete einige Male tief ein, dann nickte sie. „Ich schätze zweimal. Wir dürften heute noch anfangen können mit dem Anschließen und Hochfahren. Solange wir nur Teile der Stadt in Betrieb nehmen, dürften Sie auch ohne ZPMs überleben. Trotzdem sollten Sie so schnell wie möglich suchen lassen. Wenn es hier welche gab, ist die Chance relativ hoch, daß es irgendwo anders in dieser Galaxie Einrichtungen gibt, die mit ihnen betrieben wurden. Vielleicht findet sich sogar ..." Sie stockte und schloß abrupt den Mund. Dann schüttelte sie den Kopf. „Tut mir leid, aber die Chance dürfte gering sein."
„Was für eine Chance?" Stross trat einen Schritt näher und musterte ihre Gegenüber forschend.
Die Antikerin seufzte. „In Ihrer Realität bin ich offensichtlich nicht aufgetaucht in Atlantis, darum dürften Sie davon nichts wissen. Und ich halte es für besser, wenn ... Es gab Ladegeräte für ZPMs, Dr. Stross. Als ich in Atlantis auftauchte in meiner Dimension und mich der Expedition anschließen wollte, suchten wir nach einem. Leider nur mit mäßigem Erfolg."
„Ladegeräte?" Die Wissenschaftlerin blinzelte ungläubig. „Aber ... Dr. McKay und Dr. Zelenka vermuteten da etwas, aber wir wußten es nicht."
Vashtu kniff die Lippen aufeinander und zuckte mit den Schultern. „An Ihrer Stelle würde ich eher nach ZPMs suchen als nach Ladegeräten. Durchaus möglich, daß es hier früher einmal welche gegeben hat, aber die dürften zerstört sein. Es war nur ein dummer Gedanke von mir, entschuldigen Sie." Sie wollte sich abwenden und zu den Jumpern gehen, um mitzuhelfen, die Flugblätter wieder zu entfernen.
„Wie sieht es überhaupt mit dem Tor aus, Major. Sie meinten, wir sollten es testen, ehe wir selbst durchgehen."
Die Antikerin blieb wieder stehen und seufzte. Dann drehte sie sich um. „Ich hoffe, daß wir entweder früher fertig werden oder ich noch wenigstens einmal hierher zurückkomme, Doc. Dann würde ich das lieber selbst in die Hand nehmen. Ich weiß, was ich tue, wenn es um Sternentore geht, zumindest meistens." Ein zerknirschtes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
Stross zögerte, richtete sich dann wieder auf. „Ich wollte sowieso noch mit Ihnen sprechen, Major. Wenn Sie ..."
„Mam?" rief Markham. „Wir sind soweit."
Vashtu warf einen Blick über die Schulter, dann sah sie wieder Stross an. „Später, Doc. Wir sollten uns beeilen und den Rest runterholen, ehe Pendergast wirklich herausfindet, was mit seiner Waffenkammer geschehen ist." Damit joggte sie los und verschwand kurz darauf in einem der Jumper.
Stross blieb stehen und beobachtete, wie die beiden Gleiter nacheinander vom Boden abhoben und die Höhle verließen.
Hoffentlich würde die Antikerin einwilligen. Hoffentlich!

***

„Doc?"
Peter, der gerade damit beschäftigt war, neue Kabel über einem Galgen zu verhängen, damit der Gang frei blieb, blinzelte von der Leiter nach unten. „Sergeant?" Er nickte dem Marine grüßend zu.
„Hab da was", sagte Dorn unbeeindruckt zu ihm hoch.
Peter blieb stocksteif auf der Leiter stehen, sah sich dann hektisch um, um die Sprossen schließlich eilig herunterzukraxeln. „Was? So schnell?" Staunend starrte er den Älteren im Rollstuhl an.
Dorn nickte, rieb sich die Nase. „Kalpun wurde heute nacht gesehen", begann er zu berichten. „Bei dem kleinen Tor hinten, hinter der Felssäule."
„Im Forschungssektor?" Der junge Wissenschaftler staunte. „Aber ... der ist doch von Vashtu gesperrt worden."
Dorn sah ihn durchdringend an, schwieg jetzt aber.
Peter hob in einer beschwichtigenden Geste die Hände. „Okay, okay, dieser Kalpun hält sich nicht an die Regeln, ich weiß."
Der Marine nickte schweigend, öffnete dann seine Jacke ein Stückweit. „Bin bereit", sagte er nur.
Peter starrte auf die Waffe, die Dorn in einem Schulterhalfter unter der Achsel trug und schluckte sichtlich. „Denken Sie wirklich, das ist nötig?" fragte er, wofür er wieder einen verächtlichen Blick erntete.
Der junge Wissenschaftler seufzte ergeben. „Okay, okay, für alle Fälle gerüstet, ich weiß." Er warf einen letzten Blick auf die Leiter, fand, daß sie dort wo sie war, gut stand, dann folgte er Dorn, der den Gang wieder hinunterrollte. „Ich habe meine aber nicht dabei", gab er zu bedenken. Doch der Marine reagierte gar nicht auf diesen Einwurf.

***

Vashtu wechselte einen ratlosen Blick mit Markham, als sie beide vor den Kisten standen, die sich noch im 302-Hangar der Prometheus stapelten. Irrte sie sich, oder waren diese mehr geworden? Nein, so wirklich mochte sie das bei dem Gesichtsausdruck des jungen Lieutenants neben sich nicht annehmen.
„Wo kommen die her?" brach Markham schließlich das Schweigen.
Vashtu stemmte die Hände in die Hüften und nickte sinnend. „Gute Frage ..." Sie kniff die Lippen aufeinander und neigte den Kopf leicht zur Seite, in der Hoffnung, die Stapel würden weniger werden. Doch das war nicht der Fall.
Mit einem leisen Zischen öffnete sich das Schott am anderen Ende des Hangars.
Die Antikerin blickte auf und drehte sich um. Ihre Augen wurden groß, als sie die beiden Neuankömmlinge erkannte - zumindest einen von ihnen.
„Miller!" sagte sie überrascht.
Der Marine-Captain grinste schief. Um seinen Kopf wand sich ein dicker Verband. „Sie haben einen ziemlichen Schlag drauf, Mam", begrüßte er sie, reichte ihr die Hand. „Darf ich vorstellen: Heimdahl."
Vashtus Augen glitten von dem turbanartigen Verband ab zu dem grauhäutigen Alien, der etwas verschämt neben dem Marine stand.
„Was will der denn hier?" zischte Markham fast unhörbar hinter ihr. „Sonst hält er sich doch aus allem heraus."
Vashtu schüttelte unwillig den Kopf, richtete ihre Aufmerksamkeit ganz auf das feingliedrige Wesen. Ein freundschaftliches Lächeln leuchtete in ihrem Gesicht.
„Es freut mich, dich kennenzulernen, Heimdahl", sagte sie und verneigte sich leicht.
Die großen Augen des Außerirdischen blinzelten sie vertrauensvoll an, und sie wußte endlich, was Peter mit seinen kryptischen Hinweisen gemeint hatte. Dieser Asgard schien alles andere als alt zu sein.
„Du mußt die Antikerin sein, die der Erde dient." Die Stimme Heimdahls war typisch für seine Rasse, bar beinahe jeder Emotion. Fasziniert sah er zu ihr hoch.
Vashtu richtete sich wieder auf.
Der Asgard war sogar noch ein gutes Stück kleiner als der ihr vertraute Hermiod, fiel ihr auf. Auch schien sein Körper irgendwie ... unfertig, selbst für seine Rasse. Er war wirklich sehr jung, ging ihr auf, und das nicht nur von seinem Wesen.
Vashtu wurde dieses Starren allmählich etwas unangenehm. Mit einem leicht strengen Blick begegnete sie Heimdahls Augen, die sofort wieder vertrauensvoll zwinkerten. Dann wandte sie sich resigniert wieder Miller zu.
„Kann ich davon ausgehen, daß in diesen ganzen Kisten mehr drinsteckt als die übliche Ausrüstung?" fragte sie unumwunden.
Der Marine grinste breit. „Sagen wir, der Ärger soll sich doch richtig lohnen, oder nicht?"
„Aber wie wir die Sachen runterkriegen in die Stadt, das verraten Sie uns nicht, oder, Captain?" Vashtu hob fragend die Braune.
Miller warf dem Asgard neben sich einen bezeichnenden Blick zu. Die Augen der Antikerin wurden schmal.
„Was?" fragte sie ungeduldig.
„Ich möchte mich euch anschließen", sagte Heimdahl jetzt.
Vashtu stutzte, blinzelte und sah jetzt doch wieder zu dem Asgard hinunter, der sie immer noch fasziniert anstarrte. „Bitte?"
Heimdahl nickte, ließ immer noch kein Auge von ihr. „Ich möchte mich euch anschließen und in die Stadt deines Volkes ziehen. Hier kann ich sonst nichts mehr tun", erklärte er.
Vashtu warf den Kisten einen langen Blick zu, betrachtete dann den Asgard aus den Augenwinkeln. „Wenn ich mich nicht irre, was den Inhalt dieser Kisten angeht, dann ..." Den Rest des Satzes ließ sie offen, richtete sich statt dessen wieder zu ihrer vollen Größe auf. Noch immer musterte sie Heimdahl aus schmalen Augen, während er sie fasziniert anstarrte.
Miller schien jetzt endlich aufzugehen, daß ihr das irgendwie unangenehm war. Er beugte sich zu dem Alien hinunter und zischte ihm etwas zu, was die Antikerin nicht so wirklich verstehen konnte.
„Aber sie sieht aus wie ihr Menschen!" Diese Antwort dagegen verstand sie mehr als gut.
Sofort schoben ihre Brauen sich wieder zusammen. „Die Menschen haben sich zu einem guten Teil aus meinem Volk entwickelt, Heimdahl", warf sie ein. „Und das löst das Problem nicht. In diesen Kisten sind zum Teil Waffen. Und dein Transporter kann keine Waffen beamen."
Immer noch dieses faszinierende Starren. Sie meinte, ein leises Lächeln in den großen Augen wahrzunehmen. „Mit einer kleinen Änderung kann ich es", sagte er.
Vashtu fiel ein, daß etwas ähnliches schon in ihrem Atlantis geschehen war während der Belagerung durch die Wraith in dieser Zeit. Sie löste eine Hand aus der Verschränkung und hob diese.
„Moment", sagte sie. „Du willst die Einstellungen ändern und uns die Sachen direkt in die Stadt beamen? Und was ... ?" Sie neigte wieder fragend den Kopf.
„Ich möchte mich euch anschließen. Ich möchte in die Stadt deines Volkes, Vashtu Uruhk. Die Prometheus ist nicht gut für mich, mein Schiff ist zu weit entfernt, ich kann es nicht erreichen, wie ich auch andere meines Volkes nicht erreichen kann."
Vashtu drehte sich um und wechselte einen Blick mit Markham. Der zuckte hilflos mit den Schultern, konnte ihr damit auch nicht wirklich weiterhelfen.
Vashtu wandte sich wieder an den Asgard: „Und warum kommst du damit erst jetzt?" fragte sie. „Wir haben einen ganzen Tag verloren, weil du offensichtlich noch überlegen mußtest. Oder wie soll ich das verstehen?"
„Er steht unter Bewachung, Major", entgegnete Miller.
Vashtu stockte mitten im Luftholen. Ihre Augen wurden groß. „Unter Bewachung?" Sie riß die Augen auf.
Heimdahl nickte. „Darum möchte ich auch weg von hier", erklärte er bar jeder Emotion.
Markham hinter ihr seufzte.
„Aber ... das kann ich nicht entscheiden!" Vashtu sah wieder zu dem jungen Lieutenant. Der zog allerdings nur eine hilflose Grimasse, zuckte wieder mit den Schultern.
Heimdahl starrte sie immer noch an. Allmählich wurde ihr das zuviel. Mit zusammengezogenen Brauen starrte sie zurück. „Ich kann das nicht entscheiden, Heimdahl. Du hättest dich an Dr. Stross wenden sollen, als sie noch hier war. Wenn es nach mir ginge, ich hätte nichts dagegen, wenn du zu uns stößt."
Heimdahl blinzelte wieder. „Dann wird mir das reichen", sagte er, wieder dieses kleine vertrauensvolle Lächeln in den Augenwinkeln. „Ich richte den Strahl auf die Stadt aus. Nehmt mit, was ihr jetzt wollt. Den Rest schicke ich hinunter."
Vashtu blinzelte wieder verständnislos, dann nickte sie. „Gut, machen wir es so. Aber wie kommst du ... Willst du nachkommen?"
„Wir werden sehen. Ich konnte nicht mehr als ihn ein paar Minuten freizumachen", mischte Miller sich wieder ein. „Kommt Zeit, kommt Rat, sagte mein Vater immer."
Vashtu nickte. „Gut, ich werde Dr. Stross Bescheid geben, ehe mein Team zurückkommt hierher."
Für diese Worte erntete sie einen überraschten Blick des Captains.
„Markham, sehen wir zu, was wir in die Jumper laden können. Wir sehen uns, Heimdahl." Sie warf dem Asgard noch einen Blick zu. Der starrte sie noch immer an.
Allmählich fühlte sie sich wirklich wie ein Tier im Zoo. Kopfschüttelnd wandte sie sich ab und hörte, wie das Schott sich wieder öffnete.
„Der hat Sie die ganze Zeit angestarrt, Mam." Markhams Stimme klang amüsiert.
Vashtu winkte ab und packte die erste der Kisten. Mit Hilfe der Wraith-Zellen stemmte sie diese hoch und schleppte sie in ihren Jumper.
Das versprach ja wirklich ein gemischter Haufen da unten in Vineta zu werden. Und es würde sicher ...
Vashtu schüttelte bedauernd den Kopf. Was dachte sie da nur wieder?

TBC ...

17.10.2010

Vinetas Wiederauferstehung VI

Es war Abend geworden, als Vashtu endlich die Kantine des Doppel-Gebäudes betrat, in dem ihr Erkundungstrupp Quartier suchte, nachdem sie die Stadt freigegeben hatte. Inzwischen war diese reichlich gefüllt, wie sie feststellte, als sie sich umsah. Bekannte und unbekannte Gesichter mischten sich.
Ein gutes Gefühl war es, das sie da leise beschlich.
Die Stadt erwachte zum Leben, und die neuen Bewohner wollten ihre Chance nutzen und dieses Vineta zu etwas anderem machen als ...
Vashtu schüttelte den Gedanken mit einem Schulterzucken ab und trat an den Thresen, um sich eine Tasse mit Tee zu besorgen. Gegessen hatte sie bereits in der Messe der Prometheus, denn sie wollte sicherstellen, daß die wenigen Vorräte, die sie bisher hatten ergattern können, auch denen zu gute kamen, die sie nötiger hatten als sie.
Eines aber würde sie vor ihrem Versuch, diese Galaxie zu verlassen, auf jeden Fall noch tun, nämlich das Gate richtig testen. Dazu aber wollte sie sich zunächst noch einmal mit den Erethianern beraten, die, auch wenn sie das Sternentor nie benutzt hatten, doch eine ungefähre Vorstellung von dem zu haben schienen, was möglicherweise auf der anderen Seite lauern konnte.
Mit der Tasse in der Hand drehte sie sich wieder um und musterte das muntere Völkchen, das sich hier versammelt hatte.
Eines war ihr sofort aufgefallen, als sie den Raum betreten hatte, nämlich die vielen Gespräche und das leise Lachen. Ganz anders als auf der Prometheus wirkten die Menschen hier gelöst, beinahe frei, auch wenn die meisten von ihnen wohl bald ein wesentlich kargeres Leben führen würden. Ihr erschien das irgendwie merkwürdig, doch sie würde sich nichts anmerken lassen.
„Major!" Ein junger Mann winkte ihr.
Vashtu hob den Kopf, lächelte dann und trat an den Tisch, an dem sich die Marines ihrer kleinen Expedition versammelt hatten.
Frederics, der junge Mann, der auf sie aufmerksam geworden war, rückte ein Stück zur Seite und bot ihr den Stuhl neben dem seinen. Dankbar ließ sie sich nieder, stellte die Tasse vor sich auf den Tisch und lehnte sich mit einem Ellenbogen auf die metallene Platte.
„Wie weit sind Sie?" erkundigte sich ein anderer Marine bei ihr, Brown mit Namen, wenn sie sich nicht irrte.
„Morgen dürften wir alles heruntergeschafft haben", antwortete sie, lehnte sich entspannt zurück und streckte sich. „Dann geht hier das große Aufbauen los. Ich hoffe, Sie alle werden dabei mithelfen?"
Einhelliges Nicken der jungen Soldaten.
Frederics drehte sich zu ihr herum und sah sie mit einer leisen Angst in den Augen an. „Ich hörte, Sie hätten gestern den Colonel auf der Prometheus getroffen?"
Vashtu griff nach ihrer Tasse, nahm sie in die Hand und blies hinein. Dann nickte sie.
Sie wollte lieber nicht daran denken, daß sie bald wieder diesem Kerl da oben über ihren Köpfen ausgeliefert sein würde, und diesmal sogar ohne einen echten Ansprechpartner. Ihr blieb nur zu hoffen, daß Pendergast sie, solange der Hyperantrieb nicht bereit war, des öfteren in die Stadt lassen würde.
„Wie lange noch?" erkundigte sich ein anderer Marine.
„Sechs Tage", murmelte sie in ihre Tasse, nippte an dem Tee und stellte mit einer Grimasse fest, daß sie vergessen hatte, ihn zu süßen.
Augenblicklich verstummten die anderen Gespräche am Tisch, alle Augen richteten sich auf sie.
Vashtu runzelte unwillig die Stirn, warf Frederics einen langen Blick zu.
„Wir dachten, Sie würden vielleicht ... Naja, Sie wissen schon. Dr. Stross deutete da etwas an", antwortete der stockend.
Vashtu hob eine Braue. „Und was deutete Dr. Stross an?" fragte sie mißtrauisch.
Wenn sie nur wüßte, ob sie dieser Wissenschaftlerin wirklich vertrauen konnte. Aber da war irgendetwas, was zwischen ihnen beiden stand. Etwas, was Vashtu nicht wirklich benennen konnte. Stross war ihr gegenüber eigentlich von Anfang an offen und ehrlich gewesen, war ihr freundlich begegnet, als sie auf der Prometheus strandete und begann, den Kontakt zu ihrem Team zu verlieren. Aber dann, mit dem Beginn der Expedition, schien sich irgendetwas geändert zu haben. Sie wurde das Gefühl nicht los, daß Stross hinter ihrem Rücken paktierte, und sie war sich nicht sicher, ob ihr diese Intrige nicht vielleicht schaden konnte. Andererseits aber arbeiteten sie beide gut zusammen, und sie hatte das Gefühl, als könne sie der anderen trauen, zumindest ein gutes Stück weit. Wie auch immer das zusammenpaßte, sie wußte es nicht.
Sie erinnerte sich noch an den Tag, an dem sie beide in der Sicherheitszentrale gewesen waren. Sie hatte den Steuerkristall benutzt, und der Nebenrechner war tatsächlich hochgefahren, anders als die im Kontrollraum. Seitdem war Vashtu sich sicher, daß hier nur Zugriff auf die Daten gestattet wurde, wenn eben ein Steuerkristall wie der ihre benutzt wurde. Und das würde bedeuten, sie müßte hierbleiben, zumindest solange die Atlanter bleiben würden.
„Wollen Sie nichts tun?" fragte Frederics endlich.
Vashtu blinzelte, aus ihren Gedanken gerissen. „Gegenfrage?"
Frederics schoß das Blut ins Gesicht. „Verzeihen Sie, Mam." Schuldbewußt senkte er den Blick.
Vashtu sah aufmerksam von einem zum anderen der Männer. Dabei erinnerte sie sich noch sehr gut an den Beginn der Expedition. Die Marines waren nicht sehr begeistert von ihr und ihrer Befehlsgewalt gewesen. Daran hatte sich erst im Planetenkiller-Lager etwas geändert, als sie auf die letzten überlebenden Devi gestoßen waren. Wie auch immer sie das erklären sollte. Sie war direkt nach dem kurzen Gefecht zur Prometheus hinaufgebeamt worden für einige Minuten. Als sie wieder auf dem Planeten war, hatte sie es plötzlich mit einer Gemeinschaft von Marines zu tun, die sich widerspruchslos ihren Befehlen fügte.
„Dr. Stross meinte, Sie würden vielleicht hierbleiben, Mam", antwortete jetzt ein anderer Marine für Frederics, Brower, wenn sie sich nicht irrte.
„Nicht, solange die Prometheus über uns hängt. Das wird allein Colonel Pendergast nicht zulassen", antwortete sie so unbeteiligt wie möglich.
Dabei, und das bemerkte sie jetzt, stritten in ihr wieder die Gefühle und prallten ungebremst aufeinander.
Wenn sie die Stadt jetzt sah, zwar nicht gerade reichlich bevölkert, aber immerhin mit etwas Leben erfüllt, fühlte sie sich verantwortlich. Aber es war eine andere Verantwortung als die, die sie immer noch ausbremste und von hier verschwinden lassen wollte. Sie fühlte sich für die Menschen hier verantwortlich, gestand sie sich ein. Und sie wollte ein Teil dieses Vinetas sein, dazugehören und mithelfen, die Stadt wieder aufzubauen zu etwas anderem als dem Ort des Schreckens, der sie vor zehntausend Jahren gewesen war. Sie fühlte ein bißchen Hoffnung in sich, daß sich mit der Zeit alles richten würde, daß sie Teil von dem werden könnte, was hier gerade geschah.
Dazu kam dann auch noch die Gefahr, die möglicherweise von den Devi ausging. Sie hatte die Devi auf die Prometheus und die Atlantis-Crew aufmerksam gemacht, Peter und sie hatten gemeinsam die Stadt der Hybridwesen zerstört und damit möglicherweise einen Krieg ausgelöst. Konnte sie wirklich guten Gewissens diese Menschen allein lassen? Sollte sie nicht vielmehr versuchen, ihnen zu helfen, so gut es ging?
Aber ... was war mit ihrem Leben auf der Erde? Was mit Atlantis? Das Band zu John bestand noch immer, so daß ihre Zweifel, was eine andere Dimension betraf, eigentlich hinfällig geworden waren. Sie wußte es zwar nicht mit letzter Sicherheit, aber immerhin glaubte sie zu wissen, daß sie sich noch immer dort befand, woher sie gekommen war, nur eben in einer weit, weit entfernten Galaxie, die gerade noch mittels einer GateBridge von Atlantis aus erreichbar gewesen war. Einer GateBridge, die von den Wraith zerstört worden war laut den Berichten auf Antarktica.
Konnte sie dem wirklich Glauben schenken nach dem, was sie bereits hier gefunden hatte? Es gab so viele Hinweise, die nicht auf das Ende von Vineta hindeuteten, das in den Berichten vermerkt worden war. Nur allein die Leiche auf dem Kontrollstuhl sprach ganze Bände.
Was auch immer sich in Vineta zugetragen hatte vor zehntausend Jahren, es reichte bis in die heutige Zeit. Die Menschen dieser Galaxis standen ihrem Volk mehr als kritisch gegenüber, sie haßten die Antiker! Und sie konnte es ihnen nicht einmal wirklich verdenken.
„Wollen Sie denn wirklich nichts dagegen unternehmen?" wandte Frederics wieder ein. „Ich meine, Sie haben hier doch ..." Er verstummte unter ihrem Blick.
„Nicht in dieser Stadt, Lieutenant." Vashtu stellte endlich die Tasse wieder auf den Tisch zurück und schüttelte den Kopf. „Nicht hier, tut mir leid."
Die Tür öffnete sich wieder.
Die Antikerin blickte auf und runzelte die Stirn, als sie die beiden Neuankömmlinge sah.
Was hatte das denn zu bedeuten? Seit dem Unfall hatte Peter sich doch so weit wie möglich von Dorn entfernt gehalten. Warum kamen sie jetzt zusammen?
Vashtu zögerte einen Moment, neugierig geworden auf das, was sich da möglicherweise abspielen mochte. Dann aber erinnerte sie sich an die Flugblätter und erhob sich mit einem Ruck.
„Es ist spät und morgen gibt es viel zu tun", verabschiedete sie sich von der kleinen Truppe, nickte ihnen zu. „Viel Vergnügen noch." Damit verließ sie die Kantine wieder, ohne einen weiteren Blick auf die mageren Reste ihres ehemaligen SG-Teams zu werfen.

***

„Hören Sie, Sergeant, ich weiß, diese Sache ist ... naja, nicht wirklich so wichtig für Sie. Aber ..." Peter seufzte schwer und biß sich auf die Lippen.
Dieses Geständnis tat ihm wirklich weh, viel zu weh. Dabei war er sich nicht einmal wirklich sicher, ob ... Er glaubte immer noch, es sei eine gute Idee gewesen, denn auf diese Weise würden die Atlanter ihn zumindest bei der geplanten Diskussion erkennen. Allerdings, und das mußte er zugeben, nahm diese Sache mit den Flugblättern allmählich Ausmaße an, an die er nie im Leben gedacht hatte.
Dorn musterte ihn mit stillem Amüsement, lehnte sich in seinem Rollstuhl zurück. „Die Plakate", half er aus, einen Mundwinkel nach oben ziehend.
Peter ließ den Kopf hängen und ächzte. Dann aber, nachdem er wieder aufblickte, nickte er. „Ich hatte Danea gebeten, mir bei meinem Wahlkampf zu helfen", erklärte er. „Immerhin ist es wichtig für einen Gegenkandidaten, wenn sein Gesicht bekannt wird. Dr. Stross und Major Uruhk allerdings ... nun, sie sind nicht wirklich erbaut von der ganzen Sache, und ich bin es mittlerweile auch nicht mehr. Das muß aufhören! Zumindest in diesem Maße."
Dorn schmunzelte, sagte aber nichts, sondern sah seinen jungen Gegenüber nur fragend an.
„Danea aber dachte, er tue mir etwas gutes, indem er einen anderen Erethianer mit dieser Angelegenheit betraute. Einen gewissen Kalpun. Und der ist wohl verschwunden, jedenfalls ist er nicht da, wo er sein sollte."
Dorns Schmunzeln verlosch, er richtete sich wieder auf. „Kalpun?" wiederholte er.
Peter blinzelte irritiert, nickte dann. „Ja, Danea meinte, er sei irgendwie anders und würde wohl seine eigenen Wege suchen."
„Kann man sagen." Dorn schien alles andere als begeistert. Sein Blick war jetzt um einige Grade kälter geworden.
Was hatte dieser Kalpun angestellt? Sonst war der Ex-Marine doch immer die Ruhe selbst. Um ihn aus der Fassung zu bringen brauchte es selbst mehr, als Vashtu bisher gezeigt hatte.
Peter ging plötzlich auf, daß er wirklich in einem Schlamasel steckte - und zwar bis zum Hals, wenn nicht sogar schon weiter. Er schluckte hart.
„Kalpun ist verschwunden, richtig. Kurz nach der Ankunft ist er verschwunden", sagte Dorn jetzt. Das war einer der längsten Sätze, die der junge Wissenschaftler je von ihm gehört hatte.
„Offensichtlich aber wußten zumindest einige Erethianer, wo er sich herumgetrieben hat, bis ... äh, bis zu der Sache mit den Flugblättern", sagte Peter jetzt. Seine Stimme wurde immer leiser, während er sprach. Jetzt gab er sich einen Ruck und versteifte sich. „Vashtu sagte, wenn das nicht aufhört mit den Flugblättern, würde sie ... äh ... naja, sie würde dann wohl etwas mehr tun, als mir die Freundschaft kündigen."
„Kann ich mir denken." Dorn nickte sinnend.
„Können Sie mir helfen, Serge?" Peter sah wieder flehend auf. „Die Flugblätter müssen runter, sobald sie geklebt worden sind. Können Sie da irgendwie ... helfen?"
Bis jetzt hatte er einen Blick auf den Stumpf während ihres gesamten Treffens vermieden, bewußt vermieden. Nun aber suchten seine Augen den Rest des abgetrennten Beines - und wieder wuchs das Schuldgefühl in ihm ins Unermeßliche.
Es mußte doch irgendeine Möglichkeit geben, Dorn zumindest wieder soweit wiederherzustellen, daß er wenigstens einen Teil seines Dienstes erledigen und sich ein ordentliches Quartier suchen konnte. Irgendwie ...
Peter blinzelte, hob den Blick wieder und sah dem Marine tief in die Augen. „Wenn ich Ihnen eine Prothese anfertige?" fragte er voller neuer Hoffnung.
Dorns Kopf ruckte vor, seine grauen Augen sahen seinen Gegenüber fragend an.
Peter nickte zu dem Stumpf hinunter. „Sie helfen mir, diesen Kalpun zu finden und ich mache Ihnen ein neues Bein. Wie hört sich das an?" Er grinste breit.
Dorn sah ihn immer noch an, diese leise Frage in den Augen.
„Ich kann das!" Peter nickte bestimmt.
Dorns Blick wurde intensiver.
„Ich kann das ganz sicher!"
Eine Braue hob sich.
„Ich mache Ihnen eine Prothese, verdammt! Aber ich brauche Ihre Hilfe." Peter atmete hektisch ein, als habe er gerade einen Spurt hinter sich.
Dorn lehnte sich befriedigt zurück und nickte sinnend. „Werde sehen, was sich machen läßt", sagte er nur.

TBC ...

10.10.2010

Vinetas Wiederauferstehung V

Anne sah sich seufzend in der Steuerzentrale um, konnte ihren Augen kaum trauen.
Über Nacht waren die Flugblätter, die sie gestern hatte entfernen lassen, wieder aufgetaucht, diesmal sogar noch wesentlich mehr als vorher. Dabei hatte sie doch gestern ...
Major Uruhk betrat mit einem brütenden Blick den Raum, im Schlepptau Lieutenant Markham, der sich köstlich zu amüsieren schien, den diversen Konfereis von Dr. Babbis auf den angebrachten Flugblättern mit breitem Grinsen begegnete.
Gut, entschied Anne, offensichtlich hatte die Antikerin zwar mit dem jungen Wissenschaftler gesprochen, aber der entweder kein Einsehen gezeigt oder er selbst war der Sache nicht mehr Herr geworden. Da würde wohl noch ein Gespräch mit Cornyr fällig sein.
„Major, Lieutenant." Sie richtete sich auf und nickte beiden grüßend zu.
Major Uruhk sandte ihr einen resignierten Blick, kreuzte wieder die Arme vor der Brust.
In diesem Moment stürzte ein ziemlich aufgelöster Peter Babbis ebenfalls in den Raum, blieb dann keuchend stehen. Ein flehender Blick auf die Antikerin folgte, doch der wurde kalt ignoriert.
„Doktor", sagte Anne nun auch zu dem letzten Neuankömmling.
„Wir sollten uns heute einen genauen Plan zurechtlegen", schlug Major Uruhk vor, noch immer ihr ehemaliges Teammitglied ignorierend. „Ich schlage vor, Markham und ich fliegen zur Prometheus und beginnen mit dem Transport der Sachen, die diese noch geladen hat. Sie könnten hier unten bereits Hilfsteams organisieren. Es wird sicher den ganzen Tag brauchen, bis wir alles unten haben."
Anne nickte. „So etwas in der Art hatte ich mir auch vorgestellt, Major", sagte sie und lächelte. „Allerdings denke ich, Sie sollten noch ein oder zwei Helfer mit hoch nehmen, die beim Verladen helfen könnten."
Die Antikerin schien einen Moment lang nachzudenken, dann nickte sie. „Alles weitere passiert dann hier unten. Es muß ja nicht ..." Abrupt schloß sie den Mund.
„Genau, es muß nicht." Anne wandte sich Babbis zu. „Fliegen Sie mit oder helfen Sie hier unten, Doktor?"
„Er bleibt unten!" Die Stimme des weiblichen Majors klirrte wie Eis.
Anne hob die Brauen, warf einen kurzen Blick zu der schwarzhaarigen Frau hinüber, ehe sie sich wieder auf Babbis konzentrierte. „Es wäre vielleicht ... ein Gedanke, wenn Sie sich ... erst um etwas anderes kümmern, Doktor", schlug sie vor.
Babbis stieg sichtlich das Blut ins Gesicht. „Ich hatte ja ... Aber da ..." Er schloß den Mund, als er wieder einen unterkühlten Blick erntete.
„Sind noch Naquadah-Generatoren aus Atlantis oben?" wechselte die Antikerin das Thema. „Wir brauchen jede Energie, die wir kriegen können. Selbst wenn wir, wie bisher, den wissenschaftlichen Sektor aus dem Netz nehmen, gibt es noch viele Bereiche, die nur unzureichend mit Strom versorgt werden."
Stross sah sich kurz und seufzend im stummen Kontrollraum um, dann nickte sie. „Es müßten noch ungefähr ein Dutzend Generatoren in der Prometheus sein. Wieviele Pendergast Ihnen allerdings zugestehen wird, Major, kann ich nicht sagen. Immerhin sind diese Generatoren Eigentum unserer Erde."
„Hier werden sie dringender benötigt." Die Antikerin winkte ab, wechselte einen Blick mit Markham. „Und Waffen?"
„Die hat Pendergast beschlagnahmt", antwortete der Lieutenant.
„Dann holen wir sie uns zurück. Sie brauchen auch Proviant hier unten. Selbst wenn es mir mit mehr Energie gelingt, die Bereiter wieder einsatzbereit zu machen, werden Sie sich sicher bald nach der exquisiten Küche der Prometheus sehnen. Ich weiß, wovon ich spreche." Major Uruhk verzog das Gesicht.
Anne nickte. „Gut. Ich habe gestern mit Cornyr gesprochen. Einige Erethianer werden uns hier beim Aufräumen und Putzen helfen." Sie zögerte, trat dann näher. „Das vordringlichste nach Energie und Nahrung sollte für uns allerdings der Hauptrechner sein, Major. Denken Sie, Sie können da etwas tun?"
Anne beobachtete irritiert, wie die Antikerin sich kurz an den Hals griff, dorthin, wo sich die zwei Ketten unter ihrer Kleidung befanden. Das hatte sie jetzt schon mehrfach bemerkt, konnte sich aber noch immer keinen Reim darauf machen.
„Ich werde sehen, was ich tun kann. Wenn die Sachen unten sind, versteht sich." Major Uruhk nickte, drehte sich zu Babbis um. „Nachdem Sie die Plakate abgenommen haben, sollten Sie sich um die Zuleitungen kümmern, Peter", sagte sie unterkühlt. „Und sehe ich noch eines dieser Dinger, wenn ich wiederkomme ..." Drohend hob sie den Kopf.
„Es ist unfair, wenn andere Wahlkampf betreiben dürfen, ich dagegen nicht!" begehrte er plötzlich auf.
Anne sah, wie die Antikerin erstaunt die Brauen hob. „Hat es bis jetzt einen Wahlkampf gegeben?" fragte sie dann.
„Ich habe nur als erster begonnen!" verteidigte Babbis sich.
Major Uruhk atmete einige Male tief ein, dann nickte sie Markham zu und marschierte aus dem Raum.
Anne sah ihr nach, dann wandte sie sich an dem jungen Wissenschaftler: „Ich werde gegen Sie antreten, Dr. Babbis. Wir beide bewerben uns um die Leitung von Vineta. Major Uruhk hat abgelehnt, und wenn Sie von dieser Wahl erfahren haben, wie ich es vermute, dann wissen Sie das auch."
„Und?" Er hob den Kopf, schob seine Brille wieder zurecht. „Meinen Sie, Sie haben einen Frauenbonus?"
„Ich möchte Ihnen nur begreiflich machen, daß es zwar löblich ist, daß Sie sich so ins Zeug legen, aber wir sind auf alle Ressourcen angewiesen, die uns zur Verfügung stehen. Was Sie da gerade mit unserem Papier machen, ist alles andere als sinnvoll. Wir werden jedes Blatt, das sie verschwendet haben, wahrscheinlich sehr bald bitter bereuen, Dr. Babbis. Niemand hat etwas dagegen, wenn Sie sich als mein Gegenkandidat aufstellen lassen. Aber wir haben schlicht keine Zeit und auch nicht genug Bestände von irgendetwas, um uns einen großen Wahlkampf leisten zu können. Es wird eine Diskussionsrunde geben, direkt vor der Wahl. Dort können Sie dann Ihre Argumente vorbringen, warum Sie gewählt werden wollen und auch sollten." Anne seufzte. „Aber einen Wahlkampf, wie Sie ihn offensichtlich führen wollen, dafür haben wir keine Zeit, tut mir leid."
„Die Atlanter kennen Sie aber, mich dagegen nicht!" Demonstrativ starrte er sie an. „Wie soll ich denn sonst eine Chance haben?"
Anne schüttelte resignierend den Kopf. „Indem Sie Ihre Argumente vorbringen und sich nützlich machen, Dr. Babbis. Wir sind es gewohnt, auf uns selbst gestellt zu arbeiten, und wir erkennen auch durchaus an, wenn jemand von außen diese Qualitäten ebenfalls besitzt. Also, machen Sie sich nützlich, helfen Sie beim Einzug mit. Das wird den meisten mehr von Ihnen zeigen als diese Sprüche." Sie blickte auf, seufzte wieder. Aber zumindest schien er jetzt nachdenklicher zu sein.
Gerade wollte Babbis sich abwenden und gehen, als ihr noch etwas sehr dringliches einfiel: „Doktor, was denken Sie, wie wir Major Uruhk hier halten können?"
Überrascht wandte er sich ihr wieder zu und blinzelte irritiert. „Wie bitte?"
Anne richtete sich wieder auf. „Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Dr. Babbis. Jeden aus Ihrem Team könnten wir hier sehr gut gebrauchen. Sergeant Dorn möchte ich einen Posten in der Leitung anbieten, und ich weiß, daß auch an Ihrer Person Interesse besteht. Es wird also für Sie gesorgt sein, selbst wenn Sie die Wahl verlieren sollten. Major Uruhk aber ... Ich würde sie gern hier behalten. Was Pendergast auch immer für sie ausgeheckt haben mag, es wird ihr nicht sonderlich gefallen. Hier unten wäre sie besser aufgehoben."
Babbis sah sie groß an, richtete sich dann wieder auf und blickte kurz zur Tür, hinter der seine ehemalige Leaderin vor einigen Minuten verschwunden war. „Da müssen Sie sich eine Menge einfallen lassen, Dr. Stross. Aber ..." Er zögerte, runzelte die Stirn. „Vielleicht auch gar nicht so viel, wer weiß?" Nachdenklich kreuzte er die Arme vor der Brust.
„Was meinen Sie?" Anne sah jetzt ebenfalls zur Tür, die in den Gateroom und auch in das Treppenhaus des Turmes hinausführte.
„Sie plant zuviel." Babbis warf ihr noch einen letzten Blick zu, dann verließ er den Raum.
Anne blinzelte irritiert.
Was hatte er damit gemeint?

***

Vashtu landete den Jumper sanft im Hangar der Prometheus und blickte sich kurz um, ehe sie die Heckluke herunterfahren ließ.
Die drei Techniker, die sie mitgenommen hatte in ihrem Jumper, sprangen eilfertig von der Rampe, die Antikerin dagegen folgte nachdenklich, sah sich dann noch einmal kontrollierend um.
Zumindest schien keine der Kisten weggekommen oder irgendwie berührt worden zu sein. Auch die kleine Wachmannschaft war noch zugegen, die die Nacht hier verbracht und auf die Ladung aufgepaßt hatte.
Markham kam ihr aus dem zweiten Jumper entgegen, stellte sich dann an ihrer Seite auf. „Werden mehrere Flüge heute werden", murmelte er stirnrunzelnd.
Vashtu nickte nachdenklich, während sie die ganzen Kistenstapel betrachtete.
Aber vielleicht würde sich zumindest das Energieproblem in Vineta lösen lassen, wenn sie alles auf dem Planeten hatte. Das andere Problem, das an ihr nagte, war dagegen ... etwas kniffliger. Wobei ... ?
Sie richtete sich auf, sah zu Markham, der ihren Blick erwiderte. Doch es fehlte die Erkenntnis, die zwischen ihr und Peter des öfteren einsetzte. Er sah etwas ratlos aus, als sie weiter schwieg, wollte offensichtlich nachfragen, als sie den Mund öffnete.
„Miller steht auf Ihrer Seite, richtig?"
Markham blinzelte verständnislos, nickte dann aber. „Warum?"
Ein breites Grinsen erschien auf dem Gesicht der Antikerin. Das Problem Peter Babbis war erst einmal auf Eis gelegt. Darum würde sie sich kümmern, sobald dieser Tag vorbei war und er hoffentlich seine Flugblätter wieder eingesammelt hatte.
„Kommen Sie mit!" Sie klopfte dem jungen Lieutenant auf den Arm, joggte zum Schott hinüber. „Ladet ein, soviel ihr könnt", rief sie den Männern über die Schulter hinweg zu, „aber laßt noch ein wenig Platz. Zwei Kisten müssen mindestens noch mit!"
Damit war sie auch schon draußen auf dem Gang und eilte diesen, Markham dicht hinter sich wissend, entlang.
„Was haben Sie vor, Major?" fragte der nach einer Weile, während sie die unterschiedlichen Abschnitte des Schiffes durchmaßen, auf dem direkten Weg zu ihrem Ziel.
„Euch Waffen besorgen. Ihr werdet alles brauchen, was ihr irgendwie kriegen könnt", antwortete sie so leise wie möglich.
Endlich sah sie Verstehen in Markhams Gesicht aufleuchten, als sie ihm einen kurzen Blick zuwarf. Dann breitete sich das Grinsen auch auf seinen Lippen aus. „Guter Plan!"
Sie nickte, bog in einen Nebengang ab und hielt vor einem weiteren Schott, klopfte an. Kurz darauf öffnete sich dieses und der Gesuchte streckte seinen Kopf durch die Öffnung.
Ungläubig blinzelte der gestandene Marine. „Major, sind Sie schon zurück?"
Vashtu schob ihn sanft zurück in den winzigen Raum, Markham wieder direkt hinter sich wissend. „Nur kurz. Ich muß einige Sachen abholen", antwortete sie, als sie hörte, wie die Tür sich wieder schloß.
Miller blinzelte, ließ sich aber widerstandslos auf einen Stuhl drücken. „Und was suchen Sie dann hier?"
„Wir brauchen Waffen, Sir", wandte Markham ein.
Millers Blick glitt zwischen der Antikerin und dem Lieutenant hin und her, dann legte er den Kopf schief. „Aber ..."
Vashtu lächelte zuckersüß und zog ihre Beretta. „Geben Sie freiwillig den Weg frei, oder muß ich Gewalt anwenden?" fragte sie.
Millers Augen weiteten sich. Er atmete tief ein, dann hob er blitzschnell die Hand und deaktivierte sein Funkgerät. „Kommt mit!" befahl er dann.
Vashtu blinzelte Markham zu. „Wir haben ihn überwältigt und mit Waffengewalt gezwungen - wie gehabt", sagte sie, folgte dem Marine durch einen engen Gang.
„Stimmt genau. Und Sie haben mich niedergeschlagen", setzte Miller hinzu, drückte seine Hand auf einen Scanner vor einer weiteren Tür. „Was auch immer Sie entwendet haben, ich weiß von nichts." Das Schott glitt auf und gab den Blick frei auf eine gut ausgerüstete Waffenkammer. „Allerdings würde ich schon ein paar Kisten C4 und mindestens zwei A-Bomben empfehlen."
„Guter Vorschlag." Vashtu nickte, betrat den Raum und sah sich lächelnd um. „Irgendwo etwas, worin wir die Sachen mehr oder weniger unauffällig zum Hangar bringen können?"
„Ich habe nie erwähnt, daß die Kisten, in denen Waffen und Munition geliefert wurden, hinter den Gewehrständern stehen, oder, Major?" Miller trat an ihre Seite und blinzelte ihr verschwörerisch zu.
Vashtu nickte. „Nein, haben Sie nicht, Captain." Damit holte sie aus und ließ den Griff ihrer Waffe gegen seine Schläfe krachen. Nicht schwer, aber schwer genug, daß der Marine in sich zusammensackte und bewußtlos liegenblieb.
„Markham, wir haben viel zu tun."

***

„Aber so war es doch abgemacht." Danea sah hilflos blinzelnd zu dem jungen Wissenschaftler hoch. „Sie sagten doch, wir sollten die Blätter anbringen."
Peter Babbis rang die Hände und verzog das Gesicht zu einer hilflosen Grimasse. „Aber doch nicht so offensichtlich!" herrschte er den Erethianer an. „Außerdem wurde es mir inzwischen verboten. Wir müssen aufhören, Danea, verstehen Sie?"
Der neigte leicht den Kopf und runzelte die Stirn. „Aber ..." Er schloß den Mund wieder. „Mein Vater war auch nicht wirklich damit einverstanden", gab er zu. „Darum ich habe Ihre Anweisungen weitergegeben."
Peter sah auf den Erethianer hinunter. „Weitergegeben?" echote er.
Danea nickte. „Kalpun meinte, er hätte einen guten Weg gefunden, Ihre Botschaften in der ganzen Stadt zu verbreiten. Und da er ... naja, er ist nicht ... Er macht gern, was er will. Ich dachte, es sei eine gute Idee, ihm einmal eine Chance zu geben."
„Und wer ist dieser Kalpun?" Peters Schultern sanken etwas herab.
Das würde wohl doch ein härteres Stück Arbeit werden als er zunächst angenommen hatte. Dabei hielt er seine Werbekampagne noch immer für eine gute Idee. Aber er wollte es sich nicht vollkommen mit der Antikerin verderben, mußte er zugeben.
„Na, er wohnt doch unten, direkt beim Eingang. Sie kommen immer an ihm vorbei, wenn Sie uns besuchen, Dr. Babbis."
Peter runzelte die Stirn.
Ehrlich gesagt war ihm da unten noch nie jemand aufgefallen. Außerdem, auch das mußte er zugeben, hatte er die Erethianer bisher noch nicht allzu oft besucht, nicht wie Vashtu, die des öfteren herkam, oder wie Dorn, der hier quasi zu Hause zu sein schien.
Dorn!
Peter sah Land am Horizont leuchten. Wenn er den Sergeanten irgendwie überreden konnte, ihm diesen Kalpun zu zeigen, würde er vielleicht auf diesen einwirken können, ehe es noch innerhalb der letzten Reste von SG-27 zu einer Katastrophe kommen konnte. Und Danea schien ihm da nicht wirklich die richtige Anlaufstelle zu sein.
„Okay, dann suche ich diesen Kalpun", sagte er, richtete sich wieder auf und straffte die Schultern. „Danke für Ihre Hilfe. Falls Sie ihn sehen sollten, Danea, dann wissen Sie, was Sie ihm zu sagen haben."
Der junge Erethianer nickte mit zweifelndem Gesichtsausdruck.

TBC ...

04.10.2010

Vinetas Wiederauferstehung IV

Einen Tag später:

„Lieutenant, wieviele sind noch hier?" Vashtu sah sich im Hangar aufmerksam um und seufzte ergeben.
Das würden wohl noch einige Flüge mehr werden, als sie gedacht hatte. Die Atlantis-Crew war dabei noch das kleinste Übel, sondern eher all die Kisten und Kasten, die die Wissenschaftler mitschleppen wollten. Aber ihr war auch klar, in Vineta würden diese Menschen nahezu bei Null beginnen müssen. Und mit den Erethianern mochten sie vielleicht treue Verbündete gewonnen haben, aber leider keinen weiteren Kontakt, geschweige denn irgendwelche Handelspartner außerhalb des Planeten. Es würde harte Arbeit werden, überhaupt Nahrung für die mehr als einhundert Personen zu beschaffen.
„Wir sind so gut wie durch. Ein paar Mann aus dem Sicherheitsdienst noch", antwortete Lieutenant David Markham. „Die Jumper sind voll. Also kommen Sie bei der nächsten Fuhre mit. Es sei denn ... ?"
Vashtu nickte. „In Ordnung. Und ich denke, das wird dann für heute reichen. Wir müssen die Leute erst einmal alle unterbringen für diese Nacht, das wird schon hart genug werden." Suchend sah sie sich einen Moment um, dann winkte sie Peter herbei, der zögernd zu dem dritten Jumper in ihrer mageren Reihe stand.
Das allerdings war noch ein Problem, sogar eines, was Vashtu persönlich nahm. Wenn Peter und sie verschwinden würden aus Vineta, gab es nur noch den jungen Markham, der in der Lage war, die Gleiter zu fliegen. Mit der Gefahr der Devi im Nacken wirklich keine sehr verlockende Vorstellung. Aber die Atlanter, jetzt wohl Vineter, korrigierte sie sich im stillen, hatten es so gewollt.
„Ja?" Peter war zögernd herangekommen, musterte jetzt Markham aufmerksam.
„Haben Sie noch Platz im Jumper?" fragte Vashtu direkt.
Der junge Wissenschaftler blinzelte irritiert. „Aber ich dachte ..."
„Haben Sie noch Platz, Peter?" wiederholte sie mit leicht strenger Stimme.
„Äh, ich denke schon, ja."
Vashtu wandte sich Markham zu. „Um wieviele geht es?"
Der Lieutenant warf ihr einen irritierten Blick zu. „Fünf?"
Die Antikerin sah ihr ehemaliges Teammitglied wieder an.
„Aber Sie sagten doch, ich solle nur Lasten transportieren, bis Sie mir Unterricht gegeben haben", begehrte der etwas hilflos auf.
„Dann nehmen Sie jetzt eben noch fünf Personen mit und fliegen vorsichtig. Und nicht die Kontrollen abbrechen." Vashtu klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Sie machen das schon, Peter. Sie sind doch ein Naturtalent im Fliegen."
Der sah sie stirnrunzelnd an, schob dann seine Brille wieder auf die Nase.
„Major?"
Vashtu hob den Kopf und drehte sich um. „Abflug, alle beide. Ich komme nach", sagte sie dann, als sie sah, wer gerade den Hangar betreten hatte.
Markham und Peter nickten einhellig, gingen aber tatsächlich etwas zögernd zu ihren Jumpern.
Vashtu atmete tief ein, dann trat sie Colonel Pendergast entgegen, der, wie immer von drei Marines begleitet, den Hangar betreten hatte, sie nun aufmerksam musterte.
„Sir?" Sie grüßte, blieb stocksteif, die Hand an der Stirn, stehen, wie es die Vorschrift war.
Pendergast sah sie einen Moment lang nachdenklich an, dann nickte er. „Stehen Sie bequem."
Vashtu hob überrascht die Brauen, sagte aber nichts, sondern nahm die geforderte Position ein. „Sir?"
„Was geht hier vor?" Der Colonel sah sich interessiert die drei abflugbereiten Puddlejumper an, richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf sie.
„Ich dachte, Dr. Stross habe Sie aufgeklärt, Sir", antwortete die Antikerin etwas verwirrt. „Die Wissenschaftler aus Atlantis reisen ab. Sie wollen sich dort niederlassen, wo auch die Erethianer jetzt leben, Sir."
Mit keinem Wort erwähnte sie die Stadt, das war zwischen ihr und Stross so ausgemacht, ebenso wie Pendergast auch, zumindest hoffte sie das, keine Ahnung von dem Lager voller Planetenkiller hatte, das sie erbeutet hatten von den letzten überlebenden Devi.
Jetzt nickte er sinnend, hob den Kopf und musterte sie wieder. „Scheint ja ein ... interessanter Ort zu sein, an dem Sie die Erethianer geschickt haben, Major, wenn sogar die Atlanter so unbedingt dorthin wollen."
„Die Ruinen der Devi-Stadt, Sir", log Vashtu nach einem weiteren tiefen Atemholen. „Es stehen noch genügend Gebäude, die zwar leicht beschädigt, aber nach kleiner Reparatur wieder bewohnbar sind."
Pendergast schürzte die Lippen, sah ihr ins Gesicht. „Dort haben Sie also Quartier bezogen? Interessant. Hätte ich nicht gedacht, nachdem doch eines Ihrer Teammitglieder dort sein Leben verloren hat."
Vashtu spannte die Wangenmuskeln an. „Es scheint im Moment der sicherste Ort zu sein, Sir."
Der Colonel betrachtete wieder, über ihre Schulter hinweg, die drei Jumper. „Und wie lange soll diese Farce noch dauern, Major?" erkundigte er sich dann.
Vashtu runzelte wieder die Stirn. „Farce, Sir?"
„Wie lange wollen Sie noch da unten bleiben, Major? Ich möchte Sie auf der Prometheus haben, ehe diese Fachidioten Ihnen noch Flausen in den Kopf setzen."
„Nun, Sir", sagte sie gedehnt, „es wird wohl noch ein bißchen dauern, Sir. Wir brauchen mehr Energie und Nahrung muß beschafft werden. Und dann sind da auch noch ..."
„Das geht Sie nichts an, Major!" herrschte der Colonel sie plötzlich an.
Vashtu zuckte tatsächlich leicht zusammen, sah ihm fragend in die kalten Augen.
„Sie sollten lediglich sicherstellen, daß die Erethianer nicht gebraten werden, wenn wir sie wieder runterschicken. Diese Aufgabe dürfte jetzt eigentlich beendet sein, oder irre ich mich?" Pendergast beugte sich vor. Wieder glitzerte in seinen Augen etwas, was Vashtu nicht wirklich deuten konnte. Dennoch ließ es sie unruhig werden.
„Sir, bei allem Respekt, aber Sie haben mir die Leitung übertragen", entgegnete sie. „Ich sehe meine Aufgabe auf Erethia noch nicht als abgeschlossen an."
„Dann sollten Sie sie abschließen, Major, ehe ich die Geduld verliere mit Ihnen. Ich gebe Ihnen noch genau eine Woche." Ein letzter kalter Blick, dann drehte Pendergast sich auf dem Absatz um und verließ, im Gefolge seine Leibgarde, den Hangar.
Vashtu sah ihm skeptisch nach.
Hatte sie sich geirrt, oder war da tatsächlich kurz eine merkwürdige Angst in seinen Augen lesbar gewesen?

***

Nach der Landung staunte die Antikerin nicht schlecht.
Markham und sie hatten sich bereits vor einiger Zeit darauf geeinigt, auf einem kleinen Platz nahe des militärischen Komplexes zu landen. Beide waren sie relativ erfahren, was das Fliegen mit Puddlejumpern anging. Um in die Höhle zu gelangen, nutzten sie das große Explosionsloch in der Decke über dem Krater im wissenschaftlichen Bereich. Auf diese Weise hatten Passagiere, die sich im Cockpit befanden, auch einen ersten Eindruck von der Stadt, die nun, zwar unzureichend beleuchtet, aber immerhin notdürftig mit Energie versorgt war.
Der einzige, der draußen auf dem Plateau vor der Höhle landete, war Peter, dessen fünf Passagiere noch einen mehrminütigen Fußmarsch vor sich hatten, ehe sie Vineta das erste Mal betreten konnten.
Als Vashtu nun ihren Jumper sanft auf dem Boden aufkommen ließ und die Triebwerke abschaltete, wartete bereits Anne Stross draußen auf sie, neben ihr einige der Erethianer. Cornyr, einer der Ältesten des kleinen Völkchens, das ursprünglich diesen Planeten bewohnt hatte, stand neben der Wissenschaftlerin, war offenbar gerade in eine Gespräch mit ihr vertieft gewesen.
Vashtu blinzelte, nickte dann aber.
Stross hatte ihnen Hilfe organisiert, um die neuen Bewohner der Stadt auf die Wohneinheiten zu verteilen. Das war doch definitiv ein guter Gedanke, wenn auch überraschend für die Antikerin, denn nach den anderen Flügen des heutigen Tages war immer nur die Blonde zugegen gewesen, um ihre Leute willkommen zu heißen.
Hinter ihren Passagieren sprang die Antikerin von der Rampe, sah sich einen Moment lang aufmerksam um, während sie bereits auf die kleine Delegation zuhielt.
„Major", Stross nickte ihr zu. „Was das der letzte Flug für heute?"
Vashtu drehte sich kurz im Gehen um. „Bis auf drei, die unbedingt oben bleiben und Ihre Sachen bewachen wollten, ja", antwortete sie dann, blieb vor der anderen stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Fragend sah sie Cornyr an. „Ist etwas passiert?"
Stross und der alte Erethianer wechselten einen Blick, dann wandte die Wissenschaftlerin sich an sie. Ein Grinsen zuckte ab und an um ihren Mund bei ihren Worten: „Sie haben doch den besten Draht zu Dr. Babbis. Vielleicht sollten Sie noch einmal mit ihm reden." Dabei hielt sie ihr ein Stück Papier hin.
Vashtu blinzelte verständnislos, nahm aber entgegen, was man ihr gereicht hatte, entfaltete es und bekam große Augen beim Lesen:
„Freie Wahlen in der neuen Stadt. Der große Dr. Peter Babbis stellt sich der Verantwortung, der er sonst nicht entkommen kann. Wählt Babbis!"
„Was ... ?" Etwas hilflos sah sie auf.
Stross grinste nun wirklich breit. „Dr. Babbis scheint einige Erethianer verpflichtet zu haben. Der ganze private Bereich ist mit diesen und anderen Blättern geradezu gepflastert, Major. Und der hier ist noch der harmloseste. Offensichtlich hat er uns gestern bei unserer kleinen Unterhaltung belauscht."
Vashtu schüttelte verständnislos den Kopf. „Aber ..." Sie schloß den Mund wieder, knüllte das Flugblatt zusammen und drehte sich um. „Der kann was erleben!"
„Wenn er möchte, kann er sich selbstverständlich zur Wahl stellen. Ich dachte aber eigentlich eher an eine Diskussionsrunde oder etwas ähnliches, und das direkt vor der Entscheidung. Für einen Wahlkampf sind wir nicht gerüstet. Außerdem, entschuldigen Sie, Major, aber das ist pure Papierverschwendung", sagte Stross.
„Ist es!" Vashtu kniff die Lippen aufeinander.
Peter würde sie sich wohl gründlich zur Brust nehmen müssen, wie es aussah. Dieser Zettel war vollkommen überflüssig. Und ob ihn überhaupt jemand wählen würde?
„Wir sollten jetzt die Angekommenen auf die Quartiere verteilen und dann selbst schlafen gehen", schlug Stross vor.
Vashtu atmete tief ein. „Pendergast kam noch in den Hangar, ehe wir abflogen", sagte sie, drehte sich wieder um.
Stross wurde ein wenig blasser. Ein eigenartiger Blick traf die Antikerin. „Und?"
„Mir billigt er noch eine Woche zu, dann muß ich zur Prometheus zurück. Tut mir leid, Doc." Sie nahm das Klemmbrett, das die Wissenschaftlerin ihr hinhielt. „Wenn wir die Stadt halbwegs bewohnbar machen wollen, müssen wir uns wohl ein bißchen beeilen."
Wieder ein Blick aus den grün-blauen Augen der Blonden, dann nickte sie.
Vashtu begriff, was sie gesehen hatte: Es war Bedauern.

***

„Machen Sie sofort auf! Peter!" Vashtu hämmerte ungeduldig mit der Faust gegen die Tür, bis diese sich endlich öffnete.
„Ja?" Das bebrillte Gesicht des jungen Wissenschaftlers lugte vorsichtig um die Ecke.
Vashtu trat einen Schritt zurück, kreuzte die Arme vor der Brust und starrte ihn wütend an. „Was soll diese Papierverschwendung?" fragte sie kalt.
Peter blinzelte, richtete sich dann auf. „Oh!" machte er, begann an seinem Ohrläppchen zu zupfen. „Nun, ich hörte, es solle Wahlen geben, offene Wahlen um die Leitung von Vineta."
„Sie haben Dr. Stross und mich belauscht!" kam der nächste Vorwurf.
Peter fühlte sich plötzlich nicht so ganz wohl in seiner Haut. Er ließ die Hand wieder sinken, blinzelte unsicher. „Sie haben sich laut genug unterhalten, daß jeder es mithören konnte. Und wenn es darum geht, wer die meiste Arbeit bis jetzt geleistet hat ... Nun, da kann ich auch mitreden", gab er zu bedenken.
Die Antikerin blitzte ihn an. Ihre Kiefer preßte sie fest aufeinander.
Er fühlte sich noch unwohler. Dabei hatte ihm die Idee so gut gefallen. Immerhin war er der erste, der sich offen um ein Amt in der neuen Stadt bewarb. Vielleicht würden dadurch seine Chancen steigen. Zumindest hatte er das geglaubt.
„Ich denke, ich könnte die Leitung übernehmen, ja", sagte er, reckte sich unbewußt und warf sich in die Brust. „Immerhin weiß ich dank Ihnen einiges mehr als die anderen hier."
Vashtu starrte ihn immer noch an, dann schüttelte sie plötzlich den Kopf, wandte sich wortlos ab und marschierte den Gang hinunter.
„Warten Sie!" Peter zögerte eine Sekunde, dann verließ er sein Quartier und eilte der Antikerin nach. „Warum soll ich mich nicht um einen Posten bewerben? Sie wollen doch nicht! Und zumindest einer in der Leitung sollte verstehen, um was es sich hier handelt."
„Das ist Blödsinn!" knurrte seine ehemalige Leaderin ihn von der Seite an.
„Aber ..." Er hob die Hände, ließ sie aber, nach einem weiteren kühlen Blick von ihr, wieder sinken. „Ich glaube nicht, daß das Blödsinn ist."
„Sie verschwenden Ressourcen, Peter! Niemand hat etwas dagegen, wenn Sie sich aufstellen lassen, niemand! Aber diese Flugblätter und Plakate müssen verschwinden!" Vashtu starrte ihn kurz an, nachdem sie vor ihrer Tür stehen geblieben war, dann drehte sie sich um und erstarrte.
Wählt Babbis! - Die beste Wahl: Dr. Peter Babbis - Wissen und Intelligenz: Dr. Peter Babbis
Neben diesen Wahlsprüchen grinsten ihr auch, in mehrfacher Ausführung, lächelnde Gesichter entgegen, besser eines, immer und immer wieder.
Vashtu atmete tief ein, riß dann mit beiden Händen einen Teil der Plakate von ihrer Tür und warf sie dem jungen Wissenschaftler vor die Füße - zumindest versuchte sie es, doch das Papier verteilte sich, leise flatternd, im Gang. Dann öffnete sie ihre Tür und betrat ihr Quartier.
„Kann ich reinkommen?" Peter reckte vorsichtig den Hals, um einen Blick in den Raum hinein zu erhaschen.
Vashtu fuhr mit wütend funkelnden Augen herum und starrte ihn an wie eine Rachegöttin. „Nein!" Damit schloß sich die Tür vor seiner Nase.
Peter blinzelte, beugte sich dann vor und begann, die Papiere, die sich im Gang verteilt hatte, einzusammeln.
Unvermittelt öffnete die Tür sich noch einmal. „Sorgen Sie dafür, daß dieser Unsinn verschwindet! Und zwar umgehend!" herrschte die Antikerin ihn an, ehe sie ihr Quartier wieder verschloß - endgültig.

TBC ...