22.08.2010

Die geheime Stadt VII

„Hier ist auch ein Tor, aber es ist kleiner", hörte Peter Frederics über Funk melden, betrachtete seinerseits die beiden, wesentlich niedrigeren Säulen, die sich vor ihnen erhoben und wechselte einen Blick mit Markham. Der zuckte mit den Schultern.
„Vashtu, bei uns ist es das gleiche", sagte er, nachdem er das winzige Funkgerät aktiviert hatte, in das kleine Mikro.
„Es durften wohl nur Personen die jeweiligen Bereiche betreten, die auch autorisiert dazu waren", hörte er die Antikerin nachdenklich antworten. „Weitermachen. Und achten Sie darauf, ob Sie irgendwo eine Energieschwankung wahrnehmen."
Peter stutzte. „Machen Sie Witze? Die Stadt ist tot!"
„Das war sie bei meinem ersten Besuch nicht", kam die verärgerte Antwort. „Also tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe, Peter. Und seien Sie vorsichtig!"
„Jaja." Peter knurrte einen Fluch, nickte dann Markham zu und trat an dessen Seite durch das Tor, die anderen Marines ihres Teams dicht hinter sich wissend. Mit der Taschenlampe leuchtete er seinen Weg aus, so wie die Militärs es mit den, auf ihren Waffen angebrachten Lampen taten.
Gesteinsbrocken, ganze Trümmerteile lagen auf der Straße, die noch gut erkennbar war. Ein eigenartiges, metallisches Material, aus dem sie bestand.
Peter trat einige Male fest darauf und nickte. „Ziemlich robust", stellte er fest.
Markham warf ihm einen nachdenklichen Blick zu, wandte sich dem ersten der Gebäude zu. Ein niedriges, quadratisches Haus ohne Fenster. Eine Tür war zur Straße hin angelegt, die halb offen stand.
„Sichern!" befahl der Lieutenant seinen Leuten, leuchtete dann aber als erster selbst in den Spalt hinein. „Scheint ein Lagerraum gewesen zu sein", bemerkte er dann.
Peter trat neugierig näher, lugte, die Taschenlampe vorgestreckt, ebenfalls in den Spalt, nickte dann, als er einige Gestelle an der hinteren Wand sah. „Sieht aus, als hätten wir die Waffenkammer gefunden - aber leider leer." Er seufzte.

***

Vashtu winkte ihrem Trupp, sich zu verteilen, hielt die P-90 locker im Arm und leuchtete den Weg aus. Vor einem Gebäude sah sie Stross stehenbleiben. Die Wissenschaftlerin war vorgesprescht und sah jetzt mit großen Augen eben dieses Gebäude an.
„Private Unterkünfte", bemerkte Vashtu gelassen, als sie nähertrat. Die Tür stand offen. Vorsichtig leuchtete sie in das Innere und fand einen Gang. Am anderen Ende glänzten die Glastüren eines Transporters. Zumindest etwas.
„Unterkünfte?" Stross drehte sich zu ihr herum.
Vashtu nickte, tat einen ersten Schritt und sah sich aufmerksam um. In der Nähe war eine weitere, geöffnete Tür. Sie schritt darauf zu und leuchtete in den Raum.
Tische und Stühle lagen in einem wirren Durcheinander herum, Staub und Schmutz hatte sich auf dem Boden gesammelt und kleine Trümmer knirschten unter ihren dicken Sohlen. Aufmerksam blickte sie zur Decke hinauf, die von feinen Rissen gezeichnet war und begann nachdenklich an ihrer Unterlippe zu knabbern.
„Hat offensichtlich was abgekriegt. Ich würde hier nicht mehr einziehen wollen", bemerkte sie schließlich, senkte die Lampe wieder. Das Licht fiel auf einen großen Gegenstand hinter dem Thresen.
Vashtu bekam große Augen. Ihr Gesicht verzog sich. „Auch das noch!" stöhnte sie.
Stross, die den Raum inzwischen ebenfalls betreten hatte, sah sie irritiert an. „Was?"
Vashtu nickte zu dem schrankgroßen Gerät hinüber. „Ein Nahrungsbereiter. Wir sind hier in einer Kantine."
„Nahrungsbereiter?" Auf Stross' Stirn wuchs eine tiefe Furche.
„Das Zeug wollen Sie nicht wirklich probieren, Doc. Lassen Sie uns sehen, ob wir irgendwo ein unbeschädigtes Gebäude finden." Vashtu wandte sich ab und verließ mit strammen Schritten den Raum wieder.
„Ihr Volk hatte Geräte, mit denen Sie Nahrung bereiten konnten? Wie?" Stross eilte ihr nach.
„Keine Nahrung, Pampe! Dagegen ist das Essen auf der Prometheus noch ein Drei-Sterne-Menü, glauben Sie mir." Vashtu verließ das Gebäude wieder, wandte sich dem nächsten zu, das wesentlich höher gebaut worden war.
„Aber damit wären wir von der Prometheus unabhängig", erklärte die Wissenschaftlerin.
„Und werden sich bald nach der dortigen Kombüse sehnen. Glauben Sie mir. Auf diese Weise habe ich die letzten zehntausend Jahre verbracht. Das Zeug ist ungenießbar!"
Stross setzte sich vor sie und blieb, ihr damit den Weg blockierend, stehen. Beschwörend hob sie die Hände. „Wie bereitet es Nahrung zu?"
Vashtu seufzte ergeben und nickte, einmal kurz an der anderen vorbeilugend, um ihre Männer zu kontrollieren. „Ein Nahrungsbereiter zieht Reststoffe aus allem, was Sie in ihn hineinkippen. Es war meine Forschungsaufgabe, aus dem Salzwasser des Ozeans beispielsweise Nährwerte zu gewinnen. Das, was ein solcher Bereiter tut, ist schlicht, er entzieht allem, was Sie ihm geben, das Nährenste für den Menschen, oder Menschenähnlichen, und gibt es in Form eines Breies wieder heraus. Nicht sonderlich appetitlich, das können Sie mir glauben. Da ist mir ein saftiges Steak lieber." Damit drückte sie sich an der Wissenschaftlerin vorbei und betrat das nächste Gebäude.
„Aber wir hätten Nahrung für die erste Zeit. Bis uns etwas anderes einfällt!"
Vashtu schüttelte unwillig den Kopf. „Im Moment haben Sie noch gar nichts, Doc. Wir haben keine Energie, falls Ihnen das schon einmal aufgefallen sein sollte."
Auch hier bot sich ihr das gleiche Bild, wenn auch nicht geprägt von einer solchen Zerstörung wie innerhalb der ersten Wohneinheiten. Dieses Gebäude war zumindest, nach einem gründlichen Hausputz, wieder bezugsfähig.
Vashtu nickte befriedigt.

***

Peter und Markham warfen sich ratlose Blicke zu, als sie vor dem höchsten Gebäude der militärischen Anlage von Vineta standen. Irgendwie erinnerte es, zumindest ansatzweise, etwas an die heimischen Wolkenkratzer, wirkte dadurch nicht ganz so fremdartig wie das meiste andere hier.
Der Lieutanent zuckte schließlich mit den Schultern, gab einem der Marines ein Zeichen und schlüpfte durch die Tür, die ganz offenstand.
Peters Palmtop begann eine lustige Melodie zu spielen. Fluchend kramte er es aus seiner Überlebensweste und schaltete es aus, ehe er wieder sein Funkgerät aktivierte. „Vashtu, der nächste Bericht ist fällig", sagte er, trat hinter Markham ein. Und plötzlich war da nur noch Rauschen.

***

„Geht klar, Peter. Danke." Es rauschte in der Leitung.
Vashtu hob unwillig den Kopf, klopfte auf ihr Funkgerät. „Peter?" fragte sie irritiert und fühlte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann.
Oh nein! Da konnte doch ...
„Markham? Irgendjemand online?" Ihre Stimme zitterte leicht.
„Mam, der Lieutenant und der Doc durchsuchen gerade ein Gebäude", meldete sich eine ihr vage bekannte Stimme. „Scheint abgeschirmt zu sein, Mam. Wir können sie auch nicht hören und haben eine Kette gebildet."
Vashtu atmete erleichtert auf, stutzte dann. „Was für ein Gebäude?" fragte sie.
„Der Lieutenant meint, es könnte die Kommandozentrale sein, Mam."
Das würde einen Sinn ergeben und erklären, warum ausgerechnet dieses Gebäude abgeschirmt war.
„Gut, danke", sagte sie erleichtert, tippte dann auf das Gerät auf ihrem Ohr. „Prometheus, fahren fort mit der Untersuchung des Planeten. Sind uns aber noch nicht sicher, ob wir etwas gefunden haben. Ich erbitte ein bißchen mehr Zeit."

***

Markham nickte nachdenklich, während der Strahl der Lampe auf seiner P-90 den Raum entlangglitt. „Würde ich schon gern beziehen", bemerkte er.
Peter sah sich ebenfalls um.
Ein großer Raum. Die Möbel hatten die Zeit größtenteils erstaunlich gut überstanden. Ein Büro mußte das hier früher einmal gewesen sein, und was für ein Büro! Es nahm fast die Hälfte des gesamten, oberen Stockwerks ein. Ein großer Tisch, mehrere bequem, wenn auch fremdartig wirkende Sitzgelegenheiten und ein großes Panel mit Bildschirm standen bereit für den, der hier offensichtlich gearbeitet hatte.
„Muß das Büro des militärischen Leiters gewesen sein", vermutete Peter neidisch. Dagegen war ja selbst das Büro seiner Leaderin in Cheyenne-Mountain eine Abstellkammer - wobei immer noch im Raum stand, ob es diese Funktion nicht früher einmal gehabt hatte.
Unvermittelt schnürte Heimweh Peter die Kehle zu.
Wie würde es der Erde in der Zwischenzeit ergangen sein? Suchte man nach ihnen oder hatte man sie für tot erklärt?
Möglich war es, und das mußte er auch zugeben. Er hatte noch immer das Bild des explodierenden Supergates vor Augen, und manchmal träumte er nachts noch davon, mit dem defekten Puddlejumper direkt in diese Explosion hineinzufliegen.
Markham trat an die Fenster, die die gesamte Front einnahmen, und blickte hinaus. Dann stutzte er. „Was ist denn das da hinten?" fragte er.
Peter trat neben ihn, sich endlich von diesem Anblick losreißend, und sah in die gleiche Richtung wie der junge Militär. Ungläubig blinzelte er.
Beide sahen sich groß an.

***

Die Gebäude wurden höher, wirkten futuristischer, je weiter sie in den Verwaltungskomplex eindrangen. Lagerhäuser und Wohneinheiten fanden sich hier nicht mehr.
Vashtu sah sich aufmerksam um und lauschte immer wieder unruhig den Meldungen der beiden anderen Teams. Aber bisher hatte niemand etwas gefunden. Wobei der arme Frederics sich noch immer in den Außenbezirken des Forschungsbereichs aufhielt.
Jetzt schritten Stross und sie auf die beiden zentralen Türme von Vineta zu, die sich gen Höhlendecke schraubten.
„Der Zentralturm sieht fast aus wie der auf Atlantis", bemerkte die Wissenschaftlerin.
Vashtu nickte. „Er ist nur nicht so hoch", ergänzte sie. Dafür aber hatte man ihn offensichtlich geteilt, um genug Platz für die gesamte Technik und Ausrüstung zu haben. Direkt neben dem eigenartig fragilen Gebilde erhob sich ein zweites, das fast ebenso groß, wenn auch ohne jeden architektonischen Reiz.
Vashtu kramte in ihrer Erinnerung, in welchem der beiden Türme sie die Energieversorgung finden würden. Doch sie war sich nicht mehr sicher.
„Phantastisch!" entfuhr es Stross.
Vashtu traute dem Frieden hier noch immer nicht. Aber zumindest hatte sie sich etwas beruhigt. Was auch immer sie erwartet hatte, es war bisher nicht eingetroffen, und mit einem bißchen Glück ...
Worüber dachte sie da gerade nach?
Kopfschüttelnd marschierte sie weiter.
Sie wollte hier nur weg, mehr nicht. Und dazu mußte sie herausfinden, ob das Stargate von Vineta vielleicht doch noch reparabel war, oder ob man es damals, wie in den Berichten vermerkt, vollkommen zerstört hatte.
„Vashtu! Das glauben Sie nicht!" brüllte Peters Stimme unversehens in ihr Ohr und ließ sie das Gesicht verziehen. Sie tastete nach ihrem Ohr und kniff die Augen zusammen. „Könnten Sie Ihre Stimme bitte senken, Peter?" ächzte sie.

TBC ...

15.08.2010

Die geheime Stadt VI

„Und dann stellte Major Uruhk dem Colonel eine Falle. Sie benutzte ein Seil und ganz viel Garn, um eine Stolperfalle zu bauen. Sie lockte ihn näher an sich heran und brachte ihn dazu, seine Vorsicht zu vergessen."
Die sechs Kinder hingen gebannt Dorns Lippen.
Der alternde Marine lächelte zu Danea hinüber, der sich die Szene amüsiert betrachtete.
„Und dann? Fing sie ihn ein?" fragte Nefrenna aufgeregt.
Dorn zögerte und schürzte nachdenklich die Lippen.
„Ich denke, es reicht für heute", wandte der junge Erethianer ein. „Der arme Sergeant Dorn ist schon ganz heiser von dem ganzen Erzählen, hört ihr das nicht?"
Drei der Kinder, unter ihnen auch Nefrenna, die immer noch ihren Stock mit sich herumschleppte, stöhnten auf. „Bitte, nur sagen, ob sie den bösen Colonel Mitchell einfing!" begehrte wieder die kleine Schwester des jungen Mannes auf.
Dorn nickte. „Aber das erzähle ich euch morgen. Und auch, wie es weiterging auf diesem Planeten und ob sie heil wieder zurückkehrte. Einverstanden?"
„Sie muß ja heil wieder zurückgekehrt sein, sonst wäre sie jetzt nicht hier", begehrte Nefrenna neunmalklug auf.
Dorn lächelte. „Aber sie war auch schon einige Male sehr schwer verletzt, und einmal wäre sie beinahe gestorben", entgegnete er und hob den Finger.
Nefrenna starrte ihn groß an. In ihren Augen glänzte es.
„Dann los! Ab in die Betten mit euch!" Dorn klatschte in die Hände.
Endlich folgten die Kinder der Aufforderung, wenn sie auch untereinander die Köpfe zusammensteckten und tuschelten.
Danea sah ihnen kurz nach, dann trat er zu Dorn. „Ich danke dir, daß du sie beschäftigst, Sergeant Dorn. Das ist wirklich nicht nötig."
„Hab sonst nichts zu tun." Der Marine winkte ab.
Danea hockte sich bei ihm nieder und sah ihn an. „Es muß schwer für dich sein, jetzt. Major Uruhk ... Man merkte ihr an, daß es sie belastet, was geschehen ist. Auch mit Dr. Wallace."
Dorn nickte nachdenklich. „Tut ihr gut, was zu tun zu haben", antwortete er nach einer kleinen Weile.
Danea seufzte. „Natürlich sind wir alle froh, daß die Devi in unserer Heimat ausgelöscht sind. Aber es werden erste Stimmen laut, daß sie ..." Er zögerte, ließ sich dann auf den Boden gleiten und kreuzte die Beine. „Weißt du, die Devi haben in letzter Zeit immer mehr von meinem Volk zu sich geholt. Ein Auftrieb folgte dem anderen. Es war ... Wir schrumpften immer mehr zusammen, und wir wußten, daß es nicht mehr lange dauern würde, bis die neue Königin bereit wäre."
„Königin?" Dorn beugte sich interessiert vor.
Danea nickte. „Wenn die Devi sich so viele holen, dann ist eine neue Königin fast bereit und das Volk wächst, damit es sich teilen kann. Es ist schon oft geschehen, daß die Menschen des jeweiligen Planeten das nicht überlebten und ausgerottet wurden. Wir standen kurz davor. Aber, was wichtiger ist, oftmals reichen die Devi nicht, die eine Königin produzieren kann. Es werden Nachrichten an andere Staaten ausgesandt, damit dort auch mehr geboren werden. Einige denken, das ist bei uns geschehen. Es gibt Bündnisse unter den Devi, und gerade in der letzten Zeit kamen und flogen ihre Raumschiffe sehr häufig."
Dorn holte tief Atem, schwieg aber.
Was er da gerade erfahren hatte, hörte sich alles andere als gut an. Selbst wenn es Vashtu gelungen war, die Devi auf Erethia zu vernichten, es hatte offensichtlich Kontakte zu anderen Devi gegeben. Und wenn die einmal von dem erfuhren, was hier geschehen war ... Er wollte sich das lieber nicht weiter ausmalen.
Danea blickte wieder auf. „Aber nach allem, was wir gesehen haben von hier, werden keine neuen Devi kommen, zumindest erst einmal nicht." Er lächelte. „Sie warten, bis eine Welt reich ist und blüht, ehe sie dort ihren Staat gründen. Unser Planet aber ..."
„Ist zerstört", bemerkte Dorn.
„Das glaube ich nicht, sonst wäre Major Uruhk nicht dort hinunter gegangen." Danea schüttelte den Kopf.
Dorn hob die Brauen, sagte aber nichts.
„Die Devi benutzen auch das Rund der Schöpfer, wenn es auf einem Planeten eines gibt", fuhr Danea fort. „Das haben wir zumindest gehört. Das in der versunkenen Stadt funktioniert nicht mehr, schon seit Menschengedenken ist dort kein Wasser mehr hineingeflossen. Einige Devi sollen es wohl versucht haben zu reparieren, aber es ist ihnen nicht gelungen."
„Ein Stargate?" Dorn suchte den Blick des jungen Mannes.
Danea nickte. „So hat Major Uruhk es genannt, ja. Aber sie hat es nicht gesehen. Es ist in einem der Türme. Auf anderen Planeten steht es wohl außerhalb oder schwebt über dem Planeten. Ich habe sogar gehört, es gäbe welche, die sich auf dem Meeresboden befinden oder aber in Stollen tief unter der Erde."
Dorn sah den jungen Mann zweifelnd an.
Daß es Sternentore im Orbit über den Planeten gab, das wußten sie spätestens seit Atlantis entdeckt worden war. Aber Tore unter Wasser oder unter der Erde? Wenn überhaupt, dann kam das höchst selten vor und hatte seinen Grund gehabt durch Erosion oder der Verschiebung der Klimazonen. So jedenfalls hatte ihm das der Wissenschaftler in SG-9 damals erklärt. Was Danea aber da gerade sagte, würde bedeuten, daß diese Tore von vorn herein an solchen unzugänglichen Stellen errichtet worden waren.
Was hatte das zu bedeuten?
Dorn wußte es nicht, aber allmählich wußte er im Bezug auf die Antiker gar nichts mehr. Vashtu hatte ihm gegenüber zwar nur einige Brocken erwähnt von ihrer Therapie bei Dr. Mackenzie, aber was er von ihr gehört hatte, steigerte nicht gerade seine Sympathie zu diesem Volk. Daß sie als aus der Art geschlagen galt für eine Antikerin hatte er in Cheyenne-Mountain des öfteren gehört und sich auch selbst gedacht. Mehr als eine Vashtu Uruhk hätten wohl dafür gesorgt, daß die Wraith sich in der Pegasus-Galaxie gar nicht wirklich festsetzen konnten.
„Je ein Stargate gesehen?" erkundigte Dorn sich. „Aktiviert?"
Danea sah zu ihm hoch, runzelte dann die Stirn und schüttelte den Kopf. „Nein, ich kenne nur das in der versunkenen Stadt. Es ist Pflicht für jeden meines Volkes, einmal diese Höhlen zu betreten in seinem Leben. Man muß unter Beweis stellen, daß man nicht das Blut der Schöpfer trägt. Und das kann man nur dort."
„Wie?"
Danea zuckte mit den Schultern. „Wenn die Lichter anspringen oder sich irgendetwas rührt, so wie bei Major Uruhk. Die ganze Stadt flammte auf, als wir auf dem Vorsprung zum letzten Stück der Straße standen. Da wußte ich, daß das Blut der Schöpfer in ihr sehr stark ist. Einen Verdacht gab es schon vorher."
Dorn nickte nachdenklich.
Das könnte ein zusätzliches Problem sein. Wenn seit Jahrtausenden Erethianer zu der Stadt gepilgert waren, um zu testen, ob sie Antiker-DNS in sich trugen, konnte das die letzten Energiereserven mit der Zeit aufgebraucht haben. Zehntausend Jahre waren kein Pappenstiel, und wer konnte schon sagen, wie viele Erethianer es in dieser Zeit gegeben hatte.
Dorn runzelte die Stirn. „Und wenn die Lichter anspringen?" fragte er, plötzlich unruhig geworden.
Danea seufzte. „Dann ... nun bisher wurde derjenige, der das Blut der Schöpfer trug, von seinem Begleiter getötet. Die Devi spüren es, wenn jemand dieses Erbe trägt, Sergeant Dorn. Dann kommen sie so oft, bis sie den Träger erbeutet haben."
Das also hatte Danea wirklich von Vashtu gewollt! Es war nicht allein um einen Test gegangen. Was immer den jungen Mann dazu getrieben hatte, die Antikerin nicht zu töten, ganz zu schweigen von Dorns ehrlichen Zweifeln an der Durchführbarkeit eines solchen Unternehmens, es war seine Aufgabe gewesen, sie zu testen und gegebenenfalls zur Seite zu schaffen, um die Devi nicht auf sich aufmerksam zu machen.
Dorn atmete einige Male tief ein. Er wünschte sich immer mehr, daß er mit seiner Leaderin sprechen konnte, und seien es nur ein paar Minuten. Was er da herausgefunden hatte bis jetzt, würde auch sie sehr interessieren.
Danea erhob sich langsam wieder. „Es ist spät geworden, und du siehst müde aus, Sergeant Dorn", bemerkte er. „Soll ich dich noch zurückbringen?"
Dorn nickte und lächelte wieder. „Komme morgen wieder. Und danke."
Danea sah ihn verständnislos an. „Wofür?"

***

Vashtu blieb tief einatmend stehen und kniff die Lippen fest aufeinander, während sie zu der Stadt hinuntersah, die fast die gesamte Höhle einnahm.
„Wow!" entfuhr es Frederics schräg hinter ihr.
„Mein Gott!" flüsterte Stross an ihrer Seite.
Peter atmete einfach nur immer wieder tief ein.
„Vineta", sagte Vashtu dann endlich und schluckte.
Sie wollte nicht wirklich hier sein. Irgendwo anders, ihretwegen in der Galaxie der Ori oder sonstwo. Aber nicht hier. Und doch war sie ausgerechnet dort gelandet, wohin sie nie im Leben hatte kommen wollen.
„Das ist ..." Stross atmete nun ebenfalls tief ein. „Sie sieht nicht wirklich aus wie Atlantis."
Ein bitteres Lächeln erschien auf Vashtus Gesicht. „Sie ist auch nicht wie Atlantis. Vineta kann nicht fliegen." Sie drückte sich an der Wissenschaftlerin vorbei und folgte dem Straßenverlauf weiter, ohne darauf zu achten, ob irgendjemand ihr folgte.
„Wie meinen Sie das?" Stross war ihr dichtauf gefolgt, schritt nun an wieder an ihrer rechten Seite.
„Vineta war eine fest installierte Stadt, kein intergalaktisches Raumschiff wie Atlantis", erklärte die Antikerin mit einem bitteren Unterton in der Stimme. „Was Sie hier sehen, ist nur die oberste Ebene." Sie nickte zu den hohen, schlanken Gebäuden hinüber, die nun mit jedem Schritt wuchsen. „Vineta war von Anfang an als Forschungsbasis geplant und wurde auch so gebaut. Sie ist in drei Teile geteilt: ein Teil für das Militär, einer für die Forschung und einer Zentrale, in der sich auch die Wohneinheiten befanden. Zusätzlich gibt es noch Ebenen unter dieser, in denen ... sich bestimmte Dinge befinden, Experimente, Lagerräume und ... was weiß ich noch alles."
„Das alles haben Sie in Antarktica herausfinden können?" staunte Peter, der nun auch wieder aufgeschlossen hatte.
Vashtu nickte. „Das und ... noch einiges mehr, Peter. Vineta war gefährlich. Die Experimente, die in der Pegasus-Galaxie abgebrochen wurden, wurden hier größtenteils weitergeführt. Und aus diesem Grund ..." Sie wandte den Kopf und starrte Stross so lange an, bis diese sich zu ihr umdrehte. „ ... werde ich eine Durchsuchung der Stadt auch nur bis zu einem gewissen Punkt genehmigen. Alles andere wäre Wahnsinn!"
„Mir kommt es in erster Linie auf den zentralen Bereich an", entgegnete die Wissenschaftlerin mit einem kühlen Lächeln. „Wenn Sie etwas für uns sperren wollen, dann tun Sie das. Es interessiert mich erst einmal nicht."
Vashtu musterte die andere skeptisch, nickte dann aber.
Sie näherten sich dem gewaltigen Tor, das von einem Lichtfinger von oben beleuchtet wurde.
Peter hob den Kopf und betrachtete die Decke, die sich hoch über ihnen wölbte, kritisch. „Das sieht hier aus wie innerhalb eines Schweizer Käses", bemerkte er.
„Das haben die Devi angerichtet, als sie mein Volk in dieser Galaxis vernichteten", antwortete Vashtu auf die stumme Frage. „Irgendwie haben sie es binnen kürzester Zeit geschafft, wirksame Waffen zu entwickeln und Vineta damit zu zerstören. Da!" Sie wies zu einem gewaltigen Loch in der Decke hinüber, das sich sogar bis in den Boden der Höhle fraß. „Laut den Aufzeichnungen auf Antarktica sind die Devi dort durchgebrochen während ihrer Flucht."
Peter pfiff durch die Zähne. Dann betrachtete er wieder das Tor, das sich inzwischen hoch vor ihnen aufwölbte.
Es waren zwei leicht nach innen geneigte Säulen, die schlank gen Höhlendecke wuchsen und sich dort allmählich verjüngten. Sie hatten eine rechteckige Grundform, neigten sich jedoch in einem sanften, runden Winkel aufeinander zu.
„Ihr Volk hatte wohl etwas gegen geschlossene Tore, was?" bemerkte der junge Wissenschaftler.
Vashtu trat an eines der beiden Flügel heran und leuchtete das Material mit ihrer P-90 an. Stirnrunzelnd trat sie zwischen die beiden gewaltigen Säulen und musterte das Innenleben im Torinneren. „Scanner", stellte sie dann schließlich fest und nickte. „Was auch immer Vineta betreten wollte, mußte hier durch. Und offensichtlich wurden die jeweiligen Lebewesen sehr aufmerksam kontrolliert."
Peter trat interessiert wieder an ihre Seite, wies auf einige winzige Dioden. „Und was ist das?" fragte er.
Vashtu zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Wenn wir Energie kriegen, werden wir es, denke ich, herausfinden." Damit drehte sie sich um und musterte ihren Trupp.
Entgegen besseren Wissens hatte sie ihr gesamtes Team mit in die Höhle genommen. Sie wußte nicht, wie genau Stross eine Durchsuchung haben wollte, wenn es ihr tatsächlich nur um den zentralen Bereich mit dem Kontrollturm und der Energieversorgung ging, gut. Aber sie wollte die ganze Stadt, zumindest die oberste Ebene erforschen, so gut es eben möglich war.
„Drei Teams bilden", befahl sie jetzt und richtete sich auf. „Markham, Sie nehmen Peter mit. Frederics, Sie bleiben allein mit den anderen. Dr. Stross?" Sie sah die Wissenschaftlerin auffordernd an.
Die lächelte und nickte, während Peter wieder in ein dumpfes Brüten versank.
Vashtu musterte ihre Truppe.
Die Marines gehorchten ihr inzwischen, ohne großes Murren oder Gerangel hatten sie sich in drei Gruppen aufgeteilt, die jetzt bereitstanden.
Sie atmete wieder tief ein. „Markham, Sie und Peter durchsuchen den militärischen Bereich", sie nickte nach rechts. „Frederics, Sie und ihre Männer bleiben im zentralen Bereich und sehen sich die Energieversorgung an. Dr. Stross, wir sehen uns in der Forschungsanlage um."
Die blonde Frau holte tief Atem. „Ich würde mich lieber im zentralen Bereich umsehen, Major", entgegnete sie.
Vashtu runzelte unwillig die Stirn.
Sie wollte das Expeditionsmitglied aus Atlantis nicht gern allein lassen. Sie wußte noch immer nicht genau, wie weit sie Stross trauen konnte. Einerseits war diese Frau ihr von Anfang an sympatisch gewesen und hatte ihr geholfen. Auf der anderen Seite aber ...
„Frederics, Sie übernehmen die Forschungsanlage. Aber seien Sie so vernünftig und schauen nicht hinter jede Tür. Wir wissen nicht, ob vielleicht noch das eine oder andere Experiment läuft."
Der junge Lieutenant hob die Brauen und blinzelte zu dem gewaltigen Stadtteil hinüber. Dann zuckte er mit den Schultern. „Geht klar. Wir werden vorsichtig sein."
„Sobald die anderen Teams mit der Durchsuchung ihrer Bereiche fertig sind, stoßen wir zu Ihnen. Markieren Sie Gebäude, die Ihnen unheimlich vorkommen oder aus denen Sie Geräusche hören. Und gehen Sie nicht zu nahe an den Krater heran. Wir wissen nicht, wie das Gestein hier beschaffen ist."
Frederics nickte wieder, winkte dann seinen Männern und trabte los, durch das Tor und hinüber zu den ersten, niedrigen Gebäuden.
Vashtu sah ihm einen Moment lang mit gerunzelter Stirn nach, dann gab sie auch Markham ein Zeichen und erntete noch einen letzten verletzten Blick von Babbis. Aber der würde sich wohl oder übel mit seiner Lage abfinden müssen.
„Abmarsch!" befahl sie den restlichen Männern, drehte sich um und marschierte los.

TBC ...

13.08.2010

Die geheime Stadt V

Als Dorn am nächsten Morgen die Augen öffnete, glaubte er noch einen Moment lang zu träumen. Er blinzelte verwirrt und rappelte sich schließlich vorsichtig auf. Dann lächelte er mit der Güte eines Großvaters und zog die dünne Decke leise über den kleinen Körper, der sich eng an ihn geschmiegt hatte.
Die kleine Nefrenna kuschelte sich in sein Kissen, schlief einfach weiter. Ihren Stock hatte sie auf den Nachttisch neben sich gelegt. Aber wahrscheinlich auch nur, weil er ihr gesagt hatte, selbst Major Uruhk würde des Nachts die Waffen ablegen.
Dorn lächelte, strich dem kleinen Mädchen eine Strähne seines dunklen Haares aus dem Gesicht und betrachtete es.
Die Erethianer waren wirklich ein sehr gastfreundschaftliches Völkchen, mußte er zugeben, und seiner Leaderin mehr als dankbar für die Hilfe, die sie geleistet hatte. Daß der Planet wahrscheinlich zerstört war, selbst Dorn hatte von der gewaltigen Feuerwalze gehört, die darüber hinweggezogen war, schien sie nicht wirklich zu stören, viel zu sehr waren sie damit beschäftigt, den Sieg über die Devi zu genießen. Früher, so hatte Cornyr, Nefrennas und Daneas Vater, ihm erzählt, seien die Erethianer ein bedeutenderes Volk gewesen, bevor die Devi zurückkamen.
Das allerdings machte dem Marine Sorgen. So wie die Überlieferung der Erethianer lautete, hatten sie früher, bis vor ein paar hundert Jahren, eine recht hochstehende Zivilisation gehabt, sie hatten friedlich auf ihrem Planeten gelebt, sich selbst als Hüter der verbotenen Stadt der Antiker gesehen und auch darüber gewacht, daß diese nie entdeckt worden war. Doch es gab noch andere Ruinen auf dem Planeten, sehr alte Ruinen sogar. Niemand wußte so recht, woher diese Ruinen stammten, bis andere kamen, von anderen Welten, mit Raumschiffen, und sie warnten vor der Rückkehr der Devi.
Wenn er Vashtu richtig verstanden hatte, war dieses Volk vor rund zehntausend Jahren aus dem Reagenzglas, oder eben dessen Aquivalent der Antiker, durch ihre Forschungsergebnisse entstanden und hatten in dieser Galaxis einen Holokaust angerichtet. Wenn sie sich so schnell hatten entwickeln können, daß sie sogar die Raumfahrt beherrschten, warum hatten sie sich von den Planeten zurückgezogen, auf denen sie wohl zuerst heimisch gewesen waren? Und, vor allem, wohin waren sie gegangen?
Der Vorhang schob sich mit einem leisen Rascheln zurück, Dr. Grodin steckte seinen Kopf in das kleine Abteil, stutzte und staunte nicht schlecht.
Dorn legte einen Finger an die Lippen, setzte sich jetzt endgültig auf. Dabei bemerkte er wieder einmal sein Alter, seine Arme zitterten und fühlten sich taub an, weil er die ganze Zeit sein Gewicht auf sie gestützt hatte.
„Melden, daß die Kleine hier ist. Erethianer", flüsterte er dem Arzt zu.
Grodin schmunzelte, schien einen Moment lang zu überlegen, dann nickte er schweigend und ging wieder.
Dorn sank auf sein Bett zurück und drehte sich vorsichtig auf die Seite. Nefrenna nachdenklich betrachtend, wünschte er sich, daß Vashtu hier wäre.

***

Mit einer netten kleinen Gute-Laune-Melodie sprang der Wecker des Palmtops an und dudelte diese in rascher Folge immer wieder herunter.
Vashtu wälzte sich unwillig auf den Rücken, streckte den Arm aus und tastete nach dem Handrechner, um ihn so weit wie möglich von sich zu schmeißen. Ein erster einsetzender Funke ihres Verstandes warnte sie eindringlich vor einer solchen radikalen Maßnahme. Statt dessen schlug sie mit der Faust auf das Gerät, rollte sich wieder zusammen und kroch in ihren Schlafsack zurück.
Aber die Ruhe war ihr nur für kurze Zeit vergönnt.
Jemand begann sie hart zu schütteln, während, offensichtlich jemand anderes, an dem Reißverschluß des Schlafsacks herumfingerte.
„John, laß das!" brummte sie, noch immer fast im Schlaf verfangen.
„Major, Sie müssen aufwachen! Sofort!" rief ihr eine weibliche Stimme zu.
Vashtu stutzte, wagte es nicht, die Augen zu öffnen. Nein, dieser Traum war gerade zu schön, den wollte sie weiterträumen.
„Vashtu, Sie müssen den Bericht absetzen, jetzt!" bellte Peters Stimme sie an.
Ob sie sein Palmtop beschädigt hatte? Warum sollte er sich sonst wieder so aufregen.
Vashtu grummelte etwas unwilliges und wollte sich in ihrem Schlafsack verstecken. Lieber von John Sheppard träumen als sich jetzt schon wieder Pendergast stellen.
Pendergast!
Mit einem Ruck riß sie die Augen auf.
„Mist!"
Stross gelang es endlich, den Reißverschluß ein Stück weit zu öffnen. Noch immer war Peter Babbis damit beschäftigt, sie zu schütteln.
„Es reicht, Peter!"
Unwillig machte sie sich los, setzte sich auf und gähnte.
Eine tolle Nacht! Im Endeffekt hatte sie die ganze Zeit draußen gesessen und die Zwei-Stunden-Frist abgewartet, die man ihr gesetzt hatte. Auf keinen Fall wollte sie noch einmal auf die Prometheus gebeamt werden. Nicht mit der Drohung im Nacken, die Stross gestern abend ihr gegenüber mehr oder weniger ausgesprochen hatte.
„Sind Sie jetzt endlich wach?" Die Wissenschaftlerin hielt ihr ihr Funkgerät hin.
Vashtu warf dem kleinen Gerät einen verächtlichen Blick zu, griff aber doch danach, dabei blieb ihr Blick an ihrer Uhr hängen.
„Ich hätte noch zehn Minuten", muffelte sie unwillig, während sie das vorgesehene Ende an ihrem Ohr befestigte.
Stross sah sie verblüfft an. „Was?"
Mit schmalen Augen starrte Vashtu die andere an, dann wandte sie sich ab und aktivierte das Funkgerät. „Uruhk hier. Zweistündige Meldung: Keine Vorkommnisse, Sir. Ziehen in einer Stunde los, um Erethia weiter zu erkunden. Uruhk Ende." Sie staunte über ihre eigene Stimme, die alles andere als verschlafen klang.
„Sehr gut, Major", meldete sich unversehens Pendergast zu Wort.
Vashtu blinzelte und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Peter zum Gaskocher ging, auf dem die Kaffeekanne stand. „Danke, Sir."
„Und Sie wollen also fortfahren, den Planeten abzusuchen?"
„Sir, wo wir eine Rotte Devis gefunden haben, können durchaus auch noch ein paar mehr überlebt haben. Außerdem ... Ich sollte doch überprüfen, ob die Erethianer wieder auf ihren Planeten zurückkönnen, Sir. Bis jetzt sieht es aber nicht so gut aus, Sir", antwortete sie.
„Aber offensichtlich gibt es noch Luft zum Atmen", sagte der Colonel nun.
Peter kehrte zurück und drückte ihr eine Tasse in die Hand.
Vashtu roch nur kurz daran, dann stellte sie sie angewidert neben sich auf den Boden. „Aber wir haben bisher weder Wasser noch irgendwelche Reste von Vegetation gefunden, Sir. Luft ist leider nicht alles, was ein Mensch zum Leben braucht."
„Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Major. Es ist Ihre vertane Zeit. In zwei Stunden sprechen wir uns wieder. Prometheus Ende." Es knackte in der Leitung.
Vashtu kniff die Lippen aufeinander. Beinahe hätte sie sich das Funkgerät wieder aus dem Ohr gerissen und wäre darauf herumgetrampelt.
Konnte dieser Kerl sie denn nicht einmal in Ruhe lassen? Was gedachte er denn noch zu tun, um sie zu drangsalieren?
„Sie sehen müde aus, Major", wandte Stross sich an sie. „Vielleicht sollten wir die weitere Erkundung um ein paar Stunden verschieben?"
„Nein, tun wir nicht." Vashtu ächzte und kämpfte sich aus dem Schlafsack heraus. „Pendergast läßt uns überwachen, oder ist Ihnen das immer noch nicht klar? Wie sonst hätte er mich gestern so schnell auf die Prometheus befördern können." Sie drehte sich zu der Wissenschaftlerin um und sah sie an. „Ich weiß nicht, wie es in Ihrer Dimension ist, aber in meiner tragen alle SGC-Angehörigen einen ID-Chip unter der Haut. Und zumindest die Kennung von meinem kennt Pendergast. Wenn ich mich nicht in spätestens einer Stunde wie auch immer bewege, tritt er mir wieder vor's Schienenbein, darauf können Sie sich verlassen."
„Dann trinken Sie zumindest den Kaffee, der hält ein bißchen wach", sagte Peter hinter ihr besorgt.
„Ich trinke keinen Kaffee, das sollten Sie nach einem halben Jahr mit mir zusammen wissen", knurrte sie unwillig und rollte den Schlafsack zusammen.
„Ein Grund mehr, es jetzt zu tun. Sie haben doch selbst von der Gefahr durch Devi gesprochen, Major", wandte Stross ein.
Vashtu griff jetzt doch wieder nach der Metalltasse. Der Geruch von altem Kaffee stieg ihr in die Nase und ließ sie angewidert das Gesicht verziehen. Doch irgendwie gelang es ihr zumindest, einen Schluck herunterzukriegen, ehe sie Peter das Gefäß zurückgab. Sie schüttelte sich. „Wacher bin ich trotzdem nicht", kommentierte sie und marschierte zum Jumper zurück, einen Blick zum Himmel werfend.
Dichte dunkle Wolken erschienen im ersten Dämmerlicht und schienen bleischwer über der fruchtlosen Ebene zu hängen.
Vashtu seufzte ergeben und packte ihren Schlafsack weg. Aus dem zweiten Jumper erklangen jetzt einige Geräusche. Die Marines und Markham standen wohl auch auf. Sie wollte gar nicht wissen, wie ihnen wohl diese Nacht bekommen war, zu achtzehnt in dem engen Jumper.
Dann runzelte sie die Stirn und lugte wieder aus dem Gleiter heraus.
Achtzehn? Und wo kam Peter her?
Vashtu schüttelte den Kopf und rieb sich mit einer Hand durch das Haar.
Was ihr schon wieder für merkwürdige Gedanken kamen! Sie hätte wirklich die Brick riskieren und wenigstens einen Bericht auslassen sollen. Dann hätte sie zumindest ausschlafen können.
Mit einem leisen Summen glitt die Tür zum Cockpit hinter ihr auf.
Vashtu fuhr herum und bekam große Augen.
Markham, Frederics und noch zwei andere Marines tappten ihr verschlafen entgegen. „Morgen, Mam", nuschelte einer nach dem anderen, während sie den Jumper verließen.
Vashtu blinzelte ihnen ungläubig nach und schüttelte den Kopf.
Nein, das wollte sie gar nicht wissen!

***

Anne wartete, bis Major Uruhk ihren Bericht durchgegeben hatte, dann wanderte sie an der Seite der anderen weiter.
Ihnen beiden hatte die Antikerin das Hochplateau zugeteilt, während die anderen Teams sich um die Ebene unter ihnen kümmern sollten. Doch Anne zweifelte nicht, daß sich überall das gleiche Bild bieten würde: nichts als verbrannte Erde unter einem wolkenverhangenen Himmel.
Major Uruhk wischte mit dem Fuß etwas Asche zur Seite, beugte sich ein wenig vor und runzelte die Stirn. „Könnte ein Bachlauf gewesen sein", bemerkte sie dann. „Ist zumindest nicht ganz ausgetrocknet."
Anne trat näher und blickte auf das nieder, was die Antikerin entdeckt zu haben glaubte. Dann folgte sie dem, tief in die Felsen gegrabenen Verlauf. „Ein recht großer Bach", fügte sie dann hinzu.
Major Uruhk nickte, trat dann an ihr vorbei und nahm die Wanderung wieder auf.
Anne spürte es, und sie glaubte, der Antikerin erging es nicht anders. Vineta stand zwischen ihnen beiden und drückte auf sie nieder. Sie hatte geglaubt, wenn sie allein mit der Majorin reden könnte, würde es leichter werden. Doch bisher hatte sie noch keinen Anfang gefunden, wußte auch nicht, wie sie das ändern sollte.
„Es sind, wie Markham mir sagte, nicht alle Devis getötet worden", begann die Antikerin plötzlich.
Anne blinzelte, nickte dann dann und schloß wieder zur anderen auf. „Das ist richtig. Sie kamen mit Jägern hinter uns her und beschossen uns. Pendergast schickte zwar eine Staffel aus, aber einige sind offensichtlich ins Weltall entkommen."
Major Uruhk nickte nachdenklich, hielt die Augen aber weiter auf den Boden zu ihren Füßen gerichtet.
„Was denken Sie?" fragte Anne nach einer kleinen Weile.
„Daß wir unsere Sachen packen, ein paar Puddlejumper nehmen und hier verschwinden sollten, das denke ich", antwortete die Antikerin. „Wenn Devi entkommen sind, wo sind die dann hin? Und woher wissen wir ..." Sie kniff kurz die Lippen aufeinander, hob dann mit einem Ruck den Kopf. „Peter und ich haben gestern darüber gesprochen. Wir denken, es wird noch mehr geben, irgendwo. Und wenn die erfahren, was wir hier angestellt haben ..." Sie zuckte mit den Schultern.
Anne runzelte die Stirn und drückte ihre Hände tiefer in ihre Jackentaschen. „Und die Stadt?"
„Die ist ein Trümmerhaufen. Ich denke nicht, daß die Devi die noch einmal beziehen werden", antwortete die Antikerin gelassen.
„Ich rede nicht von der Devi-Stadt, Major. Ich rede von Ihrem Vineta."
Der Kopf sank wieder auf die Brust und die Asche wurde sehr aufmerksam studiert. „Darüber gibt es nichts zu reden. Vineta steht nicht zur Disposition, Doc. Tut mir leid."
„Das wußten Sie auch schon vor der Rettungsaktion, Major. Sie waren da", hielt Anne ihr vor. „Sie haben meine Leute durch ein falsches Angebot dazu gebracht, ihr Leben für Sie zu riskieren."
„Das tut mir auch leid. Ich wußte keinen anderen Rat. Pendergast hätte mein Team ..." Major Uruhk stöhnte und hob den Kopf in den Nacken. Anne sah, daß sie die Augen dabei geschlossen hielt. „Ich meine, er hätte alle Gefangenen sterben lassen."
„Weil es ihm auf Sie ankommt. Ich denke, das werden Sie inzwischen auch schon herausgefunden haben."
Ein kurzer Blick aus diesen sprechenden Augen, dann senkte die Antikerin den Kopf wieder. „Ich weiß es. Und irgendwie werde ich irgendwann etwas daran ändern."
„Und warum nicht hier? Hier haben wir die Möglichkeit." Anne blieb stehen und hob die Hand. „Eine Stadt Ihres Volkes, Major, und wahrscheinlich sogar ein Sternentor. Sie wollten doch so schnell wie möglich zur Erde zurück. Das wird Ihnen nicht gelingen, wenn Sie Pendergast einen der Jumper stehlen und er Sie die ganze Zeit jagt. Das sollte Ihnen auch klar sein. Sie sprachen selbst von den Chips, die wir alle tragen. Sie haben gestern erlebt, was geschieht, wenn Sie ihn verärgern. Und es wird noch schlimmer werden, glauben Sie mir."
Auch die Majorin war nun stehengeblieben, sah sie unter ihren Ponyfransen hervor aufmerksam an. Und in ihrem Blick lag plötzlich ein tiefes Leid und Trauer. Aber keine Trauer um das verstorbene Mitglied ihres Teams, nein, um etwas anderes.
Anne begriff plötzlich.
„Sie denken, Sie sind schuld an dem Untergang Ihres Volkes!" entfuhr es ihr.
Die Antikerin atmete tief ein, hob den Kopf wieder. „Nein, das bin ich nicht - nicht für alle", entgegnete sie.
„Aber ... ?" Anne trat wieder näher.
Major Uruhk spannte die Kiefer an. Einen Moment lang sah es so aus, als wolle sie sich abwenden und das Thema damit fallenlassen, dann aber schien sie sich entschieden zu haben.
„Die Therapie, die ich an mir anwandte, hat auch die Devi geschaffen", erklärte sie endlich. „Der Rat von Atlantis gab meine Forschungsergebnisse hierher weiter, Dr. Stross. Ich wurde auf Atlantis wie eine Gefangene gehalten und mußte ..." Sie hob die Hand und wischte die letzten Worte mit einer bestimmten Geste aus der Luft. „Die Forscher hier dagegen wandelten die Ergebnisse ab und schufen auf diese Weise die Devi. Und die wandten sich gegen die Antiker hier und metzelten mein Volk nieder. Das ist die Geschichte, Dr. Stross. Das ist die Wahrheit über Vineta. Die Stadt ging in einem Krieg unter, der die Belagerung der Wraith weit in den Schatten stellte. Zwanzig Jahre standen wir dort unter Belagerung, hier dagegen ging es um einige Tage und Wochen." Sie drehte sich um und stand hochaufgerichtet vor Anne. In ihren Augen blitzte es. „Die Devi wurden geschaffen als Waffe gegen die Wraith, und zwar, nachdem ich bewiesen hatte, daß die Therapie etwas taugt und nicht zu einem Chaos führt. Sie haben mich gestern gefragt, was ich bin. Ich bin, was man aus mir gemacht hat, Dr. Stross, nicht mehr und nicht weniger! Der Rat benutzte mich als Waffe gegen die Wraith, ebenso wie er die Devi gebrauchen wollte. Doch diese zweite Waffe hat sich als ... zu effektiv erwiesen und sich gegen seinen Schöpfer gewandt."
Anne starrte sie an. „Sie sind ..." Sie schloß den Mund, weil sie nicht wirklich wußte, was sie sagen sollte.
Major Uruhk nickte. „Ich bin die eigentliche Schöpferin der Devi, Dr. Stross. Und ich möchte nicht wissen, was alles noch in den Speichern von Vineta lauert auf den nächsten Unbedachten, der sich erdreistet, die Stadt wieder zum Leben erwecken zu wollen. Ich werde es nicht sein, das kann ich Ihnen garantieren!" Damit drehte sie sich wieder um und marschierte weiter.
Anne blieb noch einen Moment lang so stehen, wie sie bis jetzt gestanden hatte. Dann schluckte sie hart und folgte der Antikerin. „Aber Sie waren nicht mit an den Forschungen hier beteiligt, wenn ich das richtig verstanden habe, oder?"
Major Uruhk blieb stehen, den Kopf wieder in den Nacken gehoben. Anne sah, wie ihre Schultern sich hoben und dann wieder langsam senkten, ehe sie antwortete: „Nein, ich war nie hier. Ich wußte nicht einmal etwas von dieser Stadt bis in diese Zeit. Als ich auf Antarktica war und den Kontrollstuhl dort ausprobieren sollte, bin ich über die Speicher von Vineta gestolpert und habe einen Teil der Berichte gelesen. Und Sie können mir glauben, ich wäre froh gewesen, hätte ich das nicht getan. Auf keinen Fall wollte ich ausgerechnet hier landen, auf gar keinen Fall!"
„Aber jetzt sind Sie hier", entgegnete Anne mit sanfterer Stimme. „Und was haben Sie jetzt? Ein defektes Schiff, das von einem größenwahnsinnigen Colonel befehligt wird, der Sie lieber jetzt als gleich auf seine Erde schleppen würde, ob Sie nun wollen oder nicht. Wir haben die Devi gegen uns aufgebracht, und ich rede jetzt nicht von Ihnen allein, Major, daran waren wir alle beteiligt. Wir können diese Galaxis nicht verlassen, wir wissen ja nicht einmal, in welcher Dimension wir uns befinden! Irgendwann wird uns auch noch die Munition ausgehen, so ungern ich das auch sage. Ich habe gesehen, was es kostet, nur einen Devi zu töten, und da können Sie noch so effektiv sein, Major." Sie holte tief Luft, ehe sie fortfuhr: „Auf der anderen Seite haben wir einen Planeten, der eine gewaltige Katastrophe hinter sich hat und noch über keine Vegetation verfügt. Hier gibt es keine Deckung für die Devi, Major, anders als vielleicht sogar auf der Prometheus. Wir haben eine Stadt Ihres Volkes, und in deren Speichern vielleicht sogar die Antwort, wie die Devi vernichtet werden können. Wir haben einen Teil der Atlantis-Crew, die es ohnehin gewohnt ist, auf sich selbst gestellt zu sein. Wir haben den Rest Ihres Teams, einen erfahrenen Kämpfer und einen jungen, sehr intelligenten und talentierten Wissenschaftler. Und wir haben Sie, Major! Wir haben ein, wenn auch kleines Volk, das Ihnen dankbar ist für das, was Sie getan haben. Vielleicht haben wir sogar ein Stargate und können versuchen, damit Kontakt nach außen aufzunehmen, auch um herauszufinden, wo und in welcher Dimension wir uns befinden. Und alles, was es uns kostet, ist ein wenig Zeit, um überhaupt zu überprüfen, ob die reine Idee etwas taugt."
Sie beobachtete, wie die Hand der Antikerin unwillkürlich nach einer der beiden Ketten um ihrem schlanken Hals getastet hatte, als sie sprach. Ansonsten hatte sie keine Reaktion gezeigt. Jetzt aber schüttelte sie den Kopf. „Das ist inakzeptabel", murmelte sie. „Es ist zu gefährlich! Wir haben nicht die blaßeste Ahnung, was uns noch in Vineta erwarten könnte."
„Dann sollten wir es herausfinden. Welche Wahl haben wir denn überhaupt, Major?"
Die Antikerin drehte sich langsam wieder zu ihr um und sah sie nachdenklich an.
„Einen Versuch ist es allemal wert. Alles ist besser, als Pendergast auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein, das wissen Sie auch", bohrte Anne weiter.
Die sprechenden Augen zeigten noch einen Rest Skepsis, doch noch immer schwieg die Antikerin.
Anne kreuzte die Arme vor der Brust. „Wir sind zwanzig Leute auf dem gesamten Planeten, Major. Und zumindest über das Militärpersonal haben Sie die Befehlsgewalt. Sie werden diese zwanzig Leute doch wohl unter Kontrolle halten können, oder?" fragte sie.
Die Antikerin begann, an ihrer Unterlippe zu nagen, wandte den Blick wieder ab und sah sich um. Anne wußte, was sich ihren Augen zeigte: Nichts als verbrannte Erde.
„Denken Sie auch an die Erethianer. Pendergast wird sie hier zurücklassen, gleichgültig ob sie überleben können oder nicht. Es mögen nicht viele sein, aber sie haben ein Leben verdient, Major. Ein Leben ohne Schrecken und ohne Hunger."
Die Kiefer der Antikerin spannten sich kurz an, dann nickte sie. „Also gut. Wir durchsuchen die Stadt. Aber sollten wir auch nur den leisesten Hinweis finden, daß es noch etwas schlimmeres als die Devi dort geben sollte ..."
„Brechen wir das ganze ab und kehren zur Prometheus zurück." Anne streckte der anderen die Hand hin. „Aber sollten wir nichts finden, werden Sie zulassen, daß die Erethianer und auch meine Crew Vineta für sich erobern, Major. Abgemacht?"
Die Antikerin betrachtete die dargebotene Hand, sah dann zögernd auf. Schließlich schlug sie ein. „Abgemacht, wenn Sie sich um mein Team kümmern."
„Jedem einzelnen Mitglied von SG-27 steht meine Tür immer offen." Anne lächelte.

TBC ...

04.08.2010

Die geheime Stadt IV

Anne schlug noch immer das Herz bis zum Hals.
Was war denn das gerade gewesen? Erst war die Antikerin im Halbdunkel angegriffen worden und hatte ... ja, was hatte sie da eigentlich getan? Sie hatte ihren Gegner besiegt, soviel war klar, aber ... Und dann ... dann dieser Blick!
Anne hatte soetwas noch nie gesehen, noch nie einem anderem Menschen ins Gesicht gesehen und soetwas bemerkt! Das war ... das war ... Der beste Vergleich, der ihr einfiel, war, daß sie einen Moment lang in das Gesicht eines gewissenlosen Killers geblickt hatte. Und, wenn es nach ihr ging, würde sie dieses Erlebnis sicher nicht wiederholen wollen.
Babbis starrte auf die Stelle, an der die Antikerin verschwunden war, drehte sich dann zu ihr um. Er sah ziemlich ratlos aus, wenn auch nicht einen Deut erschreckt.
„Was ... was war mit ihr los?" fragte Anne endlich, als sie sich, wenig elegant, aufrappelte.
Babbis zuckte mit den Schultern. „So eine Vashtu-Sache", antwortete er wenig beeindruckt. „Ich sagte doch, Ripley. Alien nie gesehen?"
Die Marines sicherten den Raum, raunten sich untereinander die Geschehnisse der letzten Minuten zu, als könnten sie es nicht glauben. Und Anne hörten in ihren Stimmen etwas, womit sie niemals gerechnet hatte: Respekt!
Babbis nagte an seinen Lippen, zupfte nervös an seinem Ohrläppchen herum. „Ich sags ja nicht gern, aber ich glaube, im Moment haben wir keinen Führer mehr", bemerkte er, wieder vielsagend auf die Stelle blickend, an der die Antikerin verschwunden war.
Anne trat nun endlich näher, und auch Frederics tauchte, wenn auch reichlich lädiert und mit einer blutenden Wunde im Gesicht, wieder auf. Beide fielen sie in das allgemeine Starren mit ein, das Babbis begonnen hatte, um schließlich etwas ratlose Blicke zu wechseln.
Anne reichte es schließlich. Sie aktivierte ihr Funkgerät.
„Colonel?" fragte sie in ihr kleines Mikro.
„Dr. Stross, was kann ich für Sie tun?" antwortete der Kommandant der Prometheus.
Anne kreuzte die Arme vor der Brust. Eine steile Falte wuchs auf ihrer Stirn. „Wir hätten gern unsere militärische Führung wieder zurück, Sir", sagte sie dann.
Vashtu warf dem Colonel einen unterkühlten Blick zu und riß sich von den beiden Marines los, die ihre Arme gepackt hatten. Wütend das Kinn reckend blitzte sie Pendergast an. „Da hören Sie es! Wir waren mitten in einem Einsatz, Sir. Da konnte ich nicht plötzlich raus und Ihnen Meldung machen, bei allem Respekt!"
Pendergast lehnte sich mit einem zynischen Lächeln zurück und musterte sie. „Ist das so, Dr. Stross?" fragte er.
„Major Uruhk?" fragte die Stimme der Wissenschaftlerin erleichtert.
Vashtu kreuzte die Arme vor der Brust. „Höchstselbst. Colonel Pendergast dauerte es zu lange, bis ich meinen Bericht ablieferte. Also beschloß er, ihn von mir persönlich zu fordern und mich wieder in die Brick bringen zu lassen."
Pendergasts Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Lieutenant Frederics, sind die Angaben, die Major Uruhk gemacht hat, wahr?" fragte er schließlich.
Die Antikerin blitzte ihn noch immer wütend an.
Das konnte doch nicht wahr sein! Er hatte sie mitten aus einem Einsatz hochbeamen und sie sofort wieder in Gewahrsam nehmen lassen wollen. Und warum? Weil sie ihren zweistündigen Bericht nicht pünktlich abgeliefert hatte. Als könne er nicht auch einmal etwas vergessen, dieser ... dieser ...
„Sir, Major Uruhks Angaben sind wahr, sofern sie einen Bunker der Devi und einige Überlebende betreffen. Der Raum ist jetzt sauber, Sir", antwortete Frederics.
Pendergast nickte, sein Gesicht wurde wieder ernst. Dann beugte er sich vor, sah sie durchdringend an. „Also gut, Sie können wieder runter, Major", entschied er nach einer kleinen Pause. „Aber merken Sie sich das für die Zukunft. Solange ich an Sie herankomme, werde ich Sie auf der Stelle hochbeamen lassen, sollten Sie das noch einmal vergessen. Dann können Sie die Nacht in der Brick verbringen. Ist wahrscheinlich bequemer als dort unten auf dem Planeten, aber Sie möchten doch sicher bei Ihrer Expedition sein, nicht wahr?" Der Sarkasmus tropfte nur so aus seinen Worten heraus.
Vashtu atmete einige Male tief ein, dann nickte sie. „Ja, Sir, ich werde es mir merken. Wenn ein solcher Einsatz noch einmal nötig sein sollte, werde ich Sie vorher informieren, Sir, und kann nur hoffen, daß Sie mir diese frühe Störung verzeihen werden."
Pendergast drückte auf einen Knopf. „Heimdahl, beamen Sie Major Uruhk wieder auf den Planeten hinunter. Dahin, wo auch die Expedition sich im Moment befindet. Und lassen Sie ihre ID im Rechner ... für alle Fälle."
Vashtu knirschte unhörbar mit den Zähnen und wünschte sich im Moment nichts mehr, als ihre Hände um den Hals des Colonels legen zu können - und ihn langsam zu erwürgen.

***

Dorn rollte seinen fahrbaren Untersatz durch die Gänge der Prometheus und sah sich aufmerksam um. Einmal war er hier gewesen, in seiner Realität, als sein Team von einem Planeten hatte eingesammelt werden müssen. Aber das war schon ein deutlicher Unterschied zu dieser Prometheus. Er zweifelte wirklich, ob dieser Pendergast so wie sein Pendant sein Leben für ein relativ unbedeutendes SG-Team riskieren würde.
Der Colonel hatte auch ihn aufgesucht, vor gut einer Woche, und ihm zu verstehen gegeben, daß er ihn bei der ersten sich bietenden Gelegenheit irgendwo zurücklassen würde - voraussichtlich mit der Atlantis-Expedition.
Dorn wußte, mit was für einer Art Militär er es in diesem Pendergast zu tun hatte. Zuviele Einsätze in zuvielen Ländern und auf zuvielen Planeten hatten ihn zu einem Experten in der Beurteilung anderer gemacht. Es stand nur zu hoffen, daß die Menschenkenntnis seiner Leaderin hier nicht versagte und sie sich dem falschen anschloß. Doch das glaubte er, nach allem, was er gehört hatte, weniger.
Zwei Kinder kamen ihm plötzlich entgegengerannt. Offensichtlich spielten sie eine hier gebräuchliche Art des Fangens. Aber etwas ließ ihn stutzen.
Dann schmunzelte Dorn unvermittelt, als er in den Bewegungen des hinteren Kindes eine gewisse Ähnlichkeit zu jemand anderem erkannte. Die Art, wie der einfache Holzstock gehalten wurde, war unnachahmlich.
Er hielt den Rollstuhl an und beobachtete die beiden, die immer näher kamen, das eine Kind das andere verfolgend.
Wo sie das wohl gesehen hatten?
Dorn schüttelte amüsiert grinsend den Kopf.
Das mußten zwei der Kinder der Erethianer sein, dieses Völkchens, daß Major Uruhk auf die Prometheus gebracht hatte.
Das vordere Kind stolperte unversehens und fiel hin.
Dorns Grinsen erlosch auf der Stelle und machte Besorgnis Platz.
Doch es rappelte sich wieder auf, gerade als das hintere mit weiten Schritten, auch hier eine wunderschöne, kindliche Parodie auf jemand anderen, angelaufen kam und den Stock senkte.
„Peng, Peng ..." machte es.
Das erste Kind fiel wieder hin, streckte alle Viere von sich. Das andere stellte sich breitbeinig über sein Opfer, zielte mit dem Stock auf den Kopf. Auch dies wieder etwas, was Dorn allerdings sehr bekannt vorkam.
„Peng! Jetzt bist du tot." Triumph schwang in der hellen Stimme mit.
Dorn hob die Hände und applaudierte. „Bravo, Major", sagte er, als die Kinder auf ihn aufmerksam wurden.
Das mit dem Stock bekam große Augen. Sofort kam es zu ihm und sah ihn vertrauensvoll an. Ein kleines Mädchen, wie er schnell feststellte.
„Kennst du Major Uruhk?" fragte es mit glänzenden Augen.
Dorn schmunzelte und nickte. „Ich gehöre zu ihrem Team", antwortete er mit sanfter Stimme.
Die Augen wurden noch größer. „Wirklich?"
Jetzt kam auch das zweite Kind heran. „Du bist in ihrem Team? Wo ist denn dein Bein?" fragte es zögernd und bekam prompt einen Rippenstoß und ein unwilliges Zischen von dem Mädchen.
Dorn sah kurz auf den Stumpf hinunter.
Der Verlust des Beines schmerzte ihn tatsächlich, und das mehr, als er zugeben wollte. Doch auf der anderen Seite hatte er gewußt, daß er nicht mehr lange durchhalten konnte. Um ehrlich zu sein, es sollte sein letzter Einsatz vor seiner Pension sein, der in diesem Debakel geendet war. Er hatte, auch wenn Vashtu das noch nicht gewußt hatte, das ganze bereits mit Landry abgeklärt. Und er war ohnehin nur wegen ihr geblieben, um ihr etwas Starthilfe zu geben, wie er sich selbst immer wieder gesagt hatte. Die Antikerin hatte ihn von Anfang an an Laurie, seine Tochter, erinnert. Nur deshalb war er so lange im Dienst geblieben.
Nun, jetzt mußte selbst Vashtu einsehen, daß er schlichtweg nicht mehr zurückkonnte. Insofern hatte der Verlust des Beines auch etwas positives. Denn ansonsten hätte sie ihm wahrscheinlich das Leben zur Hölle gemacht. Dabei war er mehr als bereit, sich ihrer anzunehmen und sie anzuhören, hatte sie Probleme.
„Als wir hierher kamen, hatten wir einen Unfall", antwortete Dorn endlich. „Dabei ist mein Bein leider so verletzt worden, daß der Doktor es abnehmen mußte."
Die Augen beider Kinder wurden groß. „Ehrlich?" fragten sie einhellig.
Dorn nickte. „Aber ist nicht so schlimm. Jetzt kann ich ja fahren." Er löste die Bremse und ruckte den Rollstuhl ein bißchen hin und her. „Seht ihr?"
Beide nickten mit großen Augen.
Das Mädchen kam vertrauensvoll etwas näher und sah ihm ins Gesicht. „Major Uruhk hat meinen Bruder vor den Devi gerettet", sagte sie. „Hat sie dir auch schon mal das Leben gerettet?"
Dorn lächelte. „Viele Male", antwortete er.
„Nefrenna, Okkas!" Ein hochgewachsener junger Mann kam um die Ecke des Ganges. In gespielter Wut funkelte er die beiden Kinder an. „Wie oft soll ich euch denn noch sagen, daß ihr in dem Abschnitt bleiben sollt, wo wir sind?" Er wandte sich an Dorn: „Verzeih, sie sind nur Kinder."
Dorn musterte den jungen Mann, nickte dann. „Schon gut. Kinder sollten spielen, wann und wo sie wollen", antwortete er.
„Danea, der Mann gehört zu Major Uruhks Team", sagte das Mädchen, drehte sich dann wieder zu dem Marine um. „Das ist mein Bruder Danea."
Das also war dieser Danea, von dem Babbis ihm erzählt hatte.
Dorn musterte den jungen Mann mit neuem Interesse, und auch der sah ihn forschend an. „Dann mußt du Sergeant Dorn sein. Bist du aus der Krankenstation entlassen?" Sein Blick fiel auf den Stumpf, seine dunkle Gesichtsfarbe verdunkelte sich noch weiter. „Verzeih."
Dorn winkte ab. „Bin noch nicht entlassen. Aber der Doc meint, Bewegung tut mir gut." Verschwörerisch blinzelte er dem Mädchen, Nefrenna, zu.
Die kicherte, beugte sich dann vor. „Könntest du nicht mitkommen und uns mehr von Major Uruhk erzählen? Nabuck behauptet, sie wäre eine der Schöpfer. Ist sie das?"
Dorn wechselte mit Danea einen Blick.
Schöpfer?
„Die Schöpfer sind die, die Devi hierher gebracht haben", erklärte der junge Mann schnell.
Dorn nickte verstehend. Also die Antiker.
„Ja, ist sie", antwortete er dem Mädchen.
Das bekam wieder große Augen. „Aber die Schöpfer waren böse", sagte es dann.
„Nicht alle, Nefrenna. Major Uruhk ist es nicht", erklärte Danea und legte der Kleinen eine Hand auf die Schulter. Dann wandte er sich wieder an Dorn: „Wenn du magst, darfst du gern mitkommen, Sergeant Dorn. Wir würden dich gern einladen. Und sicher nicht nur, damit du Geschichten von deinem Team erzählst."
Der Marine schmunzelte wieder. Er brauchte nicht lange überlegen, sondern nickte. „Ihr beide dürft auch den Rollstuhl schieben. Na, wie ist das?" fragte er die beiden Kinder.
Die sahen sich an, dann nickten sie eifrig und sausten um ihn herum.
„Aber warum Major Uruhk zwar ein Schöpfer ist, aber nicht böse, das mußt du uns doch erzählen. Und wie sie dir das Leben gerettet hat, und ... und ... was du sonst noch weißt."
Na, da schien seine Leaderin ja einen richtigen Fanclub zu haben, ging Dorn schmunzelnd auf, während er die Bremsen löste.
Danea warf ihm einen hilflosen Blick zu und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Dorn nickte nur und ließ sich schieben, ein bißchen mit den Händen nachhelfend.
Wenn er es sich aussuchen konnte, er würde gern bei diesen Leuten bleiben. Zumindest die Kinder waren einfach unschlagbar.

***

„Tja, Sir, ansonsten ist nichts weiter zu melden. Wir sind hier unten alle recht müde und wollen schlafen - natürlich wird eine Wache aufgestellt, Sir." Vashtu schloß den Mund und lauschte stirnrunzelnd.
„Und Sie wollen morgen mit der weiteren Erkundung des Planeten fortfahren?" fragte Pendergast wenig interessiert.
Die Antikerin nickte. „Ja, Sir, das haben wir vor. Nachdem wir alle geschlafen haben, Sir."
„Nun gut, dann stellen Sie die Wachen auf, Major."
Vashtu wartete. Als keine weitere Anweisung kam, antwortete sie: „Natürlich, Sir. Wir alle wollen schlafen, Sir."
„Haben Sie eine Ahnung, wie lange eine Nacht auf diesem Planeten dauert?"
„Wir haben uns auf fünf Wachen geeinigt, Sir. Damit wir alle ausreichend Schlaf bekommen, Sir", erklärte sie. „Meines Wissens befinden wir uns gerade im Frühsommer, Sir. Da werden die Nächte nicht allzu lang werden. Also werden wir wohl alle schlafen können, Sir."
Wieder ein langes Zögern in der Leitung.
War es denn zuviel verlangt, daß auch sie ein bißchen Ruhe finden wollte? Zumindest hatte Dr. Stross sich insofern durchgesetzt, daß sie beide sich den einen Puddlejumper teilen durften, während die Männer sich in dem anderen um die besten Plätze prügeln mußten - sehr zum Verdruß von Peter, wie sie amüsiert festgestellt hatte.
„Fünf Wachen dürften ausreichend sein, Major. Ich muß Sie loben. Allmählich scheinen Sie den Bogen ja doch noch herauszukriegen."
Bei jedem anderen, davon war sie überzeugt, hätte dieses Lob sie gefreut. Bei Pendergast aber klang es mehr wie eine Beleidigung.
„Danke, Sir. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Sir. Auf daß wir alle genügend Schlaf finden werden, Sir", sagte sie.
„Ihre nächsten Berichte können Sie direkt auf den Rechner sprechen, Major", antwortete Pendergast endlich. „Ich werde sie mir morgen früh anhören. Alle zwei Stunden, denken Sie daran. Prometheus Ende und Aus." Es klickte in ihrem Ohr.
Vashtu fluchte und kickte einen Stein mit dem Fuß über die Felskante.
Dieser verdammte Mistkerl von einem aufgeblasenen Colonel! Wie sollte sie denn überhaupt ein bißchen Schlaf finden, wenn er sie nicht in Ruhe ließ. Und er würde sie morgen unter Garantie wieder auf die Prometheus beamen lassen, wenn sie diese verfluchte Zwei-Stunden-Regelung auch nur um eine Minute verschlief.
Sie hätte ihn erwürgen sollen, selbst wenn ihr das einige Kugeln eingebracht hätte. Die hätte sie eher überlebt als seine Versuche, sie klein zu kriegen. Aber da würde er sich noch wundern, das konnte sie ihm garantieren. Was dem Rat von Atlantis nicht gelungen war, das würde einem kleinen Colonel mit einem noch kleineren Schiff auch nicht gelingen.
„Ihren Bericht abgeschlossen, Major?" fragte Stross' Stimme hinter ihr.
Vashtu starrte zu der Devi-Stadt hinüber.
Vielleicht sollte sie Pendergast als kleines Präsent morgen einen aktivierten Planetenkiller unter seinen Kommandosessel schieben und ihn ins All pusten? Wäre doch wenigstens eine Möglichkeit, ihn ein für allemal loszuwerden, wenn vielleicht auch sicher nicht die eleganteste.
„Ja, in zwei Stunden muß ich wieder einen abgeben." Vasthu gähnte herzhaft, drehte sich zu der anderen um.
Stross stand ein paar Meter von ihr entfernt und musterte sie amüsiert. „Sie hätten auch versuchen können, etwas feinfühliger zu sein", schlug die Wissenschaftlerin vor.
Vashtu stutzte, dann ging ihr auf, was die andere meinte. „Wie lange stehen Sie denn schon da?" fragte sie überrascht. Sie mußte wirklich müde sein, wenn ihr das entgangen war.
Stross winkte ab. „Staatsgeheimnisse geben Sie ja nun wirklich nicht preis, Major. Die Männer fragen sich, ob sie Ihnen vielleicht zu laut sind und sich deshalb für die Berichte immer abseits halten."
Die Antikerin schüttelte den Kopf und kreuzte die Arme vor der Brust. „Ich möchte nur verhindern, daß am Ende noch jemand mit hochgebeamt wird, den wir hier unten brauchen."
Stross ließ sich auf einem niedrigen Felsen nieder und seufzte. „Sie haben Pendergast nichts von den Bomben in dem Keller gesagt", fiel ihr auf.
„Muß er alles wissen?" Vashtu zuckte mit den Schultern. Also hatte Stross doch schon eine ganze Weile hinter ihr gestanden, ohne daß sie etwas davon bemerkte.
Die Wissenschaftlerin hob die Hand. „Ich habe nicht vor, Sie für Ihr Handeln zu kritisieren, Major. Schon gar nicht, was diese - wie nannte Dr. Babbis sie? - Planetenkiller angeht. Ich bin gekommen, um Sie zu bitten, morgen mit mir ein Team zu bilden."
Vashtu stutzte. „Sie wollen, daß wir beide ... ?"
Stross nickte. „Ich denke, wir beide haben da noch etwas zu besprechen, Major. Wir hatten einen Deal."
Die Antikerin holte tief Atem.
„Ich weiß, daß Sie offensichtlich nicht sehr begeistert davon sind, diese Stadt zu betreten, wenn ich auch den Grund nicht kenne", fiel Stross ihr in die Parade. „Aber so war unser Deal: Ich helfe Ihnen, Ihr Team zu retten, und Sie machen der Atlantis-Crew diese Stadt zugänglich."
„Ich sagte, wir werden darüber reden", korrigierte Vashtu entschlossen. „Ich habe nicht gesagt, daß ich die Stadt öffne oder gar wiedererwecke. Ich bin froh, daß diese Stadt ... Nun, sie steht nicht zur Disposition, Doc. Tut mir leid." Damit wollte sie an der Wissenschaftlerin vorbei zurück zum Lager marschieren.
„Dann würde ich gern den Grund erfahren, aus dem meine Leute in absehbarer Zukunft sehr wahrscheinlich von den Devi gefangen und getötet werden sollen, Major. Denn ich hoffe, Ihnen ist klar, daß Sie zwar ihre Schäflein im Trocknen haben, aber wir noch immer in der Luft hängen." Stross erhob sich bei diesen Worten und trat ihr entschlossen in den Weg. „Können Sie damit leben, Major? Können Sie das wirklich?"
„Ich muß mit ganz anderen Dingen leben, Dr. Stross", entgegnete Vashtu heftiger, als sie wollte, wollte sich an der anderen vorbeidrängen.
„Das habe ich heute gesehen. Was sind Sie? Eine Killermaschine?" Stross sah sie scharf an, schüttelte dann aber den Kopf. „Nein, das sind Sie nicht. Aber ein Teil von Ihnen, nicht wahr?"
„Es geht Sie nichts an, Doc. Und jetzt lassen Sie mich durch." Vashtu trat einen Schritt zur Seite, die anderen folgte sofort, wie ein Schatten.
„Warum wollen Sie uns dann die Stadt nicht geben, Major? Es würde Sie belasten zu wissen, daß da über einhundert Personen sehr wahrscheinlich bald ihren Tod finden werden. Aber einen Devi zu töten, das macht Ihnen offensichtlich wesentlich weniger aus." Stross hatte sich ihr wieder in den Weg gestellt.
Vashtu trat einen Schritt zurück. „Ich wüßte nicht, warum ich ausgerechnet Ihnen irgendetwas anvertrauen sollte, Dr. Stross", entgegnete sie. „Meinetwegen, gehen wir beide morgen zusammen auf Erkundung, ich habe beileibe nichts dagegen. Aber Vineta steht nicht Ihnen nicht zur Verfügung! Vielleicht ..."
„Vineta?" Stross hatte aufgehorcht, sobald ihr der Name entflutscht war.
Vashtu hätte sich selbst in den Hintern treten können für diesen Patzer. „Das ist der Name der Stadt, Dr. Stross. Sie hieß Vineta. Und jetzt wünsche ich Ihnen eine gute Nacht und schöne Träume!" Entschlossen schob sie die andere mit einer Hand zur Seite und marschierte zum Lager zurück.

TBC ...

01.08.2010

Die geheime Stadt III

Major Uruhk hob die P-90 etwas an, drückte sich eng an die Wand neben der halbgeöffneten Tür zum Kellergeschoß und lugte mit langem Hals um die Ecke. Dann nickte sie, zog sich wieder zurück.
Anne beobachtete die Antikerin stirnrunzelnd.
Wieder war sie zu etwas mutiert, wieder war sie jetzt etwas, was sie noch nicht kannte. Allmählich fragte sie sich, wieviele Gesichter diese Vashtu Uruhk noch hatte. Und was für Überraschungen mochte sie noch bereithalten? Wieviele Geheimnisse lagen noch im Verborgenen?
Peter Babbis saß nachdenklich auf einem großen Trümmerstück, schien sich nicht im mindesten darum zu kümmern, was da unten vor sich ging. Er hatte ein Palmtop gezogen und tastete jetzt auf dem kleinen Bildschirm herum, die Stirn nachdenklich gefurcht.
Anne war nervös, trat von der schrägen Treppe weg und zu dem jungen Wissenschaftler hin. „Sind Sie wirklich so kaltschnäuzig, Dr. Babbis?" fragte sie, reckte wieder den Hals.
Der blickte einmal kurz auf, konzentrierte sich dann wieder auf sein Tun. „Das ist so eine Sache, da kann ich eh nichts tun. Ich bin nur dafür zuständig, wenn es um das Basteln von Bomben geht", erklärte er. „Wenn sie wieder Buffy spielen will, soll sie das tun." Er zuckte mit den Schultern.
„Buffy?" Anne sah zu ihm hinunter und blinzelte.
„Oder Sheppard, je nachdem, was Ihnen lieber ist." Babbis sah jetzt doch auf, nachdem er offensichtlich seine Arbeit beendet hatte. Kurz reckte er den Hals, dann seufzte er und kam wieder auf die Beine.
„Sheppard?" Anne trat ihm in den Weg. „Ich verstehe nicht ganz, was Sie damit meinen?"
Babbis seufzte wieder, kreuzte die Arme vor der Brust. „Sie stürmt allein vor und spielt die Heldin, das meine ich", antwortete er und nickte zu dem Kellereingang hinüber. „Das tut sie schon, solange ich sie kenne. In unserem Atlantis ist dafür Lt. Colonel Sheppard zuständig, und als sie damals dort auftauchte, machte sie mit und zog zumindest mit ihm gleich. Als sie dann SG-27 von ihm übernommen hat ..."
„Sie hat SG-27 von Major Sheppard übernommen? Ich dachte, Sie alle kommen von der Erde", warf Anne ein.
„Sind wir auch. Atltantis wurde eine Zeitlang aufgegeben, als einige Antiker auftauchten", antwortete Babbis mit gelassener Stimme. „Lt. Colonel Sheppard übrigens bei uns. Er wurde ins SGC versetzt und erhielt ein eigenes Team - uns!" Er zog seine Automatik aus dem Holster und entsicherte sie, während er jetzt oben an der Treppe Aufstellung nahm und hinunterblickte. „Als er zurückging nach Atlantis schwebte das Team erst etwas in der Luft, dann übernahm Major, damals noch Miss Uruhk das Team. Und seit unserem ersten Gang durchs Tor macht sie solche Sachen eben, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Auf Atlantis heißt es dann, sie mache so eine Sheppard-Sache, habe ich mir sagen lassen. Ich finde, sie benimmt sich wie ... wie Buffy, die Dämonenjägerin, vor allem im Umgang mit Männern." Er verzog unwillig das Gesicht.
„Aha?" Anne verstand noch immer kein Wort von dem, was er ihr hatte sagen wollen.
„Oder vielleicht Ripley ... zumindest was das Kämpfen angeht." Er hob die Schultern, ließ sie dann wieder sinken.
Anne fiel auf, wie konzentriert er plötzlich wirkte. Seine Augen hatten sich auf die Majorin geheftet, er schien jedes einzelne Muskelzucken von ihr genau zu registrieren. Sein, noch jugendlich wirkendes Gesicht, war angespannt.
Wie hatte diese Frau es geschafft, diese Nervensäge auf sich einzuschwören? Anne erkannte durchaus an, das Babbis klevere Ideen hatte. Den Antrieb hatte er fast im Alleingang repariert, und das ohne die Unterstützung des Majors. Und selbst die Sache mit den Puddlejumpern, die sie zum Hochziehen der Prometheus benutzt hatten, war nicht ganz allein aus ihren Gedanken entstanden, sagte sie zumindest.
Aber daß er dermaßen auf sie reagierte, war wirklich bewundernswert. Soetwas hatte sie noch nie erlebt, und so ging das jetzt schon, seit sie den beiden über den Weg gelaufen war. Überhaupt schien der Major ihr Team vollkommen unter Kontrolle zu haben, selbst den getöteten Wallace, wenn sie auch zugab, daß er Katastrophen angezogen hatte.
Wie hatte sie das geschafft?
„Es geht los." Babbis hob das Kinn und atmete tief ein. In seinen Augen blitzte es.
Anne richtete ihre Aufmerksamkeit wieder in den Kellereingang. Major Uruhk wirbelte plötzlich herum, nachdem einer der Marines sich an der Tür versucht hatte und gescheitert war. Sie stand ungünstig, dennoch trat sie zu. Und die Metalltür krachte laut ächzend nach innen!
Anne blieb fast die Luft weg, als sie das sah.
„Die Fremdgene", raunte Babbis ihr zu.
Das war also eine Major Vashtu Uruhk in Aktion?
Anne schluckte, während sie beobachtete, wie die Antikerin, sofort nachdem die Tür aus der Versenkung gerissen war, den Keller stürmte, den Rest der Marines dicht hinter sich. „Aufteilen und durchsuchen! Hier ist was!" hörte sie sie sie mit harter Stimme befehlen.
Frederics war zurückgeblieben, als Wache, reckte nun den Hals und sah in den Keller hinein. Beeindruckt nickte er.
Anne hielt es jetzt nicht mehr oben am Treppenaufgang. Entschlossen nahm sie die Stufen und stellte sich neben den jungen Marine, um ebenfalls in den Raum blicken zu können.
Lichtfinger tanzten durch die Dunkelheit vor ihr. Sie sah, nahe am Ausgang, einige Kisten stehen. Auf einer dieser Kisten etwas, das entfernt an einen schwarzen Würfel erinnerte.
„Was ist das?" fragte sie.
Jemand neben ihr sog scharf die Luft ein. „Planetenkiller!" zischte Babbis ihr zu. „Damit haben wir auch die Stadt zerstört."
Anne atmete tief ein, konzentrierte sich wieder auf das, was sich in dem Kellerraum, es schien eher ein großer Lagerraum zu sein, abspielte.

***

Vashtu leuchtete sorgfältig ihren Weg aus, die P-90 im Anschlag haltend. Mit dem Detektor hatte sie etwas gemessen, und es waren garantiert nicht die Planetenkiller, die auch hier gelagert waren, wie bereits in dem anderen Keller, in dem Peter und sie sich auf ihrer Flucht verschanzt hatten.
Dieses feine Summen war wieder da. Selbst wenn der Detektor nichts angezeigt hätte, sie hätte damit also gewußt, daß es hier noch irgendwo Devi gab. Und sie würde diese Brut vom Planeten fegen, und wenn es das letzte war, was sie je tun würde!
Eine Salve ließ sie herumwirbeln. Blitzschnell hatte sie die Waffe wieder im Anschlag, hielt auf das Wesen zu, das ein anderer ihrer Männer aus seinem Versteck gelockt hatte. Dabei hielt sie den Abzug gedrückt und die kurze Mündung direkt auf das vielgliedrige Wesen. Der Devi taumelte, von mehreren Waffen unter Feuer genommen, hin und her. Die gelbliche Substanz, die vielleicht Blut war, spritzte in alle Richtungen.
Vashtu stellte im Lauf noch auf Einzelfeuer, zielte auf den Kopf mit dem fast menschlich wirkenden Gesicht und drückte einige Male hintereinander kontrolliert ab, ehe sie die Waffe sinken ließ.
Das Summen war noch nicht verstummt. Also mußte es hier noch mehr Devi geben.
„Weitersuchen und Raum sichern!" befahl sie kalt, sah sich die Kisten an.
Zumindest hatten sie damit wohl einiges an Waffen erbeutet. Das war zwar nicht der vordringlichste Grund ihres Hierseins, aber immerhin. Auf Planetenkiller ließ sie nichts kommen, die Dinger hatten offensichtlich doch ganze Arbeit geleistet, wenn sie nur an den gewaltigen Krater dachte, den die Explosion in den Hang gerissen hatte.
Die P-90 wieder an der Wange schlich sie weiter, immer wieder nach allen Seiten sichernd.
Und da fiel ihr etwas auf, gerade als einer der Marines wieder das Feuer eröffnete.
„Nach oben leuchten!" bellte sie hart, nachdem die nächsten Salven verklungen waren.
Sie hatte vergessen, daß die Devi sich auch, wie auch sie, wenn sie die Iratus-Zellen aktivierte, entgegen der Schwerkraft die Wände hoch bewegen konnten.
Kaum hatte der Strahl der kleinen Lampe die Decke getroffen, als sie auch schon den Abzug betätigte.
Ein weiterer Devi hing unter der Decke.
Ihr Feuer setzte für einen Moment aus, als sie das alte Magazin durch ein neues ersetzte. Diese Zeit nutzte ihr Gegner, um einen Versuch zu starten, aus dem Lichtstrahl herauszukommen. Doch inzwischen waren auch einige der Marines zu ihr gestoßen und ließen ihre Waffen sprechen. Das fremdartige, vielgliedrige Wesen stürzte von der Decke.
Vashtu atmete tief ein. Noch immer war da dieses Summen in ihrem Kopf. Und sie war davon überzeugt, daß dieses Summen ihr sagte, daß noch Devi hier waren.
Was für ein Name! Sie fragte sich ohnehin, wer den diesen Hybridwesen verpaßt hatte. Hatten sie sich selbst so genannt, oder waren sie so genannt worden?
„Sicher", meldete ein Marine aus der hinteren Ecke des Raumes.
Vashtu nickte unwillig. Hier war noch mindestens ein Devi, davon war sie überzeugt. Doch unter der Decke schien sich wirklich nichts mehr zu befinden. Wo steckte dieses verdammte Mischwesen?
Im nächsten Moment wurde ihre Frage beantwortet, wenn auch nicht auf die Art, die ihr lieber gewesen wäre.
Etwas sprang auf sie zu, ein harter Schlag, härter als alles, an das sie sich erinnern konnte, schlug ihr die Waffe aus der Hand und schleuderte sie einige Schritte zurück. Die Fremdzellen aktivierten sich von selbst. Vashtu knurrte.
Die Lampe der P-90 beleuchtete einen unsicheren Schatten vor ihr, doch an die Waffe kam sie nicht heran.
Der Devi war wesentlich größer als sie, und in zweien seiner Hände hielt er etwas, was entfernt an einen dünnen Stab erinnerte. Vashtu sah das Leuchten in seinen Facettenaugen, als er sich jetzt aufrichtete, und den Stab in ihre Richtung zu schwenken begann.
Mit einem Satz war sie bei ihm, packte ihrerseits zu und begann mit ihm zu ringen. Sie steigerte ihre Fremdgene immer mehr, sie fühlte, wie ihre Augen sich veränderten.
Der Devi schien dies wahrzunehmen. „Was bist du?" fragte er im abgehackten Antikerisch.
Vashtu riß den Stab hoch, kam den anderen Armen ihres Gegners damit gefährlich nahe. Doch er schien im Moment nicht daran zu denken, daß er sie einfach packen konnte. Statt dessen stemmte er sich gegen ihren Griff.
Sie grinste zufrieden, zog den Stab an sich heran.
Ihre Finger ertasteten etwas. Eine kleine Wölbung. Als ihr Zeigefinger darauf zu ruhen kam, zuckte ein Energieblitz durch den Kellerraum.
Eine Waffe!
Mit aller Kraft, die sie aufbieten konnte, holte sie Schwung für den Befreiungsschlag, während der Devi noch immer an seiner Waffe zerrte.
„Major!"
Endlich schienen die anderen auf sie aufmerksam geworden zu sein, einzelne Schüsse peitschten durch den Raum.
Vashtu riß diese eigenartige Stabwaffe hoch und zur Seite, wirbelte dann, als sie bemerkte, daß ihr Befreiungsschlag Erfolg gehabt hatte, sofort herum.
Der Devi verlor das Gleichgewicht, taumelte und stürzte hart auf ein Knie.
Vashtu fuhr herum, brachte den Stab in Anschlag und setzte ihm die Spitze, aus der der Energiestrahl gekommen war, auf die Brust.
„Ich bin euer Ende!" zischte sie ihm zu, ruckte nach und drückte ihren Finger wieder in die Wölbung hinein.
Die Energie flammte auf, der dünne Stab kratzte einen Moment über seinen Hautpanzer, versank dann Stück für Stück darin, während sie den Abzug weiter gedrückt hielt. Ein kaltes Glitzern lag in ihren Augen.
Erst als der Stab zerbrach unter den gegensätzlichen Kräften des toten, zuckenden Körpers und ihres Widerstandes dagegen, ließ sie das nutzlose Ende los und richtete sich auf. Dann schloß sie die Augen, um die fremden Gene wieder einzupendeln und griff nach ihrer P-90. Nur um wieder hochzufahren und die Beretta zu ziehen.
„Doc, weg da!" Mit dem gestreckten Arm drückte sie den Abzug.
Anne Stross, die gerade einige Schritte in den Kellerraum hinein gewagt hatte, zuckte zusammen, als sie die Mündung aufflammen sah. Ihr mußte es erscheinen, als schieße sie auf sie, ging Vashtu auf.
Dann aber begriff Stross und ließ sich fallen.
Vashtu hob den rechten Arm und stützte mit der Hand das Handgelenk des anderen, während sie, noch immer im strammen Schritt, zum Ausgang marschierte.
Babbis tauchte im Durchgang auf und hielt ebenfalls auf das gewaltige Wesen mit seiner Automatik.
Wo war Frederics? Hatte der Devi den jungen Marine etwa ... ?
Der Devi sank auf die Knie.
Vashtu blieb vor ihm stehen, setzte ihm den Lauf der Waffe an die Stirn und drückte noch einmal ab. Ein Zucken ging durch den fremdartigen Leib, dann sank der Devi tot zu Boden.
Die Antikerin blieb noch einen Moment lang stehen, die Waffe immer noch im Anschlag, und lauschte in sich hinein. Dann hob sie den Kopf. Ihr Blick begegnete dem von Peter Babbis.
Der nickte. „Der Devi hat Frederics angegriffen und zurückgeschleudert", sagte er.
Vashtu nickte ebenfalls, steckte ihre Waffe wieder ein und blinzelte einige Male, ehe sie sich zu Stross umdrehte, die sie noch immer mit großen Augen anstarrte.
„Der Raum ist sicher", sagte die Antikerin und hob den Kopf.
Die Marines, die mit ihr den Keller gestürmt hatten, starrten sie groß an, neuen Respekt in ihren, von Schatten ummalten Gesichtern.
Vashtu drehte sich um, trat aus dem Keller heraus - und verschwand in einem Lichtblitz.

TBC ...