29.06.2010

Das Angesicht des Feindes 3/4 VIII

Danea sah aus dem kleinen Fenster und beobachtete die fremde Frau, die mit einigen Kindern sprach. Sie lächelte wieder. Das tat sie offensichtlich oft. Dennoch aber blieb kein Zweifel daran, daß sie offensichtlich die Anführerin diseres merkwürdigen Trupps war, der so plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht war.
"Halt dich von fremden Töpfen fern", sagte die Stimme seines Vaters.
Danea beobachtete noch, wie einer der Männer an die Fremde herantrat. Sie richtete sich wieder auf. Ihr Gesicht wurde starr und sie sprach mit jemandem, der offensichtlich nicht anwesend war. Dazu benutzte sie wohl dieses Ding, das in ihrem Ohr steckte.
"Ich habe nicht vor, mit dieser Major Uruhk ..." Danea schloß den Mund und drehte sich zu seinem Vater um. „Aber vielleicht haben wir die Lösung für unser Problem. Die Erethianer werden immer weniger, die letzten Abtriebe haben uns zuviel gekostet. Du siehst doch selbst, daß es kaum noch Kinder gibt."
Cornyr sah seinen Sohn einen Moment lang nachdenklich an. „Sie fragte nach der verbotenen Stadt der Schöpfer." Er schüttelte den Kopf. „Das ist zu gefährlich. Wenn die Dämonen ..."
"Die Devi werden so oder so kommen, Vater! Sie kommen immer!"
"Was willst du also tun? Sie in die Stadt führen und provozieren, daß sie schneller hier sind? Es wird ihnen nicht verborgen geblieben sein, daß Fremde uns besuchen." Cornyr hielt den Blick seines Sohnes einen Moment lang gefangen, dann senkte er seine Augen und seufzte. „Du hast zuviel des Blutes deiner Mutter in dir."
"Ich habe ihr Urteilsvermögen, das genügt mir." Danea kreuzte die Arme vor der Brust und nickte nach draußen. „Diese Menschen sind mit einem Schiff gekommen. Wenn wir ihnen helfen, nehmen sie uns vielleicht mit in ihre Heimat. Du hast es doch gehört, dort gibt es keine Dämonen." Ein träumerischer Ausdruck erschien auf dem Gesicht des jungen Mannes.
"Aber sie sagten auch, daß ihr Schiff beschädigt ist", wandte Cornyr ein.
"Dann ..." Danea biß sich auf die Zunge und sah seinen Vater wieder ein. „Es ist vielleicht unsere einzige Chance, überhaupt noch etwas zu retten von unserem Volk."
Der Älteste blickte ihn nachdenklich an, kniff die Lippen aufeinander. „Diese Major Uruhk ist eine sehr beeindruckende Persönlichkeit", wandte er schließlich ein. „Aber die anderen ... Elessa sagte, die Männer, die sie an den Rand des Dorfes geschickt hätte, wären längst nicht so nett und aufgeschlossen. Was, wenn uns auf ihrem Schiff ebenfalls mit Argwohn begegnet wird? Was, wenn die verbotene Stadt nichts bieten wird, womit sie etwas anfangen können?"
"Das müssen wir riskieren. Noch ein, höchstens zwei Abtriebe und die Erethianer wird es nicht mehr geben!"
Cornyr seufzte wieder und senkte den Kopf. Langsam wandte er sich ab und sah sich um. „Soweit sind sie noch nie gegangen. Sie müssen so viele sein wie nie zuvor", murmelte er schließlich.
"Dann laß mich in die Stadt, Vater. Ich nehme Major Uruhk mit. Dann können wir auch sicher sein, ob uns Gefahr von ihr droht." Danea atmete tief ein. „Wir können sie prüfen. Wenn sie zu den Schöpfern gehört, wie Nabuck meint, können wir uns ihrer immer noch entledigen."
Cornyr sah sich immer noch in der rauchigen Dunkelheit des Langhauses um. Dann nickte er. „Aber bleibt nicht zu lange. Die Devi haben sehr aufmerksame Wächter", entschied er.

***

Peter stand mit Frederics zusammen und atmete tief die frische Luft ein. Es tat gut, nach der rauchigen Dämmerung des Langhauses, wieder frei atmen zu können.
"Was hat es wohl mit diesen Dämonen auf sich?" fragte der junge Marine und reckte sich.
"Woher soll ich das wissen?" Peter schnaubte. „Wenn Sie mich fragen, vertun wir hier gerade unsere Zeit. Major Uruhk muß sich geirrt haben." Er drehte sich um, als er kreischendes Gelächter hörte, ging sofort noch mehr auf Abwehr, als fünf Kinder auf den kleinen Platz zwischen den großen Langhäusern preschten.
Vashtu drehte sich zu ihnen um und lächelte. Dann beugte sie sich zu ihnen hinunter und begann mit ihnen zu sprechen.
Mal wieder typisch! Sie steckten bis zum Hals in Schwierigkeiten und diese Frau scherzte mit irgendwelchen Kindern!
Peter seufzte und kreuzte die Arme vor der Brust. Als hätten sie nicht schon genug Probleme!
"Ich meinte ja nur." Frederics sah sich interessiert um. „Müssen vor nicht allzu langer Zeit wesentlich mehr Leute hier gewohnt haben. Was da wohl passiert ist?"
"Hä?" Peter richtete seine Aufmerksamkeit jetzt doch wieder dem Marine zu. Der sah zu dem Dach des nächsten Langhauses hoch und nickte. „Ist nicht mehr ausgebessert worden. Diese Leute sind offensichtlich seßhaft an diesem Ort", erklärte er.
"Sind Sie Antropologe oder Marine?" Peter blinzelte in den wolkenlosen Himmel hinauf. Die Sonne stand hoch, so hatte er einige Mühe, überhaupt etwas zu erkennen. Doch dann ging ihm auf, was Frederics gemeint hatte: Das Dach des Hauses war schon lange nicht mehr ausgebessert worden. Das rietähnliche Material war dunkel und feucht, an einigen Stellen offensichtlich in den Dachstuhl abgerutscht.
"Ich interessiere mich für Geschichte und Kultur, Doc", antwortete Frederics, richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Antikerin. „Hätte mir Spaß gemacht, wenn ich hätte studieren können."
Peter schüttelte den Kopf.
Was ihm jetzt noch zu seinem absoluten Unglück fehlte, war die Lebens- und Leidensgeschichte dieses Kerls neben ihm. Er mochte ja vielleicht nicht ganz so stumpfsinnig wie die meisten anderen Besatzungsmitglieder der Prometheus sein, aber es interessierte ihn nicht im mindesten. Er wollte nur irgendwie sehen, daß SG-27 aus den Klauen dieses größenwahnsinnnigen Irren auf dem Kommandosessel entkamen.
Vashtu hatte sich wieder aufgerichtet, sprach jetzt in ihr Funkgerät, nachdem einer der anderen Marines sie auf den stündlichen Bericht aufmerksam gemacht hatte.
Peter sah, wie sich ihr Gesicht unwillig verzog.
Wieder Ärger mit Pendergast. Wahrscheinlich würde die nächste Order sogar lauten, wieder zur Prometheus zurückzukehren und den nächsten Planeten anzufliegen.
Aber wenn es hier tatsächlich einen Antiker-Außenposten gab?
Peter zupfte nervös an seinem Ohrläppchen und wünschte sich ein Stück Schokolade. Dann beobachtete er, wie dieser Danea aus dem Langhaus trat und direkt auf Vashtu zuhielt.
Peter richtete sich auf. Immerhin war von einer versunkenen Stadt gesprochen worden während des vorhergehenden Gespräches. Allerdings hatte der Anführer dieses Völkchens es vehement abgelehnt, ihnen diese Stadt zugänglich zu machen. Sollte sich daran jetzt etwas geändert haben?
Vashtu beendete ihren Bericht mit erhobener Hand, tippte dann einmal kurz auf ihr Funkgerät, um es zu deaktivieren. Erst dann wandte sie sich Danea zu. Der Erethianer begann sofort auf sie einzureden. Peter sah, wie ihre Augen immer größer wurden. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
Sein Herz schlug schneller.
Hatten die Erethianer sich jetzt doch entschlossen, sie in die Stadt zu lassen?
Die Antikerin nickte, dann kam sie plötzlich zu ihnen herübergejoggt.
"Danea will mir die Stadt nun doch zeigen", erklärte sie aufgeregt, hob die Hände. „Allerdings nur mir", fuhr sie fort. „Lieutenant, sollte ich in einer Stunde nicht wieder zurück sein, übernehmen Sie bitte meinen Bericht. Sie können Colonel Pendergast ruhig sagen, daß ich unterwegs und vielleicht nicht erreichbar bin. So wie es Danea angedeutet hat, scheint diese Stadt ... nun etwas verborgen zu sein."
"Aber ..."
"Peter, Sie gehen zu den Jumpern zurück und warten dort", wandte sie sich unvermittelt an ihn und zwinkerte ihm zu. „Wenn etwas sein sollte, wissen Sie, wie und wo Sie mich erreichen können."
Es ging los!
Er nickte aufgeregt.
Vashtu schlug ihm kameradschaftlich auf den Oberarm, dann joggte sie dem Erethianer nach, der bereits den Weg aus dem Dorf suchte.

***

Vashtu kletterte hinter Danea die Felsen hinauf. Sie mußte sich zwingen, nicht alle paar Minuten zu fragen, wie lange sie noch brauchen würden.
Mehr als zwei Wochen hatten sie auf diesem verdammten Mond festgesessen. Zwei Wochen! Sie konnte nur hoffen, daß sie, wenn sie ins SGC zurückkehrte, nicht erst lange und breite Erklärungen abgeben mußte, sondern sofort nach Atlantis weitergeschickt wurde, wie es eigentlich auch geplant gewesen war.
Vashtu mußte zugeben, sie freute sich unendlich auf eine Rückkehr zur Erde, noch mehr darauf, endlich Atlantis wiederzusehen. John hatte sie längst seinen Fauxpas vergeben, und McKay gegenüber würde sie dieses Thema nicht einmal mehr anschneiden. Sie wollte nur zurück in die vertraute Umgebung und diesen Idioten Pendergast weit hinter sich lassen.
Natürlich würde sie Landry mitteilen, was hier vor sich ging. Und sie war sicher, man würde eine Rettungsmission schicken, um zumindest die Atlanter einzusammeln und vielleicht auch die Prometheus zu bergen. Was mit Pendergast und seiner Crew passieren würde, war ihr dagegen herzlich gleichgültig - naja, bis auf einige Ausnahmen.
"Wir sind gleich da", rief Danea über die Schulter zurück.
Vashtu blickte zu ihm auf und nickte.
Der Weg war ziemlich steil. Aber dennoch war es ihr, als könne sie den Rest einer relativ breiten Straße ausmachen, zumindest deren Begrenzungen.
Wer konnte schon sagen, was sie hier vorfinden würden? Vielleicht konnte dieser Außenposten weiterhelfen bei dem Kampf gegen die Ori. Immerhin mußte ihr Volk doch damit gerechnet haben, daß diese fernen Brüder und Schwestern irgendwann einen Kreuzzug eröffnen würden. Oder eher nicht?
Vashtu wußte es nicht. Sie hatte nicht einmal geahnt, daß sie, um wieviel Ecken auch immer, mit den Ori verwandt war bis Landry und Daniel Jackson sie darauf aufmerksam machten. Andererseits war die Geschichte ihres Volkes, noch dazu dessen Frühgeschichte, nicht gerade ihre starke Seite gewesen. Dazu war ihr Geist schon immer zu sehr in der Gegenwart und der Zukunft verhaftet gewesen.
Danea richtete sich auf, klopfte sich den Steinstaub aus den Kleidern und drehte sich zu ihr um. Respektvoll beobachtete er, wie nun auch sie das schmale Plateau erkletterte, auf dem er stand.
"Du hälst dich gut, Major Uruhk", bemerkte er anerkennend.
Vashtu drehte sich kurz um und sah in das Tal hinunter. In einiger Entfernung konnte sie die einsame Rauchfahne aus dem Langhaus ausmachen, von den Jumpern dagegen war nichts zu sehen, was sie beruhigte.
Dieser Planet schien an für sich sehr friedlich zu sein. Stand zu hoffen, daß ...
Sie hatte sich bei diesem Gedanken langsam herumgedreht, erstarrte jetzt. Ihre Augen weiteten sich.
Ein gutes Stück weiter den Hang entlang, den sie hochgeklettert waren, war etwas. Vashtu trat näher an die Kante des Felsens heran und reckte den Hals. Dann tastete sie über die Tasten ihrer Weste und zog ihr Fernglas hervor.
"Was ist das?" Danea war neugierig hinter sie getreten.
Eine Stadt! Sie war direkt in den Hang gebaut. Aber sie wirkte nicht wie irgendetwas, was sie je zuvor gesehen hatte.
Vashtu nahm das Fernglas wieder von den Augen und runzelte die Stirn. „Was ist das da?" Sie nickte zu den eigentümlichen Gebäuden hinüber.
"Die Stadt der Dämonen", antwortete Danea mit kühler Stimme.
Vashtu drehte sich irritiert zu ihm herum. „Die Stadt der Dämonen? Ist es das, was du mir zeigen wolltest?"
Danea schüttelte den Kopf, drehte sich um. „Ich wollte dir das da zeigen", antwortete er und hob den Arm.
Vashtu folgte der Weisung.
Ein Höhleneingang. Aber ... ?
Sie warf der Dämonenstadt noch einen Blick zu. Diese merkwürdigen Gebilde schienen ungefähr drei oder vier Meilen entfernt. Außerdem hätte Danea sie wohl kaum auf diesen Felsen gescheucht, wenn er ihr das zeigen wollte.
Aber, auf jeden Fall ...
Sie steckte das Fernglas wieder ein, holte statt dessen den Detektor hervor und aktivierte ihn.
Die Energiequelle, die sie bereits vom Weltraum aus wahrgenommen hatte, wurde wieder angezeigt. Aber die Anzeige war deutlich und wies sie ebenfalls zu dem Höhleneingang.
Nach einem letzten Blick auf die merkwürdigen Gebilde folgte sie dem jungen Erethianer in die Höhle hinein, fand sich auf einer breiten Straße wieder.
"Es heißt, die Schöpfer der Dämonen hätten hier gelebt", erklärte Danea ihr.
Vashtu steckte den Detektor nun auch wieder ein und nickte. „Schöpfer der Dämonen? Dann kamen die also nicht von irgendwoher?"
"Die Schöpfer wohl." Danea nickte. „Sie hatten ein Rund, das sie mit Wasser füllten. Warte." Er holte etwas unter seinem Wams hervor.
Vashtu bekam große Augen. Das war eine Lampe, wie sie sie ähnliche früher benutzt hatte, vor zehntausend Jahren. Sie holte tief Atem, zwang sich den Mund zu halten.
Das wurde allmählich immer interessanter.
Dann ging ihr auf, wovon der Erethianer gerade gesprochen hatte. Ein Rund, das wie mit Wasser gefüllt aussah - ein Sternentor!
Sie seufzte erleichtert.
"Wenn sie dieses Rund gefüllt hatten, konnten andere hindurchkommen", fuhr Danea mit seinem Bericht fort. „Was sie hier genau taten, wissen wir nicht. Aber irgendwann erschienen die Dämonen. Sie zerstörten Teile der Stadt der Schöpfer und verheerten den Planeten."
Der Weg wand sich langsam vor ihnen um diverse Felsensäulen herum.
Vashtu schaltete die Lampe ihrer P-90 ein und leuchtete interessiert nach oben. Das Gestein wirkte an vielen Stellen brüchig. „Es kommt wohl nicht oft jemand her, oder?" erkundigte sie sich dann.
"Es heißt, wenn wir die Stadt betreten, werden die Wächter dies bemerken und einen endgültigen Abtrieb befehlen", antwortete Danea.
Vashtu stutzte. „Abtrieb?" Sie schloß wieder zu ihrem Führer auf. Dann bemerkte sie etwas am Rande des Weges, das kurz aufleuchtete.
Wieder blieb sie stehen, beugte sich dann vor und wischte mit einer Hand über eine sehr regelmäßige Form. Verwirrt richtete sie sich wieder auf.
Eine, im Boden versenkte Lampe.
Sie sah den Weg hoch und wieder hinunter. Dabei fiel ihr auf, daß es noch mehr dieser Formen gab. Der Weg, dem sie folgten, schien in früheren Zeiten einmal beleuchtet gewesen zu sein. Und diese Lampen stammten von ihrem Volk.
Aber warum ... ?
Vashtu wandte sich wieder Danea zu, sah ihn fragend an.
Der zuckte mit den Schultern, drehte sich wieder um und wanderte weiter. „Komm, Major, es ist nicht mehr weit."
Sie warf der Lampe noch einen Blick zu, dann folgte sie ihm wieder. „Was geschah mit diesen Schöpfern?" erkundigte sie sich.
"Sie wurden getötet." Daneas Gesicht war hart geworden bei diesen Worten.
"Und was war jetzt noch einmal ein Abtrieb?" Vashtu hob die Brauen.
Der Gang beschrieb eine Kurve. Dahinter schien ein undeutlicher Lichtschimmer zu liegen.
"Die Dämonen kommen und treiben uns zusammen. Die besten werden mitgenommen. Wir sehen sie niemals wieder." In seinem Gesicht arbeitete es. „Aber wir finden die Leichen, wenn es denn welche gibt. Sie sind ausgesaugt."
Vashtu stutzte wieder.
Hatte sie sich am Ende doch geirrt und war wieder in Pegasus gelandet? Das hörte sich zumindest so an. Aber die Wraith als Dämonen zu bezeichnen, auch wenn es zweifellos stimmte, davon hatte sie noch nie gehört.
"Wir sind da." Danea blieb stehen und nickte ihr zu. „Die Stadt der Schöpfer."
Vashtu zögerte, wandte sich dann von ihm ab und blickte auf eine weite Höhle hinunter. Eine Höhle, die ihr sehr bekannt vorkam.
Unwillkürlich trat sie voller Unglauben näher und starrte auf das hinunter, was sich da vor ihren Augen ausbreitete.
Und kurz, nur ganz kurz sprangen die Lichter an. Alle Lichter auf einmal. Für einen Atemzug lang konnte Vashtu sehen, was sie bisher nur einmal gesehen hatte. Als Hologramm unter der Decke einer Eishöhle auf Antarktica.
Vineta!

Fortsetzung in Teil 4

27.06.2010

Das Angesicht des Feindes 3/4 VII

"Sie wollen also da runter auf den Planeten, Major. Warum wundert mich das nur nicht?" Pendergast beugte sich sinnend vor und nickte.
Vashtu stand stramm, atmete einige Male tief ein. „Sir, das war doch der Sinn dieses Manövers. Wir suchten nach Leben und Hilfe. Nun, hier haben wir zumindest Leben. Nach Hilfe werden wir wohl selbst fragen müssen, wie ich das sehe", entgegnete sie.
"Und warum sollte ich ausgerechnet Sie damit betrauen, nach dieser Hilfe zu fragen, wie Sie es ausdrücken? Sie haben doch bisher jede Möglichkeit genutzt, um meine Order zu umgehen. Jetzt soll ich Sie auch noch dafür belohnen, Major Uruhk?" In Pendergasts Augen blitzte wieder dieses kalte Licht auf.
Was versprach er sich nur davon, sie an dieses Schiff zu fesseln? Sie wußte es nicht, und sie wollte es nach Möglichkeit auch nicht herausfinden. Sie wollte nur hier weg, aber das mußte sie ihm erst einmal verkaufen, so daß er es auch schlucken würde.
"Bei allem Respekt, Sir, aber ich bin Leaderin eines SG-Teams", hielt sie dagegen. „Ich habe Erfahrung im Umgang mit fremden Rassen und Kulturen. Geben Sie mir mein Team mit, soweit einsatzbereit, dann werde ich sehen, was sich machen läßt, Sir."
"Sie denken also wirklich, Sie könnten da unten mehr erreichen als irgendeiner meiner Männer? Oder gar als die Crew von Atlantis?" Pendergast hob die Brauen und nickte zu der Frontscheibe hinüber, hinter der sich ein oberes Stück des Planeten gegen die ewige Finsternis des Alls abzeichnete.
Vashtu schluckte hart, dann aber nickte sie. In diesem Fall half nichts anderes als ihr eigenes Ego. „Ja, Sir, das glaube ich", antwortete sie deshalb.
Der Colonel starrte sie einen Moment lang überrascht an, dann erhob er sich, trat bis auf wenige Schritte auf sie zu und funkelte zu ihr nieder. „Unter mangelndem Selbstbewußtsein leiden Sie jedenfalls nicht, Major, das muß ich Ihnen lassen."
Sie erwiderte seinen Blick so kühl wie möglich, regte sich nicht und wartete.
Pendergast hielt ihr noch einen Moment lang stand, dann drehte er sich unvermittelt um und winkte ab. „Na schön, Sie kriegen Ihr Team, diesen Wallace und diesen Babbis. Aber Sie bekommen eine Eskorte. Sie fliegen mit zwei Puddlejumpern hinunter, den zweiten wird Lieutanent Markham bedienen. Und ich erwarte jede Stunde einen Lagebericht, Major, pünktlich! Haben Sie das verstanden?"
Vashtu atmete tief ein, zwang sich, sich nichts anmerken zu lassen von ihrem Glück. Dann nickte sie. „Ja, Sir, ich habe verstanden. Jede Stunde einen Bericht. Ich werde daran denken."

***

Mit einem leisen Summen glitt etwas unsichtbares durch den frühen Morgen.
Danea Il'Eskanar blickte unwillkürlich hoch in den wolkenlosen Himmel, als er meinte, einen Luftzug zu spüren, der nicht von der sanften Brise stammen konnte, die die Blätter der Bäume rauschen ließ.
Da kam etwas auf ihn zu, er war sich sicher. Aber er konnte es nicht weiter ausmachen.
Der Jäger in ihm hieß ihn zur Vorsicht, während er weiter durch den Wald schlich, dem Summen nach. Nahe einer kleinen Lichtung drückte er sich in die Büsche. Das Summen war verklungen, dafür war kurz das alte Laub vom letzten Jahr hochgewirbelt worden - an zwei Stellen. Zu sehen war allerdings noch immer nichts.
Ob es die Dämonen der Höllen waren? Aber warum konnte er sie dann nicht sehen?
Wieder ein Geräusch, und dann ... Danea riß vor Überraschung die Augen auf, als plötzlich, wie aus der Luft entstanden, Menschen erschienen. Er zählte insgesamt acht, und alle waren es Männer. Und dann tauchte die Frau auf.
Danea stockte der Atem.
Sie war anders! Deutlich kleiner als die Männer, schlank und zierlich. Ein tintenschwarzer Haarschopf stand wirr nach allen Seiten ab. Und auch wenn sie gut einen halben Kopf kleiner war als der kleinste der Männer, schien sie zu befehlen.
Wer war das? Wo kamen diese Menschen her? Und was für eigenartige Kleidung trugen sie?
Soetwas hatte Danea noch nie gesehen.
Die Frau harkte etwas in ihr obenliegendes Kleidungsstück. Eine Waffe? Es war zu klein für eine Keule, aber auch zu groß für die Waffen, über die sein Volk verfügte. Dennoch blieb ein gewisser Respekt bei ihm zurück, als er dieses Ding musterte.
"Markham, Wallace, Williams, Sie bleiben bei den Jumpern", befahl die Frau mit dem schwarzen Haar jetzt. „Frederics, nehmen Sie den Rucksack, Peter, Sie wissen, was zu tun ist. Leigh und King, wir machen uns auf die Suche nach diesem Dorf." Sie zog etwas aus einer der Taschen ihrer Kleidung und betrachtete es etwas stirnrunzelnd.
Danea schluckte. Irgendwie glaubte er sich plötzlich ertappt, dabei war er einer der besten Jäger seines Volkes.
Sein Verdacht bestätigte sich, als die Frau sich in seine Richtung drehte und hochsah, den Kopf fragend zur Seite geneigt.
Danea zögerte nicht mehr. Irgendetwas an dieser Frau faszinierte ihn, er wußte nur noch nicht zu sagen was. Er gab seine Deckung auf und trat auf die Lichtung.
Vier der Männer hoben diese merkwürdigen Metallgegenstände.
"Runter mit den Waffen!" bellte die Frau plötzlich, trat ihm dann entgegen. Das Gerät steckte sie dabei blind wieder ein. Aufmerksam musterte sie ihn, dann begann sie zu lächeln. „Hallo."
Danea warf den Männern einen unsicheren Blick zu, richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf die Fremde. „Sei gegrüßt."
Ihr Lächeln wurde breiter. Sie kreuzte die Arme vor der Brust. „Schön, daß wir gar nicht lange suchen müssen. Wir brauchen Hilfe. Unser Schiff ..." Sie nickte zum Himmel „... ist nicht mehr wirklich flugtauglich."
Danea blinzelte. „Euer Schiff?" fragte er.
Schiffe hatten doch nur die Dämonen. Aber sie sah nicht aus wie eine Dämonin, eher wie eine sehr interessante Frau, die es sich lohnte, näher kennenzulernen.
"Raumschiff, die Prometheus", antwortete sie achselzuckend.
Er nickte, richtete seine Aufmerksamkeit jetzt auf die Männer, die hinter der Frau Aufstellung genommen hatten. So recht bedrohlich wirkten sie irgendwie nicht, mußte er zugeben. Zumindest solange sie die Waffen unten behielten. Bei diesen merkwürdigen Dingern in ihren Händen mußte es sich wohl um soetwas handeln, auch wenn er das noch nie gesehen hatte.
Endlich sah er wieder zu ihr hinunter. „Danea Il'Eskanar, Sohn des Cornyr", stellte er sich endlich vor, verbeugte sich leicht.
Das Lächeln der Fremden wurde zu einem breiten Grinsen. „Major Vashtu Uruhk. Erfreut dich kennenzulernen, Danea." Sie hielt ihm die Rechte hin, eine Vertrauensgeste bei seinem Volk.
Er atmete tief, schlug dann ein.
Er mochte sie, sie war interessant und anders als alles, was er kannte. Nicht daß er viel kennen würde. Aber ...
Er gab sich einen Ruck. „Wenn ihr Hilfe sucht, dann solltet ihr mit mir ins Dorf kommen. Mein Vater, Cornyr, wird sich euer Gesuch gern anhören", schlug er vor.
Major Vashtu Uruhk nickte. „Ein sehr freundlicher Vorschlag. Den nehmen wir gern an." Wieder lächelte sie.

***

Peter fühlte sich nicht recht wohl, erst einmal umgeben von Marines, und dann auch noch dieser eigenartige junge Mann in der einfachen Kleidung, der jetzt, gemeinsam mit Vashtu, die Führung übernommen hatte und sie durch einen dichten Wald führte. Und er konnte absolut gar nichts tun. Lieber wäre es ihm gewesen, wenn er ... wenn er an der Seite der Antikerin wäre, so wie es sonst während ihrer Einsätze gewesen war.
Aber davon mußte er sich jetzt wohl vollständig verabschieden. Er wußte zwar, daß Vashtu nichts unversucht lassen würde, um aus Pendergasts Zugriffsbereich zu entwischen und auch ihr Team mitzunehmen. Aber er glaubte nicht daran, daß es noch einmal so werden würde wie früher. Schon allein die Sache mit Dorn würde einiges innerhalb des Teams verändern, der Marine war schlichtweg nicht mehr fähig, bei Fremdwelteinsätzen mitzumachen.
Wie wollte Vashtu ihn denn überhaupt von der Prometheus herunterholen?
Die Antikerin warf ihm einen kurzen Blick zu und lächelte.
Mit diesem Danea schien sie sich ganz gut zu verstehen, was Peter einen zusätzlichen Stich versetzte. Er wußte zwar auch, daß seine Gefühle ihr gegenüber nicht erwidert wurden, aber zumindest hätte sie es allmählich merken müssen, daß da bei ihm ...
Sie traten vollkommen abrupt aus dem Wald heraus auf eine weitere, breite Lichtung. Kleine Felder lagen in der Morgensonne, und Peter war sich sicher, James Wallace hätte seine helle Freude an dem, was sie hier sahen.
Drei Langhäuser erstreckten sich zwischen den Feldern, halb aus Stein, halb aus Holz gebaut und mit etwas Rietähnlichem abgedeckt. Eine Rauchsäule stieg von dem Mittleren auf.
Peter blinzelte ungläubig.
Das gab's doch nicht! In was für einer Welt waren sie denn hier gelandet?
"Sieht nicht so aus, als könne man uns hier groß helfen", kommentierte der neben ihm gehende Marine, ein junger Mann mit rötlich-braunem Bürstenhaarschnitt. Lieutenant Frederics, wenn Peter sich nicht irrte.
"Warten wir es ab", murmelte er, zog seinen Energiedetektor aus seiner Brusttasche und aktivierte ihn.
Frederics warf ihm einen Blick zu, dann beugte er sich über das kleine Gerät. „Cool! Doc, was ist das?" fragte er.
Die Energieanzeige, die sie von den Jumpern aus gemessen hatten, war nicht hier, soviel stand fest. Peter bekam nur Lebenszeichen herein.
"Reißen Sie sich zusammen, Mann!" bellte einer der anderen Marines.
Frederics zwinkerte Peter kurz verschwörerisch zu und grinste, ehe er sich wieder aufrichtete.
Peter warf dem anderen einen scheelen Blick zu. Was war denn das gewesen?
Rufe und Schreie lenkten ihn ab. In sich hineinstöhnend beobachtete er einige Kinder, die zwischen den Halmen des Getreides lautstark spielten.
Kinder!
Dieser Danea blieb auf einem schmalen Weg, sprach auf die Antikerin ein.
Peter gefiel das nicht. Dieser Alien war viel zu angetan von seiner Leaderin, soviel stand fest. Vashtu flirtete zwar nicht, wie sie es sonst gern einmal tat, aber sie war offensichtlich an dem jungen Mann interessiert. Sie hörte aufmerksam zu, stellte ab und an Zwischenfragen und nickte bei den Antworten.
Dieser Danea war groß und breitschultrig, mit einem offenen Gesicht, in dem man jede seiner Emotionen sehr genau ablesen konnte. Er schien noch sehr jung zu sein. Seine Haut war dunkel, allerdings nicht zu dunkel. Im ersten Moment, als er zwischen den Büschen und Bäumen hervorgetreten war, hatte Peter an eine eingebrannte Sonnenbräune gedacht. Jetzt allerdings ging ihm auf, daß dieser Farbton naturgegeben war.
Sie erreichten das Dorf. Danea sagte etwas zu Vashtu, hob kurz die Hände zu einer Geste des Wartens und joggte eifrig davon.
"Sind wir hier im Mittelalter?" ließ sich der hinter ihm stehende Marine vernehmen, erntete einen bösen Blick der Antikerin.
Auf einen Wink von Vashtu trat Peter etwas aufatmend näher.
"Haben Sie die Umgebung gescannt?" erkundigte sie sich leise.
Er nickte. „Die Energiequelle stammt nicht von hier. Und sie ist sehr schwach. Sieht nicht gut aus."
Vashtu nickte, nagte nachdenklich an ihrer Unterlippe. „Wir werden gleich mit diesem Cornyr sprechen. Er scheint soetwas wie der Interims-Älteste zu sein für dieses Dorf", sagte sie dann. „Ich möchte, daß Sie sich zurückhalten, Peter. Wir sollten uns anhören, was dieser Cornyr zu sagen hat. Einiges, was Danea andeutete, klang recht interessant."
"Andeutete?" Peter hob eine Braue. „Vashtu, ich muß Sie doch wohl nicht daran erinnern, daß es unser Auftrag ist, Materialien für eine Reparatur des Hyperantriebs aufzutreiben." Er warf seiner Umgebung einen langen Blick zu. „Hier finden wir nichts."
"Danea sprach von einer versunkenen Stadt." Vashtus Blick wurde intensiv, ihre Stimme bei diesen Worten noch leiser.
Peter starrte sie entgeistert an. Mit einem dumpfen Laut klappten seine Kiefer zusammen.
Vashtu nickte, drehte sich dann zu ihren Begleitern um und musterte einen nach dem anderen. „Frederics, Sie bleiben bei uns. Die anderen übernehmen die Sicherung der Umgebung", befahl sie dann.
Der junge Marine grinste breit und nickte, die anderen verteilten sich zwischen den Langhäusern.
"Sind Sie sicher, daß wir auf dem richtigen Weg sind?" wisperte Peter.
Die Antikerin nickte. „Diese Stadt scheint tabu zu sein", erklärte sie ebenso leise. „Aber möglicherweise finden wir sie auch ohne die Hilfe der Dorfbewohner. Wir brauchen nur eine Legitimation von ihnen. Ich will von Pendergast weg, ehe es noch zu einem Unglück zwischen uns kommt, Peter. Und ich werde von ihm wegkommen!"
Danea kehrte zu ihnen zurück. Kurz stutzte er, als er nicht mehr die ganze Gruppe beieinander fand, dann wandte er sich lächelnd an Vashtu: „Kommt. Mein Vater möchte euch sehen."
Die Antikerin warf Peter noch einen langen Blick zu, dann folgte sie dem jungen Außerirdischen. Der Wissenschaftler steckte endlich den Detektor wieder ein, sah dann zu, daß er nicht den Anschluß verlor. Frederics war ihm dicht auf den Fersen.
Das Innere des Langhauses war so, wie er es erwartet hatte: Dunkel und rauchig. Es roch nach verbranntem Fleisch und menschlichen Ausdünstungen, und was es an Gerüchen in einem schlecht belüfteten Raum noch geben mochte.
Peters ohnehin nicht sonderlich gute Augen brauchten etwas, bis sie sich auf die dämmrigen Lichtverhältnisse eingestellt hatten. Dann aber sah er sich aufmerksam um.
Die einzelnen Familien schienen Abteile für sich zu haben, die mit Stoffbahnen verhängt waren. Hier und da war einer dieser Vorhänge zur Seite geschlagen, so daß man in das Innere sehen konnte. Leise Stimmen, ab und an ein Husten war zu hören. Die dicken Streben, die das Dach stützten, waren schmuckvoll mit merkwürdigen Gesichtern verziert. In der Mitte des Raumes brannte ein großes Feuer, Kondenswasser tropfte von dem Loch in der Decke herab und verglühte zischend.
Um dieses Feuer war ein Tisch aufgestellt, an dem einige Männer saßen. Alle von der gleichen dunklen Hautfarbe wie dieser Danea. Sie unterhielten sich leise, doch das Gespräch verstummte schnell, als die Besucher nähertraten aus dem Schatten.
Danea ging schneller, beugte sich dann über einen grauhaarigen Mann, der aussah wie sein älteres Ebenbild. Das mußte dieser Cornyr sein. Dieser hob die Hand, richtete sich auf und musterte seine unverhofften Besucher aufmerksam einen nach dem anderen.
"Mein Sohn sagte mir, ihr wäret aus dem Nichts gekommen", wandte er sich schließlich an sie. „Und ihr sucht Hilfe."
Vashtu trat beherzt vor.
Peter seufzte und kreuzte die Arme vor der Brust.
"Major Vashtu Uruhk, United States Air Force", stellte sie sich lächelnd vor. „Meine Begleiter sind Dr. Peter Babbis, der bei uns trotz seiner jungen Jahre schon als weiser Forscher gilt -" Peter gingen die Augen über bei diesen Worten „- und Lieutenant Frederics aus dem Marine-Corps. Wir sind mit einem Schiff gekommen, von einer anderen Welt, die weit, weit entfernt liegt. Und wir suchen Hilfe, denn unser Antrieb wurde beschädigt."
Der Mann nickte nachdenklich, sah aufmerksam von einem zum anderen. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Antikerin. „Dann seid willkommen. Wir haben üblicherweise keine Gäste von anderen Welten, auch wenn wir wissen, daß es sie gibt. Die Dämonen der acht Mal acht Mal acht Höllen untersagen in ihren Refugien den Kontakt."
Peter wechselte mit Frederics einen Blick. Acht mal acht mal acht?
Wenn Vashtu irritiert war, so ließ sie es sich nicht anmerken. Noch immer lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Davon wissen wir nichts. Wir kennen keine Dämonen dort, woher wir kommen", sagte sie.
Cornyr sah sie einen Moment lang überrascht an, dann atmete er tief ein und bot ihnen Platz an dem langen Tisch. „Setzt euch und berichtet von eurer wunderbaren Welt, die nicht heimgesucht ist von den Dämonen des Schreckens."
Wieder ein Tausch der Blicke zwischen Peter und Frederics.
Was sollte das bedeuten?

TBC ...

26.06.2010

Das Angesicht des Feindes 3/4 VI

Zwei Tage später:

Vashtu seufzte. „Sobald wir mehr Zeit haben, Peter, kriegen Sie eine richtige Unterrichtsstunde von mir. Jetzt muß es reichen. Geben Sie Ihr bestes." Sie klopfte ihm kurz aufmunternd auf die Schulter, dann erhob sie sich und schritt durch den Laderaum nach draußen.
Blinzelnd streckte sie die Nase in die Luft, aktivierte dann das kleine Funkgerät an ihrem Ohr. „Sir, in einigen Minuten kann es beginnen", meldete sie, dann wechselte sie den Kanal und grinste.
Pendergast würde sie so schnell nicht wieder abhören, das hatte sie sich geschworen. Und, zumindest wie es jetzt aussah, würde es wohl auch klappen, ohne daß er etwas bemerkte. Den letzten Abend hatte sie sich die Funkgeräte von Markham und Babbis besorgt und ein wenig daran herumgeschraubt - eine relativ leichte Übung nach dem, was sie bereits früher geleistet hatte.
Der junge Lieutenant erwartete sie, sah ihr stirnrunzelnd entgegen. „Ist nicht besonders gut, der Doc, oder?" fragte er.
Die Antikerin drehte sich im Laufen wieder zu Peters Jumper um, zuckte dann mit den Schultern. „Hat noch nicht allzu viel Erfahrung. Wird aber. Er muß schließlich nur ziehen, den Rest machen wir beide", antwortete sie.
Markham sandte ihr einen respektvollen Blick. Offensichtlich war er es nicht gewohnt, von einem vorgesetzten Offizier auch einmal eine Antwort auf seine Fragen zu erhalten. Dann lächelte er etwas zerknirscht. „Was ... Ihr Auftauchen angeht, Mam ..." Er stockte, als sie die Arme kreuzte und den Kopf schüttelte.
"Hat sich erledigt. Nachdem ich selbst in die Situation gekommen bin, kann ich Ihre Reaktion durchaus nachempfinden, Lieutenant. Lassen wir es darauf beruhen."
Markham nickte lächelnd. „Danke, Major."
"Keine Ursache. Bauen Sie nur keinen Mist. Ich verlasse mich auf Sie. Und achten Sie auf die Frequenz."
Er nickte, betrat seinen Jumper. Die Ladeluke glitt mit einem leisen Summen hinter ihm hoch.
Vashtu atmete noch einmal tief ein, dann drehte sie sich um und betrachtete, was Peter und das Team, in dem er jetzt mitarbeitete, geleistet hatte.
Drei Puddlejumper standen unweit der Prometheus bereit, mit dicken Stahlseilen mit dem Schiff verbunden. Es blieb wirklich nur zu hoffen, daß ihr Einfall Erfolg haben würde. Sie hatte nicht die geringste Lust, länger als nötig unter Pendergasts Knute zu stehen. Wenn er das als Fahnenflucht auslegen wollte - seine Sache. Sie würde, sobald sie ein Sternentor gefunden hatte, ihre Leute einpacken und aus seiner Reichweite verschwinden. Wenn er wollte, konnte er ihr gern nachjagen. Sie vermutete, viel Erfolg würde ihm dabei nicht beschieden sein.
"Major?"
Vashtu blickte wieder auf und runzelte die Stirn. Dr. Stross kam auf sie zu, die Wangen leicht gerötet und lächelnd.
"Doc, was gibt's?" fragte sie.
Stross blieb vor ihr stehen, grinste sie triumphierend an. „Pendergast hat mir die Erlaubnis erteilt, mit Ihnen zu fliegen, wenn Sie es erlauben."
Vashtu hob die Brauen.
Pendergast nahm Rücksicht auf sie? Das wäre ja etwas ganz neues. Andererseits ...
"Funkgerät deaktivieren und einstecken. Möglichst irgendwohin, wo niemand auch nur einen Laut hören kann, sollte es plötzlich wieder anspringen", befahl sie, joggte zu ihrem Jumper hinüber, Stross hinter sich wissend.
"Warum denn das?" Die Wissenschaftlerin tat, wie ihr geheißen, packte das kleine Funkgerät in ihre Hosentasche.
"Weil nicht jeder mithören soll, was Piloten sich untereinander so zu erzählen haben." Vashtu blieb auf der Rampe stehen und wartete, bis ihre unverhoffte Passagierin den Gleiter betreten hatte, ehe sie die Luke schloß und sich auf dem Pilotensitz niederließ. Stross machte es sich an ihrer Seite gemütlich und beobachtete sie aufmerksam.
Vashtu änderte wieder die Frequenz. „Sir, sind bereit, wenn Sie es sind", gab sie durch und wartete, dann startete sie den Antrieb. „Markham, Peter, auf mein Kommando", wieder eine kleine Korrektur der Frequenz, damit man auf der Prometheus nicht mithören konnte. „Abheben!"
Ihr Blick richtete sich nach vorn, wo die Hologrammanzeigen augenblicklich auf ihre Frage eingingen und ihr die nötigen Antworten lieferten. Vashtu lächelte mit einem Mundwinkel.
Sah gut aus.
"Sie machen das alles mit Ihren Gedanken, richtig?" fragte Stross neben ihr.
Vashtu warf ihr einen halben Blick zu, nickte dann. „So waren die Jumper gedacht", antwortete sie, ließ den Gleiter sanft abheben. Das Hologramm bestätigte ihr, daß auch die anderen beiden Fluggeräte es ihr nachtaten. Sie drückte das Funkgerät an ihrem Ohr, damit sie wieder mit der Prometheus sprechen konnte. „Triebwerke hochfahren - jetzt!"
Das war der kritische Punkt an dem ganzen Plan. Und erst nach einigen Debatten hatte Pendergast sich dazu breitschlagen lassen, ihr das Kommando über die Wissenschaftler zu überlassen, die ansonsten blind hätten zünden müssen.
"Ich habe mit einigen anderen über Sie gesprochen, Major", sagte Stross jetzt unvermittelt.
Vashtu runzelte die Stirn. „Peter, nicht vorpreschen. Warten Sie, bis ich das Okay gebe", sagte sie dann mit bestimmter Stimme. Dann erst drehte sie sich zu ihrer Begleiterin um. „Was meinen Sie?"
"Die letzten zwei Tage müssen für Sie sehr entspannend gewesen sein, Major. Jedenfalls schien es denen so, mit denen Sie gesprochen haben. Alle meinten einhellig, daß Sie eine sehr sympatische Zeitgenossin wären."
Vashtu verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Dann kennen Ihre Wissenschaftler mich noch nicht. Ich kann wenigstens ebenso nerven wie Peter. Und das dumme daran ist meistens, daß ich recht habe." Sie meinte, die Vibration des Stahlseils unter sich zu fühlen, atmete tief durch.
"Prometheus hat Antrieb gestartet. Läuft wohl auf höchster Stufe", meldete Markham in ihrem Ohr. Er war der einzige ihrer kleinen Flotte, der relativen Blick nach hinten hatte.
Vashtu nickte. „Dann jetzt los! Hochziehen!" Sie drehte die Schubregulierung, betätigte gleichzeitig den kleinen Stick, der die Triebwerke steuerte. Der Jumper unter ihr stöhnte kurz auf, dann ging ein Ruck durch ihn, ehe er, mit einem deutlichen Widerstand, leicht an Höhe zu gewinnen begann.
Dieses Mal lächelte Vashtu wirklich. Sie war zufrieden mit sich.
"Prometheus hebt ab!" In der Stimme des jungen Lieutenants war ein gewisser Triumph zu hören.
"Sagte ich doch." Das Lächeln wurde zu einem sehr zufriedenen Grinsen
"Dann stammte die Idee tatsächlich ursprünglich von Ihnen?" Stross lachte leise auf.
"Von Peter und mir. Gemeinschaftsarbeit", antwortete sie, lehnte sich etwas entspannter zurück und blickte in den Himmel hinauf.
Eine eigenartige Tatkraft erfüllte sie plötzlich. Endlich konnte sie wieder etwas tun. Endlich kam sie von diesem Niemandsland weg! Und hoffentlich würde sie auch bald aus Pendergasts Dunstkreis verschwinden können. Sobald sie den Planeten erreicht hatte, hieß das.
Stross lachte wieder. „Sie sind unglaublich, Major."
Vashtu blinzelte der Blonden zu. „War ich schon immer", wagte sie einen Scherz und seufzte erleichtert. „Allerdings fiel es mir verteufelt schwer, die Berechnungen im Kopf durchzuführen. Deshalb habe ich Peter das ganze noch einmal bestätigen lassen."
"Sie haben das hier im Kopf durchgerechnet?"
Vashtu nickte und kniff die Lippen aufeinander. „Wollen wir hoffen, daß wir auf dem Planeten endlich weiterkommen", seufzte sie dann, behielt weiter die Anzeige im Auge.
"Was erwarten Sie dort denn eigentlich zu finden, Major?" Stross beugte sich wieder vor. „Bisher arbeiten Sie die ganze Zeit sehr behaarlich daran, auf diesen Planeten zu kommen. Also muß dort wohl etwas sein, oder?"
"Ich hoffe auf ein Sternentor", antwortete Vashtu. „Zumindest weiß ich, daß es dort einen Außenposten gibt - oder gab. Der dürfte inzwischen verlassen sein. Aber vielleicht treffe ich dort zumindest auf Hilfe und finde die Antwort, wo wir uns hier eigentlich befinden. Die Sterne sagen mir nämlich absolut gar nichts."
Stross nickte sinnend. „Mir auch nicht. Nicht daß ich groß aus Atlantis herausgekommen wäre, aber ..." Sie zuckte mit den Schultern.
"Peter warnte mich übrigens, daß unser netter Colonel es nicht gern sieht, wenn wir beide zusammen sind." Vashtu warf ihrer Begleiterin wieder einen Blick zu. „Er meinte, Pendergast würde Sie mindestens so gern haben wie mich."
"Also gar nicht?" Die Blonde lächelte wieder, lehnte sich entspannt zurück. „Mir paßt seine Art nicht, Major. Mit Ihnen dagegen ... Nun, es ist selten, daß ich mit jemandem so gut wie mit Ihnen auskomme."
"Sie haben mich noch nicht erlebt, Dr. Stross. Nicht wenn ich ... eigene Dinge durchziehe." Vashtu warf wieder einen Blick auf die Anzeigen. Inzwischen hatten sie endlich den Weltraum erreicht. Doch da Pendergast dem Antrieb noch immer nicht so ganz traute, würden die drei Jumper die Prometheus weiter ziehen, bis zum nächsten Planeten, so der Plan.
"Dieser Außenposten ... wissen Sie näheres?" bohrte Stross nun weiter.
Vashtu zuckte mit den Schultern. „Leider nein. Ich weiß nicht einmal, um was genau es sich dabei handelt. Aber wie sagt man auf der Erde: Die Hoffnung stirbt zuletzt."
"Wenn es tatsächlich ein Sternentor geben würde, würden Sie dieses wohl benutzen, richtig?"
Die Antikerin nickte. „Stimmt genau. Ich werde Pendergast nicht einen Moment länger zu Diensten sein als unbedingt nötig. Wenn er meint, mich vor ein Militärgericht schleifen zu müssen, ist das seine Sache. Wie gesagt, wir wissen nicht einmal, wo wir sind."
"Würden Sie es vielleicht in Erwägung ziehen, uns diesen Außenposten zugänglich zu machen?" Stross beugte sich wieder vor.
Vashtu drehte irritiert den Kopf. „Was?" Sie blinzelte.
Die Wissenschaftlerin seufzte. „Ich weiß nicht, inwieweit unser guter Colonel Sie in seine Pläne eingeweiht hat. Aber er hegt tatsächlich den Gedanken, die Atlantis-Crew irgendwo zurückzulassen, vor allem uns Wissenschaftler. Mir persönlich wäre es da lieber, wenn ich irgendwo wäre, wo ich auch sicher bin. Wer weiß, was uns hier erwartet."
Vashtu nickte versonnen, sah wieder aus dem großen Frontfenster, behielt am Rande die Anzeigen im Auge. „Das wußte ich nicht", gab sie nach einer kleinen Weile zu.
"Dachte ich mir. Pendergast ist es unangenehm, daß Sie so gut mit uns können, Major. Es ist ihm ein Dorn im Auge. Deshalb hält er Sie an der möglichst kurzen Leine."
Noch ein Minuspunkt für den Colonel. Vashtu glaubte ihrer Begleiterin jedes einzelne Wort. Dafür hatte sie in den letzten Wochen einfach zuviel erlebt und wußte, wie dieser Militär gestrickt war. Unwillkürlich kam ihr ein Name in den Sinn, und sie fragte sich wirklich, wie weit Pendergast gehen würde, sollte sie nicht so spuren, wie er es gern wollte. Und wie würde er erst reagieren, wenn er erfuhr, was es mit ihr wirklich auf sich hatte?
"Sie wollen also diesen Außenposten in Eigenregie übernehmen? Und die Erde?" fragte sie nach einer kleinen Weile.
"Nun, erst einmal sollten wir herausfinden, ob die Erde ... mh, in welcher Dimension wir uns eigentlich befinden. Danach können wir immer noch entscheiden. Nach allem, was wir in Atlantis erlebt haben, kann es durchaus passieren, daß wir auf einen nicht nur leeren, sondern auch sehr energiearmen Außenposten stoßen. Im Ausschalten der Lichter war Ihr Volk nie besonders gut, oder?"
"Wir hatten genug Energie, wir brauchten das Licht nicht löschen." Vashtu schmunzelte über diesen Vergleich, nickte dann aber. „Warum nicht? Wenn der Außenposten hält, was ich mir verspreche, können Sie ihn meinetwegen haben. Sobald ich wieder im SGC bin, werde ich Meldung machen, daß hier draußen noch einige Leute warten."
"Vielleicht ist man auf der Erde auch an einem weiteren Außenposten interessiert. Wer weiß?"
"Dazu kann ich nichts sagen", antwortete Vashtu.
"Und wenn Sie sich uns anschließen? Zumindest für die erste Zeit?"
Vashtu hob die Brauen. „Anschließen?" Sie schielte zu ihrer Begleiterin hinüber. „Wir reden hier über Dinge, die wir noch gar nicht wissen, Dr. Stross. Ich hoffe immer noch, daß ich nicht endlos warten muß, bis ich wieder auf der Erde bin. Ich will nur aus Pendergasts Dunstkreis verschwinden, mehr erst einmal nicht."
"Sie haben auch einige aus seinen militärischen Reihen beeindruckt", gab die Wissenschaftlerin ihr zu bedenken. „Sie könnten vielleicht die Führung übernehmen."
Vashtu schüttelte den Kopf. „Nicht mit mir! Mir reicht es, wenn ich mein Team zusammenhalten kann. Das ist schon Arbeit genug mit Wallace und seinen ständigen Fehltritten." Sie ließ die Anzeige wechseln.
Der Planet kam immer näher. Er müßte allmählich in Reichweite der Scanner sein.
Stross lachte wieder. „Das ist tatsächlich schon einige Male aufgefallen. Ihr Dr. Wallace hat ein Händchen für Katastrophen, wie?"
Vashtu schmunzelte, nickte dann aber. „Bisher hat Dorn immer auf ihn aufgepaßt. Aber jetzt ..." Sie runzelte die Stirn und schloß den Mund.
Stross seufzte. „Das mit dem Sergeanten tut mir wirklich leid. Aber Dr. Grodin meint, vielleicht ließe sich da noch etwas machen."
Vashtu konzentrierte sich auf die Scanner, hielt unwillkürlich die Luft an, als die ersten Daten im Hologramm erschienen.
"Leben ..." murmelte sie.
Lebewesen, nicht viele, aber zumindest einige, wurden angezeigt. Und etwas ... Mit viel Glück könnte es noch reichen, falls es tatsächlich das Stargate war. Beides war nicht allzu weit voneinander entfernt.
Vashtu runzelte die Stirn. Nachfahren ihres Volkes? Darauf konnte der Scanner ihr keine Antwort geben. Aber zumindest schien dieses Leben humanoid zu sein. Und, soweit sie feststellen konnte, keine Bedrohung durch irgendwelche fremden Rassen.
Die Antikerin nickte nachdenklich. Jetzt mußte sie Pendergast nur noch davon überzeugen, sie auf den Planeten hinunter zu lassen. Und das würde wieder einmal ein hartes Stück Arbeit werden, wenn ihr keine passende Ausrede einfiel.
Stross beugte sich interessiert vor, studierte die Anzeigen ebenso intensiv wie sie. „Sieht doch ganz gut aus. Ein kleines Völkchen, wie es aussieht. Aber immerhin. Sie könnten vielleicht als Führer fungieren, wenn wir es klever anstellen."
Vashtu nickte, änderte dann wieder die Frequenz. „Prometheus? Auf dem Planeten gibt es Leben", meldete sie.

TBC ...

23.06.2010

Das Angesicht des Feindes 3/4 V

Zwei Wochen später

"Dieser Kerl ist einfach ... ein purer Ignorant!" schimpfte Peter Babbis, fuhr nach einigem Zögern mit seiner Tirade fort.
"Sprechen Sie sich nur aus, Peter." Vashtu ließ das Wasser über ihr Gesicht rinnen, streckte sich dann in dem Wasserstrahl aus dem Duschkopf. „Hier drin gibt es keine Wanzen."
"Haben Sie eine Ahnung, was der ... der ... Pendergast! ... gestern gemeint hat? Ich solle mir doch erst einmal die Windel wechseln lassen!"
Vashtu grinste, schluckte Wasser und prustete. Dann griff sie nach der Seife und begann sich gründlich zu waschen. Peter auf der anderen Seite des undurchsichtigen Duschvorhangs lamentierte weiter.
Irgendwie fehlte ihr das gemeinsame Basteln, mußte sie zugeben. Die Prometheus lag noch immer auf dem Mond, und, nachdem sie sich den Antrieb einmal angesehen hatte, war sie sich ziemlich sicher, daß dieses Schiff aus eigener Kraft auch nicht wieder aufsteigen würde ins All.
"Die ganze Zeit peitscht er uns an. Jetzt hat er sogar unsere Rationen gekürzt, damit wir endlich ans Arbeiten kommen", wütete Peter zornig weiter. „Als würde es ums Essen gehen! Diese Pampe hier kann er sich in die Haare schmieren!"
Vashtu kicherte, wusch sich ihre Haare und hörte weiter zu.
Ein Treffen zwischen den, inzwischen mußte sie wohl zugeben, ehemaligen Mitgliedern von SG-27 war viel zu selten. Pendergast hielt sie alle auf Trab, einmal abgesehen von Dorn, der noch immer auf der Krankenstation lag.
Vashtus Brauen schoben sich zusammen.
Was würde mit dem alternden Marine geschehen, jetzt? Wenn sie hier nicht wegkamen, wenn sie hier für immer festsitzen würden? Sie wußte es nicht. Aber an aktiven Dienst war bei Dorn nicht mehr zu denken, nicht nach ...
Sie zwang sich, dem Gedankengang nicht weiter zu folgen. Sie wollte gleich noch den Marine besuchen, da konnte sie diese Stimmung nicht gebrauchen. Im Gegenteil mußte sie Dorn Mut geben, weiterzuleben und sich irgendwie wieder aufzurappeln.
"Der Antrieb ist hinüber, Punktum!" Ein Schmerzenslaut nach einem heftigen Klatschen. Offensichtlich hatte Peter sich mal wieder selbst geschlagen.
Vashtu schüttelte den Kopf, drehte die Brause ab und steckte den Kopf hinter dem Vorhang hervor. „Können Sie mir vielleicht das Handtuch reichen, Peter? Oder geht das im Moment über Ihre Kräfte?" fragte sie und erntete einen giftigen Blick, der sie wieder grinsen ließ.
"Vielleicht, mit viel Mühe und noch mehr Bastelei, kriegen wir die Prometheus auf Manövergeschwindigkeit hochgeputscht", erklärte er dann, während er ihr eines der großen, kratzigen Handtücher reichte, sich dann wieder auf dem Schemel niederließ.
Vashtu verschwand erneut hinter dem Vorhang und begann sich abzutrocknen.
"Vom Hyperantrieb jetzt mal gar nicht zu sprechen! Der ist endgültig reif für den Schrottplatz. Da könnten selbst Sie nichts mehr tun", fuhr der junge Wissenschaftler fort.
Vashtu nickte nachdenklich, rubbelte sich mit dem Handtuch die Haare trocken. „Da ist wirklich nichts mehr zu machen?" fragte sie dabei.
"Ich habe keine Ahnung, was Pendergast mit diesem Antrieb angestellt hat, aber der ist dermaßen in seine Einzelteile zerlegt, selbst Heimdahl kann da nichts mehr machen", antwortete Peter.
Vashtu hob mit einem Ruck den Kopf. „Heimdahl?" fragte sie.
"Der Asgard auf diesem Schiff."
Wieder steckte sie den Kopf hinter dem Vorhang hervor und starrte ihr ehemaliges Teammitglied an. „Wir haben einen Asgard auf der Prometheus?" Ihre Augen wurden groß.
"Wußten Sie das nicht?" Peter lehnte sich grinsend zurück. „Den stumpfsinnigen Piloten wird da zwar ein feines Leben bereitet mit Einzelkabinen, aber von den anderen Besatzungsmitgliedern haben sie keine Ahnung, was? Müssen sich voll aufs Fliegen konzentrieren, wie? Alles andere würde den Intellekt übersteigen."
Vashtu musterte ihn einen Moment mit geschürzten Lippen, dann verschwand sie wieder in der Duschkabine. „Wie ist er so?" erkundigte sie sich dann, band sich das Handtuch um den Körper, nachdem sie sich so schnell wie möglich fertig trockengerubbelt hatte.
"Wer?"
"Dieser Asgard, Peter. Worüber sprachen wir denn gerade?" Sie schob mit einer entschlossenen Geste den Duschvorhang zur Seite und trat aus der niedrigen Wanne.
Peter starrte sie einen Moment lang groß an, dann senkte er den Kopf mit hochrotem Gesicht.
"Sie haben mich schon in ähnlichen Situationen gesehen, Peter. Ein bißchen spät für Scham, finden Sie nicht?" Vashtu trat an ihm vorbei und begann sich, ihm den Rücken zukehrend, anzuziehen.
"Heimdahl ist schon ... naja, soweit ich sagen kann, ist er ganz in Ordnung. Aber manchmal habe ich schon ein merkwürdiges Gefühl bei ihm. Kann aber auch daran liegen, daß ich nicht so viel Erfahrung mit Asgard habe." Peter zuckte mit den Schultern, fixierte starr die gegenüberliegende Wand.
"Mh", machte die Antikerin in seinem Rücken.
"Er sagte selbst, er sei ... äh, noch jung. Er sollte hier auf der Prometheus einen Transporter installieren, als Pendergast den Befehl erhielt, sofort nach Atlantis zu fliegen und die Leute dort herauszuholen."
"Jung?" Vashtu schlüpfte in den unförmigen Overall und kämpfte kurz mit dem Reißverschluß, dann drehte sie sich wieder um. „Sie können sich wieder umdrehen, Peter", sagte sie. „Und was heißt jung? Die Asgard sind ein sterbendes Volk. Bei ihnen gibt es schon seit Jahrhunderten keinen Nachwuchs mehr."
"Er ist wohl der erste, keine Ahnung."
Mit weiten Schritten trat sie zu ihm, beugte sich vor und starrte ihn entgeistert an. „Der erste?" wiederholte sie aufgeregt. „Oh Mann!"
"Tja, wie auch immer." Peter wich ein wenig vor ihr zurück. „Der Antrieb ist definitiv hinüber. Nur will Pendergast das nicht einsehen."
Vashtu richtete sich wieder auf. „Kann ich ihn mal treffen?" fragte sie, strich sich mit einer Hand den fransigen Pony aus der Stirn.
"Pendergast? Dem laufen Sie doch schon oft genug über den Weg, wie ich gehört habe." Peter mußte ein Lachen unterdrücken. Die verbalen Schlagabtausche zwischen seiner Leaderin und dem Kommandanten der Prometheus waren inzwischen schon fast legendär. Irgendwann, davon war er überzeugt, würde sie es fertigbringen und tatsächlich in der Brick landen.
"Heimdahl! Mit dem würde ich gern sprechen." Vashtu wischte seine Worte mit einer entschlossenen Geste aus dem Raum.
Peter neigte den Kopf und begann, an seinem Ohrläppchen zu zupfen. „Wenn Sie das hinter dem Rücken unseres fleißigen Colonels schaffen? Er sieht es wohl nicht gern, wenn sich einer seiner Offiziere mit den Wissenschaftlern herumtreibt, oder?"
Vashtu schnaubte, drehte sich wieder um, griff sich einen Kamm und begann, ihr wirres kurzes Haar zu bearbeiten. Das allerdings war schon jetzt vollkommen überflüssig. Das Ergebnis war nur ein noch größeres Durcheinander auf ihrem Schädel.
"Es ist ihm ein Dorn im Auge, daß Sie so gut mit Dr. Stross können, Vashtu", fuhr Peter fort. „Ich an Ihrer Stelle wäre da ein wenig vorsichtiger. Pendergast mag diese Stross nicht gern, naja, ungefähr ebenso gern wie Sie."
"Dann paßt es doch wieder." Die Antikerin betrachtete sich kritisch in dem kleinen Spiegel, drehte sich dann wieder um. „Können Sie für ein Treffen mit diesem Heimdahl sorgen?"
"Ich werde sehen, was sich machen läßt." Peter erhob sich.
Vashtu nickte befriedigt, runzelte dann die Stirn. „Manövergeschwindigkeit, sagten Sie?" fragte sie dann, den Kopf leicht neigend.
Peter atmete tief ein, um wieder auf das ursprüngliche Thema zurückzufinden und Zeit zu gewinnen. Dann nickte er. „Ja, genau. Und mit Manövergeschwindigkeit meine ich, nach Anlauf."
Vashtu kreuzte die Arme vor der Brust. „Damit kommen wir nicht von diesem Mond herunter." Ihre Stimme klang nachdenklich. Dann drehte sie sich abrupt um. In ihren Augen leuchtete ein Licht. „Aber ..." Sie fuhr herum, sah zu ihm auf.
Peter starrte sie einen Moment lang begriffsstutzig an, dann verstand auch er. „Das Lager!"
"Die Jumper!"
"Anschieben!"
Sie nickte.
Peter zupfte wieder an seinem Ohrläppchen, schürzte die Lippen. „Aber ... haben wir genug Stahlseile?"
"Dürfte sich herausfinden lassen." Vashtu grinste. „Die Frage ist eher, wieviele Menschen mit dem ATA-Gen befinden sich auf der Prometheus."
Peter blies die Wangen auf. „Nicht gut. Mit Ihnen und mir drei. Da ist nur noch Markham, fürchte ich."
"Sicher?"
"Sicher."
Vashtu wandte sich ab, die Stirn erneut gerunzelt und die Arme noch immer vor der Brust gekreuzt. „Könnte eng werden", sagte sie schließlich. „Aber theoretisch ist es möglich."
"Sie meinen ... ?"
"Wenn die Jumper parallel zueinander die Prometheus hochziehen und diese die Triebwerke zumindest versucht einzusetzen, dürfte es knapp klappen."
"Aber ... zwei Jumper?"
"Drei, Peter." Sie drehte sich wieder zu ihm um und reckte das Kinn. „Sie fliegen mit!"
"Ich?" Er bekam große Augen.
Vashtu nickte. „Wenn ich Ihnen schon die Idee gebe, können Sie auch dafür arbeiten. Wir müssen nur bis zum nächsten Planeten. Danach kann Pendergast uns gestohlen bleiben."
"Wenn er Sie gehen läßt, meinen Sie", warf Peter ein.
"Der wird mich nicht wiedersehen, davon können Sie ausgehen. Bin ich einmal auf diesem Planeten, komme ich so schnell nicht wieder hierher zurück. Kann er doch die nächsten Jahrmillionen damit verbringen, die Prometheus durch das All zu schieben und zur Erde zurückzukommen. Ich nehme den kürzeren Weg." Sie grinste.
"Hä?"
"Es gibt einen Außenposten meines Volkes auf dem nächsten Planeten. Und ich gehe jede Wette darauf ein, daß wir dort auch ein Stargate finden werden, Peter. Damit dürften wir dann um einiges schneller wieder auf der Erde sein als unser guter Freund hier."
Peter starrte sie nur groß an.

***

Vashtu lugte mit langem Hals um die Ecke, schlich dann weiter. Vorsichtig öffnete sie die Tür, sondierte sehr sorgfältig die Lage, ehe sie in den Raum glitt und an das herantrat, was früher einmal der Hyperantrieb der Prometheus gewesen war. Unwillig verzog sie das Gesicht.
Von diesem Hyperantrieb war wirklich nicht mehr viel ganz geblieben. Und ...
Sie hob den Kopf, drehte sich dann um und lauschte aufmerksam in sich hinein.
Da war doch ...
Unwillkürlich tastete sie nach ihrer Brusttasche, doch der Detektor steckte immer noch in der Überlebensweste, und die lag in ihrer schmalen kleinen und schlecht belüfteten Kabine. Aber dennoch.
Ihre Hand glitt zu ihrer Beretta hinunter. Zumindest die durfte sie noch offen tragen als Militärangehörige, war doch schon einmal was.
Vorsichtig, nur ja kein Geräusch verursachend, schlich sie zwischen den anderen Maschinen hindurch, sah sich aufmerksam um.
Irrte sie sich, oder ... ?
Der Hyperantrieb war definitiv durch eine Wraith-Granate zerstört worden. Also mußte wenigstens einer dieser Grünhäute auf die Prometheus gelangt sein.
Was war hier denn nur passiert? Wie war ein Schiff, das schon seit über einem Jahr nicht mehr existierte, mit einer Besatzung, die teilweise ebenfalls als tot oder zumindest vermißt galt, ausgerechnet hierher gekommen?
Sie wußte es nicht. Aber ihr war klar, daß man möglicherweise etwas vergessen hatte in der ganzen Aufregung. Das da hinten hatte wenigstens ein Wraith angerichtet, und sie hatte bisher noch nichts davon gehört, daß man an Bord irgendwelche Grünhäute gesehen hätte. Die Mannschaft würde das nicht unter den Tisch kehren, soviel war sicher. Niemand würde mit einer solchen Tat, einen Wraith zu töten, hinter dem Berg halten bei den heutigen Menschen.
Leise entsicherte sie die Waffe, setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Dieser Overall störte, und das nicht wenig! Das Ding laberte um ihren Körper, war ihr mindestens zwei Größen zu groß, dabei war das schon der kleinste gewesen, den dieser Bates ihr hatte anbieten können.
Vashtu biß sich auf die Lippen. Zumindest würde wohl kaum eine Naht reißen, sagte sie sich, konzentrierte sich wieder auf ihre Suche.
Wenn es hier irgendwo einen Wraith gab, dann mußte er logischerweise auch zu finden sein. Die Frage war nur, wo?
"Major Uruhk?"
Vashtu verzog das Gesicht, klopfte dann mit einem Finger auf das Empfangsteil. Irgendwann würde sie Pendergast noch seine Stimmbänder als Schnürsenkel verkaufen, schwor sie sich. Immer im ungünstigsten Moment.
"Sir?" knurrte sie, hielt die Beretta konzentriert auf den Boden gerichtet und sah sich weiter um.
"Ihr Dr. Babbis kam gerade mit einer interessanten Idee zu mir. Ich würde gern mit Ihnen darüber sprechen, Major. Jetzt!"
Vashtu kniff die Lippen aufeinander, um nicht ins Mikro zu brüllen.
Natürlich jetzt, am besten gestern um diese Uhrzeit oder mit anderen Worten sofort. Das fehlte ihr gerade noch.
Unwillkürlich richtete sie sich steif auf, als sie den Schmerz, oder das, was Schmerz sein sollte, fühlte. Der Wraith!
Sie wirbelte herum und bekam einen Schlag, der sie gegen ein Rohr taumeln ließ. Ächzend fing sie sich ab und hob die Waffe.
Der Grünhäutige starrte sie an, wie ihr schien, mit einem überlegenen Grinsen auf den Lippen.
"Major, haben Sie verstanden?"
"Ja", knurrte sie ins Mikro.
Der Wraith kam näher, langsam und immer noch seiner Beute sicher, da sie sich nicht regte.
Vashtu drückte ab, einmal, zweimal, dreimal. Die Beretta bellte die Kugeln aus.
Ihr Gegner taumelte zurück.
"Schießen Sie?" Pendergasts Stimme klang überrascht.
Vashtu verkniff sich die Antwort, raste statt dessen auf den Wraith zu. Der schien gut genährt zu sein. Dann also anders. Sie hatte nämlich leider kein Ersatzmagazin mitgenommen. Wer hätte denn auch ahnen können, daß ...
Sie rammte ihre Faust in sein Gesicht, packte seinen rechten Arm und trat zu, während sie sich selbst fallen ließ.
"Du kriegst mich nicht, verdammter Mistkerl!" knurrte sie dabei.
Schwer fiel der Wraith, und sie mit ihm.
"Major?"
"Gleich, Sir. Dauert nur einen Moment." Sie richtete sich wieder auf, kam auf seiner Brust zu hocken und bearbeitete ihn ein bißchen mit den Fäusten, bis er nur noch benommen zu ihr hochblinzelte. Dann lächelte sie zuckersüß, während sie die Waffe wieder zog.
"Viel Spaß im Jenseits!" Sie drückte den Lauf gegen seine Stirn. Die Augen des Wraith wurden groß, kurz bevor sie abdrückte, ihm mehrere Kugeln in den Schädel jagte.
Das Problem wäre gelöst.
"Major?"
Seufzend steckte sie die Beretta wieder ein, klopfte auf ihr Funkgerät. „Ich bin ja schon unterwegs", sagte sie, während sie sich erhob. In diesem Moment wurde die vordere Tür mit einer solchen Wucht aufgestoßen, daß es nur so knallte.
Mist!
Etwas hilflos sah sie auf den toten Wraith hinunter, blickte dann wieder auf.
Pendergast hatte ihr mehr als deutlich zu verstehen gegeben, daß sie in den Maschinenräumen nichts, aber auch absolut gar nichts, zu suchen hatte. Und jetzt hatte sie auch noch einen toten Wraith am Hals.
Zwei Marines kamen um die Ecke gerannt, blieben dann wie angewurzelt stehen und starrten sie groß an.
Vashtu zwang sich zu einem Lächeln. „Er ... floh hierher", versuchte sie irgendwie zu erklären.
Die beiden starrten sie nur weiter an.
Hinter ihnen erschien Pendergast. Entgeistert blieb er stehen und starrte auf den Leichnam, dann auf sie. „Major, ich hoffe, Sie haben eine Erklärung."
Vashtu verzog wieder das Gesicht. Im Lügen war sie nicht besonders gut, das wußte sie auch selbst. Also zuckte sie erst einmal nur mit den Schultern.
"Ich wollte ... zum Hangar und nach meiner Maschine sehen, Sir. Da lief der mir über den Weg." Sie wies auf den toten Wraith.
Pendergast starrte sie weiter durchdringend an. „Und warum haben Sie keine Verstärkung gerufen, Major?"
Vashtu schluckte. „Äh, weil Sie mich gerade anfunkten, Sir?" Diese Ausrede war mehr als lahm, und sie wußte es.
Der Colonel trat näher, musterte noch einmal den Wraith vor seinen Füßen. Als er die Augen wieder hob, sah sie die Skepsis, kniff die Lippen aufeinander.
Sie wußte schon sehr genau, warum sie bisher noch niemandem gegenüber ihre veränderten Gene erwähnt hatte. Was sie aber mit dem Wraith angestellt hatte ... nun, man brauchte nur ein Paar Augen, notfalls reichte auch eines, und die Wahrheit kam ans Licht.
Pendergast nickte nachdenklich. „Na schön", sagte er. „Ich hoffe, Sie wissen jetzt zumindest meine Leitung zu schätzen, Major. Immerhin bin ich sofort mit einem Stoßtrupp zu Ihnen gekommen, um Ihnen bei Ihren Schwierigkeiten zu helfen."
Wieder ein zerknirschtes Lächeln. Dieser Stoßtrupp war tatsächlich das letzte, was sie sich hier gewünscht hatte. Allerdings zeigte es nur allzu deutlich Pendergasts Entschlossenheit, was ihre Person betraf.
"Ja, Sir. Vielen Dank für die Hilfe, Sir", beeilte sie sich zu versichern.
Der Colonel nickte wieder, hob dann die Hand. „Dann kommen Sie einmal mit." Seine Stimme klang jetzt beinahe kameradschaftlich - wenn sie ihn nicht besser kennen würde. „Wie gesagt, Ihr Dr. Babbis ist da mit einer Idee an mich herangetreten. Wäre vielleicht auch etwas für Sie."
Vashtu warf dem Leichnam noch einen letzten Blick zu, dann nickte sie und folgte Pendergast wieder aus dem Maschinenraum hinaus.

TBC ...

21.06.2010

Das Angesicht des Feindes 3/4 IV

Dr. Anne Stross zögerte vielleicht eine halbe Sekunde, dann nickte sie Markham zu und folgte den beiden Eindringlingen hinaus in das Lager.
"Die lügen doch, oder?" Die Stimme des jungen Soldaten zitterte ein wenig.
Anne neigte abwägend den Kopf. Wenn sie in den letzten zwei Jahren als Assistentin von Dr. Elizabeth Weir eines gelernt hatte, dann das, nämlich ihrem Instinkt zu folgen. Und der teilte ihr gerade sehr vehement mit, daß sie die beiden Eindringlinge auf keinen Fall aus den Augen lassen sollte. Vor allem diese Majorin nicht, auf keinen Fall sie! Im Gegenteil sollte sie alles tun, um sich an sie zu hängen.
Und vielleicht hatte dieser Instinkt recht, wenn er ihr sagte, daß sie in Vashtu Uruhk die Lösung ihrer Probleme gefunden hatte. Auf jeden Fall, ob nun Lantianerin oder nicht - und nach ihrem kurzem Wortwechsel hatte sie eigentlich keinerlei Zweifel an der Echtheit der Aussage von diesem Babbis - etwas an dieser Frau war eigenartig, und das lag bestimmt nicht nur an der Art, wie sie Autorität und Wissen ausstrahlte.
Eine eigenartige Frau, wirklich. Im ersten Moment hatte sie geglaubt, eine Inderin vor sich zu haben, doch dazu paßte diese eigentümlich blaße Haut nicht so ganz. Die Gestalt war schlank, richtig propotioniert, soweit sie das feststellen konnte. Und dennoch schien da etwas in dieser Vashtu Uruhk zu lauern, das nicht immer sofort herausgelassen wurde. Ihre Augen ... Diese dunklen Augen waren anders. Etwas an dem Blick hatte Anne beeindruckt. Diese Entschlossenheit, dieser Kampfgeist. All das schien irgendwie zu dieser Frau zu passen, ebenso wie das tintenschwarze, kurze Haar, das wirr nach allen Seiten abstand und ihr etwas Spitzbübisches verlieh. Die Art ihrer Bewegungen ließ die Kämpferin in ihrem Inneren erahnen, auch wenn sie eigentlich gar nicht über soviel Kraft verfügen durfte.
"Dr. Stross?" Markham klang allmählich wirklich etwas verzweifelt.
Der Major und Dr. Babbis waren in den Generatorraum eingedrungen, standen jetzt über die Energieversorgung gebeugt und schienen leise zu diskutieren.
Anne war in der Tür stehengeblieben, Markham noch immer an ihrer Seite. Stirnrunzelnd beobachtete sie dieses ungleiche Paar.
Sie waren offensichtlich aufeinander eingespielt. Zwar benutzten sie noch Worte, doch es schienen nicht mehr als einige Brocken zu sein, in der Schnelligkeit, in der sie sie wechselten. In die Augen des Majors trat ein neuer Glanz.
Seit wann arbeitete das Militär mit Wissenschaftlern zusammen? Und, vor allem, als ein so eingespieltes Team wie es diese beiden zu sein schienen? Das kannte Anne vollkommen anders, und im Moment beneidete sie diesen Babbis um die Kommunikation, die er mit dem Major aufgebaut hatte.
Vashtu Uruhk drehte sich mit einem Ruck zu ihr herum. In ihren Augen loderte ein Feuer. „Atlantis wurde aufgelöst, sagten Sie?" fragte sie.
Anne richtete sich gerade auf, dann nickte sie.
"Haben Sie hier irgendwo Naquadah-Generatoren in der Nähe?" bohrte die vermeintliche Antikerin weiter.
"In den Kisten neben den Jumpern", antwortete Anne.
Diese, so eigenartig wirkenden Augen lächelten, und sie begriff endlich, warum sie ihr so merkwürdig vorkamen. Der Major sprach mit ihnen wie mit Worten, etwas was die wenigsten verstehen oder bemerken würden. Wobei ... bei dieser Frau würde man es bemerken, dessen war Anne sich plötzlich sicher.
"Was haben Sie vor?" fragte sie.
Der Major blinzelte, Tatendurst lag in ihrem Blick. „Wir schließen ein oder zwei Generatoren an die Lebenserhaltungssysteme an und blasen das Schiff einmal komplett mit frischer Luft durch. Kein Problem, Werkzeug habe ich bei mir", antwortete sie.
Annes Augen wurden groß. „Sie wollen ... ?"
Dieser Babbis nickte, trat auf sie zu. „Kein Problem. Wir machen solche Dinge öfter. Ist ein Hobby des Majors. Neben ... äh, anderen Dingen."
"Ich lerne die Technik der Menschen, Peter. Ein Hobby ist für mich etwas anderes. Obwohl ... es ist schon irgendwie entspannend." Der Major lachte leise.
Markham warf Anne einen zweifelnden Blick zu. Die nickte. „Helfen Sie Dr. Babbis, damit wir wieder Luft kriegen", sagte sie, betrat nun doch endlich den Raum.
Der Major sah ihr interessiert entgegen, als sie näherkam, kurz vor ihr stehenblieb.
Diese Frau war wirklich bemerkenswert, ging Anne durch den Kopf. Sie hatte noch nie erlebt, daß ein Militärangehöriger überhaupt verstand, was ein Wissenschaftler von ihm wollte. Und diese Major Uruhk verstand es nicht nur, sie wollte es wohl auch selbst tun.
"Was können Sie denn noch, Major?" fragte Anne, als sie direkt vor der anderen stand.
Diese Augen blickten ein wenig irritiert, dann entschlossen. „Als mein Volk noch lebte, arbeitete ich als ... Sie würden es Biotechnikerin nennen", antwortete sie. „Allerdings habe ich mich schon immer mehr für Technik interessiert. Auf Atlantis, auf unserem Atlantis, arbeite ich einmal im Monat für Dr. McKay, falls dieser Name Ihnen etwas sagt."
Anne holte wieder tief Atem, nickte dann. „Er wurde von den Wraith getötet, wie viele andere auch. Ist noch gar nicht lange her. Er war ... etwas ungewöhnlich, aber auf seine Art brilliant."
Kurz sah sie Trauer in den Augen der anderen, dann schüttelte diese den Kopf. „Mein Dr. McKay ist einfach nur eine Nervensäge - wie Babbis es manchmal auch sein kann." Sie begann, die vielen Taschen ihrer Überlebensweste abzutasten, schob sich endlich die Jacke von den Schultern, um an die hinteren Taschen zu gelangen und holte einiges an Werkzeug hervor.
Anne staunte nicht schlecht, mußte allerdings auch schmunzeln.
Sie konnte nur hoffen, daß Pendergast nicht gerade mal wieder eine seiner Abhöraktionen durchführte und somit das Geheimnis dieser Frau gewahrt blieb. Sie wünschte ihr nicht, daß der Colonel sie in seine Finger kriegte. Obwohl ... etwas anderes würde dem Major wohl nicht übrigbleiben, wollte sie auf die Prometheus.
"Halten Sie mal." Der Major hielt ihr einen Schraubenschlüssel hin, drehte sich dann um und begann, an den Verbindungen mit einem anderen Werkzeug zu arbeiten.
Sie tat es tatsächlich! Sie überließ nicht diesem Babbis die Hauptarbeit, sie tat sie selbst.
Anne kam allmählich aus dem Staunen nicht mehr heraus.
"Was hat Sie dazu gebracht, der Army beizutreten, wenn Atlantis doch eigentlich Ihre Heimat ist?" fragte sie schließlich.
"Eben weil ich nach Atlantis zurückwollte, trat ich der Air Force bei", antwortete der Major, richtete sich wieder auf, um sich kurz darauf auf die Knie sinken zu lassen und die nächste Verbindung zu lösen. „Ein Deal mit Washington, wenn Sie so wollen. Ich hatte einen etwas ungünstigen Start auf Atlantis in dieser Zeit. Schließlich blieb mir keinen andere Wahl und ich ging zur Erde, schloß mich dort dem SGC an und wurde erst von Abteilung zu Abteilung gereicht, bis ich endlich wieder durch das Gate durfte."
Anne beugte sich unwillkürlich ebenfalls vor, beobachtete sie bei der Arbeit. Sie wußte wirklich, was sie tat, das wurde ihr sehr schnell klar.
"Schließlich bekam ich mein eigenes SG-Team. Naja, und kurz darauf trat man an mich heran und bot mir den Posten als Major der USAF mit dem Deal, jeden Monat für eine Woche nach Atlantis zu gehen als McKays Assistentin." Der Major warf ihr einen Blick über die Schulter zu und blinzelte verschwörerisch. „Es gab da ein kleines Geheimnis, das ihn halb wahnsinnig machte. Aber er brauchte wohl etwas länger, bis er begriff, daß ich nur unter einer Bedingung bereit war, ihm dieses Geheimnis zugänglich zu machen."
Anne schmunzelte, richtete sich dann wieder auf, als sie Schritte hinter sich hörte.
"Peter, es kann losgehen." Der Major richtete sich ein wenig ächzend wieder auf und streckte den Rücken.
Babbis und Markham stellten die zwei Naquadah-Generatoren ab, der Wissenschaftler mit dem jugendlichen Auftreten kam heran und äugte mit langem Hals auf die Vorarbeit. „Raus mit dem Ding", kommentierte er dann.
Der Major warf ihm einen halben Blick zu. „Dann her mit den neuen", sagte sie, beugte sich wieder vor und ... hob den Generator aus seiner Verschalung.
Anne bekam große Augen. Diese Dinger, vor allem die alten, wie sie ihn hier sah, wogen fast zweihundert Pfund. Und Major Uruhk hob ihn hoch, als wäre er nicht schwerer als eine Feder! Wie konnte das bei dieser schlanken, beinahe zierlichen Person sein?
Die vermeintliche Antikerin stellte den unhandlichen Generator zur Seite, half dann Babbis dabei, den neuen zu plazieren, ehe beide eifrig begannen, die Anschlüsse zu erneuern.
Anne schüttelte einfach nur den Kopf.
Was sich da vor ihren Augen abspielte, ging beinahe über ihren Verstand. Sie hatte noch nie eine so enge Zusammenarbeit zwischen zwei so unterschiedlichen Personen gesehen. Die beiden mußten wirklich aufeinander eingespielt sein.
Major Uruhk aktivierte schließlich den Generator, der daraufhin ein leises Summen von sich gab. Dann richtete sie sich wieder auf und sah hoch zu den Lampen unter der Decke. Diese blinkten erst ein bißchen, dann aber lieferten sie endlich wieder Licht.
"Geht doch!" kommentierte sie zufrieden.
"Diese beiden sind merkwürdig", wisperte Markham Anne zu, die nur zustimmend nicken konnte.

***

Vashtu landete den Jumper und öffnete die Heckluke, ehe sie sich von ihrem Sitz erhob und nach hinten ging, um den anderen zu helfen, Dorn in die Prometheus zu bringen. Da erhaschte sie einen Blick auf zwei Marines, die mit strammen Schritten auf den kleinen Gleiter zuhielten.
Stross bemerkte ihr Zögern, sah ebenfalls hinaus. Dann seufzte sie. „Pendergast!" Sie schüttelte den Kopf, packte den Marine unter einer Achsel, Wallace auf der anderen Seite hob den schweren Mann jetzt ebenfalls an. Peter und dieser Markham trugen die Beine.
Vashtu zögerte, dann straffte sie die Schultern und verließ hinter den anderen den Jumper. Die Marines waren wohl ihretwegen gekommen - irgendwann hatte der Kommandant der Prometheus schließlich auf ihr Auftauchen reagieren müssen. Nur hätte sie sich ein bißchen mehr Zeit gewünscht, um bei Dorn bleiben zu können.
"Mam?" Der eine der beiden salutierte vor ihr. „Major."
Sie nickte und nahm ihm den Gruß ab. „Sergeant?" fragte sie dann.
"Colonel Pendergast wünscht Sie zu sprechen, Major. Würden Sie uns bitte folgen?" Der junge Mann trat zur Seite.
Vashtu seufzte wieder, trat dann zwischen die beiden Marines und ließ sich von ihnen ins Schiff führen.
Irgendwie hatte sie auf eine etwas andere Begrüßung gehofft, nachdem Peter und sie immerhin den meisten Besatzungsmitgliedern das Leben gerettet haben dürften. Noch dazu mußte sie zugeben, sie hatte auf jemand ähnlich verständnisvollen gehofft wie diese Dr. Stross. Aber da hatte sie wohl komplett falsch gelegen. Dieser Colonel wollte wohl gleich zu Beginn klarstellen, wer auf der Prometheus das Sagen hatte.
Sie ließ sich durch die Gänge führen, jetzt wieder beleuchtet und mit frischer Luft versorgt. Es herrschte reges Treiben, man merkte deutlich, daß die Prometheus eigentlich überfüllt war mit der Besatzung von Atlantis an Bord. Und dieses Mal achtete die Antikerin wirklich auf die Gesichter derer, die die Uniform der fliegenden Stadt trugen. Dabei stellte sie zu ihrer Überraschung fest, daß diese sich die Waage hielten. Einen Teil kannte sie tatsächlich, wie die junge Japanerin, die schon Peter aufgefallen war, der andere aber sagte ihr nichts, wie dieser hochgewachsene Mann mit dem gewaltigen Schnauzbart.
Die beiden Marines brachten sie auf die Brücke, die erheblich kleiner und unübersichtlicher war als die auf der Daedalus. Offensichtlich hatte sie mit der Prometheus nicht allzu viel verpaßt, wie ihr aufging.
Auf dem Kommandantensitz in der Mitte saß ein grauhaariger Mann mit einem, eigentlich sympatischen Gesicht, wenn seine Augen nicht so kalt geblickt hätten.
Vashtu blieb stehen, als auch die Marines stehenblieben, und salutierte stramm, wobei ihr die Jacke wieder von den Schultern rutschte.
Kein guter Start, wie sie an dem verärgerten Blitzen der kalten Augen bemerkte.
"Major ... Uruhk, wenn ich mich nicht irre?" Der Kommandant der Prometheus lehnte sich nach vorn und starrte sie an.
"Sir?" Sie ließ ihr Gesicht erstarren. Dennoch bohrte die Frage in ihr weiter, woher er jetzt schon ihren Namen kannte.
Der Mann nickte, lehnte sich wieder zurück. „Colonel Pendergast, Kommandant der Prometheus", stellte er sich vor.
Vashtu schluckte. Noch immer stand sie stocksteif da, die Hand an der Stirn und wartete. Und es sah im Moment nicht so aus, als wolle Pendergast sie „bequem" stehen lassen.
"Sie hätten sich zuallererst bei mir melden sollen, Major. Ich hoffe, das ist Ihnen klar", fuhr der Colonel fort.
"Ja, Sir", antwortete sie und wagte ein zerknirschtes Lächeln. „Allerdings war die Luft im Schiff verbraucht. Wir wären nicht soweit gekommen, Sir."
"Soll ich Ihnen dankbar für dieses Pfuschwerk sein?" Pendergast hob eine Braue.
Vashtu spannte die Kiefer an, sagte aber nichts.
Pfuschwerk? Was bildete dieser Kerl sich ein?
Er nickte, offensichtlich hatte er ihre Reaktion erwartet. „Stehen Sie bequem, Major", sagte er im gönnerhaften Ton.
Vashtu nahm endlich die Hand von der Stirn, drückte den Rücken durch und verschränkte die Hände hinter ihm, wie man es ihr auf der Erde beigebracht hatte. Wer auch immer zu dieser Haltung „bequem" sagte, hatte es wohl selbst noch nicht ausprobiert.
Pendergast richtete sich jetzt auf, nickte den beiden Marines wortlos zu, die daraufhin die Brücke verließen, und begann dann, sie zu umrunden, während er sie genau im Auge behielt.
"Ich bin Ihnen dankbar. Allerdings bleibt immer noch die Tatsache im Raum stehen, daß Sie sich hätten auf der Brücke melden sollen. Statt dessen stehlen Sie einen der Puddlejumper und hauen ab - mit Dr. Stross und Lieutenant Markham."
Vashtu biß sich auf die Lippen und wartete.
Pendergast baute sich vor ihr auf. „Auf meinem Schiff gibt es eine einfache Befehlskette, Major: Ich bin die Autorität, alle anderen haben mir zu folgen. Ist das klar?"
"Ja, Sir", sagte sie.
Pendergast sah ihr tief in die Augen. „Ich glaube, das ist bei Ihnen noch nicht so ganz angekommen, Major. Woher auch immer Sie kommen, bei Ihnen scheint man das ganze nicht so ernst zu nehmen wie ich. Darum wiederhole ich es noch einmal: Sie werden jedem einzelnen MEINER Befehle folgen, und zwar ohne jeglichen Kommentar. Verstanden?"
Sie nickte. „Ja, Sir, ich habe verstanden."
"Wie bitte?" Er beugte sich leicht vor.
Vashtu atmete tief ein. „Ja, Sir, ich habe verstanden. Ich werde jedem einzelnen Ihrer Befehle folgen, Sir."
Er nickte nachdenklich, musterte sie wieder von Kopf bis Fuß. „Sie gehören zur USAF?"
"Ja, Sir."
"Und Sie stammen nicht von der Erde? Sie sind eine ... eine Lantianerin, was auch immer das sein soll", fuhr er fort.
"Ich komme aus Atlantis, Sir. Auf der Erde wird mein Volk Antiker genannt", antwortete sie.
Ein eigentümliches Leuchten trat in seine Augen. Wieder beugte er sich über sie, sah ihr tief in die Augen. „Eine Antikerin, die in der Air Force dient?"
"Ich habe mich der Air Force angeschlossen, Sir, ebenso wie ich die amerikanische Staatsbürgerschaft besitze. Das waren Voraussetzungen für einige Deals, die ich abgeschlossen habe mit der Erde, Sir."
Pendergast begann wieder, sie zu umrunden. Vashtu fühlte jeden einzelnen Blick auf sich wie brennende Kohlen. Dieser Kerl war ihr unsympatisch. Hoffentlich würde sie ihn schnell loswerden! Je eher, desto besser, sagte sie sich. Sie wollte immerhin nur bis zum nächsten Planeten, danach konnte er sehen, wie er allein zurechtkam.
"Offensichtlich können Sie wohl fliegen, wenn Sie sich in einen Puddlejumper setzen können. Oder etwa nicht?" fragte er schließlich.
"Ja, Sir. Ich besitze da eine gewisse Begabung", antwortete sie so knapp wie möglich. Auf keinen Fall wollte sie ihm mehr als nötig an Wissen über sich zugestehen.
Wieder blieb er vor ihr stehen. „Und Sie können die Geräte Ihres Volkes aktivieren und bedienen, Texte übersetzen ... den Kontrollstuhl auf Antarktica zum Beispiel steuern?"
Vashtu stutzte kurz, nickte dann aber. „Ja, Sir, das kann ich."
Ein kühles Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Dann haben Sie schon auf diesem Kontrollstuhl gesessen?"
Vashtu wurde es allmählich ungemütlich. Doch sie war gezwungen zu nicken. „Ja, Sir, ich habe ihn bereits bedient."
"In einer Schlacht?" bohrte er weiter.
"Nein, Sir, zur Kontrolle, ob ich ihn bedienen kann."<
Pendergast nickte sinnend, musterte sie wieder abschätzend. Dann kehrte er unvermittelt auf seinen Kommandositz zurück und ließ sich dort nieder. „Gut, dann werde ich dieses Mal noch über Ihr Fehlverhalten hinwegsehen, Major. Aber wagen Sie es niemals wieder, mich zu übergehen, sonst werden Sie sehr schnell feststellen, daß ich ein durchaus unangenehmer Zeitgenosse werden kann. Melden Sie sich bei Sergeant Bates, der wird Ihnen ein Quartier zuweisen ... und wenn er schon dabei ist, eine neue Uniform. Morgen früh Null-Neunhundert melden Sie sich zum Dienst."
Vashtu blinzelte irritiert. „Dienst, Sir? Aber ..."
"Haben Sie schon vergessen, wie die Befehlskette auf meinem Schiff aussieht, Major?" Pendergast hob wieder eine Braue.
Vashtu schluckte die Entgegnung herunter, die ihr bereits auf der Zunge lag. „Nein, Sir, ich habe sie nicht vergessen."
"Dann ist es ja gut." Der Colonel lehnte sich zurück.
Vashtu grüßte kurz, hob ihre Jacke wieder auf und verließ, leise vor sich hinkochend, die Brücke.
Da hatte sie sich ja in schöne Schwierigkeiten geritten!

***

Früh am nächsten Morgen betrat Anne die Messe, holte sich einen Kaffee und sah sich kurz um, ehe ein Lächeln über ihr Gesicht glitt und sie zu einem bestimmten Tisch trat. „Darf ich mich zu Ihnen setzen, Major?" fragte sie.
Die Frau mit den hoffnungslos verstrubbeltem Haar blickte mißmutig auf, nickte dann und wandte sich mit wenig Enthusiasmus ihrer Mahlzeit wieder zu.
Anne ließ sich ihr gegenüber nieder und grinste in ihre Tasse, während sie Major Uruhk beobachtete. Diese hatte sich irgendetwas suppenähnliches geben lassen und malte mit ihrem Löffel in der zähen Masse herum.
"Nicht gerade das Ritz, nicht wahr?" Anne stellte ihren Kaffee ab und beugte sich vor.
Der Major blickte wieder auf. „Hier ist nichts wie das Ritz", antwortete sie mißgestimmt.
Anne nickte. „Stimmt." Beinahe mitleidig betrachtete sie die ihr gegenübersitzende Frau. „Ich habe gehört, daß Pendergast Sie gleich vereinnahmt hat."
Major Uruhk zuckte mißmutig mit den Schultern. „Bin in der Staffel gelandet und wurde gestern noch durch die Gegend gejagt." Unwillig sah sie an sich herunter und seufzte dann schwer.
"Es wird Sie sicher interessieren, daß auch die beiden Wissenschaftler in Ihrem Gefolge noch von Pendergast zugewiesen wurden", berichtete Anne, hob die Tasse wieder. „Dr. Wallace soll bei meinen Wissenschaftlern bleiben, Dr. Babbis wurde dem Team zugeteilt, das den Antrieb reparieren soll. Was danach mit ihm geschieht ... Wahrscheinlich wird er ebenso wie wir anderen zur Tatenlosigkeit verdammt werden."
"Wir wollen nur bis zum nächsten Planeten mit. Danach steigen wir aus", brummte die vermeintliche Antikerin, obwohl vermeintlich? Die Wissenschaftlerin war sich inzwischen recht sicher, daß diese Major Uruhk tatsächlich eine war. Die Frage war nur, wie hatte sie zehntausend Jahre überstehen und dabei so jung bleiben können.
"Pendergast weiß, wer Sie sind, Major", warf Anne kopfschüttelnd ein.
Die blickte jetzt doch wieder hoch und runzelte die Stirn. In diesen sprechenden Augen lag eine stumme Frage.
Anne seufzte und sah sich in der Messe um. Dann stellte sie ihre Tasse wieder auf den Tisch. „Haben Sie noch ein bißchen Zeit?" fragte sie.
Major Uruhk blinzelte, sah dann auf ihre Armbanduhr hinunter und nickte. „Ich muß um neun auf dem 302-Deck sein", antwortete sie.
Anne stand wieder auf. „Dann kommen Sie mit - und stellen Sie Ihr Funkgerät bitte aus."
Die Antikerin erhob sich, ließ ihr Tablett stehen und folgte ihr. In ihren Augen war jetzt deutlich Neugier zu lesen.
Anne fragte sich wirklich, was das für eine Erde sein mochte, auf der jemand wie diese Vashtu Uruhk leben konnte. Entweder sie eckte wirklich ständig irgendwo an, oder aber man ließ ihr ihren Willen. Etwas, was ihr mit Pendergast garantiert nicht geschehen konnte.
"Was halten Sie denn bis jetzt von der Prometheus?" erkundigte sie sich, während sie den Weg zur großen Schleuse einschlug.
Major Uruhk zuckte mit den Schultern, zupfte dann leicht frustriert an ihrer Fliegerkombination herum. Offenbar war sie es nicht gewohnt, solche Kleidung zu tragen. „Was soll ich von dem Schiff schon halten? Sie ist offensichtlich kleiner als unsere Daedalus oder die Odyssey."
Anne war überrascht. „Sie kennen die Daedalus?"
Ihre Begleiterin nickte. „Klar. Caldwell ist nicht ganz unschuldig daran, daß wir hier gelandet sind. Und wenn ich je zurückkomme, wird Hermiod noch sein blaues Wunder erleben, darauf können Sie sich verlassen, Doc."
"Der Asgard, der auf der Daedalus Ihrer Dimension mitfliegt? Kennen Sie ihn näher?"
Major Uruhk nickte wieder, folgte ihr jetzt aus dem Schiff heraus. „Wir spielen zusammen Schach, Hermiod und ich", antwortete sie. „Es ist für mich etwas schwierig andere zu finden, die sich ... naja, mit meiner Art des Denkens anfreunden können. Den meisten bin ich zu schnell." Sie zog eine Grimasse, als Anne ihr einen fragenden Blick zuwarf. „Mein Gehirn ist anders als Ihres, Doc, anders als das von allen anderen Menschen", fuhr sie fort. „Meist muß ich mich schon ziemlich zusammenreißen, um die Lösung nicht schon zu Anfang rauszubrüllen. Hermiod ist einer der wenigen, die zumindest ein Stück weit meinen Gedankengängen folgen können. Bei ihm muß ich mich nicht immer dümmer stellen als ich bin."
Anne lachte jetzt auf. „Natürlich! Als Lantianerin ist Ihr Gehirn wesentlich aktiver als das eines heutigen Menschen."
Der Major nickte mit schuldbewußtem Gesicht, blinzelte dann in die Sonne, die gerade wieder aufging.
Wenn das tatsächlich stimmte, und nach dem, was Anne gestern erlebt hatte, mußte es wohl so sein, würde Pendergast noch seine helle Freude mit seinem neuesten Fang haben und nicht gerade glücklich mit ihr werden. Und das würde dann wohl auf Gegenseitigkeit beruhen, wie sie es im Moment sah. Major Uruhk schien etwas unkonventionell zu sein, um es noch harmlos auszudrücken. Schon allein die Art, wie sie sich gestern Markham gegenüber den nötigen Respekt verschafft hatte, sprach Bände. Der junge Lieutenant war immer noch verwirrt.
Major Uruhk kletterte auf einen niedrigen Felsen, hockte sich dann darauf und ließ sich die Sonne auf den Rücken scheinen.
Anne beobachtete diese merkwürdige Frau weiter.
Was würde sie noch erwarten? Mit was für Enthüllungen hatte sie zu rechnen?
Sie wußte es nicht, doch sie war sich sicher, einiges würde noch auf sie zukommen, wenn diese Antikerin länger auf der Prometheus blieb. Und da Pendergast die Eindringlinge gestern belauscht und somit herausgefunden hatte, was es zumindest mit einem von ihnen auf sich hatte, würde es wohl tatsächlich eine gewisse Zeit dauern. Spannend würde es werden herauszufinden, wer letztendlich den Sieg davontragen würde, der Colonel oder der Major. Und irgendwie glaubte Anne, sich bereits jetzt der Gewinnerseite angeschlossen zu haben.
"Sie wollten mir irgendetwas mitteilen, was wohl keiner auf der Prometheus wissen soll", sagte der Major jetzt und sah zu ihr hinunter. „Jetzt haben Sie mich neugierig gemacht, Doc. Um was geht es?"
Anne lächelte, lehnte sich gegen den Felsen, auf dem die Antikerin hockte und reckte die Nase kurz in die Sonne. „Um Pendergast und die Dimension, aus der wir alle kommen", antwortete sie dann.
Major Uruhk setzte sich stocksteif hin und musterte sie aufmerksam. Wieder schienen ihre Augen zu sprechen, Fragen zu stellen.
Anne mußte zugeben, diese Frau faszinierte sie immer mehr. Wenn es ihr nicht gelang, näheren Kontakt zu ihr aufzubauen und ihr Vertrauen zu gewinnen, würde sie sich wahrscheinlich den Rest ihres Lebens Vorwürfe deswegen machen.
"Schießen Sie los, Doc." Major Uruhk beugte sich leicht vor.
Anne seufzte, kreuzte die Arme vor der Brust und sah zu dem beschädigten Schiff hinüber. „Die Erde, von der wir kommen, ist offensichtlich anders als das, was Sie kennen, Major" begann sie. „Ich habe gestern noch einige Worte mit Dr. Babbis gewechselt und mir ein Bild über das gemacht, was er berichtete. Meine Vereinigten Staaten sind schon seit Jahrzehnten ein Militärregime, Major, während die Ihren wohl ... nun, einen zumindest besseren Standpunkt haben."
"Sie kommen aus einem Militärstaat?"
Anne nickte. „Ganz genau. Noch dazu einem, der ..." Sie seufzte. „Menschen wie ich sind dort nicht sehr angesehen. Wissenschaftler meine ich. Wer sich nicht dem Militär anschließt, der ist in den Augen der meisten überflüssig."
"Aber Wissenschaft ist wichtig", warf die Antikerin ein. „Ohne die Wissenschaft gäbe es nicht einmal Waffen, die ein Militär nutzen kann."
"Ganz genau." Anne blickte wieder auf und blinzelte. Major Uruhk hatte nachdenklich die Stirn gerunzelt und musterte sie genau.
"Aber das Militär sieht das, wie in den meisten solchen Fällen, eben anders", fuhr sie fort. „Atlantis war ein Versuch, der recht schnell scheiterte. Während der ersten Belagerung durch die Wraith wurde Dr. Weir ein Militärkommandant vor die Nase gesetzt. Und was wir in dem einen Jahr, in dem wir keinen Kontakt zur Erde hatten, getan hatten, wurde komplett unter den Teppich gekehrt. Es blieb uns schließlich nichts anderes, als Atlantis aufzugeben." Sie seufzte.
"Aber ... Colonel Sheppard?" Major Uruhk schüttelte den Kopf. „John, ich meine, der Colonel ist doch auch sehr interessiert an Forschung."
"Colonel Sheppard?" Anne sah fragend auf. „Meinen Sie vielleicht Major Sheppard?"
Die Antikerin starrte sie an, blinzelte dann verwirrt. „Das war sein Rang, als er nach Atlantis ging, ja."
Anne begriff. Sie holte tief Atem. „Sie sind mit ihm zusammen in Ihrer Dimension! Er ist der Teil des Handels, über den Sie gestern nicht sprechen wollten."
Major Uruhk brachte ein zerknirschtes Lächeln zustande. „Nicht ganz, aber zumindest ... naja, ja, wir haben eine Beziehung."
Die Wissenschaftlerin schluckte. „Dann hoffe ich wirklich, daß wir in Ihrer Dimension sind, Major. Denn in meiner ist er schon sehr lange tot."
Die Antikerin starrte sie entsetzt an, dann tat sie etwas eigenartiges. Ihr Blick richtete sich plötzlich nach innen und sie runzelte die Stirn, als müsse sie in sich hineinlauschen. Schließlich schüttelte sie wie benommen den Kopf. „Wann ist er gestorben?"
"Gleich zu Beginn der Unternehmung. Während einer Rettungsmission, die in einem Desaster endete", antwortete Anne so mitfühlend sie konnte.
Major Uruhk atmete einige Male tief ein, nickte dann. „Gut, dann weiß ich es ..." Sie stutzte plötzlich, sah wieder auf. „Und ich?" Sie neigte den Kopf leicht, und in ihren Augen sah die Wissenschaftlerin plötzlich eine ängstliche Frage.
"Von Ihnen weiß ich nichts", antwortete sie.
Der Major nickte wieder, diesmal mit einem scheelen Blick. Dann straffte sie die Schultern und richtete sich auf. „Ihre Welt ist also eine Militärgesellschaft und Wissenschaftler werden gern unterdrückt", faßte sie zusammen. „Aber was hat das jetzt mit mir zu tun? Oder mit Pendergast? Daß er wohl von sich selbst glaubt, der absolute Herrscher zu sein, ist mir gestern schon aufgefallen. Aber, wie gesagt, meine Leute und ich wollen nur bis zum nächsten Planeten mit. Notfalls nehmen wir uns einen Jumper und verschwinden."
Anne richtete sich jetzt ebenfalls wieder auf und schüttelte den Kopf. „Major, ich weiß nicht, wie weit Ihre Probleme auf Ihrer Welt reichen. Aber auf meiner ist man schlicht verzweifelt. Man kann keinen Zwei-Fronten-Krieg führen, und aus diesem Grund wurde Atlantis auch aufgegeben. Die Ori haben die Milchstraße überrannt."
"Das Problem haben wir in meiner Dimension auch", gab die Antikerin zu. Dann trat plötzlich Begreifen in ihre Augen. „Sie meinen ..."
Anne nickte. „Ganz genau. Menschen mit dem Antiker-Gen sind extrem selten auf meiner Erde. Für Pendergast sind Sie ein purer Glücksfall, Major, noch dazu, da Sie eine Militärangehörige sind. Er wird Sie nicht gehen lassen, auf gar keinen Fall. Die Erde braucht Sie, um sich gegen die Ori zu verteidigen."
Major Uruhk starrte sie nur entgeistert an, mit einer eigenartigen Panik in ihren Augen.

TBC ...

17.06.2010

Das Angesicht des Feindes 3/4 III

"Okay, gehen wir durch die Mannschleuse und sehen, ob wir noch etwas retten können." Vashtu sah zweifelnd das riesige Metallgebirge direkt vor sich an. Dann harkte sie ihre P-90 aus und reichte sie an Peter. „Zielen Sie auf einen möglichen Spalt. Nur für alle Fälle. Wir wissen nicht, was uns dadrin erwartet."
Der nahm die Waffe, schaltete gekonnt die kleine Lampe ein, runzelte dann aber die Stirn. „Die Mannschaft?" fragte er irritiert.
Vashtu betrachtete die Schott-Tür, stemmte die Hände in die Hüften. „Ich brauche eine Brechstange. Mit den Fingern komme ich da nicht zwischen." Sie blinzelte und drehte sich um. „Was?"
Peter zuckte mit den Schultern, verzog wieder leicht das Gesicht. Die Waffe hielt er locker im Arm. „Ich meine ja nur. Die Prometheus ist immerhin ein Erdenschiff."
"Ein zerstörtes Erdenschiff bei uns. Wo kommt die hier her?" Sie klopfte mit der flachen Hand gegen die Metalltür. Dann glitt ein Lächeln über ihr Gesicht. „Moment."
Peter beobachtete sie verwirrt, als sie an seine Seite trat und sich reckte, die Arme nach oben ausgestreckt. Dann begriff er, was sie wollte.
Ein überlappendes Stahlteil hing herab, sie konnte es gerade erreichen. Mit einer Kraft, die ein Fremder ihr niemals zugetraut hätte, riß sie das Stück Metall ab, wog es dann nachdenklich in der Hand. „Keine Brechstange, aber immerhin." Sie trat wieder zurück zur Mannschleuse und setzte ihren Hebel an.
Kurz aktivierte sie die Wraith-Zellen in sich, dann versuchte sie sich gegen die Tür zu stemmen, das Metallteil als Hebel benutzend. Mit einem häßlichen, schabenden Geräusch kratzte Metall auf Metall, die breite Stange rutschte ab.
Vashtu fluchte in ihrer Muttersprache, versuchte es erneut.
"Passen Sie bloß auf, daß Sie nichts zerstören. Wir brauchen das Schiff", warnte Peter sie, erntete einen kühlen Blick.
"Haben Sie sich schon einmal den Antrieb angesehen?" erkundigte sie sich dann, startete einen neuen Versuch. Krächzend glitt die Außentür ein kleines Stück weit auf.
"Meinen Sie, wir kriegen den nicht wieder hin? Zumindest soweit, daß wir hier wegkommen?" fragte er.
Vashtu sah wieder zu ihm hinüber, ihr Gesicht wurde kurz ausdruckslos. „Auf den Spalt zielen, Peter!" befahl sie ihm.
Wo war sie hier nur gelandet? Sie hatte nicht die blaßeste Ahnung. Eine andere Dimension? Aber dann müßte es auch hier eine Vashtu Uruhk und einen John Sheppard geben, die miteinander verbunden waren, damit sie dieses Band nutzen konnte. War das möglich?
Sie war sich da nicht so sicher. Und im Moment war sie, ehrlich gesagt, eher daran interessiert, das Geheimnis dieser Prometheus zu lösen als sich Fragen zu stellen, die sie erst recht nicht beantworten konnte.
Wieder setzte sie ihre Aushilfsstange ein und lehnte sich, unter Zuhilfenahme ihrer Fremdgene, dagegen. Die Tür glitt laut protestierend noch ein Stück zur Seite und gab einen schmalen Durchgang frei, gerade breit genug, damit sie beide sich hindurchzwängen konnten.
Vashtu richtete sich wieder auf, die Stange an ihre Schulter gelehnt, und runzelte die Stirn. Dann drehte sie sich um und erstarrte. „Peter!" Ihre Stimme klang vorwurfsvoll. „Unterlassen Sie es bitte, mit meiner Waffe auf mich zu zielen!"
Der junge Wissenschaftler blinzelte einen Moment lang, dann ging ihm sein Fehler wohl auf. Er errötete leicht und senkte den kurzen Lauf. „Entschuldigung."
Sie nickte und reckte den Hals. „Leuchten Sie mal rein", sagte sie dann.
Sofort war er an ihrer Seite und leuchtete mit der kleinen Lampe der P-90 in das finstere Innere des Schiffes. „Die Energie muß komplett ausgefallen sein, auch die ..." Er schnupperte und zog eine Grimasse. „... die Lufterneuerung. Es stinkt!"
Vashtu nahm jetzt auch einen tiefen Atemzug. Die Luft roch tatsächlich verbraucht und war stickig. „Die müssen schon eine Weile durch das All getrudelt sein. Was die wohl runtergeholt hat?" murmelte sie, dann wurde sie auf ein Paar Beine aufmerksam, die nahe an der Mannschleuse auf dem Boden lagen. „Da ist einer!"
Hektisch drängte sie sich an Peter vorbei in das Innere des Schiffes, vergaß dabei jede Vorsicht. Eilig kniete sie sich neben dem Fremden nieder und fühlte nach einem Puls an seinem Hals. „Er lebt." Sie sah auf und nickte ihren Begleiter zu sich.
Peter kletterte mit einiger Mühe durch den engen Spalt, sah sich dann im Schein der Lampe aufmerksam um. „Hier muß irgendwo eine Waffenkammer sein", sagte er dann schließlich.
Vashtu zerrte den Fremden näher an den Ausgang heran, damit er frische Luft atmen konnte, dann richtete sie sich stirnrunzelnd auf. „Kennen Sie die Prometheus?" fragte sie überrascht.
Peter drehte sich zu ihr um, nickte nach einer kleinen Weile zögernd. „Einen Teil der Pläne, ja. Ich habe meinen Ingenieur gemacht, als die Prometheus gebaut wurde."
"Sie haben an diesem Schiff mitgearbeitet?" Vashtus Augen wurden groß.
"Naja, nicht viel", gab er zu. „Eher Kleinigkeiten. Aber die Pläne kenne ich."
Vashtu stutzte. „Sagten Sie nicht gerade, einen Teil der Pläne?"
"Den Teil der Pläne, an dem ich mitgearbeitet habe, kenne ich wie meine Westentasche. Den Rest ... rudimentär."
Die Antikerin nickte, trat an die nächste Schleusentür.
"Da ist ein Griff zum manuellen Öffnen angebracht", erklärte Peter hinter ihr.
Da war tatsächlich einer.
Vashtu blinzelte irritiert.
SG-27 war doch ein Totalausfall gewesen, als sie das Team übernommen hatte. Warum sollte Babbis, der damals als komplett teamunfähig galt, an einem so wichtigen Projekt mitgearbeitet haben? War das bei ihr überhaupt noch Peter Babbis? Oder hatte sie es hier auch mit jemandem zu tun, der aus einer anderen Dimension stammte?
Mit Hilfe des Drehgriffes öffnete sie die Tür zum nächsten Gang, lugte mit langem Hals in die alles umgebende Finsternis hinaus. „Leuchten!" befahl sie dann.
Peter trat sofort an ihre Seite und brachte die Waffe in die richtige Position. „Da sind noch mehr", bemerkte er, als er die am Boden liegenden Körper sah.
Vashtu nickte, nahm ihm jetzt ihre P-90 wieder ab. „Dann suchen wir erst eine Geräte- oder Waffenkammer und sehen dann zu, daß wir ein bißchen Licht in dieses Dunkel bringen. Vielleicht kriegen wir auch die Luftaustauscher wieder online."
"Guter Vorschlag." Peter glitt an ihrer Seite aus der Schleuse heraus. Gemeinsam kontrollierten sie kurz, ob die im Gang Liegenden noch am Leben waren, dann machten sie sich auf den Weg.

***

Peter hustete immer öfter, und auch Vashtu fühlte inzwischen ein Kratzen im Hals, das sie als nicht ganz normal empfand. Andererseits aber blieb ihnen kaum eine andere Wahl. Sie hatten keine Sauerstoffgeräte, und auch keine Zeit, welche zu suchen. Hier standen mehr als genug Leben auf dem Spiel. Und, wenn es nach ihr ging, würde sie nicht eines davon opfern.
Dabei aber fragte sie sich immer mehr, was hier eigentlich gespielt wurde. Auf der Prometheus schien es deutlich mehr Menschen zu geben als zur Besatzung eines Schiffes der Erde gehörte. Dazu kamen jede Menge Kisten und Kästen, die überall herumstanden, allerdings keine aufschlußreiche Kennung trugen.
Mit der manuellen Steuerung öffnete sie das nächste Schott. Laut Peter sollte sich dahinter ein Lagerraum befinden, den sie durchqueren konnten, um endlich an die Kontrollen zu gelangen.
"Was ist das denn?" entfuhr es dem jungen Wissenschaftler zwischen zwei Hustenanfällen, als er als erster durch den Spalt in der Tür leuchtete, um die Lage zu sondieren.
Vashtu runzelte die Stirn, zog das Schott ganz auf und richtete sich dann auf. Dann aber starrte sie mit mindestens ebenso großen Augen auf den Inhalt des Lagerraumes wie ihr Teammitglied.
"Puddlejumper?"
Beide starrten sich verwirrt an, sahen dann wieder in den Raum hinein. Doch an dessen Inhalt hatte sich nichts geändert.
Vashtu tat einen ersten, zögerlichen Schritt und blinzelte. Im Licht ihrer P-90 konnte sie die großen Frontfenster kurz aufleuchten sehen. Allein in vorderer Linie standen vier der kleinen Gleiter ihres Volkes, und es schien mehrere Reihen zu geben.
"Wie kommen die denn auf die Prometheus?" Peter hustete wieder.
Vashtu kam ein Gedanke. Sie packte den Wissenschaftler am Arm und zog ihn zum ersten Jumper, öffnete die Heckluke und betrat das Fluggerät. Sofort sprang das Licht im Inneren an, ein leises, beruhigendes Summen ertönte.
Vashtu tat einen ersten, tiefen Atemzug, hustete wieder und schloß die Luke.
Peter sank auf eine der Bänke und keuchte nur.
"Jumper haben eine eigene Luftaufbereitung", erklärte die Antikerin schließlich, beugte sich vorn über und atmete einfach nur.
Frische Luft! Was für eine Wohltat!
Peter nickte keuchend und pustend. „Das war knapp!" sagte er schließlich mit heiserer Stimme.
Sie nickte, ließ sich ihm gegenüber auf die Bank sinken und lehnte den Hinterkopf an die Metallwand. Japsend und nach Luft schnappend genoß sie die kleine Pause in der Erkundung des Schiffes. Doch ihr war auch klar, lange durfte diese nicht währen. Wenn ihnen die verbrauchte, mit CO-2 angereicherte Luft schon so zusetzte, wollte sie sich gar nicht vorstellen, wie es den Menschen hier ging. Sie durften mit ihrer Reparatur nicht allzu lange zögern.
"Wo hat die Prometheus die Jumper her?" keuchte Peter schließlich.
Vashtu richtete sich wieder auf und runzelte die Stirn. „Keine Ahnung. Meines Wissens war dieses Schiff nie in Atlantis, es war nicht einmal eingeplant, es dorthin zu schicken. Die einzige Verbindung bis jetzt ist die Daedalus. Die Apollo soll sie verstärken."
Peter schluckte. „Dieses neue Schiff, auf dem Ihnen der Posten des Ersten Offiziers angeboten wurde?" fragte er schließlich.
Vashtu nickte, sah sich dann aufmerksam im Ladebereich um. Schließlich erhob sie sich und begann, der Reihe nach, die Ladeluken über ihrer beider Köpfe zu öffnen. Zu ihrem Erstaunen fand sie diese reichlich gefüllt - unter anderem auch mit Sauerstoffmasken. Proviant, Waffen, Ersatzmagazinen, Verbandsmaterial, Werkzeug. Alles vorhanden.
"Was ist hier los?" verlangte sie schließlich von niemand genauem zu wissen.
Peter, der sie beobachtet hatte bei ihrem Tun, nahm ihr eine der tragbaren Masken ab. „Keine Ahnung. Aber allmählich beschleicht mich da ein komisches Gefühl", antwortete er.
Vashtu sah zu ihm hinunter. „Was meinen Sie?"
"Atlantis. Diese ganzen Jumper. Die Kisten, die vielen Menschen an Bord. Sind Ihnen die Uniformen aufgefallen?"
Jetzt, da er es erwähnte ...
Vashtu blinzelte. „Die Prometheus kam von Atlantis!"
"Sieht für mich so aus. Gibt es vielleicht ein paar Gesichter, die Ihnen bekannt vorgekommen sind? Ich meine, diese kleine Asiatin, die wir in dem Zwischengang gefunden haben, bei meinem Besuch dort gesehen zu haben."
"Sie haben recht." Sie stutzte. „Aber ... die Prometheus existiert bei uns nicht mehr. Wie kann sie da von Atlantis kommen und offensichtlich Menschen und Material bef..."
Die Heckluke öffnete sich wieder.
Peter richtete sich auf, Vashtu fuhr herum, um in die Mündungen von zwei P-90 zu blicken. Tief einatmend hob sie die Hände.
"Keine Bewegung!" befahl eine leicht verzerrte Stimme.
"Das haben wir beide nicht vor", entfuhr es der Antikerin mit einem schiefen Grinsen.

***

Die Luke schloß sich wieder, die Frau mit dem blonden Haar nahm sich die Maske ab, nachdem sie ihre Waffe auf die gegenüberliegende Bank gelegt hatte. Kurz fuhr sie sich mit einer Hand durch ihre schulterlange Mähne, strich den Pony zur Seite. Dann richtete sie sich wieder auf und lächelte.
Vashtu, die, die Hände auf den Knien, ihr gegenübersaß und den dunkelhaarigen jungen Mann in der Uniform der Atlantis-Mission kritisch musterte, wandte ihre Aufmerksamkeit jetzt wieder der Fremden zu und hob fragend eine Braue.
"Dr. Anne-Catherine Stross", stellte diese sich vor. „Und das ist Lieutenant David Markham."
Vashtu nickte, wechselte einen kurzen Blick mit Peter. „Major Vashtu Uruhk und Dr. Peter Babbis", erwiderte sie dann.
"Major?" Markham senkte ganz kurz die Waffe, hob sie dann aber wieder an die Wange und fixierte sie genau.
Vashtu nickte auf ihre Schulterstücke. „Müßte eigentlich deutlich zu lesen sein", sagte sie, wandte sich dann wieder an Stross: „Hören Sie, wir wollen Ihnen nichts böses. Wir sind hergekommen, weil ... nun, unser Jumper ist implodiert und wir kommen hier nicht weg. Wir dachten, wir könnten vielleicht helfen, nachdem wir bemerkt haben, daß Sie offensichtlich Schwierigkeiten mit der Energieversorgung haben. Ein Mitglied meines Teams ist schwer verletzt, um genau zu sein, wir sind alle etwas lädiert nach unserem ... Unfall."
"Sie lügen!" Markhams Augen wurden schmal.
Vashtu sah zu ihm hoch. „Warum sollte ich das tun? Sehe ich aus, als wolle ich die Prometheus stehlen? Wir wollten helfen und vielleicht ein kleines Stück als Anhalter mitgenommen werden, mehr nicht", entgegnete sie.
"Und warum reagiert der Puddlejumper auf Sie, Major?" fragte Stross interessiert.
"Warum sollte er nicht? Sie ist eine Antikerin", platzte es aus Peter heraus, wofür er einen Stoß von ihr mit dem Ellenbogen erntete.
Stross starrte sie groß an. „Sie sind eine was?"
Vashtu starrte Peter kurz nieder, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Frau gegenüber. „Peter hat recht. Ich bin eine Lantianerin. Das müßte Ihnen eigentlich etwas sagen, wenn Sie aus Atlantis kommen."
Stross holte tief Atem.
"Das ist doch eine Lüge!" knurrte Markham. „Wer weiß, was man Ihnen gespritzt hat. Es soll ja da einige durchgeknallte Wissenschaftler geben, die an einer künstlichen Gentherapie arbeiten."
Vashtu blinzelte verständnislos. „Hä?"
Peter beugte sich vor. „Durchgeknallt?" fragte er irritiert.
Vashtu schaltete als erste. „Sie kennen nicht zufällig Dr. Carson Beckett, oder?" wandte sie sich an Stross.
Die sah sie immer noch nachdenklich an, schüttelte dann den Kopf. „Es war kurzfristig geplant, ihn mit in die Expedition zu nehmen, aber er entschied sich um. Sein Forschungsauftrag war ihm wohl wichtiger", antwortete sie.
Vashtu nickte, wechselte wieder einen warnenden Blick mit Peter. „Und Elizabeth Weir?" fragte sie dann.
Stross atmete tief ein. „Dr. Weir ist ... Sie ist auf Atlantis geblieben", antwortete sie zögernd. „Sie will ... Wir wollen ... Die Wraith sind zu übermächtig. Atlantis ist aufgegeben worden."
Wieder wechselten Vashtu und Peter einen Blick, blinzelten sich an.
Dann nickte die Antikerin. „Okay, da scheint ja einiges passiert zu sein. Also sind wir entweder ... oder sie ..." Mit dem Kopf wies sie kurz zu ihren beiden Wächtern hinüber.
Peter blinzelte. „Wir sind in einer anderen Dimension!" entfuhr es ihm.
Vashtu schüttelte den Kopf. „Oder sie sind in unserer", entgegnete sie. „Die Frage ist nur, wie weit sind wir von der Erde oder Atlantis entfernt und wie ist die Prometheus hier gelandet." Sie drehte sich wieder um, hob die Hände in einer hilflosen Geste. „Hören Sie, Dr. Stross, wir haben jetzt nicht die Zeit, das alles genau auszudiskutieren. Wir sind in die Prometheus eingedrungen, weil wir helfen wollten. Die Lebenserhaltungssysteme scheinen beschädigt zu sein. Uns läuft ein bißchen die Zeit davon. Wenn Sie uns helfen wollen, dann schließen Sie sich uns an. Ansonsten werden Sie uns wohl erschießen müssen." Damit richtete sie sich auf und trat Markham gegenüber. Sie reckte den Hals, ihr Gesicht wurde starr. „Lieutenant, Sie zielen auf einen vorgesetzten Offizier. Und hiermit gebe ich Ihnen den Befehl, sofort die Waffe zu senken. Haben Sie verstanden?"
"Was bedeutet das mit den Dimensionen?" fragte Stross an ihrer Seite. Auch die blonde Frau hatte sich jetzt aufgerichtet. Und, Vashtu wirbelte zu ihr herum und starrte sie groß an, sie hatte diese Frage in ihrer Muttersprache gestellt.
"Was? Woher können Sie ... ?" Die Antikerin schloß abrupt den Mund und faßte sich wieder. Dann antwortete sie in der gleichen Sprache: „Wir wurden durch ein Supergate geschleudert und landeten hier. Ich weiß nicht, welches Phänomen für Ihr Hiersein verantwortlich ist, Dr. Stross, aber in unserer Dimension existiert die Prometheus schon seit über einem Jahr nicht mehr. Sie wurde von einem, mit den Ori verbündeten Volk, zerstört."
Stross starrte sie groß an, ihr Mund klappte auf.
"Lassen Sie uns jetzt arbeiten oder wollen Sie uns erschießen, Dr. Stross, Lieutenant Markham." Vashtu drehte sich wieder zu dem größeren, jungen Mann um.
Der ließ, unter der Intensität ihres Blickes, langsam die Waffe sinken.
Vashtu nickte, griff sich die Sauerstoffmaske und öffnete die Heckluke, Peter dicht hinter sich wissend.

TBC ...