17.10.2010

Vinetas Wiederauferstehung VI

Es war Abend geworden, als Vashtu endlich die Kantine des Doppel-Gebäudes betrat, in dem ihr Erkundungstrupp Quartier suchte, nachdem sie die Stadt freigegeben hatte. Inzwischen war diese reichlich gefüllt, wie sie feststellte, als sie sich umsah. Bekannte und unbekannte Gesichter mischten sich.
Ein gutes Gefühl war es, das sie da leise beschlich.
Die Stadt erwachte zum Leben, und die neuen Bewohner wollten ihre Chance nutzen und dieses Vineta zu etwas anderem machen als ...
Vashtu schüttelte den Gedanken mit einem Schulterzucken ab und trat an den Thresen, um sich eine Tasse mit Tee zu besorgen. Gegessen hatte sie bereits in der Messe der Prometheus, denn sie wollte sicherstellen, daß die wenigen Vorräte, die sie bisher hatten ergattern können, auch denen zu gute kamen, die sie nötiger hatten als sie.
Eines aber würde sie vor ihrem Versuch, diese Galaxie zu verlassen, auf jeden Fall noch tun, nämlich das Gate richtig testen. Dazu aber wollte sie sich zunächst noch einmal mit den Erethianern beraten, die, auch wenn sie das Sternentor nie benutzt hatten, doch eine ungefähre Vorstellung von dem zu haben schienen, was möglicherweise auf der anderen Seite lauern konnte.
Mit der Tasse in der Hand drehte sie sich wieder um und musterte das muntere Völkchen, das sich hier versammelt hatte.
Eines war ihr sofort aufgefallen, als sie den Raum betreten hatte, nämlich die vielen Gespräche und das leise Lachen. Ganz anders als auf der Prometheus wirkten die Menschen hier gelöst, beinahe frei, auch wenn die meisten von ihnen wohl bald ein wesentlich kargeres Leben führen würden. Ihr erschien das irgendwie merkwürdig, doch sie würde sich nichts anmerken lassen.
„Major!" Ein junger Mann winkte ihr.
Vashtu hob den Kopf, lächelte dann und trat an den Tisch, an dem sich die Marines ihrer kleinen Expedition versammelt hatten.
Frederics, der junge Mann, der auf sie aufmerksam geworden war, rückte ein Stück zur Seite und bot ihr den Stuhl neben dem seinen. Dankbar ließ sie sich nieder, stellte die Tasse vor sich auf den Tisch und lehnte sich mit einem Ellenbogen auf die metallene Platte.
„Wie weit sind Sie?" erkundigte sich ein anderer Marine bei ihr, Brown mit Namen, wenn sie sich nicht irrte.
„Morgen dürften wir alles heruntergeschafft haben", antwortete sie, lehnte sich entspannt zurück und streckte sich. „Dann geht hier das große Aufbauen los. Ich hoffe, Sie alle werden dabei mithelfen?"
Einhelliges Nicken der jungen Soldaten.
Frederics drehte sich zu ihr herum und sah sie mit einer leisen Angst in den Augen an. „Ich hörte, Sie hätten gestern den Colonel auf der Prometheus getroffen?"
Vashtu griff nach ihrer Tasse, nahm sie in die Hand und blies hinein. Dann nickte sie.
Sie wollte lieber nicht daran denken, daß sie bald wieder diesem Kerl da oben über ihren Köpfen ausgeliefert sein würde, und diesmal sogar ohne einen echten Ansprechpartner. Ihr blieb nur zu hoffen, daß Pendergast sie, solange der Hyperantrieb nicht bereit war, des öfteren in die Stadt lassen würde.
„Wie lange noch?" erkundigte sich ein anderer Marine.
„Sechs Tage", murmelte sie in ihre Tasse, nippte an dem Tee und stellte mit einer Grimasse fest, daß sie vergessen hatte, ihn zu süßen.
Augenblicklich verstummten die anderen Gespräche am Tisch, alle Augen richteten sich auf sie.
Vashtu runzelte unwillig die Stirn, warf Frederics einen langen Blick zu.
„Wir dachten, Sie würden vielleicht ... Naja, Sie wissen schon. Dr. Stross deutete da etwas an", antwortete der stockend.
Vashtu hob eine Braue. „Und was deutete Dr. Stross an?" fragte sie mißtrauisch.
Wenn sie nur wüßte, ob sie dieser Wissenschaftlerin wirklich vertrauen konnte. Aber da war irgendetwas, was zwischen ihnen beiden stand. Etwas, was Vashtu nicht wirklich benennen konnte. Stross war ihr gegenüber eigentlich von Anfang an offen und ehrlich gewesen, war ihr freundlich begegnet, als sie auf der Prometheus strandete und begann, den Kontakt zu ihrem Team zu verlieren. Aber dann, mit dem Beginn der Expedition, schien sich irgendetwas geändert zu haben. Sie wurde das Gefühl nicht los, daß Stross hinter ihrem Rücken paktierte, und sie war sich nicht sicher, ob ihr diese Intrige nicht vielleicht schaden konnte. Andererseits aber arbeiteten sie beide gut zusammen, und sie hatte das Gefühl, als könne sie der anderen trauen, zumindest ein gutes Stück weit. Wie auch immer das zusammenpaßte, sie wußte es nicht.
Sie erinnerte sich noch an den Tag, an dem sie beide in der Sicherheitszentrale gewesen waren. Sie hatte den Steuerkristall benutzt, und der Nebenrechner war tatsächlich hochgefahren, anders als die im Kontrollraum. Seitdem war Vashtu sich sicher, daß hier nur Zugriff auf die Daten gestattet wurde, wenn eben ein Steuerkristall wie der ihre benutzt wurde. Und das würde bedeuten, sie müßte hierbleiben, zumindest solange die Atlanter bleiben würden.
„Wollen Sie nichts tun?" fragte Frederics endlich.
Vashtu blinzelte, aus ihren Gedanken gerissen. „Gegenfrage?"
Frederics schoß das Blut ins Gesicht. „Verzeihen Sie, Mam." Schuldbewußt senkte er den Blick.
Vashtu sah aufmerksam von einem zum anderen der Männer. Dabei erinnerte sie sich noch sehr gut an den Beginn der Expedition. Die Marines waren nicht sehr begeistert von ihr und ihrer Befehlsgewalt gewesen. Daran hatte sich erst im Planetenkiller-Lager etwas geändert, als sie auf die letzten überlebenden Devi gestoßen waren. Wie auch immer sie das erklären sollte. Sie war direkt nach dem kurzen Gefecht zur Prometheus hinaufgebeamt worden für einige Minuten. Als sie wieder auf dem Planeten war, hatte sie es plötzlich mit einer Gemeinschaft von Marines zu tun, die sich widerspruchslos ihren Befehlen fügte.
„Dr. Stross meinte, Sie würden vielleicht hierbleiben, Mam", antwortete jetzt ein anderer Marine für Frederics, Brower, wenn sie sich nicht irrte.
„Nicht, solange die Prometheus über uns hängt. Das wird allein Colonel Pendergast nicht zulassen", antwortete sie so unbeteiligt wie möglich.
Dabei, und das bemerkte sie jetzt, stritten in ihr wieder die Gefühle und prallten ungebremst aufeinander.
Wenn sie die Stadt jetzt sah, zwar nicht gerade reichlich bevölkert, aber immerhin mit etwas Leben erfüllt, fühlte sie sich verantwortlich. Aber es war eine andere Verantwortung als die, die sie immer noch ausbremste und von hier verschwinden lassen wollte. Sie fühlte sich für die Menschen hier verantwortlich, gestand sie sich ein. Und sie wollte ein Teil dieses Vinetas sein, dazugehören und mithelfen, die Stadt wieder aufzubauen zu etwas anderem als dem Ort des Schreckens, der sie vor zehntausend Jahren gewesen war. Sie fühlte ein bißchen Hoffnung in sich, daß sich mit der Zeit alles richten würde, daß sie Teil von dem werden könnte, was hier gerade geschah.
Dazu kam dann auch noch die Gefahr, die möglicherweise von den Devi ausging. Sie hatte die Devi auf die Prometheus und die Atlantis-Crew aufmerksam gemacht, Peter und sie hatten gemeinsam die Stadt der Hybridwesen zerstört und damit möglicherweise einen Krieg ausgelöst. Konnte sie wirklich guten Gewissens diese Menschen allein lassen? Sollte sie nicht vielmehr versuchen, ihnen zu helfen, so gut es ging?
Aber ... was war mit ihrem Leben auf der Erde? Was mit Atlantis? Das Band zu John bestand noch immer, so daß ihre Zweifel, was eine andere Dimension betraf, eigentlich hinfällig geworden waren. Sie wußte es zwar nicht mit letzter Sicherheit, aber immerhin glaubte sie zu wissen, daß sie sich noch immer dort befand, woher sie gekommen war, nur eben in einer weit, weit entfernten Galaxie, die gerade noch mittels einer GateBridge von Atlantis aus erreichbar gewesen war. Einer GateBridge, die von den Wraith zerstört worden war laut den Berichten auf Antarktica.
Konnte sie dem wirklich Glauben schenken nach dem, was sie bereits hier gefunden hatte? Es gab so viele Hinweise, die nicht auf das Ende von Vineta hindeuteten, das in den Berichten vermerkt worden war. Nur allein die Leiche auf dem Kontrollstuhl sprach ganze Bände.
Was auch immer sich in Vineta zugetragen hatte vor zehntausend Jahren, es reichte bis in die heutige Zeit. Die Menschen dieser Galaxis standen ihrem Volk mehr als kritisch gegenüber, sie haßten die Antiker! Und sie konnte es ihnen nicht einmal wirklich verdenken.
„Wollen Sie denn wirklich nichts dagegen unternehmen?" wandte Frederics wieder ein. „Ich meine, Sie haben hier doch ..." Er verstummte unter ihrem Blick.
„Nicht in dieser Stadt, Lieutenant." Vashtu stellte endlich die Tasse wieder auf den Tisch zurück und schüttelte den Kopf. „Nicht hier, tut mir leid."
Die Tür öffnete sich wieder.
Die Antikerin blickte auf und runzelte die Stirn, als sie die beiden Neuankömmlinge sah.
Was hatte das denn zu bedeuten? Seit dem Unfall hatte Peter sich doch so weit wie möglich von Dorn entfernt gehalten. Warum kamen sie jetzt zusammen?
Vashtu zögerte einen Moment, neugierig geworden auf das, was sich da möglicherweise abspielen mochte. Dann aber erinnerte sie sich an die Flugblätter und erhob sich mit einem Ruck.
„Es ist spät und morgen gibt es viel zu tun", verabschiedete sie sich von der kleinen Truppe, nickte ihnen zu. „Viel Vergnügen noch." Damit verließ sie die Kantine wieder, ohne einen weiteren Blick auf die mageren Reste ihres ehemaligen SG-Teams zu werfen.

***

„Hören Sie, Sergeant, ich weiß, diese Sache ist ... naja, nicht wirklich so wichtig für Sie. Aber ..." Peter seufzte schwer und biß sich auf die Lippen.
Dieses Geständnis tat ihm wirklich weh, viel zu weh. Dabei war er sich nicht einmal wirklich sicher, ob ... Er glaubte immer noch, es sei eine gute Idee gewesen, denn auf diese Weise würden die Atlanter ihn zumindest bei der geplanten Diskussion erkennen. Allerdings, und das mußte er zugeben, nahm diese Sache mit den Flugblättern allmählich Ausmaße an, an die er nie im Leben gedacht hatte.
Dorn musterte ihn mit stillem Amüsement, lehnte sich in seinem Rollstuhl zurück. „Die Plakate", half er aus, einen Mundwinkel nach oben ziehend.
Peter ließ den Kopf hängen und ächzte. Dann aber, nachdem er wieder aufblickte, nickte er. „Ich hatte Danea gebeten, mir bei meinem Wahlkampf zu helfen", erklärte er. „Immerhin ist es wichtig für einen Gegenkandidaten, wenn sein Gesicht bekannt wird. Dr. Stross und Major Uruhk allerdings ... nun, sie sind nicht wirklich erbaut von der ganzen Sache, und ich bin es mittlerweile auch nicht mehr. Das muß aufhören! Zumindest in diesem Maße."
Dorn schmunzelte, sagte aber nichts, sondern sah seinen jungen Gegenüber nur fragend an.
„Danea aber dachte, er tue mir etwas gutes, indem er einen anderen Erethianer mit dieser Angelegenheit betraute. Einen gewissen Kalpun. Und der ist wohl verschwunden, jedenfalls ist er nicht da, wo er sein sollte."
Dorns Schmunzeln verlosch, er richtete sich wieder auf. „Kalpun?" wiederholte er.
Peter blinzelte irritiert, nickte dann. „Ja, Danea meinte, er sei irgendwie anders und würde wohl seine eigenen Wege suchen."
„Kann man sagen." Dorn schien alles andere als begeistert. Sein Blick war jetzt um einige Grade kälter geworden.
Was hatte dieser Kalpun angestellt? Sonst war der Ex-Marine doch immer die Ruhe selbst. Um ihn aus der Fassung zu bringen brauchte es selbst mehr, als Vashtu bisher gezeigt hatte.
Peter ging plötzlich auf, daß er wirklich in einem Schlamasel steckte - und zwar bis zum Hals, wenn nicht sogar schon weiter. Er schluckte hart.
„Kalpun ist verschwunden, richtig. Kurz nach der Ankunft ist er verschwunden", sagte Dorn jetzt. Das war einer der längsten Sätze, die der junge Wissenschaftler je von ihm gehört hatte.
„Offensichtlich aber wußten zumindest einige Erethianer, wo er sich herumgetrieben hat, bis ... äh, bis zu der Sache mit den Flugblättern", sagte Peter jetzt. Seine Stimme wurde immer leiser, während er sprach. Jetzt gab er sich einen Ruck und versteifte sich. „Vashtu sagte, wenn das nicht aufhört mit den Flugblättern, würde sie ... äh ... naja, sie würde dann wohl etwas mehr tun, als mir die Freundschaft kündigen."
„Kann ich mir denken." Dorn nickte sinnend.
„Können Sie mir helfen, Serge?" Peter sah wieder flehend auf. „Die Flugblätter müssen runter, sobald sie geklebt worden sind. Können Sie da irgendwie ... helfen?"
Bis jetzt hatte er einen Blick auf den Stumpf während ihres gesamten Treffens vermieden, bewußt vermieden. Nun aber suchten seine Augen den Rest des abgetrennten Beines - und wieder wuchs das Schuldgefühl in ihm ins Unermeßliche.
Es mußte doch irgendeine Möglichkeit geben, Dorn zumindest wieder soweit wiederherzustellen, daß er wenigstens einen Teil seines Dienstes erledigen und sich ein ordentliches Quartier suchen konnte. Irgendwie ...
Peter blinzelte, hob den Blick wieder und sah dem Marine tief in die Augen. „Wenn ich Ihnen eine Prothese anfertige?" fragte er voller neuer Hoffnung.
Dorns Kopf ruckte vor, seine grauen Augen sahen seinen Gegenüber fragend an.
Peter nickte zu dem Stumpf hinunter. „Sie helfen mir, diesen Kalpun zu finden und ich mache Ihnen ein neues Bein. Wie hört sich das an?" Er grinste breit.
Dorn sah ihn immer noch an, diese leise Frage in den Augen.
„Ich kann das!" Peter nickte bestimmt.
Dorns Blick wurde intensiver.
„Ich kann das ganz sicher!"
Eine Braue hob sich.
„Ich mache Ihnen eine Prothese, verdammt! Aber ich brauche Ihre Hilfe." Peter atmete hektisch ein, als habe er gerade einen Spurt hinter sich.
Dorn lehnte sich befriedigt zurück und nickte sinnend. „Werde sehen, was sich machen läßt", sagte er nur.

TBC ...

10.10.2010

Vinetas Wiederauferstehung V

Anne sah sich seufzend in der Steuerzentrale um, konnte ihren Augen kaum trauen.
Über Nacht waren die Flugblätter, die sie gestern hatte entfernen lassen, wieder aufgetaucht, diesmal sogar noch wesentlich mehr als vorher. Dabei hatte sie doch gestern ...
Major Uruhk betrat mit einem brütenden Blick den Raum, im Schlepptau Lieutenant Markham, der sich köstlich zu amüsieren schien, den diversen Konfereis von Dr. Babbis auf den angebrachten Flugblättern mit breitem Grinsen begegnete.
Gut, entschied Anne, offensichtlich hatte die Antikerin zwar mit dem jungen Wissenschaftler gesprochen, aber der entweder kein Einsehen gezeigt oder er selbst war der Sache nicht mehr Herr geworden. Da würde wohl noch ein Gespräch mit Cornyr fällig sein.
„Major, Lieutenant." Sie richtete sich auf und nickte beiden grüßend zu.
Major Uruhk sandte ihr einen resignierten Blick, kreuzte wieder die Arme vor der Brust.
In diesem Moment stürzte ein ziemlich aufgelöster Peter Babbis ebenfalls in den Raum, blieb dann keuchend stehen. Ein flehender Blick auf die Antikerin folgte, doch der wurde kalt ignoriert.
„Doktor", sagte Anne nun auch zu dem letzten Neuankömmling.
„Wir sollten uns heute einen genauen Plan zurechtlegen", schlug Major Uruhk vor, noch immer ihr ehemaliges Teammitglied ignorierend. „Ich schlage vor, Markham und ich fliegen zur Prometheus und beginnen mit dem Transport der Sachen, die diese noch geladen hat. Sie könnten hier unten bereits Hilfsteams organisieren. Es wird sicher den ganzen Tag brauchen, bis wir alles unten haben."
Anne nickte. „So etwas in der Art hatte ich mir auch vorgestellt, Major", sagte sie und lächelte. „Allerdings denke ich, Sie sollten noch ein oder zwei Helfer mit hoch nehmen, die beim Verladen helfen könnten."
Die Antikerin schien einen Moment lang nachzudenken, dann nickte sie. „Alles weitere passiert dann hier unten. Es muß ja nicht ..." Abrupt schloß sie den Mund.
„Genau, es muß nicht." Anne wandte sich Babbis zu. „Fliegen Sie mit oder helfen Sie hier unten, Doktor?"
„Er bleibt unten!" Die Stimme des weiblichen Majors klirrte wie Eis.
Anne hob die Brauen, warf einen kurzen Blick zu der schwarzhaarigen Frau hinüber, ehe sie sich wieder auf Babbis konzentrierte. „Es wäre vielleicht ... ein Gedanke, wenn Sie sich ... erst um etwas anderes kümmern, Doktor", schlug sie vor.
Babbis stieg sichtlich das Blut ins Gesicht. „Ich hatte ja ... Aber da ..." Er schloß den Mund, als er wieder einen unterkühlten Blick erntete.
„Sind noch Naquadah-Generatoren aus Atlantis oben?" wechselte die Antikerin das Thema. „Wir brauchen jede Energie, die wir kriegen können. Selbst wenn wir, wie bisher, den wissenschaftlichen Sektor aus dem Netz nehmen, gibt es noch viele Bereiche, die nur unzureichend mit Strom versorgt werden."
Stross sah sich kurz und seufzend im stummen Kontrollraum um, dann nickte sie. „Es müßten noch ungefähr ein Dutzend Generatoren in der Prometheus sein. Wieviele Pendergast Ihnen allerdings zugestehen wird, Major, kann ich nicht sagen. Immerhin sind diese Generatoren Eigentum unserer Erde."
„Hier werden sie dringender benötigt." Die Antikerin winkte ab, wechselte einen Blick mit Markham. „Und Waffen?"
„Die hat Pendergast beschlagnahmt", antwortete der Lieutenant.
„Dann holen wir sie uns zurück. Sie brauchen auch Proviant hier unten. Selbst wenn es mir mit mehr Energie gelingt, die Bereiter wieder einsatzbereit zu machen, werden Sie sich sicher bald nach der exquisiten Küche der Prometheus sehnen. Ich weiß, wovon ich spreche." Major Uruhk verzog das Gesicht.
Anne nickte. „Gut. Ich habe gestern mit Cornyr gesprochen. Einige Erethianer werden uns hier beim Aufräumen und Putzen helfen." Sie zögerte, trat dann näher. „Das vordringlichste nach Energie und Nahrung sollte für uns allerdings der Hauptrechner sein, Major. Denken Sie, Sie können da etwas tun?"
Anne beobachtete irritiert, wie die Antikerin sich kurz an den Hals griff, dorthin, wo sich die zwei Ketten unter ihrer Kleidung befanden. Das hatte sie jetzt schon mehrfach bemerkt, konnte sich aber noch immer keinen Reim darauf machen.
„Ich werde sehen, was ich tun kann. Wenn die Sachen unten sind, versteht sich." Major Uruhk nickte, drehte sich zu Babbis um. „Nachdem Sie die Plakate abgenommen haben, sollten Sie sich um die Zuleitungen kümmern, Peter", sagte sie unterkühlt. „Und sehe ich noch eines dieser Dinger, wenn ich wiederkomme ..." Drohend hob sie den Kopf.
„Es ist unfair, wenn andere Wahlkampf betreiben dürfen, ich dagegen nicht!" begehrte er plötzlich auf.
Anne sah, wie die Antikerin erstaunt die Brauen hob. „Hat es bis jetzt einen Wahlkampf gegeben?" fragte sie dann.
„Ich habe nur als erster begonnen!" verteidigte Babbis sich.
Major Uruhk atmete einige Male tief ein, dann nickte sie Markham zu und marschierte aus dem Raum.
Anne sah ihr nach, dann wandte sie sich an dem jungen Wissenschaftler: „Ich werde gegen Sie antreten, Dr. Babbis. Wir beide bewerben uns um die Leitung von Vineta. Major Uruhk hat abgelehnt, und wenn Sie von dieser Wahl erfahren haben, wie ich es vermute, dann wissen Sie das auch."
„Und?" Er hob den Kopf, schob seine Brille wieder zurecht. „Meinen Sie, Sie haben einen Frauenbonus?"
„Ich möchte Ihnen nur begreiflich machen, daß es zwar löblich ist, daß Sie sich so ins Zeug legen, aber wir sind auf alle Ressourcen angewiesen, die uns zur Verfügung stehen. Was Sie da gerade mit unserem Papier machen, ist alles andere als sinnvoll. Wir werden jedes Blatt, das sie verschwendet haben, wahrscheinlich sehr bald bitter bereuen, Dr. Babbis. Niemand hat etwas dagegen, wenn Sie sich als mein Gegenkandidat aufstellen lassen. Aber wir haben schlicht keine Zeit und auch nicht genug Bestände von irgendetwas, um uns einen großen Wahlkampf leisten zu können. Es wird eine Diskussionsrunde geben, direkt vor der Wahl. Dort können Sie dann Ihre Argumente vorbringen, warum Sie gewählt werden wollen und auch sollten." Anne seufzte. „Aber einen Wahlkampf, wie Sie ihn offensichtlich führen wollen, dafür haben wir keine Zeit, tut mir leid."
„Die Atlanter kennen Sie aber, mich dagegen nicht!" Demonstrativ starrte er sie an. „Wie soll ich denn sonst eine Chance haben?"
Anne schüttelte resignierend den Kopf. „Indem Sie Ihre Argumente vorbringen und sich nützlich machen, Dr. Babbis. Wir sind es gewohnt, auf uns selbst gestellt zu arbeiten, und wir erkennen auch durchaus an, wenn jemand von außen diese Qualitäten ebenfalls besitzt. Also, machen Sie sich nützlich, helfen Sie beim Einzug mit. Das wird den meisten mehr von Ihnen zeigen als diese Sprüche." Sie blickte auf, seufzte wieder. Aber zumindest schien er jetzt nachdenklicher zu sein.
Gerade wollte Babbis sich abwenden und gehen, als ihr noch etwas sehr dringliches einfiel: „Doktor, was denken Sie, wie wir Major Uruhk hier halten können?"
Überrascht wandte er sich ihr wieder zu und blinzelte irritiert. „Wie bitte?"
Anne richtete sich wieder auf. „Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Dr. Babbis. Jeden aus Ihrem Team könnten wir hier sehr gut gebrauchen. Sergeant Dorn möchte ich einen Posten in der Leitung anbieten, und ich weiß, daß auch an Ihrer Person Interesse besteht. Es wird also für Sie gesorgt sein, selbst wenn Sie die Wahl verlieren sollten. Major Uruhk aber ... Ich würde sie gern hier behalten. Was Pendergast auch immer für sie ausgeheckt haben mag, es wird ihr nicht sonderlich gefallen. Hier unten wäre sie besser aufgehoben."
Babbis sah sie groß an, richtete sich dann wieder auf und blickte kurz zur Tür, hinter der seine ehemalige Leaderin vor einigen Minuten verschwunden war. „Da müssen Sie sich eine Menge einfallen lassen, Dr. Stross. Aber ..." Er zögerte, runzelte die Stirn. „Vielleicht auch gar nicht so viel, wer weiß?" Nachdenklich kreuzte er die Arme vor der Brust.
„Was meinen Sie?" Anne sah jetzt ebenfalls zur Tür, die in den Gateroom und auch in das Treppenhaus des Turmes hinausführte.
„Sie plant zuviel." Babbis warf ihr noch einen letzten Blick zu, dann verließ er den Raum.
Anne blinzelte irritiert.
Was hatte er damit gemeint?

***

Vashtu landete den Jumper sanft im Hangar der Prometheus und blickte sich kurz um, ehe sie die Heckluke herunterfahren ließ.
Die drei Techniker, die sie mitgenommen hatte in ihrem Jumper, sprangen eilfertig von der Rampe, die Antikerin dagegen folgte nachdenklich, sah sich dann noch einmal kontrollierend um.
Zumindest schien keine der Kisten weggekommen oder irgendwie berührt worden zu sein. Auch die kleine Wachmannschaft war noch zugegen, die die Nacht hier verbracht und auf die Ladung aufgepaßt hatte.
Markham kam ihr aus dem zweiten Jumper entgegen, stellte sich dann an ihrer Seite auf. „Werden mehrere Flüge heute werden", murmelte er stirnrunzelnd.
Vashtu nickte nachdenklich, während sie die ganzen Kistenstapel betrachtete.
Aber vielleicht würde sich zumindest das Energieproblem in Vineta lösen lassen, wenn sie alles auf dem Planeten hatte. Das andere Problem, das an ihr nagte, war dagegen ... etwas kniffliger. Wobei ... ?
Sie richtete sich auf, sah zu Markham, der ihren Blick erwiderte. Doch es fehlte die Erkenntnis, die zwischen ihr und Peter des öfteren einsetzte. Er sah etwas ratlos aus, als sie weiter schwieg, wollte offensichtlich nachfragen, als sie den Mund öffnete.
„Miller steht auf Ihrer Seite, richtig?"
Markham blinzelte verständnislos, nickte dann aber. „Warum?"
Ein breites Grinsen erschien auf dem Gesicht der Antikerin. Das Problem Peter Babbis war erst einmal auf Eis gelegt. Darum würde sie sich kümmern, sobald dieser Tag vorbei war und er hoffentlich seine Flugblätter wieder eingesammelt hatte.
„Kommen Sie mit!" Sie klopfte dem jungen Lieutenant auf den Arm, joggte zum Schott hinüber. „Ladet ein, soviel ihr könnt", rief sie den Männern über die Schulter hinweg zu, „aber laßt noch ein wenig Platz. Zwei Kisten müssen mindestens noch mit!"
Damit war sie auch schon draußen auf dem Gang und eilte diesen, Markham dicht hinter sich wissend, entlang.
„Was haben Sie vor, Major?" fragte der nach einer Weile, während sie die unterschiedlichen Abschnitte des Schiffes durchmaßen, auf dem direkten Weg zu ihrem Ziel.
„Euch Waffen besorgen. Ihr werdet alles brauchen, was ihr irgendwie kriegen könnt", antwortete sie so leise wie möglich.
Endlich sah sie Verstehen in Markhams Gesicht aufleuchten, als sie ihm einen kurzen Blick zuwarf. Dann breitete sich das Grinsen auch auf seinen Lippen aus. „Guter Plan!"
Sie nickte, bog in einen Nebengang ab und hielt vor einem weiteren Schott, klopfte an. Kurz darauf öffnete sich dieses und der Gesuchte streckte seinen Kopf durch die Öffnung.
Ungläubig blinzelte der gestandene Marine. „Major, sind Sie schon zurück?"
Vashtu schob ihn sanft zurück in den winzigen Raum, Markham wieder direkt hinter sich wissend. „Nur kurz. Ich muß einige Sachen abholen", antwortete sie, als sie hörte, wie die Tür sich wieder schloß.
Miller blinzelte, ließ sich aber widerstandslos auf einen Stuhl drücken. „Und was suchen Sie dann hier?"
„Wir brauchen Waffen, Sir", wandte Markham ein.
Millers Blick glitt zwischen der Antikerin und dem Lieutenant hin und her, dann legte er den Kopf schief. „Aber ..."
Vashtu lächelte zuckersüß und zog ihre Beretta. „Geben Sie freiwillig den Weg frei, oder muß ich Gewalt anwenden?" fragte sie.
Millers Augen weiteten sich. Er atmete tief ein, dann hob er blitzschnell die Hand und deaktivierte sein Funkgerät. „Kommt mit!" befahl er dann.
Vashtu blinzelte Markham zu. „Wir haben ihn überwältigt und mit Waffengewalt gezwungen - wie gehabt", sagte sie, folgte dem Marine durch einen engen Gang.
„Stimmt genau. Und Sie haben mich niedergeschlagen", setzte Miller hinzu, drückte seine Hand auf einen Scanner vor einer weiteren Tür. „Was auch immer Sie entwendet haben, ich weiß von nichts." Das Schott glitt auf und gab den Blick frei auf eine gut ausgerüstete Waffenkammer. „Allerdings würde ich schon ein paar Kisten C4 und mindestens zwei A-Bomben empfehlen."
„Guter Vorschlag." Vashtu nickte, betrat den Raum und sah sich lächelnd um. „Irgendwo etwas, worin wir die Sachen mehr oder weniger unauffällig zum Hangar bringen können?"
„Ich habe nie erwähnt, daß die Kisten, in denen Waffen und Munition geliefert wurden, hinter den Gewehrständern stehen, oder, Major?" Miller trat an ihre Seite und blinzelte ihr verschwörerisch zu.
Vashtu nickte. „Nein, haben Sie nicht, Captain." Damit holte sie aus und ließ den Griff ihrer Waffe gegen seine Schläfe krachen. Nicht schwer, aber schwer genug, daß der Marine in sich zusammensackte und bewußtlos liegenblieb.
„Markham, wir haben viel zu tun."

***

„Aber so war es doch abgemacht." Danea sah hilflos blinzelnd zu dem jungen Wissenschaftler hoch. „Sie sagten doch, wir sollten die Blätter anbringen."
Peter Babbis rang die Hände und verzog das Gesicht zu einer hilflosen Grimasse. „Aber doch nicht so offensichtlich!" herrschte er den Erethianer an. „Außerdem wurde es mir inzwischen verboten. Wir müssen aufhören, Danea, verstehen Sie?"
Der neigte leicht den Kopf und runzelte die Stirn. „Aber ..." Er schloß den Mund wieder. „Mein Vater war auch nicht wirklich damit einverstanden", gab er zu. „Darum ich habe Ihre Anweisungen weitergegeben."
Peter sah auf den Erethianer hinunter. „Weitergegeben?" echote er.
Danea nickte. „Kalpun meinte, er hätte einen guten Weg gefunden, Ihre Botschaften in der ganzen Stadt zu verbreiten. Und da er ... naja, er ist nicht ... Er macht gern, was er will. Ich dachte, es sei eine gute Idee, ihm einmal eine Chance zu geben."
„Und wer ist dieser Kalpun?" Peters Schultern sanken etwas herab.
Das würde wohl doch ein härteres Stück Arbeit werden als er zunächst angenommen hatte. Dabei hielt er seine Werbekampagne noch immer für eine gute Idee. Aber er wollte es sich nicht vollkommen mit der Antikerin verderben, mußte er zugeben.
„Na, er wohnt doch unten, direkt beim Eingang. Sie kommen immer an ihm vorbei, wenn Sie uns besuchen, Dr. Babbis."
Peter runzelte die Stirn.
Ehrlich gesagt war ihm da unten noch nie jemand aufgefallen. Außerdem, auch das mußte er zugeben, hatte er die Erethianer bisher noch nicht allzu oft besucht, nicht wie Vashtu, die des öfteren herkam, oder wie Dorn, der hier quasi zu Hause zu sein schien.
Dorn!
Peter sah Land am Horizont leuchten. Wenn er den Sergeanten irgendwie überreden konnte, ihm diesen Kalpun zu zeigen, würde er vielleicht auf diesen einwirken können, ehe es noch innerhalb der letzten Reste von SG-27 zu einer Katastrophe kommen konnte. Und Danea schien ihm da nicht wirklich die richtige Anlaufstelle zu sein.
„Okay, dann suche ich diesen Kalpun", sagte er, richtete sich wieder auf und straffte die Schultern. „Danke für Ihre Hilfe. Falls Sie ihn sehen sollten, Danea, dann wissen Sie, was Sie ihm zu sagen haben."
Der junge Erethianer nickte mit zweifelndem Gesichtsausdruck.

TBC ...

04.10.2010

Vinetas Wiederauferstehung IV

Einen Tag später:

„Lieutenant, wieviele sind noch hier?" Vashtu sah sich im Hangar aufmerksam um und seufzte ergeben.
Das würden wohl noch einige Flüge mehr werden, als sie gedacht hatte. Die Atlantis-Crew war dabei noch das kleinste Übel, sondern eher all die Kisten und Kasten, die die Wissenschaftler mitschleppen wollten. Aber ihr war auch klar, in Vineta würden diese Menschen nahezu bei Null beginnen müssen. Und mit den Erethianern mochten sie vielleicht treue Verbündete gewonnen haben, aber leider keinen weiteren Kontakt, geschweige denn irgendwelche Handelspartner außerhalb des Planeten. Es würde harte Arbeit werden, überhaupt Nahrung für die mehr als einhundert Personen zu beschaffen.
„Wir sind so gut wie durch. Ein paar Mann aus dem Sicherheitsdienst noch", antwortete Lieutenant David Markham. „Die Jumper sind voll. Also kommen Sie bei der nächsten Fuhre mit. Es sei denn ... ?"
Vashtu nickte. „In Ordnung. Und ich denke, das wird dann für heute reichen. Wir müssen die Leute erst einmal alle unterbringen für diese Nacht, das wird schon hart genug werden." Suchend sah sie sich einen Moment um, dann winkte sie Peter herbei, der zögernd zu dem dritten Jumper in ihrer mageren Reihe stand.
Das allerdings war noch ein Problem, sogar eines, was Vashtu persönlich nahm. Wenn Peter und sie verschwinden würden aus Vineta, gab es nur noch den jungen Markham, der in der Lage war, die Gleiter zu fliegen. Mit der Gefahr der Devi im Nacken wirklich keine sehr verlockende Vorstellung. Aber die Atlanter, jetzt wohl Vineter, korrigierte sie sich im stillen, hatten es so gewollt.
„Ja?" Peter war zögernd herangekommen, musterte jetzt Markham aufmerksam.
„Haben Sie noch Platz im Jumper?" fragte Vashtu direkt.
Der junge Wissenschaftler blinzelte irritiert. „Aber ich dachte ..."
„Haben Sie noch Platz, Peter?" wiederholte sie mit leicht strenger Stimme.
„Äh, ich denke schon, ja."
Vashtu wandte sich Markham zu. „Um wieviele geht es?"
Der Lieutenant warf ihr einen irritierten Blick zu. „Fünf?"
Die Antikerin sah ihr ehemaliges Teammitglied wieder an.
„Aber Sie sagten doch, ich solle nur Lasten transportieren, bis Sie mir Unterricht gegeben haben", begehrte der etwas hilflos auf.
„Dann nehmen Sie jetzt eben noch fünf Personen mit und fliegen vorsichtig. Und nicht die Kontrollen abbrechen." Vashtu klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Sie machen das schon, Peter. Sie sind doch ein Naturtalent im Fliegen."
Der sah sie stirnrunzelnd an, schob dann seine Brille wieder auf die Nase.
„Major?"
Vashtu hob den Kopf und drehte sich um. „Abflug, alle beide. Ich komme nach", sagte sie dann, als sie sah, wer gerade den Hangar betreten hatte.
Markham und Peter nickten einhellig, gingen aber tatsächlich etwas zögernd zu ihren Jumpern.
Vashtu atmete tief ein, dann trat sie Colonel Pendergast entgegen, der, wie immer von drei Marines begleitet, den Hangar betreten hatte, sie nun aufmerksam musterte.
„Sir?" Sie grüßte, blieb stocksteif, die Hand an der Stirn, stehen, wie es die Vorschrift war.
Pendergast sah sie einen Moment lang nachdenklich an, dann nickte er. „Stehen Sie bequem."
Vashtu hob überrascht die Brauen, sagte aber nichts, sondern nahm die geforderte Position ein. „Sir?"
„Was geht hier vor?" Der Colonel sah sich interessiert die drei abflugbereiten Puddlejumper an, richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf sie.
„Ich dachte, Dr. Stross habe Sie aufgeklärt, Sir", antwortete die Antikerin etwas verwirrt. „Die Wissenschaftler aus Atlantis reisen ab. Sie wollen sich dort niederlassen, wo auch die Erethianer jetzt leben, Sir."
Mit keinem Wort erwähnte sie die Stadt, das war zwischen ihr und Stross so ausgemacht, ebenso wie Pendergast auch, zumindest hoffte sie das, keine Ahnung von dem Lager voller Planetenkiller hatte, das sie erbeutet hatten von den letzten überlebenden Devi.
Jetzt nickte er sinnend, hob den Kopf und musterte sie wieder. „Scheint ja ein ... interessanter Ort zu sein, an dem Sie die Erethianer geschickt haben, Major, wenn sogar die Atlanter so unbedingt dorthin wollen."
„Die Ruinen der Devi-Stadt, Sir", log Vashtu nach einem weiteren tiefen Atemholen. „Es stehen noch genügend Gebäude, die zwar leicht beschädigt, aber nach kleiner Reparatur wieder bewohnbar sind."
Pendergast schürzte die Lippen, sah ihr ins Gesicht. „Dort haben Sie also Quartier bezogen? Interessant. Hätte ich nicht gedacht, nachdem doch eines Ihrer Teammitglieder dort sein Leben verloren hat."
Vashtu spannte die Wangenmuskeln an. „Es scheint im Moment der sicherste Ort zu sein, Sir."
Der Colonel betrachtete wieder, über ihre Schulter hinweg, die drei Jumper. „Und wie lange soll diese Farce noch dauern, Major?" erkundigte er sich dann.
Vashtu runzelte wieder die Stirn. „Farce, Sir?"
„Wie lange wollen Sie noch da unten bleiben, Major? Ich möchte Sie auf der Prometheus haben, ehe diese Fachidioten Ihnen noch Flausen in den Kopf setzen."
„Nun, Sir", sagte sie gedehnt, „es wird wohl noch ein bißchen dauern, Sir. Wir brauchen mehr Energie und Nahrung muß beschafft werden. Und dann sind da auch noch ..."
„Das geht Sie nichts an, Major!" herrschte der Colonel sie plötzlich an.
Vashtu zuckte tatsächlich leicht zusammen, sah ihm fragend in die kalten Augen.
„Sie sollten lediglich sicherstellen, daß die Erethianer nicht gebraten werden, wenn wir sie wieder runterschicken. Diese Aufgabe dürfte jetzt eigentlich beendet sein, oder irre ich mich?" Pendergast beugte sich vor. Wieder glitzerte in seinen Augen etwas, was Vashtu nicht wirklich deuten konnte. Dennoch ließ es sie unruhig werden.
„Sir, bei allem Respekt, aber Sie haben mir die Leitung übertragen", entgegnete sie. „Ich sehe meine Aufgabe auf Erethia noch nicht als abgeschlossen an."
„Dann sollten Sie sie abschließen, Major, ehe ich die Geduld verliere mit Ihnen. Ich gebe Ihnen noch genau eine Woche." Ein letzter kalter Blick, dann drehte Pendergast sich auf dem Absatz um und verließ, im Gefolge seine Leibgarde, den Hangar.
Vashtu sah ihm skeptisch nach.
Hatte sie sich geirrt, oder war da tatsächlich kurz eine merkwürdige Angst in seinen Augen lesbar gewesen?

***

Nach der Landung staunte die Antikerin nicht schlecht.
Markham und sie hatten sich bereits vor einiger Zeit darauf geeinigt, auf einem kleinen Platz nahe des militärischen Komplexes zu landen. Beide waren sie relativ erfahren, was das Fliegen mit Puddlejumpern anging. Um in die Höhle zu gelangen, nutzten sie das große Explosionsloch in der Decke über dem Krater im wissenschaftlichen Bereich. Auf diese Weise hatten Passagiere, die sich im Cockpit befanden, auch einen ersten Eindruck von der Stadt, die nun, zwar unzureichend beleuchtet, aber immerhin notdürftig mit Energie versorgt war.
Der einzige, der draußen auf dem Plateau vor der Höhle landete, war Peter, dessen fünf Passagiere noch einen mehrminütigen Fußmarsch vor sich hatten, ehe sie Vineta das erste Mal betreten konnten.
Als Vashtu nun ihren Jumper sanft auf dem Boden aufkommen ließ und die Triebwerke abschaltete, wartete bereits Anne Stross draußen auf sie, neben ihr einige der Erethianer. Cornyr, einer der Ältesten des kleinen Völkchens, das ursprünglich diesen Planeten bewohnt hatte, stand neben der Wissenschaftlerin, war offenbar gerade in eine Gespräch mit ihr vertieft gewesen.
Vashtu blinzelte, nickte dann aber.
Stross hatte ihnen Hilfe organisiert, um die neuen Bewohner der Stadt auf die Wohneinheiten zu verteilen. Das war doch definitiv ein guter Gedanke, wenn auch überraschend für die Antikerin, denn nach den anderen Flügen des heutigen Tages war immer nur die Blonde zugegen gewesen, um ihre Leute willkommen zu heißen.
Hinter ihren Passagieren sprang die Antikerin von der Rampe, sah sich einen Moment lang aufmerksam um, während sie bereits auf die kleine Delegation zuhielt.
„Major", Stross nickte ihr zu. „Was das der letzte Flug für heute?"
Vashtu drehte sich kurz im Gehen um. „Bis auf drei, die unbedingt oben bleiben und Ihre Sachen bewachen wollten, ja", antwortete sie dann, blieb vor der anderen stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Fragend sah sie Cornyr an. „Ist etwas passiert?"
Stross und der alte Erethianer wechselten einen Blick, dann wandte die Wissenschaftlerin sich an sie. Ein Grinsen zuckte ab und an um ihren Mund bei ihren Worten: „Sie haben doch den besten Draht zu Dr. Babbis. Vielleicht sollten Sie noch einmal mit ihm reden." Dabei hielt sie ihr ein Stück Papier hin.
Vashtu blinzelte verständnislos, nahm aber entgegen, was man ihr gereicht hatte, entfaltete es und bekam große Augen beim Lesen:
„Freie Wahlen in der neuen Stadt. Der große Dr. Peter Babbis stellt sich der Verantwortung, der er sonst nicht entkommen kann. Wählt Babbis!"
„Was ... ?" Etwas hilflos sah sie auf.
Stross grinste nun wirklich breit. „Dr. Babbis scheint einige Erethianer verpflichtet zu haben. Der ganze private Bereich ist mit diesen und anderen Blättern geradezu gepflastert, Major. Und der hier ist noch der harmloseste. Offensichtlich hat er uns gestern bei unserer kleinen Unterhaltung belauscht."
Vashtu schüttelte verständnislos den Kopf. „Aber ..." Sie schloß den Mund wieder, knüllte das Flugblatt zusammen und drehte sich um. „Der kann was erleben!"
„Wenn er möchte, kann er sich selbstverständlich zur Wahl stellen. Ich dachte aber eigentlich eher an eine Diskussionsrunde oder etwas ähnliches, und das direkt vor der Entscheidung. Für einen Wahlkampf sind wir nicht gerüstet. Außerdem, entschuldigen Sie, Major, aber das ist pure Papierverschwendung", sagte Stross.
„Ist es!" Vashtu kniff die Lippen aufeinander.
Peter würde sie sich wohl gründlich zur Brust nehmen müssen, wie es aussah. Dieser Zettel war vollkommen überflüssig. Und ob ihn überhaupt jemand wählen würde?
„Wir sollten jetzt die Angekommenen auf die Quartiere verteilen und dann selbst schlafen gehen", schlug Stross vor.
Vashtu atmete tief ein. „Pendergast kam noch in den Hangar, ehe wir abflogen", sagte sie, drehte sich wieder um.
Stross wurde ein wenig blasser. Ein eigenartiger Blick traf die Antikerin. „Und?"
„Mir billigt er noch eine Woche zu, dann muß ich zur Prometheus zurück. Tut mir leid, Doc." Sie nahm das Klemmbrett, das die Wissenschaftlerin ihr hinhielt. „Wenn wir die Stadt halbwegs bewohnbar machen wollen, müssen wir uns wohl ein bißchen beeilen."
Wieder ein Blick aus den grün-blauen Augen der Blonden, dann nickte sie.
Vashtu begriff, was sie gesehen hatte: Es war Bedauern.

***

„Machen Sie sofort auf! Peter!" Vashtu hämmerte ungeduldig mit der Faust gegen die Tür, bis diese sich endlich öffnete.
„Ja?" Das bebrillte Gesicht des jungen Wissenschaftlers lugte vorsichtig um die Ecke.
Vashtu trat einen Schritt zurück, kreuzte die Arme vor der Brust und starrte ihn wütend an. „Was soll diese Papierverschwendung?" fragte sie kalt.
Peter blinzelte, richtete sich dann auf. „Oh!" machte er, begann an seinem Ohrläppchen zu zupfen. „Nun, ich hörte, es solle Wahlen geben, offene Wahlen um die Leitung von Vineta."
„Sie haben Dr. Stross und mich belauscht!" kam der nächste Vorwurf.
Peter fühlte sich plötzlich nicht so ganz wohl in seiner Haut. Er ließ die Hand wieder sinken, blinzelte unsicher. „Sie haben sich laut genug unterhalten, daß jeder es mithören konnte. Und wenn es darum geht, wer die meiste Arbeit bis jetzt geleistet hat ... Nun, da kann ich auch mitreden", gab er zu bedenken.
Die Antikerin blitzte ihn an. Ihre Kiefer preßte sie fest aufeinander.
Er fühlte sich noch unwohler. Dabei hatte ihm die Idee so gut gefallen. Immerhin war er der erste, der sich offen um ein Amt in der neuen Stadt bewarb. Vielleicht würden dadurch seine Chancen steigen. Zumindest hatte er das geglaubt.
„Ich denke, ich könnte die Leitung übernehmen, ja", sagte er, reckte sich unbewußt und warf sich in die Brust. „Immerhin weiß ich dank Ihnen einiges mehr als die anderen hier."
Vashtu starrte ihn immer noch an, dann schüttelte sie plötzlich den Kopf, wandte sich wortlos ab und marschierte den Gang hinunter.
„Warten Sie!" Peter zögerte eine Sekunde, dann verließ er sein Quartier und eilte der Antikerin nach. „Warum soll ich mich nicht um einen Posten bewerben? Sie wollen doch nicht! Und zumindest einer in der Leitung sollte verstehen, um was es sich hier handelt."
„Das ist Blödsinn!" knurrte seine ehemalige Leaderin ihn von der Seite an.
„Aber ..." Er hob die Hände, ließ sie aber, nach einem weiteren kühlen Blick von ihr, wieder sinken. „Ich glaube nicht, daß das Blödsinn ist."
„Sie verschwenden Ressourcen, Peter! Niemand hat etwas dagegen, wenn Sie sich aufstellen lassen, niemand! Aber diese Flugblätter und Plakate müssen verschwinden!" Vashtu starrte ihn kurz an, nachdem sie vor ihrer Tür stehen geblieben war, dann drehte sie sich um und erstarrte.
Wählt Babbis! - Die beste Wahl: Dr. Peter Babbis - Wissen und Intelligenz: Dr. Peter Babbis
Neben diesen Wahlsprüchen grinsten ihr auch, in mehrfacher Ausführung, lächelnde Gesichter entgegen, besser eines, immer und immer wieder.
Vashtu atmete tief ein, riß dann mit beiden Händen einen Teil der Plakate von ihrer Tür und warf sie dem jungen Wissenschaftler vor die Füße - zumindest versuchte sie es, doch das Papier verteilte sich, leise flatternd, im Gang. Dann öffnete sie ihre Tür und betrat ihr Quartier.
„Kann ich reinkommen?" Peter reckte vorsichtig den Hals, um einen Blick in den Raum hinein zu erhaschen.
Vashtu fuhr mit wütend funkelnden Augen herum und starrte ihn an wie eine Rachegöttin. „Nein!" Damit schloß sich die Tür vor seiner Nase.
Peter blinzelte, beugte sich dann vor und begann, die Papiere, die sich im Gang verteilt hatte, einzusammeln.
Unvermittelt öffnete die Tür sich noch einmal. „Sorgen Sie dafür, daß dieser Unsinn verschwindet! Und zwar umgehend!" herrschte die Antikerin ihn an, ehe sie ihr Quartier wieder verschloß - endgültig.

TBC ...

01.10.2010

Vinetas Wiederauferstehung III

„Wenn wir auch sonst nichts haben ..." Andrea Walsh, eine der Technikerinnen der Atlantis-Expedition, lächelte Anne an. „Aber wir haben das Gate ... und mehr. Passen Sie auf." Sie drückte auf eines der Elemente des DHD.
Anne drehte sich um und betrachtete das Tor. Ein Energieschild hatte sich vor den Ereignishorizont geschoben. „Einen Schild. Das ist gut zu wissen." Sie nickte.
„Aber es geht noch weiter."
Etwas heller schimmerndes legte sich über den ersten Schild.
Anne blinzelte. „Was ist das?" fragte sie entgeistert.
„Eine Art zweiter Schild. Aber einer, der durchlässig für bestimmte Dinge ist", antwortete Walsh mit einem breiten Grinsen.
Anne nickte, beobachtete jetzt, wie der erste Schild deaktiviert wurde. Das helle Schimmern innerhalb des Tores blieb.
„Scheint eine Art biometrischer Schild zu sein, wenn Sie mich fragen. Soweit Major Uruhk das berichtet hat, war diese Stadt eine Forschungsstation. Vielleicht wurden einige Experimente auch auf anderen Planeten durchgeführt, die im hiesigen Stargatenetz eingebunden waren. Dann würde eine solche Maßnahme Sinn machen."
Auch der zweite Schild wurde deaktiviert.
„Wir müssen Energie sparen", fügte Walsh mit einem verlegenen Lächeln hinzu.
Anne nickte nachdenklich. „Das könnte ein Problem sein, je nachdem, wie dieser Schild geeicht wurde", murmelte sie, drehte sich dann blinzelnd wieder um. „Und sonst?"
Walsh zuckte mit den Schultern, warf der sie umgebenden Dunkelheit einen langen Blick zu. „Sonst sind wir soweit wie vorher. Offensichtlich erhalten die Rechner Energie, aber sie fahren nicht hoch. Wir haben keinen Zugriff auf irgendetwas. Die einzige Möglichkeit, überhaupt zu testen, ob hier etwas funktioniert, sind unsere drei ATA-Träger. Markham ist gerade auf der Prometheus, um noch einige von uns herunterzuholen. Major Uruhk und Dr. Babbis hatten irgendetwas anderes vor." Sie kreuzte die Arme vor der Brust. „Und selbst wenn sie hier sind, passiert nicht mehr als ein kurzes Brummen oder Summen, vielleicht mit einem Aufleuchten. Das war es dann aber schon."
„Wo sind die beiden eigentlich?" Anne sah wieder zum Fenster hinaus und betrachtete das Stargate. Sie konnte sich noch an den frühen Morgen erinnern.
Babbis hatte sich denn doch in sein Bett getrollt, nicht ohne einige bissige Kommentare abgegeben zu haben, verstand sich. Major Uruhk aber ... Diesen Anblick würde sie wahrscheinlich nie vergessen:
Die Majorin hatte einen Teil ihrer Fremdzellen aktiviert, war wie eine Fliege das Gate hochgeklettert und hatte irgendetwas an einem der Schlüsselelemente mit einem Schweißbrenner repariert. Es war ein eigenartiger Anblick gewesen, doch Anne war sich sicher, irgendwann würde sie sich vielleicht daran gewöhnen können. Jedenfalls hatte Major Uruhk ihnen schon mehr als nötig geholfen, wenn sie nur an die Versammlungen und Unterredungen mit den Erethianern dachte.
War da am Ende doch etwas in der Antikerin aufgetaucht, womit diese nicht gerechnet hatte? Wollte sie tief in ihrem Inneren doch bleiben?
Anne hoffte es, wenn sie die andere auch verstehen konnte. Mit diesem Wissen im Hintergrund, über das Major Uruhk verfügte, würde sie wahrscheinlich auch alles daransetzen und hier so schnell wie möglich verschwinden.
„Ich glaube, sie wollten zur Pyramide und sich diese eigenartigen Jumper näher ansehen", antwortete Walsh, wieder konzentriert irgendetwas am DHD bearbeitend. „Diese Symbole sind anders als die auf der Erde oder in Atlantis."
Ein bitteres Lächeln erschien auf Annes Gesicht, als sie sich wieder der Technikerin zuwandte. „Kein Wunder, die Sternbilder hier sehen auch anders aus. Sie kennen doch die Verschlüsselungen der Antiker."
Walsh nickte. „Bis jetzt hatte ich noch keine Chance, mir irgendwelche Sterne von hier unten anzusehen, tut mir leid."
Anne winkte ab, sah wieder in den Gateroom hinaus, der noch immer von den Scheinwerfern beleuchtet war, die Major Uruhk mitgebracht hatte bei ihrem nächtlichen Treiben hier. „Was halten sie von unserer ... Verstärkung?" fragte sie.
Walsh sah auf. „Sergeant Dorn ist sehr nett", antwortete sie. „Dr. Babbis dagegen ... Ich habe das Glück, daß er mich kaum wahrnimmt. Und der Major ... ? Dr. Stross, ich sage es nicht gern, aber Major Uruhk hat bisher mehr für Vineta getan als Sie."
„Und dabei will sie nicht einmal bleiben ..."
Das war eigenartig. Und Anne konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß da doch mehr in der Antikerin arbeitete, als ihr selbst bewußt war. Es stimmte, sie hatte bisher mehr getan, viel mehr sogar. Sie half bei den Aufräumarbeiten, sicherte Gebäude, nahm die Schaltungen der Generatoren vor, flog Wissenschaftler von der Prometheus herunter und hatte nebenbei noch das Kommando über ihr kleines Kontingent, das Pendergast ihr zugestanden hatte. Sie arbeitete wie eine Besessene, und vor dem Hintergrund, daß sie das alles nur tat, damit Atlantis-Crew und Erethianer nach ihrer Abreise zur Erde halbwegs überleben konnten, sah das wirklich merkwürdig aus.
Anne lehnte sich von innen gegen das Glas und musterte die Technikerin. „Und wenn wir Major Uruhk überreden könnten, hierzubleiben?"
„Wie wollen Sie das anstellen, Dr. Stross?" Walsh grinste. „Sie scheint wild entschlossen."
„Sie scheint, wohlgemerkt." Anne nickte nachdenklich. „Und wenn wir ihr einen Posten in Vineta anbieten. Einen leitenden Posten?"
Die Technikerin blinzelte. „Wollen Sie nicht ... ?" Sie schloß den Mund. Ihr Gesicht rötete sich leicht. „Verzeihen Sie, aber ich dachte ... Da Sie doch schon so lange mit Dr. Weir zusammengearbeitet haben und sowieso ... Ich meine ..."
„Sehen Sie sich diese Stadt an. Was sehen Sie?" Anne hob die Arme in einer weiten Geste. „Wenn ihr alle mich haben wollt, bin ich gern bereit, die Leitung von Vineta zu übernehmen. Aber wir haben es hier mit einer Stadt zu tun, die nicht nur ein Oberhaupt hatte. Sehen Sie sich alles genau an, dann werden Sie das bemerken. Diese Stadt war zur Zeit der Lantianer halb zivil und halb militärisch. Es würde nur den Tatsachen entsprechen, wenn wir diesen Status wiederherstellen, zumal für wohl fast alles zwei Stimmen gebraucht werden."
Das hatte sie von der Antikerin erfahren, nachdem es der zumindest kurz gelungen war, den Hauptrechner im militärischen Sektor kurz hochzufahren. Dabei war die letzte Abfrage des Rechners aufgetaucht. Die Abfrage, die nie bestätigt worden war: die Zerstörung dieser Stadt. Nachdem Major Uruhk diese offline hatte schalten können, hatten sie beide fast den Generator entladen, als sich eine wahre Datenflut öffnete. Und dabei hatten sie auch feststellen müssen, daß für beinahe jeden Befehl zwei Stimmen gebraucht wurden.
Walsh sah sich stirnrunzelnd um, zuckte dann mit den Schultern. „Soll mir recht sein. Ein Militär, der sich in Wissenschaften auskennt, kann uns nur weiterhelfen. Und Major Uruhk scheint, bei aller Fremdartigkeit, doch recht umgänglich zu sein."
Anne lächelte. „In der Base, sagten Sie?" fragte sie.
Walsh nickte. Ein wissendes Lächeln erschien auf ihren Lippen.

***

Vashtu klopfte auf das Funkgerät in ihrem Ohr, um die Verbindung zu trennen, nahm dann im Eilschritt die Rampe des Jumpers hoch in das Innere und joggte bis zum Cockpit durch, um sich auf dem Pilotensitz niederzulassen.
„Und?" erkundigte Peter sich, in sein Datenpad vertieft.
„Nächste Meldung in drei Stunden", antwortete die Antikerin. „Zeit genug, zumindest die Statusabfragen durchzugehen." Sie konzentrierte sich.
Das Hologramm vor dem großen Fenster leuchtete auf. Peter bemerkte, daß es wieder der gleiche Text zu sein schien, über den er auch mit Markham gestolpert war.
„Interessant ..." Vashtu beugte sich vor und las konzentriert.
Der Text veränderte sich. Peter wurde jetzt doch aufmerksam und blickte stirnrunzelnd auf die fremden Schriftzeichen. Die wenigsten davon konnte er lesen, gerade einmal ein paar Brocken wurden ihm hingeworfen von diesem Jumper, und mit denen konnte er nichts anfangen.
„Man experimentierte offensichtlich noch."
Die Anzeige erlosch. Vashtu lehnte sich auf dem Sitz zurück und betrachtete die beiden blinkenden Dioden vor sich.
„Eine Ahnung, was für eine Sekundärwaffe das sein könnte?" Peter sah sie von der Seite an.
Sie atmete einige Male tief ein, dann begann sie zu nicken. „Mikrowellen", antwortete sie zögernd.
„Mikrowellen?" Peters Augen wurden groß.
„Es hat wohl nicht so ganz geklappt." Vashtu richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die einfahrbare Wand vor sich. „Wir brauchen mehr Energie."
„Gut erkannt!" höhnte Peter sarkastisch.
Unwillig schüttelte die Antikerin den Kopf, schien über etwas nachzusinnen.
„Was klappte denn nicht?" erkundigte er sich nach einer Weile des Schweigens.
„Die Insassen des Jumpers wurden gekocht statt das Ziel", antwortete sie und runzelte die Stirn.
Peter sah angewidert auf seinen Sitz hinunter. Im letzten Moment erkannte er das schalkhafte Blitzen in ihrem Augenwinkel.
„Sie nehmen mich schon wieder hoch!"
Ein breites Grinsen erschien auf ihren Lippen. „Sie haben die Waffe nicht abfeuern können, ohne daß die Jumper abschmierten. Scheint irgendetwas an der Energiezuleitung nicht richtig zu funktionieren."
„Könnten wir vielleicht beheben." Peter lehnte sich nachdenklich in seinem Sitz zurück und starrte auf die Wand vor ihnen.
„Vielleicht. Sämtliche Zuleitungen müßten kontrolliert werden", gab sie zu bedenken.
„Und die Kristalle."
„Die Verbindungen müssen unterbrochen werden."
„Und wir müssen neue Leitungen legen."
Beide versanken wieder in Schweigen, starrten sinnend auf die einfahrbare Wand der Jumper-Base.
„Kriegen wir die Mikrowellen online?" fragte Peter nach einer Weile.
„Vielleicht, wenn wir den Fehler beheben können", antwortete die Antikerin, kreuzte die Arme vor der Brust.
„Könnten nützlich sein bei Gegnern wie den Devi." Nun kreuzte auch er die Arme vor der Brust.
„Dafür aber brauchen wir mehr Energie", kommentierte Vashtu.
„Warum?" Peter hob die Brauen.
„Ich werde diese Waffe sicher nicht in diesem Hangar abfeuern, geschweige denn in dieser Höhle. Wir müssen nach draußen."
„Könnte gefährlich werden, da haben Sie recht." Er nickte.
„Wir brauchen ohnehin wesentlich mehr Energie, wenn wir die Stadt wieder in Betrieb nehmen wollen." Vashtu knabberte an ihrer Unterlippe.
„Und wenn wir Pendergast aber nicht mehr Generatoren aus den Rippen leiern können? Woher nehmen?" Peter neigte leicht den Kopf.
„Ja, woher ... ?" Auch ihr Kopf sank etwas zur Seite.
Wieder schwiegen die beiden sinnend, betrachteten die einfahrbare Wand vor sich. Dann kam plötzlich, zeitgleich, Bewegung in sie. Beide drehten sich herum und starrten sich an.
Peters Blick wurde kritisch. „Nein!" sagte er entschieden.
„Und wenn doch?" Vashtus Brauen hoben sich.
„Die Dinger sind gefährlich. Wissen Sie nicht mehr, wie wir fast das SGC in die Luft gejagt hätten mit einem."
„Aber sie haben genug Energie, wenn wir keine Generatoren mehr bekommen."
„Kontrollierte Zündung?"
„Umbau."
„Wie sollen wir denn ... ?"
„Die Einstellungen müßten neu kalibriert werden."
„Und wenn wir uns statt dessen selbst in die Luft jagen?"
„Haben wir es zumindest versucht."
„Das ist gefährlich!"
„Hier ist alles gefährlich, Peter."
„Aber das ist gefährlicher. Wir haben den Planeten schon so gut wie unbewohnbar gemacht."
„Wenn wir diese Energie aber kontrollieren könnten ..."
„Verlockend, das gebe ich zu. Aber auch ... ziemlich gefährlich."
„Einen Versuch ist es allemal wert."
„Vashtu, wie wollen Sie uns denn abschirmen, damit die Dinger nicht auch noch die Stadt plätten?"
„Schutzschild?"
„Und woher nehmen?"
„Begrenzter Schild."
„Hä?"
„Störe ich?" mischte eine dritte Stimme sich in diese eigenartige Diskussion.
Beide fuhren herum und blinzelten, aus ihren Gedanken gerissen, nach hinten.
Dr. Stross stand in der Kabine und betrachtete die beiden ehemaligen Teammitglieder von SG-27 amüsiert. „Haben Sie herausgefunden, über was für eine Sekundärwaffe diese Jumper verfügen, Major?" erkundigte sie sich.
Vashtu tauschte mit Peter einen Blick, dann nickte sie. „Mikrowellen. Offensichtlich hat man hier an einer Möglichkeit gearbeitet, diese einzusetzen, um Feinde wie die Wraith zu töten."
Stross sah sie stutzend an. „Mikrowellen?"
„Wirksam und unsichtbar", bemerkte Peter, nahm jetzt wieder sein Pad und fuhr mit seiner Arbeit fort.
„Klappt es?"
Vashtu sandte dem jungen Wissenschaftler wieder einen Blick. „Wissen wir nicht genau. Laut den Aufzeichnungen in den Speichern der AI nicht. Aber man arbeitete daran."
Stross nickte sinnend, dann blickte sie wieder auf. „Könnte ich Sie kurz sprechen, Major?"
Peter zuckte desinteressiert mit den Schultern.
Vashtu erhob sich und folgte der anderen aus dem Gleiter heraus. „Was gibt es, Doc?" erkundigte sie sich und lehnte sich gegen das Chassis.
Stross blickte sich um und betrachtete die Batterie an Puddlejumpern, die, Stockwerk für Stockwerk, bis in die Spitze der Pyramide, auf neue Piloten warteten.
Soviele dieser kleinen Raumschiffe hatten sie auf Atlantis nicht gehabt, wenn auch schon recht viele. Und wenn sie bedachte, daß die anderen drei Seiten dieses gewaltigen Hangars sehr wahrscheinlich ebenso aussahen wie dieser hier ... Es mußte eine gewaltige Flotte gegeben haben in Vineta. Dabei handelte es sich hier nur um eine zwar bedeutende aber auch, gegenüber dem mächtigen Atlantis, kleine Stadt.
„Wir haben zwei Schilde gefunden, die das Stargate gegen äußeres Eindringen schützen", wandte sie sich an die Antikerin.
Die nickte. „Ich hatte das schon mit ... äh, Walsh ausprobiert. Sieht aus, als könnten nur menschliche Wesen durch das Gate hierher."
„Das könnte bei Ihnen möglicherweise ein Problem werden, Major, denken Sie nicht?" fragte Stross.
Vashtu zuckte mit den Schultern. „Ich habe sowieso nicht vor, lange hier zu bleiben. Ich hoffe, das Gate irgendwie umbauen zu können, um zumindest bis nach Atlantis zu kommen."
„Wenn wir in meiner Dimension sind, Major, gibt es kein Atlantis mehr."
Vashtu kreuzte wieder die Arme vor der Brust und senkte den Kopf. „Dann wissen wir aber zumindest, wo wir uns befinden", antwortete sie. „Wir haben Klarheit."
„Aber es würde Sie belasten, nicht wahr?"
Vashtu spannte kurz die Kiefer an, blickte dann wieder auf. „Ich denke, wir reden um etwas herum, Dr. Stross", entgegnete sie hart.
Die Wissenschaftlerin war wieder einmal überrascht, nickte dann aber und wischte sich mit einer Hand das Haar aus dem Gesicht. „Wir haben uns entschieden. Wir bleiben hier", sagte sie dann.
Ein kühles Lächlen erschien auf Vashtus Lippen. „Dachte ich mir. Eine bessere Möglichkeit werden Sie wahrscheinlich in dieser ganzen Galaxis nicht finden."
„Helfen Sie uns?" Stross sah sie offen an. „Wir müssen alle der Atlantis-Crew herunterholen, sowie zusätzliches Gerät. Vielleicht ... das eine oder andere, was wir noch brauchen könnten."
Wieder nickte die Antikerin. „Wenn das Ihre Entscheidung ist, bitte. Noch habe ich hier unten das Sagen, solange der Colonel mir zubilligt. Und ich werde nicht eine Sekunde eher gehen, als daß er mich zurückpfeift. Ich bin froh um jeden Tag Luft, den ich kriegen kann."
Stross trat einen Schritt näher. „Da wäre noch etwas, Major. Etwas, das ... Nun, meine Leute haben die Entscheidung gefällt, und ich trage sie mit."
Vashtu versteifte sich kurz, richtete sich dann wieder auf. „Was meinen Sie?" fragte sie.
„Sie haben bis jetzt sehr viel geleistet, mehr als die meisten anderen von uns", begann Stross nun mit sanfter Stimme. „Ihnen haben wir es zu verdanken, daß wir in diese Stadt hineinkönnen. Und Sie werden wohl auch beim Umzug helfen, wie ich Sie kenne. Es wird eine Wahl geben, nachdem wir alle hier unten sind. Mit offenen Kandidaten, jeder, der meint, er könne nützlich sein, darf sich daran beteiligen. Und viele würden Sie in der Leitung von Vineta gern sehen, Major."
Vashtus Augen weiteten sich bei den Worten immer mehr. Wieder versteifte sie sich, ihr Gesicht wurde hart.
„Wenn ich die Leitung über diese Stadt übernehmen würde, hätten Sie gleich mehrere Probleme, Dr. Stross. Zum einen bin ich ein Major, und über unseren Köpfen hockt immer noch ein Colonel. Das würde bedeuten, Pendergast könnte seinen Einfluß hier unten verstärken. Und zum zweiten würden Sie Vineta militarisieren. Und ich denke nicht, daß Sie das wirklich wollen." Entschlossen schüttelte sie den Kopf. „Tut mir leid, aber für diese Wahl stehe ich nicht zur Verfügung. Solange ich hier geduldet bin, werde ich gern bleiben, aber ich werde bestimmt nicht für irgendeinen Posten kandidieren."
„Sind Sie sich da wirklich sicher, Major?" Stross lächelte leicht.
Vashtu nickte entschlossen. „Ja, das bin ich. Ich werde helfen, wo und wie ich kann, aber für mehr ... nein!"
In diesem Moment trat ein sehr zufrieden grinsender Peter Babbis aus dem Jumper und schlenderte leise vor sich hinpfeifend, unter den irritierten Blicken der beiden Frauen, davon.

***

Danea Il'Eskanar kam gerade aus dem großen Gebäude, das er und sein Volk bezogen hatten, als er direkt Dr. Peter Babbis in die Arme lief. Dieser lächelte ihn offen und sehr zufrieden an.
„Danea!" begrüßte er ihn, legte ihm einen Arm um die Schultern und dirigierte ihn die Straße in eine andere Richtung, als er eigentlich hatte gehen wollen.
„Dr. Babbis", der junge Erethianer lächelte gezwungen und sah seinen unversehenen Begleiter etwas hilflos an. „Was kann ich für Sie tun?"
Babbis' Lächeln wurde noch breiter, mutierte zu einem Grinsen. „Eine Menge, eine ganze Menge. Wir sind doch Freunde, oder?"
Danea sah etwas hilflos drein, nickte dann aber.
„Sehr gut." Wieder ein zufriedenes Grinsen. „Wissen Sie, es gibt da etwas, was Sie noch nicht wissen. Und Sie könnten mir dabei behilflich sein, etwas ... äh, ganz großes zu schaffen."
„Aha?" Danea betrachtete den anderen zweifelnd.

TBC ...