28.09.2010

Vinetas Wiederauferstehung II

„Wenn es das ist, was du uns mitteilen wolltest, Anne, dann müssen wir dir recht geben." Die Stimme von Dr. Walter Spitzbart, einem deutschen Physiker und dem Stellvertreter des auf Atlantis zurückgebliebenen Dr. Radek Zelenka, klang nachdenklich. „Allerdings ... kannst du sicherstellen, daß wirklich nichts geschehen wird?"
„Sicherstellen nicht, Walter", Dr. Anne Stross seufzte und lehnte sich zurück. „Aber wir hätten ein Dach über dem Kopf, könnten unsere Forschungen weiterführen und ... naja, willst du wirklich zurück auf unsere Erde?" Ein bitteres Lächeln erschien auf ihren Lippen.
„Was wohl außer Frage steht. Pendergast wäre uns lieber heute als morgen los, und das weißt du. Du hast dich oft genug mit ihm angelegt, Anne", entgegnete Spitzbart. „Aber was ist mit dieser Antikerin und ihrem Team. Sagtest du nicht, sie würde sich noch immer sperren?"
„Major Uruhk hat mich gebeten, mich um ihr Team zu kümmern", sagte Anne nachdenklich. „Vielleicht ahnt sie, daß ihr Disput mit Pendergast noch nicht beendet ist. Er hat sie jetzt dreimal hochbeamen lassen. Wir konnten zwar das schlimmste verhindern, vor allem hier, aber sie ... naja, sie hat ziemlich viel Temperament. Ich denke, unser guter Colonel weiß nicht wirklich, auf was für ein Spiel er sich da eingelassen hat."
„Dann glaubst du nicht, daß es ihm gelingt, sie mitzunehmen, sollte die Prometheus starten? Immerhin, wenn er uns auch noch los wird, hat er allen Grund, so schnell wie möglich zu verschwinden."
Eine Falte wuchs auf Annes Stirn.
Wenn sie in nur in Pendergast hineinsehen könnte, um das sagen zu können. An Versuchen würde es sicher nicht scheitern. Die Frage war eher, würde es am Ende noch auf der Prometheus zu einer Meuterei kommen. Was die Lantianerin Vashtu Uruhk in den letzten Wochen gezeigt hatte, hatte ihr sehr viel Bewunderung und Anerkennung eingebracht, nicht nur von Seiten der Wissenschaftler und der Erethianer. Annes kleines Netzwerk berichtete von einigen in den Reihen der Schiffsbesatzung, die sich inzwischen durchaus vorstellen konnten, auch unter einem weiblichen Offizier zu dienen.
Sie selbst schätzte die Antikerin ebenfalls, wie viele aus ihren Reihen. In den letzten Wochen waren immer wieder Wissenschaftler von der Prometheus in der Stadt gewesen und hatten sich diese unverhoffte Möglichkeit angesehen. Und da es nur drei Piloten für die Puddlejumper gab, war Major Uruhk nichts anderes übrig geblieben, als ebenfalls regelmäßig zur Prometheus zu fliegen. Gespräche blieben da nicht aus, das wußte Anne selbst.
„Zumindest Major Uruhk wird sicher nicht mit der Prometheus weiterreisen wollen", antwortete sie endlich. „Und ob es Pendergast gelingt, sie so sicher unter Aufsicht zu stellen, lasse ich dahingestellt. Vielleicht fällt uns ja auch noch irgendetwas ein, wie wir gemeinsam das schlimmste verhindern können."
„Anne, wagst du dich im Moment nicht etwas zu weit vor?" warnte Spitzbart mit sanfter Stimme. „Sicher, die einzige, halbwegs sichere Möglichkeit für uns ist diese Stadt, das gebe ich zu. Aber dein kleiner Major? Sie hat einen heiden Respekt vor dieser Stadt, und das weißt du auch. Ich würde nur gern erfahren, warum dieses Vineta ihr soviel Angst macht ..."
Anne atmete tief ein.
Sie kannte den Grund für das Zögern von Major Uruhk, sich letztendlich ihnen anzuschließen. Und sie hoffte, ihr irgendwann diese Angst und diese Schuldgefühle nehmen zu können. Aber dazu brauchte sie Zeit. Zeit, die sie nicht haben würde, würde Pendergast weiter seine Finger nach der Antikerin ausstrecken.
„Und wenn wir ihr einen Posten in der Stadt anbieten?" Anne hob den Kopf und kreuzte nachdenklich die Arme vor der Brust. Die Falte auf ihrer Stirn erschien wieder.
„Du willst was?" Spitzbart räusperte sich vernehmlich. „Einer Frau, die Angst vor einer Stadt ihres Volkes hat, willst du einen Posten in eben dieser Stadt anbieten? Anne, tut mir leid, aber das ist ... schlichtweg Blödsinn!"
„Nicht, wenn sie auf den richtigen Posten kommt." Anne knabberte an ihrer Oberlippe und warf ihr blondes Haar zurück. „Es ärgert sie, daß Pendergast sie nicht das machen läßt, was sie kann - und sie kann mehr als fliegen. Soweit sie es mir erzählt hat, war sie in Atlantis Wissenschaftlerin, bis ... naja, beinahe zum Ende. Und du hast sie selbst erlebt, als der zweite Generator endlich unten war. Sie hat das Licht geschaltet, das wir jetzt haben. Laut Babbis bastelt sie gern an allem möglichen herum."
„Pendergast wird das nicht zulassen", bemerkte Spitzbart gelassen. „Klare Trennung zwischen Militär und Wissenschaft. Es reicht ihm ja schon, daß die Techniker für die 3-0-2 nicht zum Militär gehören."
Anne nickte. „Wenn wir Major Uruhk jetzt aber die Möglichkeit bieten, sich auch selbst zu entfalten, ihre eigenen Arbeiten aufnehmen zu können und zu forschen, wie sie es offensichtlich gern tun würde, vielleicht können wir sie dann auch überreden hierzubleiben. Zumindest, bis sie einen Weg gefunden hat, das Sternentor auf irgendeine bekannte Adresse auszurichten."
„Das defekte Sternentor, meinst du", berichtigte Spitzbart. „Ich weiß nicht. Soviel Angst, wie sie vor diesem Vineta hat, glaube ich nicht, daß sie bleiben wird." Er zögerte, dann setzte er hinzu: „Was hälst du denn von den restlichen beiden?"
„Dorn und Babbis?" Anne holte tief Atem. „Dorn ist ein gestandener Marine mit sehr viel Erfahrung. Ich denke, er wurde ihrem Team zugeteilt, weil sie, zumindest was letzteres anbetraf, noch nicht über allzu viel verfügte, vielleicht auch, um sie etwas auszubremsen. Der Mann weiß, was er tut. Das mit seinem Bein ist sehr bedauerlich."
„Und Babbis?" Spitzbarts Stimme klang amüsiert und, Anne hob die Brauen, interessiert.
„Wenn er nicht mit dem Major zusammen ist, ist er eine Nervensäge", antwortete sie. „Ich gebe gern zu, daß er weiß, wovon er redet, zumindest meistens. Aber seine Angewohnheiten ... ? Naja, soweit ich weiß, soll er früher noch nervtötender gewesen sein."
„Er ist jetzt schon hervorragend", bemerkte Spitzbart mit einer gewissen Begeisterung. „Wenn man ihn auszubremsen weiß wie der Major ist er schlichtweg brilliant."
Anne setzte sich auf und lauschte diesen Worten nach. „Walter, du willst doch nicht ... ?" Sie schloß den Mund.
„Wenn wir Vineta wirklich übernehmen wollen, könnte ich mir vorstellen, Dr. Babbis zu meinem Assistenten zu machen, ja. Mit ein bißchen mehr Erfahrung und Zeit ... Er könnte McKay vielleicht sogar überflügeln, und der war schon herausragend auf seinen Gebieten."
„Die die beiden sich teilen." Anne stöhnte auf. „Willst du dir das wirklich antun?"
„Du willst dir die Antikerin anhängen, Anne. Und wer soll sich um Babbis kümmern? Ich werde ihn fragen, sobald ich wieder runterkomme. Dann hoffentlich für immer."
„Du solltest dir das gut überlegen. Wenn Major Uruhk bleibt, wird sie dir dankbar sein. Allerdings habe ich den Verdacht, sehr viel Spaß an deinem Assistenten wirst du dann nicht haben."
„Umso besser. Wenn er von zwei Seiten beharkt wird, wird er vielleicht ruhiger." Spitzbart lachte. „Bleibt da nur noch der Marine. Was hast du für ihn geplant?"
„Im Moment kümmert er sich um die Kinder der Erethianer, und das macht er sehr gut. Die kleine Nefrenna hat ihn schon als ihren Ersatz-Großvater akzeptiert." Anne lächelte.
„Er hat mir erzählt, dieses Fiasko, das SG-27 herbrachte, hätte sein letzter aktiver Einsatz werden sollen. Willst du ihn tatsächlich in Pension schicken?" fragte Spitzbart.
„Wenn ich den Major überreden kann, das zu tun, was wir für sie planen und sie hierbleibt, denke ich nicht, daß Dorn viel Ruhestand genießen wird, Walter. Lassen wir es erst einmal bei der bestehenden Situation. Auf Dorn ist Verlaß, und er sieht Vineta als eine Chance, nicht als Bedrohung. Vielleicht gelingt es ihm, den Major zu überreden, wer weiß?" Anne erhob sich von ihrem Bett und trat an das Fenster, um hinaus in die gewaltige Höhle zu sehen.
Ein gewöhnungsbedürftiger Anblick, wie sie immer noch fand. Ihr fehlte der Ozean und der Sternenhimmel. Statt dessen schimmerte jetzt durch die vielen Löcher in der Höhlendecke ein erster, zarter und wieder verhangener Himmel auf die Gebäude hinunter. Zumindest regnete es heute nicht, wie in den letzten Wochen.
Annes Blick wanderte über die Silhouetten der Stadt, die sie einzunehmen gedachte.
Ein weiterer Außenposten für die Menschheit. Und sie hoffte, diesmal nicht in ihrer Dimension, oder zumindest, daß es recht lange dauern würde, bis man sie aufspürte. Noch immer arbeitete das nach, was im Atlantis ihrer Wirklichkeit geschehen war in den letzten Tagen vor der Flucht.
Die Daedalus und die Prometheus waren gemeinsam gekommen, um die Expedition abzuholen und den Außenposten zu zerstören. Alles, was irgend tragbar war, hatte man in aller Eile auf die Schiffe gebracht, das Personal aufgeteilt, bis dann schließlich nur noch eine Frage geblieben war: Wie Atlantis zerstören?
Anne erinnerte sich an die Absprachen, die Dr. Elizabeth Weir mit Pendergast und Caldwell getroffen hatte. Als deren Assistentin war sie anwesend gewesen bei den Unterredungen. Und sie erinnerte sich an die Blicke, die die beiden Militärs sich zugeworfen hatten.
Caldwell hatte nicht sehr begeistert auf sie gewirkt, das mußte sie zugeben. Aber als Lt. Colonel unterstand er dem anderen, mußte dessen Befehlen folgen. Und Pendergast hatte längst seinen eigenen Plan gefaßt, das eingeschworene Team getrennt und die Führungscrew von Atlantis ohne jede Möglichkeit zur Flucht, da das einzige ZPM, über das Atlantis verfügte, auf die Daedalus gebracht worden war, zurückgelassen.
Elizabeth war tapfer gewesen, erinnerte sie sich, als sie schließlich, abgeschnitten von allem, mit ihrem restlichen Stab in der Stadt zurückgeblieben war. Sie hatte die Selbstzerstörung eingeleitet und war ...
Anne schloß die Augen und atmete einige Male tief ein.
„Bist du noch da?" fragte Spitzbarts Stimme.
„Ja." Sie drückte ihre Stirn gegen das Fenster, öffnete dann langsam die Augen wieder.
Hier und jetzt hatten sie vielleicht eine Chance, Pendergast das Handwerk zu legen oder ihn zumindest so weit wie möglich fortzujagen. Und mit jemandem wie Major Uruhk hatten sie dazu noch jemanden, der ihnen wirklich weiterhelfen konnte. Einmal mußten sie doch auch Glück haben, ein einziges Mal!
Anne sah wieder auf, ihr Blick fiel auf den Zentralturm, der sich schwarz und mächtig über die Stadt erhob als deren höchstes Gebäude. Beinahe konnte man den Eindruck gewinnen, er kratze mit seiner Spitze die Decke der Höhle.
Anne blinzelte.
Irrte sie sich oder war da ... Licht?
Sie sah noch einmal hin, reckte den Hals.
Nein, sie irrte sich nicht. Da war Licht. Es brach sich in dem großen Fenster, das sich hinter dem Gate befand. Aber ...
„Walter, wir reden später weiter." Sie klopfte entschlossen auf ihr Funkgerät und drehte sich um.
Wer trieb sich da im Kontrollraum herum?

***

„Immer noch nichts." Vashtu senkte den Kopf, stützte sich schwer auf das DHD und brütete vor sich hin.
John hatte ihr gesagt, daß sie etwas tun sollte, nur was, das hatte er ihr leider auch nicht verraten können. Sie hatten sämtliche Leitungen überprüft, ebenso alle Kristalle mindestens ein Dutzend Mal. Daran lag es nicht.
Peter hatte sich auf einem Stuhl niedergelassen, den irgendjemand hier herein getragen hatte, und gähnte jetzt herzhaft. „Heißt das, ich kriege zumindest noch eine Stunde Schlaf?" fragte er dann und rieb sich über das Gesicht.
Vashtu knurrte einen Fluch und richtete sich wieder auf. „Es muß an dem Chevron liegen", sagte sie dann. „Wer weiß, was da angerichtet wurde?"
Sie hörte das Stöhnen hinter sich, drehte sich um und blitzte ihr ehemaliges Teammitglied an. „Wollen Sie hier weg oder nicht?"
Peter kreuzte die Arme vor der Brust und richtete sich unvermittelt auf. „Und was, wenn nicht? Vielleicht gefällt es mir hier ja", entgegnete er, plötzlich kampflustig geworden.
Vashtu stutzte. So kannte sie ihn gar nicht. Hatte sie ihn einmal zu oft getritzt?
Peter stand auf, drückte den Rücken durch und ächzte. „Wenn Sie so unbedingt durch das Gate verschwinden wollen, bitte sehr, Vashtu, meinetwegen. Sie benehmen sich, seit wir hier angekommen sind, wie eine Irre, ist Ihnen das vielleicht schon einmal aufgefallen? Ständig glucken Sie wegen diesem verdammten Schrotthaufen von einer Stadt herum. Hier ist nichts, Vashtu! Gar nichts! Null!" Er unterstrich jedes der letzten Worte mit einer entschiedenen Geste.
„Sie kennen die Berichte ..."
„Natürlich kenne ich sie nicht, weil Sie sich ja ausgeschwiegen haben und wir die Rechner hier nicht hochfahren können - aus welchem Grund auch immer. Wir könnten schon weiter sein, wenn Sie endlich Ihren verdammten Kristall herausholen würden! Vielleicht liegt es ja daran", begehrte Peter auf.
Vashtu holte tief Luft. Sofort, als er ihn erwähnte, war ihre Hand zu der zweiten Kette um ihren Hals hochgefahren und tastete jetzt nach dem Kristall. „Kommt nicht in Frage!"
„Was soll dieser nächtliche Unsinn eigentlich?" wechselte er unversehens das Thema. „Andere Leute, und eigentlich auch Sie, schlafen um diese Zeit noch. Sie haben mich eine ganze Nacht gekostet, und wofür? Für nichts!"
Vashtu blinzelte, drehte sich dann wieder um. Plötzlich war ihr ein Gedanke gekommen.
„Ich soll mir morgen noch einmal die Base ansehen - auf Ihren Befehl. Sie wollten doch wissen, was das für eine eigenartige Sekundärwaffe ist, nicht ich", wetterte Peter in ihrem Rücken weiter. „Aber statt dessen kosten Sie mich meinen Nachtschlaf. Um an einem Sternentor herumzubasteln, von dem Sie behaupten, es sei Schrott. Und es ist ... Was machen Sie da?"
Vashtu war unter das DHD gerutscht und hatte die Taschenlampe aus ihrer Überlebensweste bemüht. Und jetzt sah sie den Fehler.
Sie ruckelte ein bißchen an den Zuleitungen, bis die Anschlüsse frei waren, dann stöpselte sie diese einfach um.
„Was ... ?"
Sie richtete sich mit einem triumphierenden Lächeln wieder auf und gab auf gut Glück irgendeine Adresse in das DHD ein.
Peter trat an ihre Seite und starrte hinaus in den Gateroom. Er blinzelte. „Grün!" sagte er dann endlich.
„Was?" Vashtu hob den Kopf und blickte auf das Gate.
Die Symbole, die sie eingegeben hatte, leuchteten in einem kräftigen und satten ... Grün.
Sie blinzelte, wechselte dann einen Blick mit dem jungen Wissenschaftler, ehe sie das Bestätigungsfeld berührte. Dann ruckten beide Köpfe zeitgleich wieder herum, als mit einem gewaltigen Donner ... ein Wurmloch entstand!
„Wow!" entfuhr es Peter nach einer Sekunde.
„Es liegt doch am Chevron", murmelte Vashtu, diesem gewaltigen Knall nachsinnend. „Ich brauche ein Schweißgerät."
„Sie haben das Sternentor wieder repariert!"
Vashtu und Peter blinzelten sich an, dann drehten sie sich zur Tür um und starrten Dr. Stross entgegen, die sie beide mit großen Augen musterte. „Sie haben es geschafft!"
Das Wurmloch brach wieder zusammen.

TBC ...

26.09.2010

2.04 Vinetas Wiederauferstehung

TV-Serie: Stargate general
Reihe: SG-V (Stargate: Vineta)
Genre: action, adventure, humor
Rating: PG


Eine sanfte Brise umspielte ihn, als er auf die Ballustrade hinaustrat. Die salzgeschwängerte Luft von Atlantis füllte seine Lungen. Einen Blick warf er auf den schwarzen, im Sternenlicht glänzenden Ozean, dann hob er die Augen gen Himmel.
Lt. Colonel John Sheppard betrachtete die Gestirne mit einer Sehnsucht, die ihm fast das Herz zerreißen wollte. Irgendwo dort draußen ... irgendwo ... war sie ...
„Vashtu ..." flüsterte er in die Brise hinein.

Major Vashtu Uruhk lehnte am Höhleneingang, blickte voller Sehnsucht in den Himmel hinauf. Der Mond war bereits untergegangen, so daß die Sterne dieser fernen Galaxie auf sie hinabschienen.
In sich fühlte sie eine Mutlosigkeit wie schon seit langem nicht mehr. Wenn sie an das dachte, was sie zurückgelassen hatte, irgendwo, in der weit, weit entfernten Milchstraße. Oder auch nur einen Hauch näher, in der Pegasus-Galaxie.
Kurz war es ihr, als umwehe sie ihr eigener Name wie ein Hauch.
Unwillkürlich erstarrte sie, als sie die Gegenwart von jemand anderem fühlte.
„John ... ?" wisperte sie in den Himmel hinauf.

John schloß die Augen. Kurz war es ihm gewesen, als erhalte er eine Antwort auf sein stilles Flehen.
Er holte tief Atem und dachte angestrengt an das, was die Antikerin ihm mitgeteilt hatte an diesem, ihm so fern erscheinenden Vormittag auf der Erde.
Und da war es wieder, dieses eigenartige Gefühl, nicht allein zu sein. Und die Sicherheit, den anderen Anwesenden zu kennen wie niemand sonst.
Er sah wieder zu den Sternen hinauf. „Ich weiß, daß du noch lebst, Vash", sagte er leise.

Ein sehnsuchtsvolles Lächeln glitt über ihre Lippen. „Ich lebe noch, John", antwortete sie, die Augen weiter gen Himmel gerichtet.

„Wo bist du?" fragte er leise. „Ich kann dich spüren, irgendwo tief in mir. Aber ich kann dich nicht finden."

„In einer anderen Galaxie, John", wisperte sie. „Ich vermisse dich!"

Ein Lächeln glitt über sein Gesicht. „Ich vermisse dich auch, Vash. Sag mir, wo du bist. Dann ... dann sehe ich zu, daß ich zu dir komme und dich hole."

„Das ist zu weit und zu gefährlich." Sie runzelte die Stirn und senkte den Kopf. „Es tut mir leid, John. Es ist soviel passiert ... Es ist ... Dorn ist ein Krüppel und Wallace ... Wallace ist ..." Sie stockte.

„Scht!" machte er leise, wandte sich ab und betrat den stillen Kontrollraum. „Es ist gut. Du hast nichts daran ändern können, wie es gekommen ist. Und du hast verhindert, daß ein weiteres Ori-Schiff in die Milchstraße gekommen ist."

„Aber ich kann nicht zurück, John!"
Vashtu wanderte den Weg entlang, die Augen fest auf die dämmrige Beleuchtung gerichtet.
„Zwei Generatoren, und das Stargate ist defekt. Es wäre ohnehin nicht ... Wir kämen nicht zurück, selbst wenn wir es richten könnten."

John blieb stehen und lauschte in sich hinein. Dann schüttelte er den Kopf. „Was für ein Unsinn! So kenne ich dich nicht, Vash. Und so will ich dich auch nicht kennen", sagte er etwas lauter als er wollte.
Der Techniker, der diese Nacht Dienst tat, blickte verschlafen von seinem Posten auf und blinzelte ihm zu. John schüttelte nur unwillig den Kopf, richtete seine Konzentration jetzt auf das Sternentor vor den Fenstern.

Vashtu war inzwischen in der stillen Stadt angekommen, hielt auf den den Zentralturm zu und seufzte schwer.
„Ich wünschte, ich könnte etwas ändern. Aber ... Das alles hier ist so schwer!"

„Dann ändere es! Wenn es eine Person im gesamten Universum gibt, die an deiner Lage etwas ändern kann, dann bist nur du es selbst." Langsam trat er durch die Tür und blieb einen Moment in sich hineinlauschend dort stehen.

Vashtu nahm die Treppen zum Gateroom hinauf. Noch immer fühlte sie diese vertraute Präsenz um und in sich. Und sie wünschte sich nichts mehr, als daß er sie in seine Arme nehmen konnte.
„Ich kann nicht, nicht hier!" seufzte sie endlich, schlüpfte durch die halboffene Tür und kam am oberen Ende der Treppe heraus. Sinnend starrte sie das defekte Sternentor an.

„Egal, wo du bist, du kannst es ändern", entgegnete John entschlossen, trat an den Absatz der Treppe und blickte in den Gateroom hinein. Ihm war, als stehe jemand neben ihm, doch er wußte auch, würde er seine Augen auf die Stelle richten, es wäre niemand da.

Vashtu schüttelte resigniert den Kopf, trat die erste Stufe herunter, blieb dann aber stehen und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Tor.
Ihr war, als könne sie einen anderen, einen ähnlichen Gateroom sehen, sanft beleuchtet und mit einem funktionierenden Tor. Die vertraute Umgebung ihrer Heimat: Atlantis!

„Vash, ich möchte dich irgendwann wieder bei mir haben", sagte John leise und eindringlich. „Wenn ich also nichts tun kann, dann mußt du es tun! Es gibt keinen anderen Weg."

„Ich kann nicht. Ich weiß nicht wie", seufzte sie und senkte den Kopf. „Das alles hier ... Es ist schrecklich, John, einfach nur schrecklich!"

„Du bist in einer Stadt deines Volkes, oder nicht?" fragte er mit eindringlicher Stimme.

Vashtu nickte stumm.

„Dann kannst gerade du viel tun. Erinnere dich daran, was du damals, nach deinem Auftauchen hier, getan hast. Du bist in der Lage, Sternentore zu reparieren!"

„Aber ..."

„Vash, du willst zurück! Dann wird dir kein anderer Weg bleiben", fuhr er eindringlich fort. „Arbeite, lebe, kämpfe, damit du wieder zurückkommst! Tu, was du tun mußt! Verstehst du? Ich will dich zurück, und du willst zurück. Also tun wir beide alles, was nötig ist, um diesen Wunsch auch zu erfüllen. Es mag nicht einfach sein, aber es ist alles, was uns bleibt."

Vashtu hob mit einem Ruck den Kopf, starrte das Tor an. „Arbeiten ... ? Kämpfen ... ?" wisperte sie, atmete einige Male tief ein.
Die Präsenz hinter ihr war immer noch so stark, so unendlich stark. Sie meinte wirklich, ihn hinter sich zu wissen. Und gleich würde er ihr liebevoll die Hände auf die Schultern legen.

„Tu es für uns beide!" begehrte John auf.
Kurz war es ihm, als sähe er einen anderen Gateroom, der dem von Atlantis jedoch erstaunlich ähnlich sah. Aber er war fast undurchdringlich in Schwärze gehüllt. Keine Aktivititäten, und auch nichts, was darauf hindeutete, daß sich dieses so schnell ändern würde.
„Tu es! Das ist ein Befehl eines vorgesetzten Offiziers, Major. Tu es!" sagte er.
„John?" fragte Elizabeths Stimme verwirrt hinter ihm.
Er fuhr herum und sah die Expeditionsleiterin groß an, die ihn musterte, als habe er den Verstand verloren.
„Alles in Ordnung mit Ihnen?" fragte sie.
Er nickte und schluckte.
Vashtus Präsenz war fort ...

„Von vorgesetzten Offizieren habe ich die Nase voll, John!" Mit einem plötzlichen kämpferischen Glanz in den Augen drehte Vashtu sich um und fand hinter sich ... nichts!
Tief einatmend rief sie sich zur Ordnung, ließ den Kopf wieder hängen.
Dann aber wandte sie sich wieder dem Gate zu und hob den Blick.
„Kämpfen ..." wisperte sie. Ihr Blick wurde hart und entschlossen.
Dann wirbelte sie auf dem Absatz herum und stürzte aus dem Gateroom von Vineta heraus.

***

Dr. Peter Babbis war gerade eingeschlafen nach einem, in seinen Augen, sehr anstrengenden Tag in dieser neuen Stadt, als sich unvermittelt die Tür zu seinem Quartier öffnete und ein greller Lichtstrahl auf sein Bett traf.
„Peter, aufstehen!"
Mühsam blinzelnd rappelte er sich auf die Ellenbogen, hob dann einen Arm und beschattete seine Augen mit ihm. Zwinkernd und die Augen immer wieder zusammenkneifend versuchte er, an dem Lichtstrahl vorbei, die Gestalt in der Tür auszumachen. „Was ist denn?" muffelte er schlaftrunken.
Endlich senkte sich der Schein der Lampe, aber nur ein wenig. Den Schatten erkannte er, der sich dahinter abzeichnete. Dieser Wuschelkopf war unverkennbar.
„Wir haben zu arbeiten!" Damit verschwand die Antikerin endgültig und ging wohl den Gang weiter hinunter. Doch die Tür ließ sie offen.
Peter blinzelte immer noch verschlafen, gähnte dann und murmelte diverse Flüche, während er sich mühevoll aus dem Bett schälte.

***

Kurze Zeit später standen beide, Vashtu und Peter, mit tragbaren Scheinwerfern und jeder Menge Kabel bewaffnet, wieder im Gateroom und betrachteten das Tor, das sich vor ihnen erhob.
„Und was soll das bringen? Wir haben es doch schon untersucht und keinen Fehler gefunden", brummte der junge Wissenschaftler.
„Dann waren wir eben nicht gründlich genug." Vashtus Gesicht wirkte zu allem entschlossen. Sorgfältig leuchtete sie das Gate aus, trat nachdenklich näher. „Den Einschuß haben wir übersehen", bemerkte sie schließlich, hielt den kräftigen Lichtstrahl auf eines der Schlüsselelemente gerichtet.
Peter trat zwinkernd näher, reckte den Hals. „Welchen Ein... Oh, den!" Er gähnte. „Können wir das nicht auf morgen früh verschieben? Es ist doch eh kaum noch was zu tun, solange Pendergast uns nicht mehr Generatoren zugesteht."
„Wollen Sie nach Hause oder nicht?" Vashtu wandte sich vom Tor ab und begann, die Scheinwerfer, die sie bei sich trug, an strategisch wichtigen Punkten zu verteilen, so daß der Torraum gut ausgeleuchtet wurde. „Gehen Sie in die Kontrollzentrale und sehen sich noch einmal das DHD an", befahl sie währenddessen.
„Schon bemerkt, daß wir kein Werkzeug dabeihaben?" Peter hob die beiden Scheinwerfer, die er in den Händen trug und nickte an sich hinunter.
Vashtu richtete sich unwillig wieder auf und leuchtete unter die Treppe. „Wir haben einen Geräteraum", entgegnete sie scharf.
„Hä?" Peter blinzelte und starrte mit langem Hals in die Richtung des Lichtstrahls. Doch sehen konnte er absolut gar nichts. Die Lippen zusammenkneifend marschierte er die Treppe wieder hinauf und betrat die stille Kontrollzentrale der verlassenen Stadt.
An die Ähnlichkeit zum Kommandoposten auf Atlantis hatte er sich mittlerweile gewöhnt, vor allem, da es auch einige Unterschiede in Anordnung und Zahl der hier vorhandenen Geräte gab. Zu Anfang aber, daran erinnerte er sich noch gut, war es ihm geradezu beängstigend erschienen, diesen so stillen Raum zu betreten.
Die minimale Energieversorgung, die Colonel Pendergast von der Prometheus ihnen zugestand, nachdem er die Erethianer von seinem Schiff gewiesen hatte, hatte an der Finsternis hier nichts ändern können. Zwar floß wohl offensichtlich Energie durch die Leitungen, der eine oder andere Rechner reagierte mit einem kurzen Aufleuchten, als er an ihm vorbeischritt und auf das DHD zuhielt, doch entweder reichte die Zufuhr nicht aus, oder die Rechner waren nach zehntausend Jahren und dem davor stattfindenden Kampf in und um die Stadt beschädigt worden. Der gesamte Kontrollposten schien von dieser Seuche befallen zu sein, und bisher hatte ihnen schlichtweg die Zeit gefehlt, sich das näher anzusehen.
Peter stellte sich beim DHD auf und leuchtete es an.
Es war ein wenig kleiner als gewohnt, dafür wies es einige zusätzliche Schaltungen auf, hinter deren Sinn bis jetzt noch niemand gekommen war, selbst Vashtu nicht.
Peter stellte seinen letzten Scheinwerfer neben das DHD auf das Panel eines Rechners, der kurz summte, als er ihm zu nahe kam. Dann reckte er den Hals und blinzelte nach draußen.
Die großen Fenster waren von einer dünnen Staubschicht bedeckt, was den Ausblick etwas verwaschen und undeutlich erscheinen ließ. Dennoch konnte er seine ehemalige Leaderin beobachten, wie sie etwas in den Gateroom schleppte, was er noch nie in seinem Leben gesehen hatte.
„Was ist das denn?" Er blinzelte, schüttelte dann über sich selbst den Kopf und wandte sich dem DHD zu.
Sorgfältig begann er mit seiner Untersuchung, genau, wie Vashtu es ihm schon des öfteren erklärt hatte. Doch wieder war sein Ergebnis frustrierend.
„Peter, ich könnte Ihre Hilfe hier unten gebrauchen", meldete sich ihre Stimme irgendwann über das Funkgerät in seinem Ohr.
Er richtete sich seufzend wieder auf, klopfte einmal gegen das kleine Gerät, um selbst sprechen zu können. „Wie bei den letzten Dutzend Malen: Wo auch immer der Fehler liegt, er liegt nicht am DHD", erklärte er.
„Dann kommen Sie runter. Wir müssen die Leitungen kontrollieren."
Kopfschüttelnd verließ er den Kontrollraum wieder und stieg die Stufen hinunter. Nur um erstaunt zu blinzeln über das, was sie auf dem Boden vor dem Sternentor verteilt hatte.
„Was ist das?" fragte er, nahm etwas in die Hand, das aussah wie eine Kreuzung zwischen Schraubenschlüssel und Rohrzange.
„Werkzeug", kam die einsilbige Antwort. „Wir müssen die Bodenplatten aufstemmen. Helfen Sie mir!"
Ihm wurde eine lange, dünne Stange in die Hand gedrückt, deren Sinn und Zweck er nicht einmal erahnen konnte.
Blinzelnd trat er an Vashtus Seite, beobachtete, wie sie eine ähnliche Stange in einen unsichtbaren Zwischenraum senkte, versuchte es ihr nachzutun. Und nach einigen Anläufen fühlte er wirklich, wie das dünne Ende seines Stabes irgendwo einzurasten schien.
„Hebeln!" befahl sie und stemmte sich mit aller Kraft auf ihre Stange.
Peter tat es ihr nach.
Mit einem lauten Ächzen gab die Platte nach und legte zum Teil leuchtende Leitungen frei, die unter dem Boden entlang verliefen. Peter bekam große Augen.
„Sind nicht alle Stromkreise geschaltet, wie ich es mir gedacht habe." Ein zufriedenes Lächeln erschien auf dem Gesicht der Antikerin.

TBC ...

21.09.2010

Die geheime Stadt VIII

Peter glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er, an Markhams Seite, die Pyramide endlich betreten hatte, die das letzte Gebäude des militärischen Komplexes bildete. Reihen um Reihen abflugbereit standen, so hoch die Pyramide war, Puddlejumper.
„Wir haben hier Jumper gefunden", rief er in sein Mikro. „Das müssen hunderte sein!"
Markham umschritt einen, der offensichtlich aus der Batterie herausgeholt worden war vor der Aufgabe der Stadt, neugierig. „Der hat eine andere Kennung", sagte er schließlich und drehte sich um.
„Sie haben Jumper gefunden?" fragte Vashtu. „Sind Sie etwa schon fertig mit Ihrem Bereich?" Unglaube schwang in ihrer Stimme mit.
Peter fühlte jetzt doch seine Hochstimmung etwas verfliegen. „Woher wissen Sie von dieser Base?"
„Von Antarktica, Peter. Sie sind in der Pyramide."
„Major, hier steht ein halbes Dutzend Jumper mit einer anderen Kennung", mischte Markham sich ein. „Die sehen ... eigenartig aus, Mam. Da ist noch etwas an den Frontseiten angebracht."
„Wie bitte?"
Peter trat jetzt auch neugierig näher und betrachtete das, was dem Lieutenant aufgefallen war. Zwei kleine Öffnungen unter der Frontscheibe. Und wenn er mit der Taschenlampe hineinleuchtete, glitzerte etwas darin. „Was ist das?" fragte er.
Markham hob die Schultern, ließ sie dann mit einem ratlosen Gesicht wieder sinken.
„Sehen wir nach!" Peter packte den Militär am Arm und zog ihn um den kleinen Gleiter herum, vor dem sie gestanden hatten.
„Was ist an den Frontseiten angebracht, Markham?" fragte die Antikerin in ihrer beider Ohr.
Die beiden Männer grinsten sich plötzlich einhellig an. Der Lieutenant öffnete die Heckluke. Die Innenbeleuchtung sprang an.
Peter hastete als erster in den Laderaum hinein. Bis jetzt unterschied dieser Jumper sich in keinster Weise von denen, in denen er bis jetzt gesessen hatte.
Die Cockpitbeleuchtung sprang an und er nahm die leisen, tastenden Finger wahr, die nach seinen Wünschen und Befehlen forschten.
Vorsichtig streckte er seinen Kopf in das Cockpit.
Auch dieses unterschied sich auf dem ersten Blick nicht von denen, die er kannte. Die Armaturen waren ebenso angebracht, ein DHD in der Mitte, vier Sitze, die beiden kleinen Griffe, mit denen man den Gleiter flog, die Einstellung der Schwerkraft. Alles da - und noch etwas mehr.
„Was sind das für Knöpfe?"
Peter glitt auf den Pilotensitz und blinzelte ungläubig.
Direkt vor ihm, zwischen den beiden Steuerelementen, waren zwei kleine, blinkende Knöpfe in der Armatur versenkt.
Die Hologrammabfragen bildeten sich auf seine Frage hin, doch lesen konnte er sie immer noch nicht.
„Wow!" entfuhr es Markham, der jetzt ebenfalls das Cockpit betreten hatte.
„Könnte mich jetzt vielleicht jemand aufklären?" herrschte Vashtus Stimme ihn in seinem Ohr an.
Peter drehte sich zu dem Lieutenant um. „Können Sie das lesen?" fragte er, ein wenig verärgert über das größere Wissen des anderen.
Markham nickte nachdenklich, klopfte dann auf sein Funkgerät. „Mam, die Jumper haben noch eine zweite Waffe", meldete er.
Peters Kopf flog wieder zu der Hologrammeldung herum. Verständnislos und mit verärgert zusammengezogenen Brauen musterte er die fremdartigen Schriftzeichen.
Er würde wohl doch nicht drum herum kommen und antikisch lernen müssen, ging ihm auf.

***

Vashtu blieb stehen wie erstarrt. „Die Jumper haben was?" fragte sie. Stross drehte sich verdattert zu ihr herum.
„Nicht alle, Mam. Nur dieser hier ... und vielleicht die anderen fünf mit der eigenartigen Kennung", antwortete Markham. „Eine experimentelle Waffe, soweit ich das verstanden habe. Sie sollten sich das ansehen."
Vashtu nickte, gab Stross das Zeichen, weiterzugehen. „Das werde ich auch tun, mit Sicherheit, Markham", knurrte sie. „Rühren Sie nur nichts an und kommen Sie zu uns. Wir sind auch bald soweit. Befinden uns im Zentralturm und sehen nach der Energie."
Puddlejumper mit einer Sekundärwaffe? Hatten die Drohnen nicht gereicht?
Nein, rief sie sich den Bericht von Markham ins Gedächtnis. Zumindest die Jäger der Devi waren selbst für die intelligenten Waffen ihres Volkes zu schnell.
Aber .... hatte die Zeit damals wirklich gereicht, um noch eine zweite Waffe zu entwickeln und in Jumper einzubauen? Oder hatte man den Versuch schon vorher unternommen und wurde nur gestoppt durch die Gewalt, mit der die Devi ihr Volk angegriffen hatten?
Vashtu wußte es nicht.
Aber allmählich, das mußte sie zugeben, wurde Vineta auch für sie interessant. Die Berichte und auch was sie selbst gesehen hatte bisher zeigten keine Spur von einer wie auch immer gearteten Gefahr hier. Die meisten Gebäude hatten die zehntausend Jahre relativ unbeschadet überstanden, und sie war sicher, selbst die anderen würden sie wieder herrichten können.
Das allerdings, rief sie sich in den Sinn, war nur die Oberfläche. Wie es auf den unteren Ebenen von Vineta aussah, konnte sie nicht sagen. Möglich, das dort der Schrecken lauerte, den sie hier vermutete. Und sie konnte nur hoffen, daß Stross und die anderen klug genug waren, diese Ebenen nicht anzurühren.
Vashtu schritt durch eine geöffnete Tür und seufzte erleichtert.
Die Energiezentrale, endlich.
„Es ist so ruhig hier", stellte Stross fest.
Vashtu nickte, trat an die Einrichtung in der Mitte des Raumes heran und musterte sie genau. „Zwei ..." murmelte sie, wandte sich dem Panel zu und hoffte, daß zumindest noch etwas Saft in den Leitungen war.
Und sie hatte recht. Mit einem leisen Surren fuhren die beiden Gestänge für die ZPMs heraus.
„Nur zwei?" fragte Stross an ihrer Seite.
Vashtu nickte. „Vineta fliegt nicht, schon vergessen?"
Das vordere ZPM war dunkel, nicht der kleinste Schimmer.
Sie trat näher und hob es vorsichtig aus seiner Halterung. „Leer", stellte sie dann seufzend fest und schüttelte den Kopf. Langsam ließ sie es wieder zurückgleiten, wollte sich dem anderen zuwenden, als sie wie erstarrt stehenblieb und dieses nur groß anstarrte. „Was ... ?"
„Was ist?" Stross leuchtete mit ihrer Taschenlampe das zweite ZPM an und holte tief Atem. „Wie kann das denn passieren?"
Vashtu schüttelte verständnislos den Kopf, trat um die Einrichtung herum und streckte vorsichtig die Hände aus.
Mit einem leisen Klirren zerbrach das Energiemodul unter ihren Händen. Der Riß, den sie wahrgenommen hatte, war also doch nicht nur ein Riß gewesen.
Vorsichtig wog sie die eine Hälfte des zerbrochenen Kristalls in ihren Händen. „Soetwas habe ich noch nie erlebt", sagte sie schließlich ratlos.
Wie hatte das passieren können? Ein ZPM zu zerbrechen erforderte sogar mehr Kraft, als sie, wenn sie sich ganz in ihre Fremdgene stürzte, aufwenden konnte. Sie hatte auch noch nie gehört, daß ein solcher Kristall jemals beschädigt worden wäre.
Vashtu legte den einen Teil des ZPMs zur Seite, beugte sich über die Energieanlage und holte vorsichtig das zweite Stück heraus - und erhielt die Antwort, mit der sie niemals gerechnet hatte.
„Es ... es sieht ..." Stross blieben die Worte im Halse stecken.
Vashtu nickte, drehte den Kristall nachdenklich in ihren Händen. „Es ist überladen worden", sagte sie und betrachtete die Verschmelzungen.
Was für eine Gewalt mußte auf dieses ZPM eingewirkt haben, daß es eine solche Reaktion zeigte? Sie kannte nichts, was ein ZPM wirklich zerstören konnte. Aber dieses war ganz offensichtlich in eine gewaltige Rückkopplung geraten, die einen Teil der Kristallstruktur schmelzen ließ und das ganze dann spaltete.
Vashtu kniff kurz die Lippen aufeinander, nickte dann, während sie auch den zweiten Teil des Energiemoduls zur Seite legte. „Ich schätze, wir wissen jetzt, wie Vineta unterging. Mit nur einem ZPM konnten sie die Stadt nicht halten." Sie blickte auf, Stross direkt in die Augen.
Die schluckte hart, nickte aber schließlich, wenn auch widerstrebend, zustimmend.
Vashtu betrachtete wieder die beiden Teile des Energiemoduls und seufzte. „Lassen Sie uns weitersuchen. Irgendwo muß das Stargate sein." Den Stuhl erwähnte sie nicht.

***

Peter fühlte, wie seine Laune immer mehr sank.
Warum wurde er einfach das Gefühl nicht los, daß seine Leaderin ihm plötzlich nicht mehr vertraute? Ständig mußte er mit Markham zusammenhängen, während sie mit dieser Stross loszog. Natürlich, die hatte geholfen, ihn und die anderen aus der Devi-Stadt zu befreien, dafür war er ihr auch dankbar. Was auch immer in dieser Nacht sonst geschehen wäre, er wäre nicht mehr lebendig da herausgekommen. Es hätte nicht nur Wallace getroffen, sondern auch ihn. Und er wollte lieber nicht ...
Dennoch aber regte es ihn allmählich auf. Er hätte die Jumper gern näher untersucht, wäre gern in ihrer Nähe gewesen und hätte wieder mit ihr zusammengearbeitet, so wie er es jetzt seit über einem halben Jahr getan hatte. Aber sie ließ ihm ja keine Chance dazu!
Markham, der an seiner Seite ging, warf ihm einen Blick zu. „Alles in Ordnung, Doc?" fragte er.
„Natürlich!" Peter kniff die Lippen aufeinander.
Er würde noch das eine oder andere Wörtchen mit Vashtu zu wechseln haben, davon war er überzeugt. Er ließ sich nicht so einfach aufs Abstellgleis schieben, auch wenn sie sich das wohl im Moment so wünschte. Spätestens wenn sie gemeinsam hier ...
„Mam, wir haben da etwas gefunden. Sollten Sie sich ansehen", meldete sich eine Stimme über Funk.
„Bin gleich da", antwortete Vashtu. In ihrer Stimme schwang etwas mit, das er nur allzu deutlich kannte. Irgendetwas nagte mal wieder an ihr, wie schon die ganze Zeit.
Peter mußte zugeben, am meisten ärgerte es ihn, daß er sie nicht hatte überreden können, hierher zu kommen. Wie auch immer Stross das angestellt hatte, ihr war es gelungen, woran er gescheitert war. Und dennoch würde er noch ein Wörtchen mit seiner Leaderin zu wechseln haben!

***

Vashtu nahm im Eilschritt die Treppen hinauf, Stross dicht hinter sich wissend. Ein Marine winkte ihr, verschwand dann wieder hinter der offenstehenden Tür.
Vashtu kam mit Schwung herein und blieb wie erstarrt stehen. Ihre Augen weiteten sich ungläubig.
„Oh mein Gott!" keuchte Stross hinter ihr.
Der Kontrollstuhl von Vineta.
Vashtu schluckte, trat vorsichtig näher heran und atmete tief ein.
Jemand hatte den Stuhl benutzt während des Angriffes. Und dieser jemand saß noch immer ...
Ein Schädel grinste sie an, die skelettierten Hände lagen noch immer auf den Gelkissen, der Kopf aber war zur Seite geneigt. Reste einer Uniform ihres Volkes umhingen den Leichnam.
Vashtu kniff die Lippen fest aufeinander und wandte sich ab.
Was auch immer hier geschehen war, es war alles andere als das gewesen, was sie von ihrem Volk kannte. Der Tote hatte ein Loch im Schädel. Er war von irgendjemandem erschossen worden, während er den Kontrollstuhl bediente.
„Major?" fragte der Marine mitfühlend.
Vashtu nickte und sah, ein tapferes, wenn auch verzerrtes Lächeln auf den Lippen, auf. „Danke", sagte sie nur. „Schaffen Sie ihn da runter." Damit wandte sie sich wieder ab, betrachtete noch einmal kurz die Wände, die im Licht der Lampen metallen glänzten, dann verließ sie den Raum, schritt mit schweren Schritten die Treppe weiter nach oben, in Richtung der Kontrollzentrale.
„Major!"
Vashtu war einen Moment lang versucht, ihre Schritte zu beschleunigen, blieb dann aber doch stehen und wartete, bis Stross zu ihr aufgeholt hatte. Die Wissenschaflterin starrte sie mit blassem Gesicht an.
„Was ist hier passiert? Ich dachte, es hätte einen Kampf mit den Devi gegeben?" fragte sie, nachdem sie einige Male durchgeatmet hatte.
Vashtu nickte. „Ob Sie es glauben oder nicht, ich würde das auch gern wissen. Ich habe nämlich keine Ahnung!" blaffte sie die andere an, drehte sich wieder um und marschierte die Treppen weiter nach oben.
„Aber ... Sie sagten doch ..." Stross holte sie wieder ein.
„Ja, ich sagte." Die Antikerin nickte. „Ich sagte, was ich wußte, Dr. Stross, ob Sie es glauben oder nicht. Aber die Berichte stimmen nicht mit den Tatsachen überein." Ihre Kiefer mahlten. Wieder einmal fühlte sie sich von ihrem eigenen Volk verraten. „Denn laut diesen Berichten dürfte hier nicht ein Gebäude mehr stehen - und doch gibt es relativ wenig Zerstörung! Laut den Berichten haben die Devi die Stadt zerstört, aber der, der da gerade saß ..."
„Ist erschossen worden", fielt Stross ihr ins Wort und nickte heftig. „Ich habe Augen im Kopf, Major! Ich habe das auch gesehen."
„Gut!" Vashtu spuckte dieses Wort aus wie einen Fluch. „Denn ich habe allmählich keine Ahnung mehr, was hier gespielt wurde. Ein ZPM zu zerstören traue ich, ehrlich gesagt, nicht einmal den Devi zu." Sie preßte kurz die Kiefer fest aufeinander, ehe sie fortfuhr: „Für mich sieht das eher so aus, als habe es hier eine Revolte gegeben, vielleicht zeitgleich mit dem Angriff der Devi. Beides zusammen hat der Stadt ihre Bewohner gekostet. Die Frage ist, warum wurde der Rat auf Atlantis belogen, was die Tatsachen anging. Eigentlich hätten die Bewohner von Vineta doch froh und glücklich sein können. Ihnen wurde alles auf einem Silbertablett gereicht, während wir auf Atlantis ..." Sie schüttelte unwillig den Kopf, drückte ihr Funkgerät. „Gut, warten Sie unten. Wir kommen gleich."
„Sie glauben, den Forschern habe es Spaß gemacht, hier eingesperrt zu sein?" Stross runzelte die Stirn. „Was wissen Sie denn überhaupt von dieser Stadt, Major?"
„Wie gesagt, ich kenne einen Teil der Berichte, die an Atlantis geschickt und zur Erde weitergeleitet wurden." Vashtu schüttelte seufzend den Kopf. „Allerdings frage ich mich, ob diese Berichte nicht von vorn bis hinten erlogen sind. Einen Angriff hat es gegeben, soviel ist klar. Aber ich glaube nicht, daß dieser so heftig ablief, wie der letzte Bericht es schilderte. Die Besatzung der Aurora muß dabei aber mitgespielt haben, denn sie wußten ..." Sie hob den Kopf und blieb wieder stehen. „Die Aurora kam nie zurück nach Atlantis!" Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah sich um.
Was auch immer hier gespielt worden war, es hatte verheerende Auswirkungen gehabt. Vineta war allerdings nicht zerstört, sondern verlassen worden. Aber wo waren die Überlebenden geblieben? Wo waren die Lantianer, die hier gelebt und gearbeitet hatten? Einzig das Oberhaupt der Stadt war von der Aurora mitgenommen worden. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß auch noch dieses Schiff mit in diese offensichtliche Intrige verstrickt worden war. Außerdem hätten John und McKay dann irgendetwas finden müssen.
Vashtu schüttelte unwillig den Kopf und nahm die Stufen wieder in Angriff.
Als erstes, nachdem wieder Energie hergestellt war, sollten die Transporter wieder online geschaltet werden, ging ihr auf. Man lief sich in diesem Turm ja die Füße wund!
„Die Aurora? Was ist das?" Stross folgte ihr wieder.
„Ein Schiff. In meiner Dimension ist es vor über einem Jahr von Lt. Colonel Sheppard und Dr. McKay gefunden worden. Es befand sich auf dem Weg zurück nach Atlantis, doch es verfügte nicht über einen intergalaktischen Antrieb, so brauchte es zehntausend Jahre, um überhaupt die Randgebiete von Pegasus zu erreichen, nachdem es hier gewesen war", antwortete sie über die Schulter zurück.
„Und diese Aurora war hier, als, was auch immer, geschah?" fragte Stross.
Vashtu nickte unwillig, blieb dann stehen, als sie das obere Ende der Treppe erreicht hatte. Sie wartete, bis die Wissenschaftlerin zu ihr aufgeschlossen und wieder halbwegs bei Atem war, dann öffnete sie diese letzte, verschlossene Tür mit der manuellen Steuerung.
Stross' Augen wurden groß, Vashtu sah einmal sichernd um die Ecke. Dann traten die beiden Frauen Seite an Seite in das Herz von Vineta.
„Das Stargate!" entfuhr es beiden zeitgleich.
Und da stand es, nur ein paar Schritte entfernt, eine kleine Treppe hinunter. Und dieses Sternentor war, zumindest dem ersten Anschein nach, intakt.

***

Dorn rollte mit seinem Stuhl durch den Gang, der zu den Quartieren der Erethianer führte, hielt dann stirnrunzelnd an, als ihm zwei Gestalten entgegenkamen.
„Sergeant Dorn", begrüßte Danea ihn.
Der Marine nickte und musterte den jungen Mann fragend.
Cornyr, der an der Seite seines Sohnes herankam, blieb nun ebenfalls stehen, senkte den Kopf. „Ich grüße dich", sagte er.
Ein erneutes Nicken, begleitet von einem fragenden Blick.
„Der Colonel war bei uns", begann Danea nach einer, ihm wohl peinlich lang werdenden Pause.
Dorn runzelte die Stirn. „Pendergast?"
Cornyr nickte. „Er sagte uns, Major Uruhk habe einen Platz gefunden, an dem wir wohl leben können", antwortete er. „Noch heute kommt die Expedition zurück, um uns zum Planeten hinunter zu fliegen."
Dorn sandte dem Ältesten einen skeptischen Blick, den dieser erwiderte, dann langsam nickte.
„Du hast recht, Sergeant Dorn. Der Colonel will uns lieber heute als morgen loswerden. Nun, wenn wir so wenig erwünscht sind, dann werden wir gehen."
Dorn schürzte nachdenklich die Lippen, blickte dann zu Danea hoch. „Die Kleine?"
Danea zuckte etwas hilflos mit den Schultern. „Nefrenna ist natürlich am Boden zerstört. Sie würde gern hierbleiben ... auch wegen dir."
Dorn nickte, senkte den Blick wieder und dachte nach.
Was hatte ihn auf der Prometheus noch zu erwarten? Nicht sehr viel, wenn er ehrlich war. Pendergast hatte ihm ja selbst gesagt, daß er ihn bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit zurücklassen würde. Also blieb ihm jetzt nur die Wahl zwischen den Erethianern und der Atlantis-Expedition. Und, wenn er ehrlich war, mit Wissenschaftlern hatte er in seinem Leben schon mehr als genug zu tun gehabt. Wenn seine zukünftige einzige Aufgabe darin bestehen sollte, im Rollstuhl anderen zur Last zu fallen, dann konnte er sich auch selbst entscheiden.
Er hob den Kopf wieder. „Ich komme mit!" sagte er entschlossen.
Cornyr lächelte. „Das habe ich mir gedacht, mein Freund."

ENDE