14.11.2010

Vinetas Wiederauferstehung VII

Als Vashtu am nächsten Morgen an Markhams Seite zu den beiden geparkten Jumpern kam, glaubte sie ihren Augen nicht mehr recht zu trauen.
„Das gibt's doch nicht!" entfuhr es ihr, dann schoben ihre Brauen sich zornig zusammen.
Beide Gleiter waren von oben bis unten mit Peter Babbis' Konterfeis und diversen Wahlkampfsprüchen übersäät. Selbst die großen Frontfenster waren vollkommen beklebt worden.
Vashtu holte tief Atem, wollte gerade wieder zurück zum Wohnkomplex marschieren und sich ihr ehemaliges Teammitglied noch einmal gründlich zur Brust nehmen, als Stross ihr entgegenkam, ein hilfloses Lächeln auf den Lippen.
„Guten Morgen, Major. Markham."
Vashtu schluckte mit einiger Mühe ihre Wut herunter und nickte grüßend, noch immer sehr genau die Straße zurück in Auge behaltend.
„Major, ich würde gern noch kurz mit Ihnen sprechen, wenn Sie erlauben", bremste Stross sie zum zweiten Mal.
„Wenn es sein muß", knurrte die Antikerin, wandte sich jetzt endgültig der Wissenschaftlerin zu. Einige Helfer, die Stross offensichtlich gefolgt waren, eilten zu den beiden Jumpern, um diese von ihrer unfreiwilligen Verkleidung zu befreien.
Die Blonde warf den Fluggeräten einen langen Blick zu und schüttelte den Kopf. „Eigentlich hatte ich geglaubt, Dr. Babbis hätte mich gestern verstanden", seufzte sie, sah dann Vashtu offen an. „Halten Sie es wirklich für eine gute Idee, selbst wieder zur Prometheus zu fliegen, Major? Nach dem, was Sie da gestern mitgebracht haben, könnte es sein, daß ..."
„Er weiß noch nichts. Miller hält noch den Mund." Vashtu kreuzte die Arme vor der Brust. „Und, ehrlich gesagt, heute wäre ich in der Stimmung, mich wirklich mit Pendergast anzulegen." Ein langer Blick auf die beklebten Jumper folgte.
Ein hilfloses Lächeln von Stross. „Ich schätze, ich werde noch einmal versuchen, mit Dr. Babbis zu sprechen."
„Viel Glück. Da kann ich nur hoffen, Sie erreichen ihn, ehe ich es kann." Vashtus Kiefer mahlten. „Meine Tür war auch wieder gepflastert."
Die Wissenschaftlerin sah sie wieder an. „Wie oft müssen Sie noch hoch, ehe alles hier unten ist?"
Vashtu atmete einige Male tief ein, dann nickte sie. „Ich schätze zweimal. Wir dürften heute noch anfangen können mit dem Anschließen und Hochfahren. Solange wir nur Teile der Stadt in Betrieb nehmen, dürften Sie auch ohne ZPMs überleben. Trotzdem sollten Sie so schnell wie möglich suchen lassen. Wenn es hier welche gab, ist die Chance relativ hoch, daß es irgendwo anders in dieser Galaxie Einrichtungen gibt, die mit ihnen betrieben wurden. Vielleicht findet sich sogar ..." Sie stockte und schloß abrupt den Mund. Dann schüttelte sie den Kopf. „Tut mir leid, aber die Chance dürfte gering sein."
„Was für eine Chance?" Stross trat einen Schritt näher und musterte ihre Gegenüber forschend.
Die Antikerin seufzte. „In Ihrer Realität bin ich offensichtlich nicht aufgetaucht in Atlantis, darum dürften Sie davon nichts wissen. Und ich halte es für besser, wenn ... Es gab Ladegeräte für ZPMs, Dr. Stross. Als ich in Atlantis auftauchte in meiner Dimension und mich der Expedition anschließen wollte, suchten wir nach einem. Leider nur mit mäßigem Erfolg."
„Ladegeräte?" Die Wissenschaftlerin blinzelte ungläubig. „Aber ... Dr. McKay und Dr. Zelenka vermuteten da etwas, aber wir wußten es nicht."
Vashtu kniff die Lippen aufeinander und zuckte mit den Schultern. „An Ihrer Stelle würde ich eher nach ZPMs suchen als nach Ladegeräten. Durchaus möglich, daß es hier früher einmal welche gegeben hat, aber die dürften zerstört sein. Es war nur ein dummer Gedanke von mir, entschuldigen Sie." Sie wollte sich abwenden und zu den Jumpern gehen, um mitzuhelfen, die Flugblätter wieder zu entfernen.
„Wie sieht es überhaupt mit dem Tor aus, Major. Sie meinten, wir sollten es testen, ehe wir selbst durchgehen."
Die Antikerin blieb wieder stehen und seufzte. Dann drehte sie sich um. „Ich hoffe, daß wir entweder früher fertig werden oder ich noch wenigstens einmal hierher zurückkomme, Doc. Dann würde ich das lieber selbst in die Hand nehmen. Ich weiß, was ich tue, wenn es um Sternentore geht, zumindest meistens." Ein zerknirschtes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
Stross zögerte, richtete sich dann wieder auf. „Ich wollte sowieso noch mit Ihnen sprechen, Major. Wenn Sie ..."
„Mam?" rief Markham. „Wir sind soweit."
Vashtu warf einen Blick über die Schulter, dann sah sie wieder Stross an. „Später, Doc. Wir sollten uns beeilen und den Rest runterholen, ehe Pendergast wirklich herausfindet, was mit seiner Waffenkammer geschehen ist." Damit joggte sie los und verschwand kurz darauf in einem der Jumper.
Stross blieb stehen und beobachtete, wie die beiden Gleiter nacheinander vom Boden abhoben und die Höhle verließen.
Hoffentlich würde die Antikerin einwilligen. Hoffentlich!

***

„Doc?"
Peter, der gerade damit beschäftigt war, neue Kabel über einem Galgen zu verhängen, damit der Gang frei blieb, blinzelte von der Leiter nach unten. „Sergeant?" Er nickte dem Marine grüßend zu.
„Hab da was", sagte Dorn unbeeindruckt zu ihm hoch.
Peter blieb stocksteif auf der Leiter stehen, sah sich dann hektisch um, um die Sprossen schließlich eilig herunterzukraxeln. „Was? So schnell?" Staunend starrte er den Älteren im Rollstuhl an.
Dorn nickte, rieb sich die Nase. „Kalpun wurde heute nacht gesehen", begann er zu berichten. „Bei dem kleinen Tor hinten, hinter der Felssäule."
„Im Forschungssektor?" Der junge Wissenschaftler staunte. „Aber ... der ist doch von Vashtu gesperrt worden."
Dorn sah ihn durchdringend an, schwieg jetzt aber.
Peter hob in einer beschwichtigenden Geste die Hände. „Okay, okay, dieser Kalpun hält sich nicht an die Regeln, ich weiß."
Der Marine nickte schweigend, öffnete dann seine Jacke ein Stückweit. „Bin bereit", sagte er nur.
Peter starrte auf die Waffe, die Dorn in einem Schulterhalfter unter der Achsel trug und schluckte sichtlich. „Denken Sie wirklich, das ist nötig?" fragte er, wofür er wieder einen verächtlichen Blick erntete.
Der junge Wissenschaftler seufzte ergeben. „Okay, okay, für alle Fälle gerüstet, ich weiß." Er warf einen letzten Blick auf die Leiter, fand, daß sie dort wo sie war, gut stand, dann folgte er Dorn, der den Gang wieder hinunterrollte. „Ich habe meine aber nicht dabei", gab er zu bedenken. Doch der Marine reagierte gar nicht auf diesen Einwurf.

***

Vashtu wechselte einen ratlosen Blick mit Markham, als sie beide vor den Kisten standen, die sich noch im 302-Hangar der Prometheus stapelten. Irrte sie sich, oder waren diese mehr geworden? Nein, so wirklich mochte sie das bei dem Gesichtsausdruck des jungen Lieutenants neben sich nicht annehmen.
„Wo kommen die her?" brach Markham schließlich das Schweigen.
Vashtu stemmte die Hände in die Hüften und nickte sinnend. „Gute Frage ..." Sie kniff die Lippen aufeinander und neigte den Kopf leicht zur Seite, in der Hoffnung, die Stapel würden weniger werden. Doch das war nicht der Fall.
Mit einem leisen Zischen öffnete sich das Schott am anderen Ende des Hangars.
Die Antikerin blickte auf und drehte sich um. Ihre Augen wurden groß, als sie die beiden Neuankömmlinge erkannte - zumindest einen von ihnen.
„Miller!" sagte sie überrascht.
Der Marine-Captain grinste schief. Um seinen Kopf wand sich ein dicker Verband. „Sie haben einen ziemlichen Schlag drauf, Mam", begrüßte er sie, reichte ihr die Hand. „Darf ich vorstellen: Heimdahl."
Vashtus Augen glitten von dem turbanartigen Verband ab zu dem grauhäutigen Alien, der etwas verschämt neben dem Marine stand.
„Was will der denn hier?" zischte Markham fast unhörbar hinter ihr. „Sonst hält er sich doch aus allem heraus."
Vashtu schüttelte unwillig den Kopf, richtete ihre Aufmerksamkeit ganz auf das feingliedrige Wesen. Ein freundschaftliches Lächeln leuchtete in ihrem Gesicht.
„Es freut mich, dich kennenzulernen, Heimdahl", sagte sie und verneigte sich leicht.
Die großen Augen des Außerirdischen blinzelten sie vertrauensvoll an, und sie wußte endlich, was Peter mit seinen kryptischen Hinweisen gemeint hatte. Dieser Asgard schien alles andere als alt zu sein.
„Du mußt die Antikerin sein, die der Erde dient." Die Stimme Heimdahls war typisch für seine Rasse, bar beinahe jeder Emotion. Fasziniert sah er zu ihr hoch.
Vashtu richtete sich wieder auf.
Der Asgard war sogar noch ein gutes Stück kleiner als der ihr vertraute Hermiod, fiel ihr auf. Auch schien sein Körper irgendwie ... unfertig, selbst für seine Rasse. Er war wirklich sehr jung, ging ihr auf, und das nicht nur von seinem Wesen.
Vashtu wurde dieses Starren allmählich etwas unangenehm. Mit einem leicht strengen Blick begegnete sie Heimdahls Augen, die sofort wieder vertrauensvoll zwinkerten. Dann wandte sie sich resigniert wieder Miller zu.
„Kann ich davon ausgehen, daß in diesen ganzen Kisten mehr drinsteckt als die übliche Ausrüstung?" fragte sie unumwunden.
Der Marine grinste breit. „Sagen wir, der Ärger soll sich doch richtig lohnen, oder nicht?"
„Aber wie wir die Sachen runterkriegen in die Stadt, das verraten Sie uns nicht, oder, Captain?" Vashtu hob fragend die Braune.
Miller warf dem Asgard neben sich einen bezeichnenden Blick zu. Die Augen der Antikerin wurden schmal.
„Was?" fragte sie ungeduldig.
„Ich möchte mich euch anschließen", sagte Heimdahl jetzt.
Vashtu stutzte, blinzelte und sah jetzt doch wieder zu dem Asgard hinunter, der sie immer noch fasziniert anstarrte. „Bitte?"
Heimdahl nickte, ließ immer noch kein Auge von ihr. „Ich möchte mich euch anschließen und in die Stadt deines Volkes ziehen. Hier kann ich sonst nichts mehr tun", erklärte er.
Vashtu warf den Kisten einen langen Blick zu, betrachtete dann den Asgard aus den Augenwinkeln. „Wenn ich mich nicht irre, was den Inhalt dieser Kisten angeht, dann ..." Den Rest des Satzes ließ sie offen, richtete sich statt dessen wieder zu ihrer vollen Größe auf. Noch immer musterte sie Heimdahl aus schmalen Augen, während er sie fasziniert anstarrte.
Miller schien jetzt endlich aufzugehen, daß ihr das irgendwie unangenehm war. Er beugte sich zu dem Alien hinunter und zischte ihm etwas zu, was die Antikerin nicht so wirklich verstehen konnte.
„Aber sie sieht aus wie ihr Menschen!" Diese Antwort dagegen verstand sie mehr als gut.
Sofort schoben ihre Brauen sich wieder zusammen. „Die Menschen haben sich zu einem guten Teil aus meinem Volk entwickelt, Heimdahl", warf sie ein. „Und das löst das Problem nicht. In diesen Kisten sind zum Teil Waffen. Und dein Transporter kann keine Waffen beamen."
Immer noch dieses faszinierende Starren. Sie meinte, ein leises Lächeln in den großen Augen wahrzunehmen. „Mit einer kleinen Änderung kann ich es", sagte er.
Vashtu fiel ein, daß etwas ähnliches schon in ihrem Atlantis geschehen war während der Belagerung durch die Wraith in dieser Zeit. Sie löste eine Hand aus der Verschränkung und hob diese.
„Moment", sagte sie. „Du willst die Einstellungen ändern und uns die Sachen direkt in die Stadt beamen? Und was ... ?" Sie neigte wieder fragend den Kopf.
„Ich möchte mich euch anschließen. Ich möchte in die Stadt deines Volkes, Vashtu Uruhk. Die Prometheus ist nicht gut für mich, mein Schiff ist zu weit entfernt, ich kann es nicht erreichen, wie ich auch andere meines Volkes nicht erreichen kann."
Vashtu drehte sich um und wechselte einen Blick mit Markham. Der zuckte hilflos mit den Schultern, konnte ihr damit auch nicht wirklich weiterhelfen.
Vashtu wandte sich wieder an den Asgard: „Und warum kommst du damit erst jetzt?" fragte sie. „Wir haben einen ganzen Tag verloren, weil du offensichtlich noch überlegen mußtest. Oder wie soll ich das verstehen?"
„Er steht unter Bewachung, Major", entgegnete Miller.
Vashtu stockte mitten im Luftholen. Ihre Augen wurden groß. „Unter Bewachung?" Sie riß die Augen auf.
Heimdahl nickte. „Darum möchte ich auch weg von hier", erklärte er bar jeder Emotion.
Markham hinter ihr seufzte.
„Aber ... das kann ich nicht entscheiden!" Vashtu sah wieder zu dem jungen Lieutenant. Der zog allerdings nur eine hilflose Grimasse, zuckte wieder mit den Schultern.
Heimdahl starrte sie immer noch an. Allmählich wurde ihr das zuviel. Mit zusammengezogenen Brauen starrte sie zurück. „Ich kann das nicht entscheiden, Heimdahl. Du hättest dich an Dr. Stross wenden sollen, als sie noch hier war. Wenn es nach mir ginge, ich hätte nichts dagegen, wenn du zu uns stößt."
Heimdahl blinzelte wieder. „Dann wird mir das reichen", sagte er, wieder dieses kleine vertrauensvolle Lächeln in den Augenwinkeln. „Ich richte den Strahl auf die Stadt aus. Nehmt mit, was ihr jetzt wollt. Den Rest schicke ich hinunter."
Vashtu blinzelte wieder verständnislos, dann nickte sie. „Gut, machen wir es so. Aber wie kommst du ... Willst du nachkommen?"
„Wir werden sehen. Ich konnte nicht mehr als ihn ein paar Minuten freizumachen", mischte Miller sich wieder ein. „Kommt Zeit, kommt Rat, sagte mein Vater immer."
Vashtu nickte. „Gut, ich werde Dr. Stross Bescheid geben, ehe mein Team zurückkommt hierher."
Für diese Worte erntete sie einen überraschten Blick des Captains.
„Markham, sehen wir zu, was wir in die Jumper laden können. Wir sehen uns, Heimdahl." Sie warf dem Asgard noch einen Blick zu. Der starrte sie noch immer an.
Allmählich fühlte sie sich wirklich wie ein Tier im Zoo. Kopfschüttelnd wandte sie sich ab und hörte, wie das Schott sich wieder öffnete.
„Der hat Sie die ganze Zeit angestarrt, Mam." Markhams Stimme klang amüsiert.
Vashtu winkte ab und packte die erste der Kisten. Mit Hilfe der Wraith-Zellen stemmte sie diese hoch und schleppte sie in ihren Jumper.
Das versprach ja wirklich ein gemischter Haufen da unten in Vineta zu werden. Und es würde sicher ...
Vashtu schüttelte bedauernd den Kopf. Was dachte sie da nur wieder?

TBC ...