29.03.2010

Becketts letzter Dienst V

„An Major Vashtu Uruhk & Lt. Col. John Sheppard. Einen schönen Urlaub mit vielen unvergeßlichen Momenten wünschen SG-27 und SG-1?" John sah fragend auf. „Was läuft denn da?"

Vashtu stand in ihrer Küche und wartete, daß das Wasser endlich kochte. „Ich habe dir doch gesagt, daß mein Team mit SG-1 zusammenarbeitet - zumindest ab und an", antwortete sie schulterzuckend.

John hob die Brauen. „Aha?"

„SG-1 hat mir auch zu meinem Militäreintritt eine Kleinigkeit geschenkt", fuhr sie zögernd fort und goß heißes Wasser in die beiden Tassen.

„Hattest du nicht immer wieder betont, daß du mit Dr. Jackson nicht zusammenarbeiten könntest?" fragte John. „Und war da nicht irgendetwas zwischen Lt. Colonel Mitchell und dir?"

Vashtu verzog das Gesicht. „Zumindest mit Jackson komme ich inzwischen ganz gut aus, seit Babbis das künstliche Gen trägt. Jetzt ist er es, der ständig in seinem Labor sitzen und Geräte ausprobieren muß. Ich helfe nur noch ab und an bei Übersetzungen mit."

John sah sie noch immer auffordernd an. Sie stellte ihm eine Tasse mit Instant-Kaffee hin, ließ sich dann wieder auf dem Sofa nieder und tauchte ihren Teebeutel nervös in ihre Tasse.

„Und Mitchell?"

Verärgert sah sie auf. „Dieser ... dieser ..." Sie winkte ab. „Mitchell ist in meinen Augen ein Trottel. Ich weiß nicht, wie es ihm gelungen ist, die anderen Mitglieder von SG-1 zu reaktivieren. Ich schätze, vor allem Lt. Colonel Carter wird sich da wohl das eine oder andere von ihm anhören müssen, so wie er mich immer behandelt. Teal'C ist ein Trainingspartner von mir, mit ihm komme ich am besten aus. Und was Jackson angeht ... naja, seit ... seit Antarktica hat sich einiges zwischen uns geklärt, denke ich."

John erhob sich vom Boden und setzte sich neben sie auf das Sofa. „Also weiß Dr. Jackson auch von deiner ominösen Stadt?" fragte er.

„Sie ist nicht ominös!" brauste Vashtu auf und funkelte ihn an.

John lächelte und streichelte ihre Wange. „Du siehst hinreißend aus, wenn du wütend bist, Vash", kommentierte er ihre Reaktion, wurde dann wieder ernst und zog sie an sich. „Dieses Vineta ist weit entfernt und seit mehr als zehntausend Jahren eine Ruine. Ich glaube nicht, daß es da noch irgendeine Gefahr gibt, Vash. Du machst dir zuviele Sorgen. Wenn es tatsächlich Devi in der Milchstraße geben sollte, dürften die degeneriert sein und keine große Gefahr mehr darstellen. Alles andere ist außerhalb unserer Möglichkeiten."

„Wenn es doch so wäre!" Vashtu seufzte und ließ sich liebevoll an ihn drücken. Doch ihre Stirn blieb gerunzelt.

„Was meinst du?"

„Die einzige Verbindung nach Vineta fand über Atlantis statt, John." Düster blickte sie auf. „Benutzt bitte die MALPs, wenn ihr irgendeine Adresse aus dem Speicher anwählen wollt, hörst du? Ich möchte nicht ..." Sie stockte, als er entschieden den Kopf schüttelte.

„Wir wählen kaum Adressen an, die nicht Teyla oder Ronon ein Begriff sind, Vash. Es geht uns um Verbündete, Feinde haben wir uns inzwischen genug geschaffen."

„Hoffentlich!" Sie seufzte.

John schob seine freie Hand unter ihr Kinn und hob ihren Kopf. Sanft küßte er sie, sah sie dann streng an. „Ich kann es dir wirklich jeden Tag tausendmal sagen, Vash: Du bist nicht schuld an dem, was in Vineta schief gelaufen ist, hörst du? Und ich werde garantiert nicht diese Stadt betreten, das schwöre ich dir."

Sie nickte, doch die kleine Stimme in ihrem Inneren schrie sie wütend an, daß sie beide noch lange nicht wissen konnten, was auf sie zukam.

John sah sie an. „Okay?" fragte er endlich.

Vashtu kniff die Lippen aufeinander und senkte den Blick.

„Du bist nicht schuld", wiederholte er eindringlich. „Okay?"

Sie seufzte.

„Du bist nicht schuld. Ich kann das wirklich tausendmal sagen, ob du es nun hören willst oder nicht." Liebevoll strich er ihr mit den Lippen über die Wange. „Okay?"

„John, ich ..." Sie hob die Augen wieder.

„Du bist nicht schuld!" Streng sah er sie an und schüttelte den Kopf.

Wider Willen mußte sie nun doch schmunzeln.

„Okay?" Er hielt ihren Blick gefangen

Vashtu schüttelte den Kopf.

„Du bist nicht schuld. Okay?" In seine Augen trat ein leiser, spitzbübischer Funke.

Sie nickte. „Okay."

Befriedigt nickte er, wandte sein Interesse jetzt wieder dem Präsentkorb zu. „Dann laß uns einmal sehen, was zwei SG-Teams so für Vorlieben haben." Er zog das Behältnis näher an sich heran und hob eine Dose aus dem Korb. „Schildkrötensuppe", las er dann laut vor.

Vashtu kicherte und nahm ihm die Konserve ab. „Eingelegte Litshis, John. Du solltest lesen lernen."

„Sag ich doch." Er zwinkerte ihr zu, hob eine Banane aus dem Korb und zielte spielerisch auf sie. „Keine Bewegung, Major, sonst drücke ich zu."

Vashtu lehnte sich lachend an ihn. Die Sorgen waren im Moment wirklich vergessen, und das war gut so. Sie wollte nicht ihre Beziehung zu John riskieren wegen ihrer Schuldgefühle. Obwohl er, und das spürte sie sehr genau, was die Wraith betraf, ebenso empfand wie sie wegen Vineta.

„Ein paar Vitamine?" schlug er vor, schälte bereits die gelbe Frucht und hielt sie ihr hin.

Vashtu biß ab und blickte auffordernd zu ihm hoch.

John ließ sich diese Möglichkeit nicht entgehen. Er beugte sich zu ihr hinab und schloß seine Lippen über ihrem geöffneten Mund. Vashtu drückte einen Teil der Frucht nach vorn und biß dann noch einmal ab, einen Teil ihm zuschiebend. Doch darauf schien er es gar nicht angelegt zu haben. Seine Zunge drücke leise gegen ihre Zähne und forderte vehement Einlaß, bis sie ihm diesen gewährte. Ein angenehmer Schauer durchrieselte sie, als die Hand, die sie bis jetzt gehalten hatte, sanft über ihre Schulter strich. Sie ließ sich nach hinten sinken, umschlang ihn mit beiden Armen und zog ihn nach, so gut es ging.

Er hob langsam den Kopf und kaute jetzt doch, noch immer dieses Funkeln in den Augen. „Wir haben uns noch gar keinen Appetit gemacht", sagte er dann sanft und legte die Banane zur Seite. Wieder beugte er sich über sie und küßte sie leidenschaftlich. Seine nun freie Hand glitt unter das Hemd und berührte ihre Brust.

Vashtu stöhnte auf.

Er schob sich etwas anders auf das Sofa, sie immer noch unter sich haltend. Seine Finger knöpften das Hemd auf, strichen es vorsichtig beiseite, als öffne er ein selten kostbares Geschenk.

„Du bist unmöglich!" stieß sie hervor, als er wieder begann, ihre Brüste zu massieren.

„Essen vor dem Frühsport ist ungesund und macht träge", entgegnete er bestimmt.

Vashtu kuschelte sich so eng wie möglich an ihn und schloß die Augen, von einer tiefen und satten Befriedigung erfüllt.

Unwillig blinzelte sie, als John sich bewegte, schlang die Arme fest um ihn. „Nein, so nicht", murmelte sie, „nicht so schnell."

Er küßte sie kurz, schlüpfte dann aus ihrer Umarmung. „Doch, genau so schnell", sagte er sanft und richtete sich auf. „Oh je, was haben wir eigentlich mit deiner Wohnung angerichet?"

„Sag lieber, mit deiner Wäsche." Widerwillig richtete sie sich denn doch auf und sah sich um.

„Upps!" John betrachtete das Chaos. „Und jetzt?"

Seufzend blieb ihr Blick an ihrem Bügeltisch hängen. Ob sie den jemals wieder reparieren konnte?

„Duschen und frühstücken, eins nach dem anderen", schlug sie vor. „Und deine Wäsche aufsammeln und ins Schlafzimmer bringen. Ich kann dir, wenn du möchtest, ein bißchen Platz im Schrank freiräumen."

John schlang ihr einen Arm um die Schultern. „Frühstücken", sagte er bestimmt. „Um den Rest ..." Wieder ein Blick durch den Raum. Dann blinzelte er plötzlich und senkte den Kopf. „Du würdest mir ein bißchen Platz in deinem Schrank einräumen?"

Vashtu nickte überrascht. „Natürlich", antwortete sie, „es sei denn, du willst in deine Wohnung."

„In meine ... ?" Er schloß den Mund, seine Brauen senkten sich. „Ich habe keine Wohnung auf der Erde, Vash. Meine Sachen sind eingelagert."

Überrascht erwiderte sie seinen Blick. „Du hast keine Wohnung? Aber ..." Jetzt schloß sie den Mund.

Natürlich, warum sollte er auch eine Wohnung auf der Erde unterhalten. Die meiste Zeit hielt er sich in der Pegasus-Galaxie auf. Es war überflüssig, sich auf der Erde eine Bleibe zu suchen. Sie wußte selbst nicht, wie sie darauf gekommen war.

Seine Augen wurden sanft. „Aber das Angebot ist verlockend, muß ich zugeben", sagte er und beugte sich vor. „Sehr verlockend sogar." Wieder küßte er sie.

Vashtu gab einen wohligen Laut von sich, als sich ihre Lippen wieder trennten. Sie kuschelte sich eng an ihn und lächelte. „Meine Tür steht dir immer offen."

„Okay."

Ihn mit beiden Armen umfassend drückte sie sich so eng wie möglich an ihn und blickte zu ihm auf. „Immer, John. Das SGC hat dieses Apartment gekauft. Ein Teil meines Gehaltes wird einbehalten, also ist das hier mein Eigentum."

Er sah überrascht zu ihr hinunter. „Du kaufst dir eine Wohnung auf der Erde?"

Sie nickte. „Ich habe einen Platz gesucht, an den ich mich zurückziehen konnte. Nach einigen Debatten stimmte Landry zu, aber nur, wenn es Eigentum wäre."

Er hob die Brauen. Irgendwie war ihm diese Logik ... Die Erde hatte wirklich nichts unversucht gelassen, Vashtu an sich zu binden. Dabei hatte er allerdings auch das Gefühl, daß sie das ganze nicht so empfand. Für sie war es etwas normales, etwas, daß sie auch wieder loswerden konnte, wenn sie wollte. Sie hatte sich gebeugt, aber ihre eigene Logik spielen lassen bei der Entscheidung.

„Dann nehme ich das Angebot gern an", sagte er, richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Präsentkorb. „Und jetzt sollten wir endlich sehen, was dein Team und SG-1 sich so haben einfallen lassen für uns."

Vashtu warf ihm einen irritierten Blick zu.

Wie sollte sie je aus diesem Mann schlau werden? Sie wußte es nicht. Jedesmal, wenn sie glaubte, endlich alle seine Facetten zu kennen, fügte er ihr wieder eine neue hinzu.

„Cracker!" Triumphierend hielt er ihr eine Packung Salzgebäck hin. „Das ist doch schon mal was. Und ..." Er kramte in dem Korb, förderte dann ein Glas mit hellbraunem Inhalt hervor. Seine Augen leuchteten auf. „Erdnußbutter!" Er schraubte den Deckel ab und riß ungeduldig den Frischhalteverschluß auf. Dann tauchte er einen Finger in die Masse und zog ihn wieder heraus. Mit einem spitzbübischen Lächeln hielt er ihr das Ergebnis hin. „Hast du schon einmal gekostet?"

„Erdnußbutter?" Ungläubig starrte sie ihn an, während sein Finger sich immer ihrem Mund näherte. „Natürlich."

„Aber nicht so, oder?"

Vashtu sah ihn scheel an. Sanfter Geruch nach Erdnüssen stieg ihr in die Nase. Sie öffnete den Mund und ließ zu, daß er ihr seinen Finger in die Mundhöhle schob. Dann leckte sie die Masse ab und saugte ein wenig.

John atmete tief ein, zog seinen Finger wieder zurück, um sich zu ihr hinzubeugen und in den nächsten Kuß zu ziehen. Genüßlich leckte er sich danach die Lippen. „Lecker."

Vashtu lachte und schüttelte den Kopf. „Okay, mit Erdnußbutter kann man also noch mehr tun, als sie aufs Brot zu schmieren."

„Uns wird sicher noch eine lohnende Verwendung einfallen. Dankend angenommen." John schraubte das Glas wieder zu und stellte es auf der anderen Seite des Korbes ab.

„Was soll das werden?" Vashtu runzelte die Stirn, als er jetzt die nächsten Überraschungen zu Tage förderte.

„Nützliches von Nahrhaftem trennen", kommentierte er, hielt eine kleine Dose hoch. „Gänseleberpastete? Wow!" Mit großen Augen stellte er die Dose zu den Crackern und der Dose mit dem eingelegten Obst.

„Weintrauben!" Vashtu streckte begierig die Hand aus, doch er war schneller. Sofort legte er sie neben dem Glas Erdnußbutter.

„Hey!"

„Später, Vash, später." Wissend nickte er. „Mit Weintrauben läßt sich auch eine Menge Spaß haben, glaube mir."

Sie lehnte sich wieder an ihn und beobachtete, was er als nächstes aus dem Korb zauberte.

„Eine Flasche Wein, edel." Wieder ein anerkennendes Nicken, dann ein Stirnrunzeln. „Wohin? Nützlich kann er sein, nahrhaft ist er auf jeden Fall, mh ..." Kurzentschlossen wanderte er zu den Weintrauben. „Wenn uns der Sekt ausgeht."

„Hä?"

„Du hast doch eine Flasche Sekt im Kühlschrank, oder?" Er sah sie fragend an.

„Das ist nicht meine. Die gehört Babbis. Er hat sie mitgebracht, als er seinen Doktortitel feierte", entgegnete sie.

„Dann kauf eine neue. Die werden wir brauchen, glaube mir."

Als nächstes förderte er ein kleines, weißes Päckchen zu Tage, das den Eindruck erweckte, aus einem Drugstore zu stammen. Stirnrunzelnd drehte er es in den Fingern. „Sehr früh für soetwas", kommentierte er ein wenig säuerlich.

„Was ist das?" Vashtu streckte die Hand aus und nahm es ihm ab. „Kondome? Was ist das?" Irritiert blickte sie auf. „In mehreren Geschmacksrichtungen? Ich verstehe nicht."

John seufzte. „Verhütungsmittel", antwortete er und zuckte mit den Schultern. „Bisher haben wir ... äh ... nicht daran gedacht."

Vashtu nickte verständnislos und drehte das kleine Paket immer wieder in den Händen. „Und warum verschiedene Geschmacksrichtungen? Da unten habe ich keinen Geschmackssinn, was bringt das also?" Im Stillen beschloß sie, sich einmal mit Marnie Evans zu unterhalten, sobald sie wieder im SGC war. Was sollte das Wort „Verhütungsmittel" bedeuten? Sie hatte nicht die blaßeste Ahnung.

„Geschmacksrichtungen nicht für ... äh ... das ist eine andere Geschichte." John war tatsächlich rot geworden, als sie wieder aufblickte. „Manche ... mh ... Männer und Frauen mögen es, wenn ... äh ... naja ..."

Sie nickte ihm auffordernd zu und blinzelte immer noch verständnislos. „Ja?"

Er seufzte und runzelte die Stirn. „Manche Frauen nehmen ... äh ... den Penis ihres Partners in den Mund während des Liebesspiels."

Vashtu bekam große Augen. Ihr Blick wanderte an ihm herunter und blieb an der Blöße zwischen seinen Beinen hängen. „Sie nehmen ... in den Mund? Wozu?"

„Weil ... sie ... es soll ... Manche Männer finden das erotisch. Man nennt das ... äh ... sich einen blasen lassen." Er wand sich sichtlich unter ihrem verständnislosen Blick.

„Magst du das auch?" fragte sie irritiert.

Jetzt schluckte er sichtlich. „Ich ... nein ... ich meine ..." Er schloß den Mund und grabschte nach dem Päckchen. „Ist jetzt eh egal!"

Vashtu entzog die Kondome seiner Reichweite. „Magst du das?" wiederholte sie ihre Frage.

„Ich habe es noch nicht ausprobiert." Er sank ziemlich zusammen bei diesen Worten.

Vashtu runzelte die Stirn, betrachtete dann wieder das Päckchen mit den Kondomen in ihrer Hand. „Sollen wir es ausprobieren?"

„Du willst ... ? Du mußt nicht ... ich meine ... das muß nicht sein!"

„Mh!" Stirnrunzelnd wanderte ihr Blick zwischen den Kondomen und ihm hin und her. Dann reichte sie ihm das Päckchen zurück. „Tu es zu den nützlichen Sachen. Vielleicht probieren wir es noch aus", entschied sie.

John starrte sie groß an. „Du willst das tatsächlich versuchen?"

Sie zuckte mit den Schultern. „Weiß noch nicht. Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen."

Irgendwie empfand sie allein die Vorstellung als etwas ... gewöhnungsbedürftig, zugegeben. Aber vielleicht ergab sich eine Gelegenheit. Außerdem war sie neugierig geworden auf diese Kondome und wollte näheres zu ihnen erfahren.

John warf ihr einen skeptischen Blick zu, legte das Päckchen aber gehorsam zu den anderen Sachen.

„Und was gibt es sonst noch in dem Korb?" Sie lehnte sich wieder an ihn und linste in die aufgerissene Folie hinein.

John zögerte, griff dann aber doch zu und holte nacheinander zwei rotbackige Äpfel hervor.

„Vitamine!" Vashtu lächelte. „Bestimmt von Teal'c."

„Dann waren die Kondome von Mitchell." Er verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf, als müsse er eine bestimmte Vorstellung loswerden.

Vashtu machte einen langen Hals. „Sahne?"

John beugte sich jetzt ebenfalls nach vorn und holte eine Druckflasche aus dem Korb. „Schlagsahne. Eindeutig nützlich." Für diese Worte erntete er wieder einen scheelen Blick, doch die Antikerin schwieg und wartete auf die nächste Überraschung.

„Eine, nein zwei Orangen." Die Früchte wanderten auf die Seite der Lebensmittel.

Beim nächsten Griff in den Korb förderte John eine Tube hervor. „Sardellenpaste ..." Er tauschte einen Blick mit Vashtu.

„Einen dritten Stapel", schlug sie vor, „mit überflüssigem."

Er nickte, beugte sich vor und legte die Tube hinter den Korb. Dabei fiel sein Blick in das Behältnis hinein. „Ein Buch?"

Vashtu beugte sich jetzt ebenfalls vor, während er die aufgerissene Folie mit den restlichen Dingen darin vorsichtig aus dem Korb hob brachte sie das Buch an sich.

„Kama Sutra?" Ratlos blickte sie auf. Der Einband verriet nichts außer daß dieses Buch offensichtlich irgendwo aus einem anderen Land stammen mußte von der Schrift her.

John stöhnte auf. „Nicht noch mehr Ideen!" Dann aber verlor er das Interesse an dem restlichen Inhalt des Korbes, entwand ihr statt dessen das Buch und begann darin zu blättern.

„Hey!" Vashtu beugte sich vor - und bekam große Augen. „Wow! Geht das wirklich?"

John neigte den Kopf leicht zur Seite und betrachtete die aufgeschlagene Grafik recht irritiert. „Keine Ahnung, angeblich ja. Aber ... Dazu muß man ein Schlangenmensch sein."

„Ein was?"

Er blätterte ungeduldig weiter. „Jemand, der sehr biegsame Gelenke hat. Diese Menschen werden bei uns Schlangenmenschen genannt. Wow! Sieh dir das an!"

„Von wem das wohl ist?" Vashtu betrachtete auch die nächste Grafik mit äußerster Skepsis. „Das kann man unmöglich tun, John! Soweit kann ich mich nicht verbiegen, da kann ich noch so beweglich sein."

Er schüttelte den Kopf und schlug das Buch zu. „Gruselig", kommentierte er.

Vashtu entwand es ihm wieder und schlug die erste Seite auf. Mit großen Augen las sie, dann begann sie zu lachen. „Ich hätte es mir denken können!" Noch immer vor sich hinglucksend hielt sie ihm die aufgeschlagene Seite hin.

John las:

„Ein paar nette Anregungen für euch beide, die ihr vielleicht gebrauchen könnt. Falls ihr bei dem einen oder anderen Hilfe braucht, ruft mich nur an, ich bin gern für Tips oder mehr zu haben. Vala"

Mit großen Augen sah er auf. „Vala? Diese Frau, die an Jackson hängt wie eine Klette?"

Vashtu nickte, noch immer amüsiert. „Sie hat deutliches Interesse an dir bekundet, nachdem SG-1 von Atlantis zurückgekehrt ist."

„Was?"

Sie beugte sich vor und umarmte ihn. „Ich habe ihr gesagt, daß du nicht mehr zu haben bist, John. Aber ... sie ist eben auch etwas ... unkonventionell", gurrte sie ihm ins Ohr.

„Das stimmt." Noch immer sah er sie etwas scheel an, dann wurde sein Blick wieder zärtlich und er zog sie an sich. „Nette Geschenke, die man uns da gemacht hat. Wer ihnen wohl verraten hat, daß wir beide uns wieder vertragen würden?"

Sie küßte ihn kurz. „Keine Ahnung. Weißt du es vielleicht?" wisperte sie.

„Vielleicht ..." Er zog sie an sich und küßte sie leidenschaftlich.


***


„Ist er hier?"

Vashtu blickte von dem Benzinmotor, an dem sie gearbeitet hatte, auf und runzelte die Stirn. „Wer?" fragte sie.

Vala, die in der geöffneten Tür stand, runzelte ungeduldig die Stirn. „Dieser knuddelige Doktor aus Atlantis. Ist er hier?"

Die Antikerin richtete sich auf und wischte sich die Hände an einem schmutzigen Lappen ab. Obligatorisch warf sie einen forschenden Blick um sich, zuckte dann mit den Schultern. „Wenn du Beckett meinst, nein, hier ist er nicht. Oder siehst du ihn irgendwo?"

Vala schob die Unterlippe ein wenig schmollend vor, nickte dann aber. „Okay. Falls du ihn sehen solltest, Vash, sag ihm bitte, daß Landry ihn sehen will."

Die Antikerin nickte. „Geht klar. Ich richte es ihm aus, wenn ich ihn treffen sollte. Ist allerdings unwahrscheinlich. Meines Wissens weiß er nicht einmal, wo mein Büro ist."

Vala sah sich wieder aufmerksam um, dann zuckte sie mit den Schultern. „Vergiß nicht den Frauen-Pokerabend bei Marnie. Ich kann doch bei dir schlafen?"

„Klar, war doch so abgemacht." Vashtu lächelte.

„Gut." Vala schloß die Tür wieder hinter sich.

Die Antikerin beobachtete aufmerksam das Milchglas und zählte bis zehn, als sie keinen Schatten mehr wahrnehmen konnte. „Sie ist weg", sagte sie dann einfach nur.

Carson Beckett kroch wenig elegant unter ihrem Schreibtisch hervor, klopfte sich den Staub von den Hosen und seufzte erleichtert.

Vashtu sah ihn kopfschüttelnd an. „Was war das denn für eine Vorstellung?" fragte sie nach einer kleinen Weile.

Beckett blickte auf. „Diese Frau ist wahnsinnig!"

„Das behaupten auch einige von mir, Carson." Vashtu schmunzelte. „Vala ist ein wenig ungewöhnlich, selbst für meinen Geschmack. Aber sie hat das Herz am rechten Fleck, wie es hier auf der Erde heißt. Sie wird Ihnen schon nichts tun."

Beckett warf ihr einen zweifelnden Blick zu, sah dann wieder zur Tür. „Sicher, daß sie sich nicht irgendwo verschanzt auf dem Weg in Landrys Büro?"

Vashtu schürzte die Lippen. „Nicht sicher, aber ziemlich unwahrscheinlich." Sie drehte sich wieder zu dem Mediziner um. „Warum haben Sie solche Angst vor ihr? Vala ist merkwürdig, aber an für sich ganz in Ordnung. Wenn man weiß, wie man mit ihr umgehen soll, ist es gar nicht so schwer, an sie heranzukommen und richtig zu nehmen. Von John wird sie ihre Finger lassen, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie Sie mir auch zugestehen wird."

„Was?" Beckett bekam große Augen.

Vashtu nickte. „Wir haben das unter uns abgemacht. Sie zeigte mir ein bißchen viel Interesse an John, nachdem sie aus Atlantis zurück war", erklärte sie. „Da habe ich ein ernstes Wort mit ihr gesprochen. Sie merkt es sich, zumindest hoffe ich das. In erster Linie ist sie eh mehr an Daniel Jackson interessiert."

„Ihr Frauen teilt uns Männer unter euch auf?" Seine Augen wurden immer größer.

„Nicht wirklich. Aber wenn es sich ergibt, werden gewisse notwendige Absprachen getroffen." Sie sah den Mediziner wieder forschend an. „Sagten Sie mir nicht, daß Sie eine nette Frau suchen? Wäre Vala da nicht etwas für Sie?"

„Um Gottes Willen nein!" Beckett hob abwehrend die Hände.

Vashtu zuckte mit den Schultern. „Dann nicht."

Der Schotte atmete erleichtert auf.

„Allerdings frage ich mich, was ihr alle gegen Vala habt." Vashtu runzelte die Stirn. „Okay, sie ist wirklich etwas merkwürdig, sogar für mich, aber an für sich komme ich sehr gut mit ihr aus."

„Vielleicht, weil manche meinen, Sie wären ebenfalls nicht ... äh ... ganz von dieser Welt?" wagte Beckett zu bemerken. „Vashtu, Sie sind an für sich eine sehr nette Frau, die sich manchmal etwas ... burschikos verhält und durchaus auszuteilen vermag. Aber diese Vala ... Für mich ist sie einfach nur ein männermordendes Etwas."

Vashtu stutzte wieder. „Ist sie aber nicht", entgegnete sie.

„So kann man sich irren. Auf jeden Fall danke für die rasche Hilfe."

Die Antikerin nickte. „Viele Grüße nach Atlantis, Carson. Und ... besondere Grüße an John. Sie haben meinen Brief?"

Beckett nickte. „Der Colonel würde sagen, nicht einmal der Zoll wird ihn finden."

Vashtu lächelte. „Danke für Ihre Hilfe, Carson. Ich hoffe, irgendwann ..." Sehnsucht trat in ihre Augen.

„Irgendwann, Vashtu, das ist sicher." Beckett trat näher, reichte ihr die Hand. Dann warf er einen Blick auf den teils zerlegten Motor. „Ein neues Hobby?"

„Babbis erklärt mir, wie Ihre Geräte funktionieren. Dabei nehmen wir dann schon einmal das eine oder andere auseinander."

Der Mediziner nickte wieder. „Viel Glück, Vashtu. Wir sehen uns hoffentlich bald wieder."

„Hoffentlich. Und laufen Sie Vala nicht wieder über den Weg. Mein Büro ist nicht direkt von jeder Ebene zu erreichen."

„Ich werde aufpassen." Damit wandte er sich ab und verließ das Büro.

Vashtu sah ihm nach, nicht ahnend, wann und wie sie ihn wiedersehen sollte. Doch diese Frage würde ein anderer bald für sie beantworten: Acastus Kolya.


***


John betrat das Schlafzimmer, einen wieder ordentlich zusammengelegten Kleiderstapel auf den Armen. Auf der Höhe des Terrariums blieb er stehen und bewunderte das Bild, das sich ihm bot.

Vashtu hatte ihren Schrank geöffnet, war gerade damit beschäftigt, ihm ein Fach freizuräumen und wandte ihm dem Rücken zu. Ihr Körper war nur mit einem knappen Top und einem neuen Slip bekleidet, so daß immer wieder wesentlich mehr Haut durchblitzte, als vielleicht nötig gewesen wäre. Sie sah einfach ... verführerisch aus.

John räusperte sich, dann stutzte er, als sie etwas aus dem Schrank zog. Er beugte sich etwas vor und blinzelte.

„Ein Skateboard?" Überrascht hob er die Brauen.

Vashtu drehte sich um, das Fortbewegungsmittel noch immer in den Händen. „Ja", antwortete sie einfach und trat zur Seite. „Ich muß es wohl irgendwo anders unterbringen. So oft brauche ich es jetzt nicht mehr, darum habe ich es erst einmal in den Schrank geräumt."

John nickte. Ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Ich erinnere mich, du hattest mir meins stibizt auf Atlantis." Sein Blick fiel wieder auf das Board. „Sieht aber reichlich gebraucht aus. Bist du so oft gefahren?"

„Ehe ich den Führerschein hatte ja. Ich bin damit zur Arbeit und wieder zurück gefahren." Sie grinste schuldbewußt.

John riß die Augen auf. „Du bist was?"

„Ich habe mich an andere Fahrzeuge drangehängt und mich von ihnen ziehen lassen. Ich wußte nicht, daß das verboten ist. Für mich war es eine billige Alternative, bis O'Neill mir das Motorrad schenkte." Sie zuckte mit den Schultern und trat zur Seite. „Du kannst deine Sachen einfach reinräumen."

John sah sie immer noch verständnislos an. „Na klar, Marty McFly", murmelte er nach einer kleinen Weile.

„Wer?"

„Vergiß es." John seufzte.

Warum wunderte ihn überhaupt noch irgendetwas bei ihr? Warum sollte sie nicht auf andere Lösungen kommen als jemand, der auf der Erde aufgewachsen war? Natürlich kannte sie sich mit den hiesigen Gepflogenheiten nicht gut genug aus, um wirklich zu begreifen, warum sie scheinbar die einzige war, die auf diese eine Lösung gekommen war. Wenn ihr dazu niemand erklärte, daß solche Dinge wie das Ranhängen an andere Fahrzeuge streng verboten war ...

John schüttelte den Kopf und begann, seine Kleider in den Schrank zu räumen.

Irgendwie ... Er liebte sie nur noch mehr für solche Späße, wie sie sich offensichtlich geleistet hatte in der Zeit, seit sie auf die Erde gekommen war. Sicher hatte sie es nicht einfach gehabt, wenn man ihr schon so einfache Dinge wie den Umgang mit einem Skateboard nicht erklärte. Daß sie dennoch eine Lösung für ihre Probleme gefunden hatte machte sie umso reizvoller in seinen Augen. Vor allem, da er, wie er sich selbst eingestand, früher selbst mit dem einen oder anderen Gedanken gespielt, ihn aber nie ausgeführt hatte.

Vashtu rollte das Board unter ihr Bett, richtete sich dann wieder auf, gerade als er sich umdrehte. Er konnte nicht anders. Er trat zu ihr und umarmte sie von hinten.

„Du bist wirklich einmalig, Vash", flüsterte er ihr ins Ohr. „Einfach nur einmalig. Mit dem Skateboard zum Cheyenne-Mountain!"

„Irgendwie mußte ich ja zur Arbeit, und niemand hat es mir erklärt." Sie lehnte sich an ihn, ihr Kopf lag an seiner Schulter. Ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen.

John küßte sie sanft auf die Schläfe und drückte sie. „Einmalig, die Idee hätte wirklich von mir stammen können."

Vashtu sah zu ihm auf und grinste.


***


„Willkommen zurück in Atlantis, Doc." John hatte die Tür geöffnet und lächelte den kleineren Mediziner gewinnend an.

„Colonel, schön Sie zu sehen." Beckett drehte sich um und betrachtete seufzend sein Quartier. „Wieder daheim zu sein ... komisch."

„Dürfte ich vielleicht ..."

Beckett fuhr wieder herum, nickte dann. „Entschuldigen Sie, John. Ich bin nur in Gedanken noch bei der Reise."

Er trat ein und ließ die Tür hinter sich zufahren. „Klar, verstehe. Alles in Ordnung auf der Erde?" Die Wahrheit getraute er sich nicht zu sagen. Er wußte nicht einmal, ob es dem Schotten gelungen war, überhaupt Kontakt zu Vashtu herzustellen, geschweige denn, eine Antwort von ihr zu erhalten. Die letzten Male, als er auf der Erde gewesen war, war sie jedesmal fort gewesen, auf Außenmission, mit irgendeinem SG-Team.

John biß sich auf die Lippen und lehnte sich an die Wand neben der Tür.

„Oh, es war merkwürdig, es ist ja jedes Mal merkwürdig, nicht wahr?" In Becketts Augen trat ein verträumter Ausdruck. „Aber es war schön, die Lieben einmal wiederzusehen."

John nickte stirnrunzelnd, kämpfte mit seiner eigenen Ungeduld.

Seit mehr als einem Vierteljahr war Vashtu fort, und er suchte noch immer den Kontakt zu ihr. Er wußte selbst nicht genau, was er sich davon versprach, hoffte, man würde ihm seine Sehnsucht nicht allzu sehr anmerken. Dennoch war und blieb es wie es war. Er vermißte die Antikerin, gleich, was andere dazu meinen mochten. In seinen Augen war sie etwas besonderes, und was jetzt geschah, diese strikte Verhinderung jeglichen Kontaktes zwischen ihnen, schmerzte ihn tiefer, als er jemals geglaubt hatte.

Beckett begann seine Reisetasche auszupacken. „Das Wetter in Schottland war wie immer - einfach ... naja, verregnet. Aber meine Mutter macht wirklich den besten Haggis, den Sie je kosten werden."

John nickte etwas verzweifelt, war sich allerdings ziemlich sicher, daß er ein solches Gericht beim besten Willen nicht herunterkriegen würde. Allein die Vorstellung ließ eine Gänsehaut auf seinen Armen wachsen.

„Und ... äh ... sonst?" fragte er, nachdem der Mediziner in seinem Bericht stockte.

Beckett drehte sich zu ihm um. „Ach ja, im SG-Command ist alles beim alten, einmal abgesehen von der einen oder anderen Schwierigkeit. Man sagte mir, ... Ach!" Er tippte mit den Händen an seinem Sakko herum und zog schließlich eine Brieftasche hervor. Dieser entnahm er einen Briefumschlag. „Das ist von Vashtu. Sie läßt Sie auch besonders grüßen, Colonel. Den Rest können Sie sich, hoffe ich, denken."

Johns Augen hafteten auf dem Umschlag als seien sie festgeklebt. Er atmete einige Male tief ein, dann trat er entschlossen einen Schritt vor und streckte die Hand aus.

Eine Antwort! Beckett war es tatsächlich gelungen, bis zu der Antikerin vorzudringen und ihr sogar eine Antwort auf seinen Brief zu entlocken.

John nahm den Umschlag entgegen. Seine Finger zitterten ein wenig.

Wie lange hatte er sich nach einer Reaktion von ihr gesehnt? Wie lange war es her, daß er sie im Arm hatte halten können?

Warum hatte er damals nur soviel Zeit verschwendet mit Belanglosigkeiten und seinem eigenen Zögern. Er hätte vielleicht viel mehr haben können, und vielleicht wäre es ihm auch gelungen, Vashtu davon abzuhalten, Atlantis überhaupt zu verlassen.

„Ihr geht es gut", sagte Beckett mit einem sanften Lächeln auf den Lippen. „Sie ... Nun, ich denke, ich muß nicht viele Worte machen, Colonel. Ihr ist das Herz mindestens ebenso schwer wie Ihnen, das können Sie mir glauben."

„Wie geht es ihr?" John schob den Umschlag in seine Jackentasche.

Später, sagte er sich. Später würde er sich für einige Minuten zurückziehen und ihre Worte in sich aufnehmen, wenn er allein war. Dann konnte er sich vielleicht vorstellen, daß sie bei ihm wäre.

Beckett neigte den Kopf leicht zur Seite und seufzte. „Sie hat sich verändert, John."

Sein Herz schlug ihm plötzlich bis zum Hals. Sollte das heißen, sie hatte ... ?

„Rein äußerlich, meine ich. Ich hätte sie fast nicht wieder erkannt, als ich sie sah. Ihr Haar ist ... kürzer und selbstverständlich trägt sie andere Kleider."

Erleichtert atmete er auf. Einen Moment lang hatte er wirklich befürchtet, sie hätte vielleicht jemand anderen getroffen.

„Vashtu hat jetzt übrigens ein eigenes Apartment", fuhr Beckett fort und schüttelte den Kopf. „Nett eingerichtet, wenn Sie mich fragen. Sie scheint viel in Second-Hand-Möbelhäusern und auf Flohmärkten zu sein und sich dort zu kaufen, was ihr gefällt."

„Und was tut sie?" Sie richtete sich auf der Erde ein, hatte eine eigene Wohnung! Das konnte er alles nicht so recht glauben. Wurde sie am Ende doch erwachsen?

„Oh, sie war bisher im Innendienst und half bei Übersetzungen und der Aktivierung von Gerätschaften ihres Volkes. Aber ich denke, das wird sie Ihnen auch in ihrem Brief mitgeteilt haben." Beckett nickte ihm zu, wollte sich wieder abwenden. Dann schien ihm plötzlich etwas einzufallen und er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den militärischen Leiter der Atlantis-Expedition. „In einigen Tagen wird sie festes Mitglied in einem SG-Team. SG-15, falls Ihnen das etwas sagt."

John schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich", antwortete er.

Mitglied in einem fremden SG-Team. Wäre sie in Atlantis geblieben, hätte er sie mit in sein Team genommen oder ihr ein eigenes zugestanden. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was ihr alles für Barrieren in den Weg gestellt werden würden. Hier hätte sie sicher nicht so viel zu kämpfen gehabt mit Alltäglichkeiten.

„Ansonsten scheint sie sich ganz gut eingelebt zu haben auf der Erde." Beckett lächelte wieder. „Ich konnte sie leider nur kurz besuchen, Colonel. Vielleicht, wenn das nächste Mal etwas mehr Zeit ist. Vashtu ist schon eine außergewöhnliche Person." Er schmunzelte. „General O'Neill hatte mich zu ihr geschickt, weil die Wissenschaftler im SGC meinten, sie sei nicht teamfähig. Tatsächlich aber scheint es eher so zu sein, daß sie ... nun, unterfordert gewesen ist bisher. Es steht zu hoffen, daß sich das ändern wird, wenn sie regelmäßig in Außenwelteinsätze geschickt wird."

„Sie waren bei ihr?" Ein tiefes Verlangen zerrte an ihm. Beckett war bei Vashtu gewesen, er war in der Wohnung der Antikerin gewesen. Wie gern wäre er dort!

Beckett nickte. „Natürlich steht sie unter Bewachung, wenn sie diese MPs wohl auch gern einmal abhängt. Falls Sie wollen, ich bin sicher, es wird schon einen Weg geben, zumindest ihre Briefe zu tauschen."

„Ist sie denn noch ... Ich meine, will sie überhaupt ..." John schloß ein wenig hilflos den Mund. Das war eine Situation, in der er noch nie so tief gesteckt hatte. Er wußte einfach nicht, wie er sich verhalten sollte.

Beckett winkte ab. „Es wird sich schon ein Weg finden, John", entgegnete er. „Ich habe ohnehin den Eindruck, daß der Befehl nicht von General O'Neill kam sondern von ganz anderer Stelle. Irgendwann, davon bin ich überzeugt, werden sie beide sich durchsetzen können. Es mag jetzt zwar eine harte Zeit für Sie sein, aber ..." Er lächelte. „Wozu gibt es Liebesboten?"

John atmete auf. Er hatte sich auch nicht vorstellen können, daß ausgerechnet O'Neill gegen die Verbindung zwischen ihm und Vashtu sein konnte. Er hatte das von Anfang an nicht glauben können, dafür hatte der ehemalige Leiter des SGC einen zu tiefen und kameradschaftlichen Eindruck auf ihn gemacht, als er ihn in die Atlantis-Mission brachte.

„Ich ... Danke, Carson." Er lächelte.

„Machen Sie sich keine Sorgen. Manchmal tut es gut, wenn man ein bißchen Abstand voneinander hat, John, glauben Sie mir. Andererseits ... Ich soll Ihnen von Vashtu noch ausrichten, daß Sie recht hatten mit Football."

„Wirklich!" Er strahlte über das ganze Gesicht. Er hatte gewußt, daß sie diesen Sport auch mögen würde.

Beckett trat näher, musterte ihn sehr genau. „Aber tun Sie ihr niemals weh, Colonel", sagte er mit fester Stimme. „Niemals, oder Sie haben nicht nur sie verloren, das schwöre ich Ihnen."

„Ich habe nicht vor, das zu tun. Eher würde ich ..." John schloß den Mund und tastete wieder nach dem Brief. Stirnrunzelnd biß er sich wieder auf die Lippen. „Ich glaube, ich sollte jetzt besser gehen. Danke nochmals, Doc."

Beckett nickte und lächelte ihn versonnen an.


TBC ...

27.03.2010

Becketts letzter Dienst IV

Vashtu lag nachdenklich da und zeichnete mit einem Finger seine Rippen nach, den Kopf auf seine Brust gelegt.
John streichelte sie zärtlich, jedoch nicht mehr fordernd. Seinen anderen Arm hatte er unter den Kopf geschoben. „Carson hat mir ziemlich zu denken gegeben", sagte er nach einer Weile.
Vashtus Kopf bewegte sich auf seiner Brust, als sie langsam nickte. „Kann ich mir denken", antwortete sie.
„Und er hatte recht. Du bist die perfekte Frau, zumindest soweit ich das bis jetzt sagen kann", fuhr er leise fort.
Sie hob den Kopf, sah ihm in die Augen. Ihre Stirn war nachdenklich gerunzelt. „Unsere Beziehung steht noch ganz am Anfang", entgegnete sie. „Wir wissen noch nicht, ob es wirklich funktionieren wird."
John sah sie an und begann zu lächeln. „An mir soll es nicht mehr liegen, Vash, glaub mir. Was du mir ..." Er setzte sich auf und zog sie sanft an sich. „Ich habe vom ersten Moment an gewußt, daß ich da etwas unvergleichliches erlebe, schon damals, in deinem Labor. Wie du durch dieses Fenster gesprungen bist ... Ich stand einfach nur da und konnte nichts, absolut gar nichts tun."
Sie zog eine Grimasse, ließ es dann aber zu, daß er sie an sich drückte. „Du hattest mich damals ziemlich aus dem Konzept gebracht, John", antwortete sie endlich wie auf eine Frage. „Ich hatte mein Auftauchen ein wenig anders geplant. Nicht mit so viel ... Aufsehen."
Er legte seine Wange an ihr Haar und schloß die Augen. „Aber so bist du eben. Immer mußt du Aufsehen erregen. Ich wage mir gar nicht vorzustellen, wie es vor zehntausend Jahren gewesen ist. Der Rat war sicher nicht sonderlich erbaut von dir." Leise begann er zu lachen. „Nach allem, was ich weiß, war dein Volk etwas ... steif."
„Stimmt", antwortete sie trocken. „Umso schlimmer, was jetzt so alles herausgefunden wird, gerade über den Rat." Sie hob den Kopf und sah ihn an. „Ich weiß, ich bin nicht, was alle von jemandem wie mir erwarten. Ich war schon immer so, John, ich habe es nie ändern können." Sie runzelte die Stirn und sah ihn hilfesuchend an.
„Ich war auch schon immer so", entgegnete er und blinzelte ihr verschwörerisch zu. „Warum also nicht? Warum sollen immer alle mit den Wölfen heulen?"
„Hä?" Verständnislos blinzelte sie.
„Ein Sprichwort, Vash. Es bedeutet soviel wie, daß alle ... sich gleich verhalten. Irgendjemand muß manchmal aus der Reihe tanzen."

***

Vashtu lag unter ihm, gab leise, gurrende Laute des Wohlbehagens von sich, rührte sich aber ansonsten nicht.
Wie sie so dalag ... John fühlte, wie sich tief in ihm wieder etwas regte. Doch im Moment war er wie leergesaugt, er konnte schlichtweg nicht mehr, und sei ihr Körper auch noch so verführerisch. Außerdem empfand auch er sein sanftes Massieren als beruhigend, ebenso wie sie es wohl empfand.
>Seine Finger glitten ihren Körper entlang, ein Stück weiter nach unten. Vashtu holte tief Atem, er konnte fühlen, wie ihre Lungen sich unter seinen Händen hoben. Ihre Haut war einfach so herrlich weich ...
Er riß sich zurück, als er einen kleinen Stich in seinen Lenden fühlte, richtete sich noch ein wenig mehr auf und massierte weiter.
Samtig, anders konnte er diese Haut wirklich nicht bezeichnen. Einige wenige Muttermale hoben sich von der natürlichen Bläße ab, wie Schönheitspflästerchen. Aber nicht eine Narbe. Da war gar nichts
Wenn er bedachte, was er schon hatte einstecken müssen ... Sein Körper war deutlich gezeichnet. Aber offensichtlich halfen ihre Fremdzellen ihr nicht nur bei einer rascheren Heilung, sondern verhinderten auch die Narbenbildung. Wie sähe sie sonst wohl aus?
Er erinnerte sich an ihr erstes Zusammentreffen mit Kolya. Damals war sie mehrfach auch in den Rücken getroffen worden. Wahrscheinlich sähe sie ohne die Wraith-Zellen in ihrem Inneren sehr viel ... entstellter aus. „Sie verhindern auch Narben, stimmts?" fragte er nach einigem weiteren Nachdenken.
Vashtu hob halb den Kopf, den sie auf ihre Arme gebettet hatte. „Was?" Sie runzelte die Stirn.
„Die Fremdzellen verhindern, daß sich Narben bilden", wiederholte er, hielt mit seiner zärtlichen Massage inne.
„Nicht wirklich." Vashtu legte den Kopf zurück auf ihre Arme und schloß die Augen. „Sie verschwinden nur ziemlich schnell. Was aber nicht heißt, daß ich sie nicht bemerke. Manchmal ... es zieht manchmal in meinen Muskeln."
Er nickte, beugte sich wieder über sie, um ihr einen weiteren, zärtlichen Kuß zu geben. „Aber man sieht sie nicht", wisperte er. Vashtu schnurrte wohlig unter der Berührung seiner Lippen, doch sie machte keine Anstalten, sich herumzudrehen. „Du bist so schön, Vash", flüsterte er ihr ins Ohr. Ein leises Lächeln erschien auf ihren Lippen. Kurz blinzelte sie, schloß dann aber wieder die Augen. „Wenn du meinst ..."
Seine Hände fanden ihre Hinterbacken, kniffen hinein.
„Hey!" Sie hob den Kopf nun doch wieder, sah ihn scheel an. „Was soll das werden?"
Eine seiner Hände glitt zwischen ihre Schenkel. Sie atmete wieder tief ein. Vashtu stöhnte erregt auf.
Und in diesem Moment klopfte es an der Tür. John zog sofort seine Hand wieder zurück und richtete sich auf, um zwischen den Rolläden hindurch nach draußen zu sehen. Alles, was er erkennen konnte, war eine Gestalt in einer dicken Jacke, die vor der Tür stand, erneut zu klopfen begann.
„Mist!" entfuhr es ihm, als er sich aufrichtete.
Vashtu drehte sich nun doch um, rappelte sich auf die Ellenbogen. „Es wird wahrscheinlich wieder Cavanough sein", seufzte sie ergeben, blickte dann zu ihm auf. „John, kannst du ... ?"
Er richtete sich bereits auf und schlüpfte in seine Hose. „Ich mache das schon. Und du bleibst wo und wie du bist, Vash. Ich komme gleich wieder und würde gern weitermachen, wo wir unterbrochen wurden." Ein breites Grinsen legte sich auf ihr Gesicht, als sie nickte. „Gern." Er warf ihr eine Kußhand zu, schlüpfte in sein Hemd und schloß es nachlässig, während er die Schlafzimmertür hinter sich zuzog. Mit dem Fuß wischte er Vashtus dicke Winterjacke zur Seite, damit er die Tür öffnen konnte, dann drehte er den Schlüssel herum. Er steckte den Kopf in den Spalt und runzelte einen Moment irritiert die Stirn.
Vor ihm stand ein hochgewachsener Mann mit dunklem Haar, schlank und langgliedrig. Und für einen Moment dachte er ...
„Ja?" Ein wenig unwillig schüttelte er den Kopf.
Sein Gegenüber starrte ihn groß an, sah dann kurz den Gang rauf und wieder runter. „Ich ... äh ... entschuldigen Sie."
John wollte schon nicken, als sein Gegenüber weitersprach: „Ich muß mich wohl im Stockwerk geirrt haben. Ich wollte zu Major Uruhk."
Er stutzte. „Zu Vash?" fragte er irritiert, öffnete die Tür nun doch etwas mehr und baute sich im Zwischenraum auf. „Ich fürchte, sie ist gerade ... beschäftigt."
Sein Gegenüber musterte ihn von Kopf bis Fuß, dann schluckte er hart. „Dann müssen Sie ... äh ... Sie sind John?"
Mißtrauisch betrachtete er seinen Gegenüber, nickte dann aber. „Ja, der bin ich. Und Sie sind ... ?"
„Tom Finnigan." Ein unsicheres Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Ich ... äh ... wollte nicht stören. Vashtu wollte mit mir sprechen, und ich dachte, da ich gerade Zeit hatte ... ich hätte vorher anrufen sollen."
John nickte wieder. „Stimmt", gab er trocken zur Antwort und wartete.
Dieser Mann war ihm irgendwie ... unsympatisch. Und das lag sicher nicht nur daran, daß er wesentlich mehr Zeit mit Vashtu verbringen durfte als er. Nein, Eifersucht war es nicht, die er fühlte. Es war etwas anderes.
„Tja, dann ..." Finnigan zuckte etwas hilflos mit den Schultern, drehte sich dann nervös um. Seine Augen blickten unstet.
John warf nun auch einen mißtrauischen Blick nach draußen in den Innenhof, sah einmal aufmerksam in die Runde. Doch er konnte nichts wahrnehmen, also richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Gegenüber. „Soll ich ihr etwas ausrichten?"
„Oh!" Finnigan wandte ihm wieder seine Aufmerksamkeit zu. „Äh ... bemühen Sie sich nicht. Ich ... ich werde sie dann einfach anrufen, wenn ich ... äh." Er schloß den Mund.

„Wird besser sein im Moment", kommentierte John, richtete sich auf.

„Tja, dann ... einen schönen Tag noch." Finnigan drehte sich um und flüchtete geradezu zur Treppe, immer noch unsichere Blicke um sich werfend.

„John?"

Er sah dem anderen noch einen Moment lang sinnend nach, dann schloß er die Tür und drehte den Schlüssel um. Irgendetwas an diesem Mann war merkwürdig - und hatte ihm gründlich die Stimmung verdorben. Seufzend drehte John sich um und ging zurück ins Schlafzimmer.

***

Vashtu kuschelte sich näher an John heran und lächelte zufrieden. Wenn sie daran dachte, was sie möglicherweise verpaßt hätte, hätte sie nicht alles versucht, ihn auf ihre Seite zu ziehen.

Aber ... war es überhaupt nötig gewesen, was sie getan hatte? Hatte er nicht selbst gesagt, er sei vom ersten Augenblick an fasziniert von ihr gewesen?

John atmete tief ein. Sein Arm lag locker auf ihrer Hüfte. Als sie in sein Gesicht blickte, sah sie, daß er schlief. Und er sah im Moment wirklich sehr entspannt aus, so vollkommen anders, als sie ihn teilweise erlebt hatte.

Sanft strich sie über seine kratzige Wange, dann legte sie ihren Kopf wieder auf seinen Arm.

Carson hatte es als einziger gewußt, und er ...


***


„Du hast was getan?" Die Tasse klirrte, als Carson Beckett sie auf dem Tisch abstellte.

Vashtu saß in ihrem Ohrenbackensessel, die Beine angezogen und die Arme um die Schenkel geschlungen. Auf ihrer Stirn hatte sich eine breite Falte gebildet.

„Denkst du, ich hätte vorhersehen können, was geschah?" Sie seufzte schwer. „Ich ... ich weiß nicht, ob ich es ihm sagen soll. Es war alles damals so verwirrend für mich."

„Das hättest du niemals tun dürfen, Vashtu." Beckett beugte sich vor und starrte sie an. „Ich wußte nicht einmal, daß es möglich ist. Wie bist du denn auf diesen Gedanken gekommen."

Sie legte ihre Wange auf die Knie und starrte mit leerem Blick vor sich hin. „Ich dachte, wenn ich einen eurer Anführer auf meine Seite ziehe, kann ich mich euch anschließen. Darum legte ich die Pheromone aus an Stellen, an denen John vorbeikommen mußte."

Beckett ließ sich in das Sofa zurücksinken und seufzte schwer. „Wenn du ihm das jemals sagst, wirst du dir sicher keinen Freund machen. Er wird denken ..." Er stockte. „Aber ich dachte, die Gefühle von euch beiden seien echt?"

„Sind sie auch, zumindest meine." Vashtu nickte gedankenverloren. „Und seine dürften es inzwischen auch sein, nach mehr als einem Jahr, das wir getrennt waren. Ich stellte es damals sofort ein, als es mir selbst unheimlich wurde." Sie richtete sich wieder auf und drehte sich um. „Carson, was soll ich tun? Ich kann es ihm nicht sagen, ich hätte zuviel Angst, ihn wieder zu verlieren. Auf der anderen Seite aber wird es immer zwischen uns stehen."

Beckett schüttelte ungläubig den Kopf. „Vashtu, wie konntest du nur?" Wieder seufzte er. Sein Blick wurde nachdenklich.

„Ich hatte ihn nie gesehen, ich wußte nicht, worauf ich mich da einließ." Ihre Verteidigung war schwach, und sie wußte es. Doch es war die einzige Erklärung, die sie bis heute geben konnte. Sie hatte schlicht Angst gehabt vor den neuen Bewohnern von Atlantis. Angst davor, wieder eingesperrt und mißbraucht zu werden, keine Stimme zu haben, keine Akzeptanz. Wie zu der Zeit, als ihr Volk noch lebte.

„Du warst sehr vereinsamt", murmelte Beckett gedankenverloren. „Ich weiß nicht, ob du die Berichte kennst, die Dr. Heightmeyer damals über dich verfaßt hat."

Vashtu schüttelte den Kopf und sah den Mediziner hilflos an.

„Was du vor zehntausend Jahren erlebt hast, wird immer in deinem Geist bleiben, Vashtu. Du hast das Vertrauen damals so gründlich verloren, daß es vielleicht eine ebenso lange Zeit brauchen wird, bis es wiederhergestellt ist", erklärte Beckett ihr einfühlsam. „Dazu kam diese extrem lange Einsamkeit. Du sagst ja selbst, regelmäßig seist du aus der Stasis aufgewacht und hättest nachgesehen, ob sich irgendetwas geändert hatte. Ich denke, du wirst nicht sofort wieder zurückgekehrt sein in das Lager, oder?"

„Ich blieb jedesmal einige Tage wach, das stimmt. Ich mußte essen und zu Kräften kommen. Stasis ist für meinen Körper nicht gerade die Ideallösung, das wußte Janus auch. Darum ..." Sie schloß hilflos den Mund. „Aber darum geht es jetzt nicht! Ich muß irgendwie endlich herausfinden, ob Johns Gefühle mir gegenüber echt sind."

„Sind sie", antwortete Beckett trocken. „Und es geht um genau das. Es geht um deine Erfahrungen, Vashtu, und nur darum. Dir ist das Mißtrauen so gründlich eingeimpft worden von deinem eigenen Volk, daß du ... sehr wahrscheinlich gar nicht anders handeln konntest, oder?"

Sie kniff die Lippen aufeinander, nickte dann aber. „Es war ... Es kann sich niemand vorstellen, was ich damals erlebte. Ich weiß nicht, ob es bei euch heutzutage überhaupt möglich wäre, jemanden so gründlich zu ..." Sie stockte wieder und schüttelte den Kopf. „Als ich damals die Gentherapie durchgemacht hatte und mich dem Rat stellte, ließen sie mich zunächst für einige Zeit mit Enkil zusammen in die Brick sperren. Er ... er mußte sich ziemlich zusammenreißen, um mich nicht anzugreifen. Und ich hatte Angst, Angst vor meinem eigenen Bruder." Tränen stiegen in ihre Augen. „Ich wollte doch nur, daß wir uns endlich wehren, Carson! Ich wollte eine Möglichkeit aufzeigen, wie wir den Wraith Respekt beibringen konnten."

„Das weiß ich." Sanft legte er eine Hand auf ihre Schulter. „Und zumindest heutzutage stehst du mit deiner Einstellung nicht allein da. Aber das ändert nichts daran, daß du einen ziemlich großen Fehler begangen hast, als du dich uns ... als du aufgetaucht bist. Der Colonel hat inzwischen einiges hinter sich, das sein Mißtrauen erregte. Dir vertraut er. Wenn du ihm jetzt aber diese Geschichte erzählst, wirst du ... ihn wohl verlieren." Wieder seufzte er.

Vashtu ließ den Kopf wieder auf ihre Knie sinken und sah verzweifelt und leer auf den Tisch. „Es ist alles so kompliziert geworden damals, darum habe ich es ihm nie gesagt. Und jetzt ... Ich will ihn nicht verlieren, selbst wenn es immer noch an ... an meinem Fehler liegen sollte."

„Ich bin mir sicher, daß es das nicht tut", entgegnete Beckett. „Als du in der Geiselhaft gesessen hast, ist er fast wahnsinnig geworden aus Sorge um dich, Vashtu. Und wenn du deine Pheromon-Behandlung wirklich so schnell abgebrochen hast ..."

„Carson!" Ein entrüsteter Blick von ihr. „Ich wollte einen Fürsprecher, keinen Sklaven! Als ich bemerkte, daß es wohl ... zuviel wurde, habe ich sofort aufgehört damit."

Der Mediziner nickte wieder verständnisvoll. „Und wie war es in deinem Labor?"

Vashtu blinzelte verständnislos. „In meinem Labor?" echote sie.

„In den Berichten steht überall, daß ihr zwei euch damals gegenübergestanden seid und euch anstarrtet, als gäbe es den Rest der Welt nicht mehr. Erst dann bist du geflohen."

Sie zog die Brauen zusammen und versuchte sich zu erinnern. „Nein, da konnte ich meine Pheromone noch nicht ausschütten. Es wären zuviele gewesen." Sie erstarrte und richtete sich plötzlich kerzengerade auf. „Was habe ich da angerichtet?" entfuhr es ihr.

Beckett nickte. „Ganz genau, was hast du angerichtet. Du brauchtest die Pheromone gar nicht, eure genetische Verwandtschaft war schon mehr als genug", bestätigte er.

Vashtu fühlte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. „Oh nein!" Sie wirbelte wieder herum und starrte den Mediziner an. „Es ist mehr als nur eine Verwandtschaft, Carson, um einiges mehr."

„Wie meinst du das?" Beckett rückte interessiert näher.

Vashtu atmete tief ein. „Zwischen John und mir besteht ein Band, ein ... etwas, das es früher bei meinem Volk schon gegeben hat. In abgeschwächter Form kommt es heute auch noch bei euch Menschen vor. Und ... Moment!" Sie hob die Hand und erstarrte. „Vor einigen Monaten spürte ich etwas. Einen Schmerz, einen tiefen Schmerz und grausame Angst ... Ich dachte ... es war ..." Sie schloß den Mund, ihre Augen wurden eiskalt. „Kolya!" Der Name war ein so haßerfülltes Zischen, daß es ihr selbst unheimlich wurde.

„Du hast gespürt, wie dem Colonel das Leben ... wie der Wraith ... ?" Beckett starrte sie entgeistert an.

Vashtus Blick irrte verzweifelt hin und her. „Da war mehr. Ich habe dem keine Beachtung geschenkt, weil es so schwach war. Da war ... Angst! Die Erde war in Gefahr, aber ..." Sie schüttelte verständnislos über sich selbst den Kopf. „Es existierte tatsächlich die ganze Zeit über, aber ich habe es nicht bemerkt. Was ... ?" Sie vergrub das Gesicht in den Händen und stöhnte tief auf. „Das kann doch nicht wahr sein!"

„Vor zwei Monaten kam der Colonel etwas verwirrt zum Dienst. Er sagte, er hätte einen merkwürdigen Alptraum gehabt", warf Beckett ein und beobachtete die Antikerin genau.

Vashtus Kopf ruckte hoch. „Vor zwei Monaten? Es war ... Was für einen Alptraum?" Sie drehte sich wieder herum.

Beckett sah sie sorgenvoll an. „Ich weiß es nicht genau. Ich war nur zufällig anwesend, um McKay ... Ist auch egal!" Er winkte ab. „John Sheppard sagte etwas von einem Alptraum, daß er kurz gemeint hätte, jemand, der ihm nahesteht, sei tot. Aber das könne nicht sein. Er war ... nun etwas verwirrt damals, sonst hätte er es mir wahrscheinlich nicht gesagt."

„Vor zwei Monaten war ich tot für einige Minuten." Vashtus Gesicht erstarrte. „Und ich wäre beinahe nicht wieder aufgewacht."

„Und du meinst, es sei dieses ... dieses Band zwischen euch?" Beckett wirkte skeptisch.

Vashtu nagte nachdenklich an ihrer Unterlippe, nickte dann. „Ja, das war es sicher. Wenn ich John fragen würde, würde er wahrscheinlich auch genau angeben können, wie mein Leben ... wie die Impfung wirkte, die ..." Sie schloß den Mund und spannte die Kiefer an.

„Du mußt dich irgendwann darüber aussprechen, Vashtu", gab Beckett sorgenvoll zu bedenken. „So kann es nicht mehr lange weitergehen. Du mutest dir zuviel zu."

„Wenn dieses Band tatsächlich so stark ist ..." Sie hörte gar nicht hin, war wieder in ihren Grübeleien versunken. „Dann brauche ich keine weiteren Fragen zu stellen. Dann ... dann ..." Ein Leuchten trat in ihre Augen und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Dann liebt er mich tatsächlich." Sie drehte sich wieder um und sah Beckett an. „Dann kann ich sicher sein, Carson."

Er nickte. „Das sagte ich doch schon. Du solltest dir nicht soviele Gedanken machen, Vashtu. Irgendwann werdet ihr zwei euch finden, glaube mir."


***


Vashtu wachte auf, wußte im ersten Moment selbst nicht, warum. Dann hörte sie das leise Klopfen an ihrer Wohnungstür.

John murmelte unwillig etwas im Schlaf. Seine Arme zogen sie kurz an sich und er atmete tief ein, dann erschlaffte sein Griff wieder.

Vashtu lächelte ihn glücklich an und hauchte einen Kuß auf seine rauhe Wange, dann verzog sie das Gesicht. Heute würde sie sicher dafür sorgen, daß er sich rasierte.

Wieder klopfte es.

Wer mochte das sein? Vielleicht wieder Tom?

Vashtu runzelte unwillig die Stirn, dann aber glitt sie so vorsichtig wie möglich vom Sofa herunter, um John nicht zu wecken. Mit einem etwas hilflosen Blick sah sie sich kurz nach ihren Sachen um, ehe sie sich eines von seinen Freizeithemden schnappte und überwarf.

Der sorgsam gebügelte Stapel lag unordentlich auf dem Boden, ihre Kleider waren überall verstreut und der Bügeltisch zusammengebrochen.

Vashtu seufzte, knöpfte sich das Hemd zu und fand ihren Slip, der am Rande des Tisches baumelte. Eilig streifte sie ihn sich über, dann lief sie mit nackten Füßen zur Wohnungstür und drehte den Schlüssel im Schloß. Als sie den Kopf durch die Öffnung steckte, sah sie, wie jemand gerade wieder die Treppe hinuntergehen wollte. Ein älterer Mann mit kurzem, grauen Haar.

„George?" rief sie ihm leise hinterher.

Dorn drehte sich um und sah sie mit einem väterlichen Lächeln an. „Ich wußte nicht, ob ihr schon wach seid. Darum ..." Er wies auf ihre Türschwelle, die noch immer leicht nach Johns After Shave duftete.

Vashtu senkte den Blick und fand einen Korb auf ihrer Fußmatte, der reichlich mit allerlei Lebensmitteln gefüllt war. Sie hob den Kopf wieder und starrte ihr Teammitglied ratlos an. „Danke", brachte sie überrascht hervor.

Dorn nickte grinsend. „Haben zusammengelegt. Wir dachten, ihr könntet es vielleicht gebrauchen", antwortete er auf die stumme Frage.

„Vash?"

Sie richtete sich unwillkürlich auf, als sie John hinter sich wahrnahm.

Dorns Lächeln wurde zu einem Grinsen. Er nickte verständnisvoll. „Wollte nicht stören."

John lugte mit langem Hals um die Tür herum. „Guten Morgen, Sergeant", begrüßte er den Älteren.

„Colonel, Sir." Dorn salutierte kurz, dann stieg er die Treppe wieder hinunter.

Vashtu sah ihm nach, bis er im unteren Stockwerk verschwunden war.

„Netter Kerl", bemerkte John hinter ihr. „Ich mag ihn."

Sie nickte, noch immer überrascht von dieser Morgengabe, bückte sich nach dem Korb. „Ich mag ihn auch", sagte sie, hob den Korb an und drehte sich um. „Scheint, als hätten da einige Leute zusammengelegt im SGC." Ratlos betrachtete sie den Präsentkorb, der in durchsichtige Folie verpackt war.

„Endlich was zu essen! Ich dachte schon, wir beide verhungern irgendwann." John schloß die Tür hinter ihr, während sie den Korb in ihr Wohnzimmer trug und auf dem Tisch abstellte. Dann hockte sie sich davor auf den Boden und betrachtete das unverhoffte Geschenk nachdenklich.

„Du scheinst ziemlich gute Freunde zu haben, wenn sie sich so um dich kümmern."

Wieder stand John hinter ihr, sie konnte ihn sehr genau spüren. Als er sich zu ihr hinunterbeugte, hob sie den Kopf.

„Ich wußte gar nichts davon", sagte sie.

John zog sie wieder auf die Beine und schloß sie fest in seine Arme. Liebevoll betrachtete er sie. „Ein Grund mehr, dankbar zu sein", flüsterte er und küßte sie.

25.03.2010

Becketts letzter Dienst III

Gut eine Stunde später betraten die Antikerin und der Colonel den Coffee-Shop, in dem Vashtu des öfteren frühstückte. Der große Andrang war bereits vorbei, so daß sie sich einen ruhigen Platz suchen konnten. Kurz nach ihnen kamen auch zwei Männer in Zivil mit kurzem Haar in den Laden, setzten sich an einen Tisch nahe der Tür.

John musterte die beiden stirnrunzelnd, seufzte dann. Über den Tisch griff er nach Vashtus Hand und drückte sie zärtlich. „Du bist einfach unglaublich", wisperte er ihr zärtlich zu.

Sie lächelte, drehte sich einmal kurz um. „Wenn du dich fragst, ich habe ihnen gesagt, sie sollen relativ offen auftreten."

„Warum das?" Er hob die Brauen. Ihm war es tatsächlich entfallen, daß Vashtu unter Bewachung stand. Umso mehr wurde er jetzt daran erinnert.

Sie drehte sich wieder zu ihm um und zuckte mit den Schultern. „Als ich meine Wohnung bezog, hatte Landry schon einmal diese Anweisung gegeben, mir aber nichts davon gesagt", erklärte sie. „Also verschwand ich und hängte meine Bewacher ab. Als Storm sich wieder durchsetzte, sagte ich ihm, er solle seine Leute so instruieren, daß ich sie wahrnehmen könne als das, was sie sind. Der Trust ..." Sie schloß den Mund, als die Kellnerin an den Tisch trat und gab ihre Bestellung auf.

Die Bedienung warf John einige bewundernde Blicke zu und lächelte, doch er schien das gar nicht zu bemerken. Im Gegenteil war er sogar etwas unangenehm berührt.

Vashtu seufzte. Wieder einmal ihre Schuld. Sie hatte seine Sachen zwar in die Waschmaschine gesteckt, aber nicht in den Trockner. Nach ihrer gemeinsamen Dusche hatten sie den Fehler erst bemerkt. Jetzt war seine Wäsche mit trocknen beschäftigt, und sie zweifelte immer mehr an ihren hausfraulichen Qualitäten. Auf jeden Fall aber war John gezwungen gewesen, wieder seine Uniform anzuziehen, es sei denn, er hätte sich durch ihren Schrank gewühlt. Und da sie bezweifelte, daß ihm mehr als die Pilotenjacke passen würde ...

Aber sie würde ihm schon noch beweisen, daß sie nicht ganz die Niete war, für die er sie halten mußte. Irgendetwas würde ihr noch einfallen, daß ihn von ihren Vorzügen überzeugen konnte, und auch, daß diese sich nicht nur auf ihre Leidenschaft und ihre Kampfqualitäten bezogen.

John sah sie wieder an, ein leises Lächeln auf den Lippen. „So wie du jetzt bist, gefällst du mir am besten", sagte er unvermittelt.

Vashtu blinzelte einen Moment lang irritiert, bis ihr aufging, was er meinte. Lächelnd beugte sie sich vor. „Und du mir auch, John", erwiderte sie.

Er räusperte sich und verbarg ein Grinsen hinter seiner freien Hand. „Soll das heißen, du hast meine Klamotten mit Absicht vergessen?"

„Wir waren beschäftigt", entgegnete sie zärtlich, beugte sich vor.

Ein scheeler Blick. „Du warst beschäftigt. Du hast mir die Pizza weggegessen."

„Du hattest keinen Hunger mehr, sagtest du."

„Wer hat denn auf mir gesessen?"

„Du hättest mich ja runterwerfen können."

„Und du hättest mich füttern können."

„Wie käme ich denn dazu, Colonel?"

„Anweisung eines vorgesetzten Offiziers. Du hast zum dritten Mal meinen Befehl verweigert. Ich werde mir da wohl eine empfindliche Strafe für dich einfallen lassen müssen, Major."

Während ihres Geplänkels beugten beide sich langsam über den Tisch, sahen sich tief in die Augen. Jetzt berührten sich fast ihre Nasenspitzen, ihre Blicke waren so ineinander verschlungen, daß sie sich nicht mehr voneinander lösen konnten.

„Du bist außer Dienst. Ich brauche keine Anweisungen von dir entgegenzunehmen."

„Wirklich nicht?"

„Wirklich nicht."

„Das werden wir noch sehen."

„Klar, wenn du meinst."

Vashtu stahl sich wieder einen Kuß von ihm, lehnte sich dann befriedigt zurück. Sie fühlte sich so herrlich entspannt, vor allem jetzt. Es war wie in einem Traum, den sie nie zu träumen gewagt hatte. Nie hätte sie geglaubt, so für jemanden empfinden zu können, nie!

Wenn sie an den Beginn dachte, daran, wie sie ihn hatte einfangen wollen ... In Wirklichkeit hatte er sie eingefangen, von Anfang an bereits. Schon bevor sie ihn gesehen hatte, hatte er sie fasziniert. Jemand, der ihr ähnlich war, der so dachte wie sie. Sie hatte es damals nicht begriffen, doch inzwischen war ihr einiges klar geworden.

Sie hatte es darauf angelegt, daß es so kommen mußte. Inzwischen wußte sie auch warum. Nicht sie hatte die Schlinge ausgelegt, nicht sie hatte das erste, schwache Band zwischen ihnen beiden geknüpft. Sein Auftauchen in Atlantis war es gewesen. Er hatte allein durch seine Anwesenheit für ihr Erwachen gesorgt, und damit dafür, daß geschah, was hatte geschehen müssen.

Sie kannte den Schuldigen an dem, was ihr passiert war. Sie glaubte zu ahnen, was er geplant hatte. Janus! Ihr alter Freund, der ihr vor zehntausend Jahren soviel geholfen hatte. Irgendwie hatte er sehr genau gewußt, was sie in der heutigen Zeit vorfinden würde, und irgendwie war es ihm gelungen, ihr den einzigen Menschen vorzusetzen, mit dem eine Bindung wirklich Sinn machte - zumindest in seinen Augen.

„Der Trust ... was wollen sie von dir?" John war ernst geworden.

Vashtu blinzelte, aus ihren Gedanken gerissen, und sah ihn wieder an. „Ich habe dir doch schon gesagt, was ich vermute. Woher soll ich wissen, was sie wirklich wollen. Aber ..." Sie schloß den Mund und runzelte die Stirn.

„Was ist?" John beugte sich wieder vor. Sein Daumen streichelte wieder zärtlich ihren Handspann.

Vashtu runzelte die Stirn, sah sich dann kurz um, um sicher zu gehen, daß ihr Frühstück noch nicht kam. „Kann es sein, daß es unterschiedliche Fraktionen innerhalb dieser Organisation gibt?"

Hilflos hob er die Brauen. „Woher soll ich das wissen? Ich hatte noch keinen Kontakt zum Trust, einmal abgesehen von Caldwell."

Vashtu nagte an ihrer Unterlippe, starrte vor sich hin. Gerade als sie zu sprechen beginnen wollte, kam das Frühstück.

John nippte an seinem Kaffee, ließ das Essen aber unberührt und wartete, bis die Bedienung wieder gegangen war. „Du hast einen Verdacht?"

Sie nickte stirnrunzelnd. „Während dieses Überfalls ..." Sie schloß den Mund, blickte dann wieder auf und sah ihm in die Augen. „Vor einigen Monaten wurde ich entführt und in ein leerstehendes Bürogebäude am Rande der Stadt gebracht. Die Flucht war einfach, beinahe zu einfach", berichtete sie.

„Sie waren nicht auf dich vorbereitet", kommentierte John, biß in seinen Bagel, ließ ihn dann wieder auf den Teller zurücksinken, als sie den Kopf schüttelte. „Was meinst du?"

„Sie sind über mich sehr genau informiert, John", entgegnete sie. „Während des fingierten Banküberfalls gab der Anführer einem seiner Männer in meinem Beisein die Anweisung, auf mich zu schießen, sollte ich mich wehren. Er sagte, Wunden würden schnell bei mir heilen."

John sog scharf die Luft ein. „Was?"

Vashtu nickte. „Und zu mir sagte er, sie wären andere als die, die mich das letzte Mal entführt hätten", fuhr sie fort.

John beugte sich vor. „Hast du das irgendjemandem gesagt?" zischte er.

Sie zögerte, schüttelte dann den Kopf.

„Du solltest es tun. Vash, da geht etwas vor, was vielleicht gefährlich für dich werden könnte."

Ein bitteres Lächeln glitt auf ihr Gesicht. „Es ist ohnehin gefährlich für mich hier, John", entgegnete sie.

Er stutzte. „Ich dachte ..."

Vashtu schüttelte den Kopf. „Rate, warum ich mich auf diesen Handel eingelassen habe. Es ist die einzige Möglichkeit für mich, zumindest ein paar Tage hier herauszukommen, John."

„Ich verstehe nicht."

Sie nickte. „Das weiß ich." Sie lehnte sich seufzend zurück und entzog ihm ihre Hand, um die Arme vor der Brust zu kreuzen. „Ich ... SG-27 arbeitet inzwischen mit SG-1 zusammen", begann sie schließlich zu erklären. „SG-1 hat die meisten Informationen über die Ori und ... SG-27 den besten Draht zur Lucian Alliance."

John starrte sie groß an, sagte aber nichts.

„Landry hat mir vor einigen Monaten, kurz vor der Sache mit ..., er hat mich eingeweiht. Ich weiß, was ... die Ori hier wollen." Sie sah auf und starrte ihn durchdringend an. „Sie kommen, um die Antiker zu töten, John. Und ich bin eine Antikerin. Das ist auch der Grund, warum mein Team bisher immer Lichtjahre entfernt vom nächsten Auftreten der Ori oder ihrer Priore eingesetzt wurde. Beide würden mich erkennen und sofort die Jagd eröffnen."

„Aber ..."

„Ori und Priore können Antiker wahrnehmen, vielleicht sogar besser als die Wraith, das weiß ich nicht." Vashtu schüttelte den Kopf. „Aber ... Die Ori und die Antiker gehören sehr wahrscheinlich zur selben Rasse, soweit wir wissen. Irgendwann trennte mein Volk sich von ihnen und zog aus, um neue Welten zu schaffen. Was blieb, war offenbar ein brennender Haß von seiten der Ori. Und jetzt ... Sie haben einen Antiker bereits fast getötet, John. Er kehrte zurück und verlor ... alles."

„Dann bist du ... ?"

„Wenn die anderen sich nicht einmischen, und das werden sie nicht tun, wird es hier zu einem Massaker kommen", erklärte sie mit leiser Stimme. „Mein Volk hat mir übel mitgespielt, das weiß ich und das weißt auch du. Sie haben mich mehr als einmal auflaufen lassen, sie haben mich benutzt, mich weggesperrt und ... egal! Aber ich fühle mich deiner Rasse verpflichtet, John. Ich werde tun, was ich kann, um die Milchstraße zu retten. Aber nicht auf diesem verdammten Stuhl!"

Sein Gesicht war blaß geworden bei diesen Worten. Jetzt atmete er wieder tief ein, beugte sich vor. „Dann komm zurück nach Atlantis", sagte er leise aber bestimmt. „Irgendwie werden wir das schon schaffen. Du hast McKay auf deine Seite gebracht. Ich könnte ..."

Vashtu schüttelte den Kopf. „Nein, John, das werde ich nicht tun, es sei denn, mein Team kommt mit. Ich habe Verpflichtungen hier."

„Du wirst dich umbringen, Vash", entgegnete er.

„Sind wir schon wieder an diesem Punkt?" Sie sah ihn flehend an. „John, versuch doch wenigstens, mich zu verstehen. Ich habe mein Wort gegeben."

„Das hast du Elizabeth auch gegeben. Du wolltest ein Ladegerät suchen, schon vergessen?"

„Nein, das habe ich nicht vergessen. Auf jeden Planeten, auf den ich geschickt werde, scanne ich die Daten in der Hoffnung, irgendwann etwas zu finden."

„Ich würde es nicht ertragen, wenn du ..."

„Ich bin nicht so leicht zu töten, John." Sie starrte ihn intensiv an und schüttelte bestimmt den Kopf.

„Kolya hätte es fast geschafft."

„Das war etwas anderes." Sie senkte den Blick und erschauderte. „Außerdem bin ich jetzt gegen eine weitere Impfung immun. Carson hat das sicher gestellt."

„Aber ..."

„Ich werde nicht verschwinden, John. Und ich gebe dir mein Wort, ich werde auch nicht sterben, das schwöre ich dir. Und wenn ich sonst alles verliere, ich werde nicht sterben!"

Er sah sie an. „Wie kannst du das wissen?"

„Ich weiß es nicht, ich kann dir nicht einmal sagen, was ich denke oder fühle. Aber ... sollte irgendetwas geschehen, glaube es nicht." Ihr Blick wurde mit einem Mal intensiv, so intensiv, wie er es bisher nur einmal gesehen hatte. Und da saß sie gefesselt und geknebelt auf einem Stuhl und war dabei, elendig zu krepieren. „Was auch immer geschehen mag, John, glaube es nicht, bis irgendetwas in dir es dir bestätigt."

Er runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht, was du meinst?"

Sie beugte sich vor, noch immer diesen Blick auf ihn gerichtet. „Du bist meinem Volk ähnlicher, als du denkst, John. Das habe ich dir schon einmal gesagt."

Er nickte, er erinnerte sich daran. Wie er sich an alles erinnerte, was sie anging. Jedes Detail, jedes Wort, was sie je gesagt hatte, jede Geste und jede Grimasse, die sie je gezogen hatte.

„Was wir beide als Liebe bezeichnen, geht darüber hinaus, was ihr Menschen kennt", fuhr sie fort. „Wir beide spüren einander, über Galaxien hinweg. Ich wußte nicht, was mit dir geschehen war, aber ich spürte, daß da etwas geschehen war in der Pegasus-Galaxie. Erst als du es mir erzählt hast, wußte ich dieses Gefühl einzuordnen."

„Du meinst ... ?"

Wieder nickte sie. „Ich denke, du kannst das auch. Irgendeine kleine Stimme in deinem Inneren wird dir immer die Wahrheit sagen, John. Und nur auf diese Stimme mußt du hören. Vielleicht kannst du dann auf irgendeine Weise helfen, ich weiß es nicht. Aber ich weiß, du wirst die Wahrheit tief in deinem Inneren erkennen. Wenn ich dich brauche, werde ich versuchen, es dich irgendwie wissen zu lassen."

Er hob die Hand. „Moment, nicht so schnell. Redest du jetzt etwa von ... Telepathie? Ich bin nicht telepatisch begabt, ich habe gar keine Kräfte."

„Nein, es ist keine Telepathie, John, es ist etwas anderes." Vashtu biß sich auf die Lippen. „Es ist ein Band, das zwischen uns beiden geknüpft worden ist. Du bezeichnest es als Liebe, aber es ist mehr, verstehst du?"

„Nicht wirklich, fürchte ich." Er sandte ihr einen hilflosen Blick und zuckte mit den Schultern.

Vashtu seufzte. „Und ich kann es dir nicht besser erklären ..." Sie senkte den Kopf, nippte an ihrem Tee, dann blickte sie wieder auf. „Vor ... drei Monaten, nicht lange vor der ... anderen Sache. Hast du da etwas wahrgenommen. Nur kurz, sehr kurz. Irgendeine Unruhe, irgendetwas?"

John runzelte die Stirn und dachte nach. Dann zuckte er plötzlich zusammen. „Ich hatte einen Alptraum. Ich habe geträumt, du wärst ... du wärst gestorben."

Sie nickte befriedigt. „Du kannst es auch, ich wußte es!"

„Hä?"

„Ich war tot, John, für einige Minuten war ich tot vor drei Monaten", erklärte sie, ihr triumphierendes Lächeln erlosch wieder und sie hielt den Kopf gesenkt.

„Du warst tot? Aber ..." Wieder griff er über den Tisch und drückte ihre Hand. „Du bist hier! Vash!"

„Einer meines Volkes benutzte mich für seinen Aufstieg", begann sie stockend zu berichten. „Ich wußte, ich selbst würde den Versuch nicht überleben, dafür würden meinen Fremdzellen sorgen. Aber ..." Sie schloß den Mund und schüttelte den Kopf. Es fiel ihr noch immer schwer, darüber zu sprechen, wenn auch ihm gegenüber leichter als sie je geglaubt hätte.

„Er benutzte dich, um selbst aufzusteigen? Vash, was ist passiert? Warum hast du mir nichts davon gesagt?" John beugte sich vor, streckte jetzt auch seine andere Hand aus und hob ihr Kinn. Was er dann in ihrem Gesicht lesen konnte, ließ ihn zurückweichen. „Er hat dich ..."

„Er hat mich in eine Geistesverschmelzung gezwungen", sagte sie.

John stockte der Atem. Natürlich erinnerte er sich noch daran, wie es gewesen war mit Chaya, aber ...

In Vashtus Augen brannte ein unglaublicher Schmerz, die Lippen hielt sie zusammengepreßt, als müsse sie sonst laut und zornig losbrüllen. „Er übernahm Kontrolle über meinen Geist, ließ mich das halbe Center auf den Kopf stellen und zwang mich dann zu sich", berichtete sie mit gepreßt wirkender Stimme. „Als er mich in die Verschmelzung zwang, war das sein Weg, wieder an meinen Geist heranzutreten und aus mir herauszupressen. Mein Körper funktioniert aber nur mit allen drei Komponenten, John, das weißt du auch. Ich konnte nichts tun, und ich fühlte wie ich starb."

Er schluckte hart. „Vash!" flüsterte er entsetzt.

„Einer der anderen holte mich wieder zurück und gab mir wieder, was man mir gestohlen hatte", sagte sie. Ihre Stimme klang vollkommen emotionslos jetzt. „Und er sagte mir, daß das das letzte Mal sein würde, daß ich Hilfe von ihnen zu erwarten hätte. Ich solle mich in Zukunft von ihnen entfernt halten, denn ich habe meine Wahl anders als sie getroffen."

„Chaya haben sie auch ausgeschlossen, weil sie sich eingemischt hat", murmelte er leise.

„Ich kann aber nicht aufsteigen, John! Das ist der kleine Unterschied. Ich habe von Chaya gehört, ich weiß, wer sie ist, auch wenn ich sie nicht kenne. Aber ich kann mich in sie hineinversetzen. Sie hat meine Anwesenheit auch wahrgenommen, als sie auf Atlantis war. Ich hatte kurz Kontakt zu ihr."

John starrte sie mit großen Augen an. Eine leichte Röte stieg in seine Wangen.

Vashtu lächelte. „Sie wußte offensichtlich mehr als ich, daß sie dich gehen ließ. Und ich bin ihr dankbar dafür. Wärst du nicht mehr auf Atlantis gewesen, wäre ich wahrscheinlich ... ich wäre irgendwann nachts gekommen und hätte mir einen Jumper genommen, um zu verschwinden."

Er sah sie nur an, und in seinen Augen konnte sie einen gewissen Schmerz wahrnehmen. „Ihr zwei habt das also hinter meinem Rücken beratschlagt?"

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das haben wir nicht. Wir hatten keinen langen oder intensiven Kontakt. Sie fühlte, daß ich da war, und sie gab mir einige Informationen weiter, an die ich sonst nicht herangekommen wäre. Das war alles." Sie seufzte. „Aber darum geht es nicht. Ich wollte dir beweisen, daß es da etwas zwischen uns beiden gibt, daß für menschliche Begriffe nicht ganz normal ist. Und ich möchte ..." Wieder stockte sie, holte tief Atem, ehe sie fortfuhr: „Landry hat mich gebeten, ein Testament aufzusetzen. Und ich möchte, daß du mein Erbe wirst."

John fuhr hoch. „Das kommt nicht in Frage!"

Sie sah ihn wieder mit diesem intensiven Blick an, zwang ihn, sich zu setzen. Die Bedienung war aufmerksam auf sie geworden, ebenso wie die beiden MPs. Vashtu wartete, bis die Blicke wieder von ihnen fortdrifteten.

„Ich habe keine Angehörigen, John. Wenn irgendetwas geschehen sollte, und ich rede jetzt nicht über meinen Tod, glaube mir, dann möchte ich, daß meine Habseligkeiten irgendwo gut aufgehoben auf mich warten. Und aus genau diesem Grund möchte ich, daß du sie erhälst."

„Das kann ich nicht. Tut mir leid, Vash, aber das ..."

Sie beugte sich wieder vor. „John, es gibt da Dinge, die euch allen nicht bekannt sind, die ich unter Verschluß halte. Es geht nicht um den Trust oder um Aufgestiegene. Ich will nur, daß meine Sachen irgendwo sicher untergebracht werden, mehr nicht."

„Was hast du vor?" Seine Augen wurden schmal.

„Nichts." Sie schüttelte den Kopf. „Ich will nur nachforschen. Der Ort, an den ich denke, ist weit außerhalb der Reichweite der Erde, und gerade noch erreichbar für Atlantis. Aber ich werde nicht so wahnsinnig sein und ... Ich habe dir von Vineta erzählt, John. Diese Stadt ist es, die mir keine Ruhe läßt. Ich habe einen Devi in der Milchstraße gefunden. Und ich möchte nicht wissen, wieviele es noch hier gibt."

„Devi?" Er runzelte nachdenklich die Stirn. „Diese künstliche Rasse, von der du gesprochen hast?"

Vashtu nickte. „Sie sind verdammt schwer zu töten, schwerer als jeder Wraith, das kann ich dir sagen. Ich will wissen, wie ein Devi hierher gekommen ist und ob es noch mehr gibt. Aber, das kannst du mir glauben, ich werde nicht so wahnsinnig sein und nach einer Stadt suchen, die in einem Massaker unterging."

„Und was willst du dann? Du redest davon, als wäre es beschlossene Sache, daß du ... verschwindest."

„Es muß irgendeine Verbindung zwischen den Galaxien geben. Wie sonst hätte ein Devi herkommen können? Ich will diese Verbindung finden und schließen. Weder Atlantis noch die Erde kann im Moment einen Gegner wie die Devi gebrauchen, ganz zu schweigen davon, daß ich ..." Sie schloß den Mund.

„Du fühlst dich verantwortlich, ich weiß. Aber ich habe dir bereits gesagt, daß es nicht deine Schuld ist."

Vashtu senkte den Kopf. „Wenn es so einfach zu glauben wäre, John ..." Sie kniff die Lippen aufeinander.

Er beugte sich wieder vor, seine Hand streichelte zärtlich ihre Wange. „Es ist so einfach, Vash, glaube mir." Er runzelte die Stirn und seufzte. „Wenn dir soviel daran liegt, dann setz mich ein in deinem Testament. Aber du kannst dich darauf verlassen, daß ich dich suchen werde, wenn du einfach so auf Nimmer-Wiedersehen verschwindest."

Sie blickte wieder auf und lächelte dankbar.

„Dann laß uns diese Sache vergessen und endlich etwas essen. Der Kaffee dürfte inzwischen kalt sein." Er fühlte sich nicht so recht wohl in seiner Haut, aber es war alles, was ihm im Moment dazu einfiel.

John Sheppard seufzte. Dabei hatte der Tag so erquicklich angefangen ...


***


„Wir sollten noch einkaufen fahren, ehe wir ... uns wieder vergessen", schlug Vashtu vor und blickte zu ihm auf.

John überlegte kurz, schüttelte dann aber den Kopf. „Ich würde gern erst einmal nach meiner Wäsche sehen, wenn du nichts dagegen hast. Ich komme mir vor wie ein Clown in dieser Kostümierung", entgegnete er und blickte die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. Stirnrunzelnd beobachtete er einen Mann, der vor Vashtus Tür stand. „Wer ist das?"

Die Antikerin sah nun ebenfalls auf. „Mr. Cavanough?" Stirnrunzelnd nahm sie die Treppe in Angriff. „Was will der denn schon wieder?" Leise in ihrer Muttersprache vor sich hinschimpfend joggte sie die Stufen hinauf.

John schmunzelte, folgte ihr aber dicht auf.

Cavanough? Den Namen kannte er doch? Schien eine Seuche an dem Namen zu kleben, denn der nervtötende Wissenschaftler war es defenitiv nicht, der da vor ihrer Tür auf und ab schlich.

„Was wollen Sie?" Die Antikerin war schneller als er gewesen und baute sich gerade vor ihrem unverhofften Gast auf, die Hände in die Hüften gestemmt.

John kam nicht umhin, ihre Haltung zu bewundern. Und, das mußte er zugeben, das Frühstück war mehr als nur stärkend gewesen für ihn.

„Warum stinkt es hier wie in einem Puff?" beschwerte der ältere Mann sich. „Und überhaupt, seit wann haben Sie denn diesen Herrenbesuch?"

John hob überrascht die Brauen und wechselte einen Blick mit Vashtu, ehe diese nähertrat, ihren Nachbarn anfunkelte.

„Ich wüßte nicht, was ausgerechnet Sie das angeht, Mr. Cavanough! Das Apartment gehört mir, ich habe niemandem gegenüber Rechenschaft abzulegen."

„Ihre ... Ihre Eskapaden haben jetzt schon des öfteren für unangenehme Besuche gesorgt, das wissen Sie auch, meine Liebe. Ich bin hier, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Ich will meine Ruhe, und Ihre ständig wechselnden Männerbesuche ... nun, die sprechen ja wohl deutlich ihre eigene Sprache, Miss Uruhk."

„Major Uruhk", wagte John zu bemerken.

Der Mann sah ihn mit blassen Augen an, hob dann das Kinn. „Wie auch immer. Ich werde das der Hausverwaltung melden. Es ist doch wohl sonnenklar, wie Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen."

John trat näher, baute sich neben der Antikerin auf. „Was soll das heißen?" brauste er auf, kreuzte die Arme vor der Brust. „Major Uruhk ist ein wichtiges Mitglied der USAF, Mr. Cavanough. Wenn sie des öfteren Besuch bekommt, spricht das, meines Erachtens, nur für sie und ihre Arbeit."

Er erntete einen überheblichen Blick für seine Worte. „Sag ich doch. Was für ein billiges Flittchen!"

„Jetzt reicht es mir aber!" Vashtu trat drohend direkt vor ihren Nachbarn. „Mein Besuch geht Sie erstens gar nichts an, und zweitens lasse ich mich nicht gern mit solchen Ausdrücken betiteln, Mr. Cavanough! Ich bin weder ein Flittchen, noch ist mein Apartment ein ... ein ..."

„Puff", half John ihr aus, der begriff, daß sie zwar den Zusammenhang aber nicht die Bedeutung verstanden hatte.

„Ich arbeitete nun einmal mit einigen Männern zusammen, daran werden Sie auch nichts ändern können, Mr. Cavanough!" blaffte Vashtu weiter, ließ sich nicht aus dem Konzept bringen.

John staunte. Selbst wenn sie richtig wütend war, sah sie in seinen Augen noch hinreißend und verführerisch aus. Aber das täuschte nicht darüber hinweg, daß sie im Moment wirklich kurz davor zu sein schien, eine Dummheit zu begehen.

„Die Hausverwaltung hat mir dieses Apartment verkauft, Mr. Cavanough! Mir, nicht Ihnen. Ich war sogar noch so kulant und habe Ihnen einen Teil abgetreten, da Sie ja ach so viel Platz brauchen. Aber wenn es so weitergeht, könnte ich mich entschließen, die Quadratmeter wieder zurückzufordern!"

John hob die Brauen. Deshalb erschien ihm ihre Wohnung als so klein. Wahrscheinlich waren nachträglich einige Wände versetzt worden.

„Dann ziehen Sie doch weg, wenn Sie mehr Platz brauchen. Und Ihr ganzes Gestöhne und Geschreie wäre dann auch endlich ..."

John war einen halben Atemzug schneller, als er sah, wie ihre Hand sich zur Faust ballte. Er riß sie zurück, ehe sie wirklich Schaden anrichten konnte, wandte sich dann an den Nachbarn: „Ich halte es für besser, wenn Sie jetzt verschwinden, Mr. Cavanough, ehe es zu einer unschönen Szene kommen kann."

Der starrte die Antikerin mit großen Augen an.

John atmete tief ein, wagte nicht, Vashtu ins Gesicht zu sehen. Er ahnte, was sie angerichtet hatte in ihrer plötzlichen Wut. Ihre Fremdzellen waren aktiv geworden.

„Sie ... Sie ..."

„Verschwinden Sie!" Vashtus Stimme war nicht mehr als ein Zischen.

Cavanough hob die Hand, drohte ihnen beiden mit dem Finger. „Wir werden ja noch sehen, wer hier ausziehen wird." Damit wandte er sich ab und verschwand durch die Nachbartür.

John atmete einige Male tief ein, ehe er den Blick senkte.

Vashtus Brauen hatten sich wütend zusammengezogen, ihre Kiefer mahlten noch immer. Aber ansonsten schien alles in Ordnung zu sein - zumindest wieder.

„Laß uns reingehen", schlug er mit sanfter Stimme vor.

„Irgendwann drehe ich diesem Lackaffen den Hals um!" entfuhr es ihr zornig.

„Okay, aber nicht heute, wenn es geht. Und auch morgen nicht." John drehte sie mit sanfter Gewalt herum und schob sie zu ihrer Wohnungstür. „Und jetzt schließ bitte auf, damit ich endlich aus diesem Kostüm herauskomme."

Als er bemerkte, wie sie zitterte, begann er unbewußt, ihre verkrampften Schultern etwas zu massieren. Vashtu atmete tief ein, dann lehnte sie sich plötzlich an ihn und gab einen wohligen Laut von sich. „Das ist schön", gurrte sie.

„Dann laß uns reingehen", schlug er vor. „Wir wollen deinem Mr. Cavanough doch nicht noch mehr Gesprächsstoff liefern, oder?"

Endlich zog sie den Schlüssel aus ihrer Jackentasche. Die Tür sprang auf.

John seufzte erleichtert und folgte ihr über die Schwelle, nur um dann fast von ihr angesprungen zu werden.

Diese Frau war einfach unglaublich!

Es gelang ihm gerade noch, die Tür hinter sich zu schließen, da zog sie ihn auch schon in einen langen und fordernden Kuß.

„Carson hatte recht", sagte er nach einer Weile und runzelte die Stirn.

Vashtu hob den Kopf. „Er hatte recht? Womit?"


***


„Verzeihen Sie meine Wortwahl, John, aber Sie sind ein Idiot", wandte Carson Beckett sich an den militärischen Leiter der Atlantis-Expedition.

Der blinzelte irritiert, während er sich sein T-Shirt wieder überstreifte. Verwirrt drehte er sich zu dem kleineren Mediziner um. „Wie bitte?"

Beckett sah ihn mit gekreuzten Armen herausfordernd an. „Da gibt es wahrscheinlich die faszinierendste Frau des ganzen Universums, die ausschließlich an Ihnen interessiert ist, und Sie lassen sie einfach so auflaufen und trennen sich von ihr. Ich nenne das schlicht Dummheit."

John hob die Brauen. „Vashtu Uruhk?"

Beckett nickte. „Sie haben sie nicht gesehen, als sie zurückgeflogen ist über die GateBrigde. Ich dagegen schon. Sie wollte einige Zeit mit Ihnen verbringen und hatte bei Landry zwei Tage herausgeschlagen. Und was machen Sie? Sie streiten sich mit ihr und gehen ihr dann aus dem Weg."

John schob unwillig die Brauen zusammen. „Das ist meine Sache, Doc." Er griff nach seiner Jacke. Diese Routineuntersuchung war in seinen Augen ohnehin vollkommen überflüssig. Er hätte gar nicht herkommen sollen.

„Wenn ich das bis jetzt richtig verstanden habe, lieben Sie Vashtu, John. Und ich kann Ihnen versichern, sie liebt Sie auch, von Anfang an."

„Dann hätte sie ja nicht diesen Unsinn anstellen brauchen. Vashtu und die Air Force! Carson, ich bitte Sie!" Er drehte sich jetzt doch wieder um und schüttelte den Kopf. „Da hätte ich auch gleich McKay zum Kindergärtner machen können für die Athosianer!"

„Vielleicht steckt aber mehr dahinter, haben Sie darüber schon einmal nachgedacht?" Beckett wandte sich seinen Instrumenten zu und begann sie zu sortieren, als sei das Gespräch für ihn vorbei. Dann aber hielt er inne und drehte sich wieder zu ihm um. „Was war, als diese Sache mit Kolya passierte?"

John zuckte zusammen.

Das würde er wohl sein Lebtag nicht mehr vergessen können. Vashtu, wie sie immer älter und schwächer wurde, und ihm waren die Hände gebunden. Er hatte ihr nicht helfen können, bis es fast zu spät war. Und dann ... Diese Mumie! Dieses entsetzliche Alter, und sie hatte trotzdem noch einen letzten Lebensfunken in sich getragen.

Er hatte geglaubt, das nicht ertragen zu können. Er hatte geglaubt, sich abwenden zu müssen. Doch er hatte es nicht gekonnt. Es war immer noch Vashtu gewesen, die da auf dem Boden lag und um ihr Leben kämpfte. Das Leben, worauf sie so lange hatte warten müssen.

Zehntausend Jahre war sie alt, er dagegen ... nun, war er in ihren Augen eigentlich überhaupt schon erwachsen? Für ihn war dieses Alter nie ausschlaggebend gewesen, höchstens, um andere von ihr zu überzeugen. Aber niemals hatte er sich damit auseinandergesetzt, bis zu diesem einen Moment.

John runzelte die Stirn und senkte den Blick.

„Daß Sie nicht weggesehen haben, hat ihren Lebensmut in diesem Moment gestärkt, wissen Sie das, John?" fuhr Beckett fort, in der offenen Wunde zu wühlen.

Als sie damals wieder zu sich gekommen war, immer noch gezeichnet von einem unglaublichen Alter, hatte er sich bei ihr niedergekniet und ihren Kopf gehalten. Er hatte in ihren Augen gesehen, wer sie war, ansonsten hätte er sie noch immer nicht erkennen können. Doch diese Augen ... Es war Vashtu gewesen, die ganze Zeit über. Diese vertrocknete Mumie mit einem letzten Hauch Leben, diese uralte Frau, deren Kopf er in seinem Schoß gebettet hatte, und dann, irgendwann, wieder die junge Vashtu mit den strubbeligen Haaren, deren Frisur so sehr an die seine erinnerte.

Er hatte ihre Verwandlung mitangesehen. Er hatte gesehen, wie die Wunden sie schmerzten, wie das Blut wieder zu fließen begann. Nicht einen Moment hatte er wegsehen können. Gleich, was er da vor Augen gehabt hatte, es war immer Vashtu gewesen, niemand anderes. Und sie war schön, für ihn war sie schön, und es war ihm vollkommen gleich, wie alt oder jung sie war. Es war Vashtu, seine Vashtu, die er nie hatte hergeben wollen, die ihn aber doch verlassen hatte.

„Wenn Sie nicht bei ihr gewesen wären, sie hätte es nicht geschafft. Wir waren zu spät in der Zelle."

John schloß die Augen und biß sich auf die Lippen.

Beinahe konnte er ihren Körper fühlen, wie er sich an seinen drängte. Beinahe konnte er ihre Augen sehen, die Liebe in ihnen. Diese Liebe, die allein ihm gehörte.

Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper. Er sah wieder auf und starrte Beckett an. „Wie meinen Sie das? Sie sagten damals doch, sie hätte noch eine Stunde", fragte er verwirrt.

Der Schotte nickte. „Ich konnte nur schätzen. Als wir in der Zelle ankamen, war es aber eigentlich schon zu spät. Nach meiner Kenntnis hätte sie nicht wieder zu sich kommen dürfen, John. Sie hat es dennoch getan - für Sie! Alles, was sie bisher getan hat, hat sie mit ihren Gedanken bei Ihnen getan." Er seufzte und neigte den Kopf leicht nach vorn. „So etwas ist mir noch nie untergekommen, das muß ich zugeben. Aber doch ... Wenn es je zwei Wesen gegeben hat, die füreinander bestimmt waren, John, dann sind sie beide es."

„Aber ..." Er schloß den Mund und sann den Worten des Mediziners nach.

„Ich habe mich in der Zeit mit Vashtu angefreundet, die sie jetzt schon auf der Erde lebt", fuhr Beckett fort, sah wieder auf. „Sie selbst begreift es nicht einmal richtig, John, aber es ist wirklich so. Sie hat sich verändert, das haben Sie auch gesehen und bemerkt. Als sie damals erwachte, war es wirklich unheimlich mit ihrer Ähnlichkeit. Inzwischen aber ... Vashtu ist etwas anders geworden als Sie, sie trifft nicht immer die gleichen Entscheidungen, sie geht nicht immer die gleichen Wege. Was für Sie vielleicht eine Sackgasse ist, muß es für Vashtu noch lange nicht sein. Alles, was sie getan hat, alles, was sie tut, tut sie mit ihrem Unterbewußtsein bei Ihnen, John. Ich kann das spüren, wenn ich auch nicht weiß wie."

Er lachte bitter auf. „Und warum heißt es dann ständig, wir beide zusammen wären der Untergang für Atlantis?"

„Warum wurde ihr dieses Angebot gemacht, John? Warum soll sie nach Atlantis kommen?" hielt Beckett dagegen. Beschwörend hob er die Hände. „John, denken Sie doch einmal nach! Wo wären Sie, wenn Sie nicht zur Air Force gegangen wären? Vielleicht wird sich Vashtu einmal eine ähnliche Chance bieten, wer kann das sagen? Vielleicht werden Sie beide doch eines Tages akzeptiert werden." Er lächelte wieder. „Der Untergang für Atlantis?" wiederholte er dann und schüttelte den Kopf. „Nein, sie beide sind die Hoffnung für neue Welten, John. Vashtu mit ihrem Wissen und ihrer Leidenschaft, und Sie mit Ihrem Können und ihrer Intuition. Man fürchtete zu Recht, was herauskommen könnte, wenn sie beide zusammen geblieben wären. Aber das ist über ein Jahr her. Inzwischen hat sich einiges geändert, John, Vashtu hat sich geändert. Und sie hat es sich selbst nicht leicht gemacht, glauben Sie mir."

Er schluckte, wandte sich wieder ab.

Nein, er konnte nicht bereuen, was er ihr an den Kopf geworfen hatte. In die Army einzutreten, weil man sich schuldig fühlte an etwas, was vor über zehntausend Jahren geschehen war. Das war einfach lächerlich!

„Sie fürchtet den Stuhl auf Antarktica, wußten Sie das?" fragte Beckett unvermittelt.

John stutzte. Waren seine Gedanken so offenkundig lesbar? Oder bewies der kleine Mediziner wieder einmal sein riesengroßes Einfühlungsvermögen?

„Sie hat ... einen Grund für diese Furcht", antwortete er zögernd. „Zumindest denkt sie das."

„Und Sie denken das nicht?"

Er drehte sich wieder um und fixierte den Mediziner. „Was wollen Sie damit sagen?"

Beckett sah ihn weiter unverwandt an. „Daß vielleicht nicht alles Einbildung ist, nur weil Sie nicht davon überzeugt sind, Colonel, das meine ich. Sie sollten versuchen sie zu verstehen und sie nicht von sich stoßen. Sie haben schon einmal bewiesen, daß Sie dazu in der Lage sind. Warum nicht jetzt? Warum sperren Sie sich so sehr gegen diese Lösung?"

„Weil Vashtu nicht geeignet für die Army ist, darum!" John ballte hilflos die Hände zu Fäusten. „Sie ist zu eigenwillig, verdammt! Die Air Force wird sie verderben."

„Dann geben Sie zu, daß Ihre Entscheidung falsch gewesen ist?"

„Was hat das damit zu tun?" Hilflos schoben sich seine Brauen wieder zusammen.

„Sie sagten doch selbst, daß sie zwei sich ähnlich sind. Also liegt dieser Schluß nahe", bohrte Beckett weiter in der Wunde.

John seufzte, zwang sich, sich zu entspannen. „Meine Entscheidung war richtig, Vashtus ist es nicht. Ich weiß, wovon ich spreche, Doc, das können Sie mir glauben."

„Sicher? Wollen Sie tatsächlich etwas aufs Spiel setzen, daß so tief in Ihrer Seele rumort, Colonel? Wollen Sie tatsächlich Vashtu verlieren, nach allem, was Sie für sie riskiert haben, um Ihren eigenen Dickkopf durchzusetzen?"

„Das perfekte Paar, von dem Sie da gerade gesprochen haben?" Ein bitteres Lächeln erschien auf seinen Lippen. Langsam schüttelte er den Kopf. „Sie kennen mich nicht, Carson. Vielleicht glauben Sie, Sie würden mich kennen. Aber Sie tun es nicht, glauben Sie mir. Ich glaube nicht an dieses Märchen."

„Dem wäre ich nicht so sicher wie Sie." Beckett drehte sich nun doch wieder um und sortierte seine Instrumente weiter. „Ich würde diese Chance nicht einfach wegwerfen, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, John. Aber Sie müssen selbst wissen, was Sie tun."

„Das weiß ich auch!" Damit marschierte er aus der Krankenstation heraus. Doch in seinem Magen blieb ein flaues Gefühl.

Das perfekte Paar, wer träumte nicht davon, einen Partner zu finden, der absolut richtig für ihn war? Die Zukunft der Galaxis? Warum dann diese ganzen Machtspielchen des Militärs? Warum dieses strikte Verbot der Kontaktaufnahme?

Gern, viel zu gern, hätte John Beckett recht gegeben, aber er wußte im Moment selbst nicht mehr, was er glauben sollte. Er wußte nur, er wollte Vashtu nicht wirklich verlieren.


TBC ...