13.10.2011

Aus dem Tagebuch eines Genies III

Tag 2:
Danea wanderte an Markhams Seite über die sonnenbeschienene Oberfläche des Mondes. Hüfthohes Steppengras beschwerte ihrer beider Gang ein wenig, wenn auch nicht viel. Die Sonne schien angenehm warm vom Himmel.
Was haltet ihr bis jetzt von diesem Mond?" erkundigte der Lieutenant sich unversehens.
Danea nickte nachdenklich. „Bis jetzt ... ?" echote er, riß sich dann aus seinen Gedanken. „Es sieht gut aus hier. Es ist angenehm, die Erde offensichtlich recht fruchtbar. Allerdings wird es harte Arbeit werden, Felder anzulegen."
Markham an seiner Seite zog etwas aus einer der Taschen seiner Überlebensweste und riß es in der Mitte entzwei. Ein Stück hielt er ihm hin. Danea griff stirnrunzelnd danach und drehte es zwischen seinen Fingern. Glänzendes, metallfarbenes Papier verhüllte, was auch immer sich in diesem Ding verbergen mochte. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie der Lieutenant seine Hälfte von der Umhüllung befreite und einen schmalen, hellen Streifen von irgendetwas ans Licht brachte, den er sich in den Mund steckte und darauf herumkaute.
Probieren Sie nur. Ist nicht giftig. Nur Kaugummi", sagte der junge Militär schließlich. „Hatte ich mir bei der letzten Versorgung mitbringen lassen. Aber inzwischen habe ich leider nicht mehr allzu viel." Ein bitteres Lächeln erschien auf seinen Lippen.
Danea betrachtete wieder, was man ihm gereicht hatte. „Kaugummi?" fragte er, wickelte sein Stück schließlich aus und steckte es sich in den Mund. Ein herber, frischer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus, und er roch noch einen Rest von etwas, was er noch nie wahrgenommen hatte.
Markham nickte. „Einfach nur kauen, solange es Geschmack hat. Naja, auch noch ein bißchen länger. Je nachdem ob man es mag oder nicht."
Danea nickte.
Der Streifen wurde in seinem Mund zu einen kleinen Klumpen, auf dem er herumkaute, noch immer diesem eigenartigen Geschmack nachsinnend. „Ich muß sehr dumm auf euch wirken", sagte er nach einer Weile.
Markham schüttelte den Kopf, stützte die Arme auf seine Waffe. „Blödsinn!" entgegnete er. „Ich finde, ganz im Gegenteil, Sie scheinen sehr intelligent zu sein. Sie nehmen die ganzen Neuerungen klaglos hin. Ihr ganzes Volk tut das."
Danea nickte mit einem verschämten Lächeln. „Für euch ist so vieles selbstverständlich, was wir nie getan haben ... oder schon lange verloren." Er sah sich wieder um.
Er kannte die Überlieferungen seines Volkes wahrscheinlich ebenso gut wie jeder andere. Die Goldenen Zeiten, als die Erethianer Städte errichteten, in den Weltraum aufbrachen und ein reiches Volk waren. All das war von den Devi sehr schnell zerstört worden, hieß es. Selbst Ruinen waren von den Städten nicht geblieben. Gar nichts, abgesehen von einigen tiefen Kratern, die er früher oft aufgesucht hatte. Dort sollten die Städte gestanden haben, die die Devi bereits bei ihrem ersten Angriff in Schutt und Asche legten.
War vielleicht auch dieser Mond damals bewohnt gewesen? Hatte es auch hier Erethianer gegeben, die diesen Himmelkörper bewohnbar machten, hier vielleicht sogar das eine oder andere anpflanzten?
Er wußte es nicht, doch irgendwo tief in sich hoffte er, daß sie vielleicht noch etwas finden würden, irgendwo. Ein winziger Beweis, daß es dieses Goldene Zeitalter wirklich gegeben hatte.
Markham blieb stehen, fummelte an einer anderen Tasche herum und zog schließlich dieses Ding hervor, daß er auch schon von seiner Wanderung nach Vineta bei Major Uruhk gesehen hatte.
Da vorn ist der Puddlejumper, mit dem SG-27 hier strandete", murmelte der Lieutenant nachdenklich.
Was ist das für ein Gerät?" fragte Danea, nachdem er seinen Stolz wieder heruntergeschluckt hatte.
Markham warf ihm einen kurzen Blick zu, dann hielt er es ihm hin.
Danea hob abwehrend die Hände. „Ich bin kein Erbe der Schöpfer."
Markham begann zu grinsen. „Dafür muß man das Gen nicht tragen. Es ist ein Fernglas, mehr nicht." Auffordernd hielt er es ihm immer noch hin.
Danea griff jetzt doch zögernd danach und hielt es sich vor die Augen, wie er es vorher bei dem Lieutenant gesehen hatte. Ungläubig staunte er. „Das ist ... Die Bäume sind auf einmal so nahe!"
Ein Fernglas ist so beschaffen, daß man Dinge wie von nahem sehen kann, die doch recht weit entfernt sind", erklärte Markham.
Danea staunte, senkte das Fernglas und blinzelte. „Das ist wirklich erstaunlich!" Er wechselte einen Blick mit dem Militär.
Markham nickte. „Stimmt. Wir aus der Milchstraße haben die eine oder andere Lösung parat, das gebe ich zu. Wenn wir auch längst nicht so weit entwickelt sind wie die Antiker, eure Schöpfer, es gewesen sind."
Danea reichte ihm das Fernglas zurück. „Wir haben auch das eine oder andere. Bei uns heißt es Nahe-Kristall", erklärte er. „Ein durchsichtiger Stein, der so geschliffen worden ist, daß man Dinge heranholen kann."
Also, so rückständig könnt ihr demnach nicht sein." Markham verstaute das Fernglas wieder in seiner Überlebensweste. „Kommen Sie, sehen wir uns den Jumper etwas näher an."
Danea nickte, sah sich noch einmal um. „Das hier sieht wirklich sehr gut aus. Schade, daß es schon so spät im Jahr ist. So werden wir mit der Aussaat bis nach dem Winter warten müssen."
Markham blinzelte. „Winter?"
Ja, Winter. Ich schätze, daß hier ist ein Spätsommer, so wie das Gras aussieht", fuhr der Erethianer fort. „Hätten wir irgendetwas, was man über Winter ziehen kann, könnten wir vielleicht schon im Frühjahr ernten. Aber so?" Er zuckte etwas hilflos mit den Schultern. „Aber wir können Felder anlegen für das nächste Jahr. Dann haben wir vielleicht auch etwas mehr Saatgut."
Ihr habt hier Jahreszeiten?" fragte Markham.
Danea nickte. „Natürlich. Kennt ihr die etwa nicht?"
Von der Erde her schon." Markham sah sich jetzt nachdenklich um. „Aber in Atlantis gab es keine, zumindest keine spürbaren. Und auch von vielen anderen Welten aus der Milchstraße sind Jahreszeiten so gut wie unbekannt. Wie sieht ein Winter denn in Ihrer Heimatwelt aus?"
Es ist kalt und beginnt zu schneien. Meist nicht sehr angenehm. Wir haben immer gesehen, daß wir Vorräte anlegen konnten. Aber die sind nun ja ... äh, nicht mehr da."
Das müssen wir unbedingt Dr. Stross bei unserem nächsten Bericht weitergeben. Das könnte wichtig für uns sein." Markham sah sich mit neuerwachtem Interesse um.

***

86. Tag
Wenn diese Zeilen irgendwann einmal jemand finden sollte, sollte er auch wissen, mit wem er es zu tun hatte: Mein Name ist Peter Babbis, Doktor Peter Babbis, Dipl. Ing. Meine Fachgebiete sind eigentlich Maschinenbau, Mathematik und Astrophysik. Früher einmal war ich Mitglied, und Stellverteter des Leaders, in dem Erd-SG-Team Nummer 27. Wir strandeten hier, wie bereits an früherer Stelle geschrieben, mit einem Puddlejumper, nachdem wir in ein aktiviertes Supergate gestürzt waren.

Wir, das bedeutet natürlich ich selbst und meine Leaderin Major Vashtu Uruhk. Außerdem waren noch Sergeant George Dorn und mein, leider früh verstorbener Kollege James-Robert Wallace mit dabei. Gemeinsam hatten wir uns vielen Aufgaben und Feinden gestellt und zumeist gewonnen. Major Uruhk dankt mir heute noch für meine, ihr Leben rettende Idee während ihrer Geiselhaft in der Pegasus-Galaxie. Ihr haben die restlichen Mitglieder von SG-27 viel zu verdanken gehabt, bzw. tun es immer noch, so daß wir mit der Zeit immer enger zusammenwuchsen. Ich denke, unsere Treffen in unserem Stammlokal in Colorado Springs dürften noch immer legendär sein.

Wenn jemand diese Aufzeichnungen nach meinem Tod durch die Devi oder andere Feinde finden sollte, möchte ich denjenigen bitten, sie an das SGC auf der Erde weiterzuleiten, da es sicherlich sehr wertvolle Erkenntnisse enthält, vor allem über Dimensionsstürze und auch über unsere neuen Feinde, die Devi. Sollte es uns nicht gelingen, sie irgendwie aufzuhalten, könnten diese Hybridwesen vielleicht eines Tages Pegasus und auch Milchstraße überrennen. Ich bin sicher, bis dahin werde ich noch einige Erkenntnisse über sie gesammelt haben. Nicht zu vergessen sei hier auch der Kontrollstuhl auf Antarktica zu erwähnen. In externen Speichern werden Aufzeichungen aus der Stadt Vineta, in der wir uns zur Zeit befinden, aufbewahrt, wie mir Major Uruhk vertraulich mitteilte.

Aber genug davon, kommen wir zum heutigen Tag:

Stross fühlte sich wieder befleißigt, mich von meiner, unser aller Überleben sichernder Arbeit abzuhalten mit allerlei dummen Geschwätz. Wie die meisten Frauen eben so sind, macht sie sich um ungelegte Eier Sorgen. Dabei dürfte es doch wohl allzu klar sein, wem sie so viel in dieser Stadt zu verdanken hat. Aber Frauen sollte man am besten reden lassen, wenn sie ihre Emotionen ausleben müssen.

Dabei, und das muß ich zugeben, macht sie ihre Sache als Leiterin hier nicht einmal schlecht. Nun gut, das eine oder andere ist durchaus noch verbesserungswürdig, aber zumindest scheint sie zu wissen, was sie tut. Als Assistentin der, in dieser Dimension früh verstorbenen Dr. Weir hatte sie allerdings auch eine sehr gute Lehrerin. Ich selbst war ja für einige Zeit auf Atlantis nach der Geiselhaft, um mich von der rüden Behandlung durch den Genii-Terroristen Kolya zu erholen. Dabei lernte ich die Dr. Elizabeth Weir meiner Dimension kennen. Und ich beneide sie nicht um Teile ihres Stabes. Lt. Colonel Sheppard mag ja noch ... Nun, er strengt sich zumindest an, und das sollte man als Wissenschaftler auch respektieren. Aber jemanden wie Dr. Rodney McKay zum führenden Wissenschaftler zu machen ist in meinen Augen eine glatte Fehlentscheidung und stärkt ihn nur noch in seiner Vernarrtheit in sein Ego. Da bin ich etwas versöhnlicher, zugegeben.

Nun, wie dem auch sei. Stross kam zu mir und weinte sich aus. Ich gebe zu, ich hörte ihr nicht wirklich zu. Die PK-Forschung erfordert mein ganzes Können. Immerhin sind diese eigentlichen Waffen sehr kompliziert aufgebaut und hochexplosiv. Darum habe ich mich auch zur näheren Erforschung in ein leerstehendes Gebäude des militärischen Komplexes zurückgezogen. Ich will schließlich nicht die ganze Stadt in die Luft sprengen, sollte etwas schiefgehen. Stross jedenfalls scheint mir im Moment etwas überfordert mit der Situation. Markham noch immer auf diesem Mond, ich weiß nicht, was er da so lange treibt mit Danea und den beiden anderen Erethianern, Major Uruhk immer noch auf der Prometheus, die sich weiterhin in Schweigen hüllt.

Wie nicht anders zu erwarten, ging es natürlich wieder um meine Dienste als Jumper-Pilot für ein SG-Team. Besser gesagt, um deren zwei. Zwei Einsätze, die heute noch sehr dringend geflogen werden mußten. „Wenn es sonst nichts ist", meinte ich nur dazu. Was hätte ich denn auch anderes sagen sollen? Major Uruhk hat mich ja bereits mehrmals als Naturtalent im Fliegen bezeichnet, und inzwischen machen mir die AIs auch nicht mehr die Probleme, wie ich sie zu Anfang dieser zweifelhaften Karriere hatte. Ich flog also Claines Teams als erstes durch das Tor, kehrte hierher zurück und setzte kurz darauf Sanchez' Team ab. Kein großes Problem, zumal Stross mir die Warterei ersparte, die nichts als pure Zeitverschwendung ist.

Kaum an meine Forschungen zurückgekehrt, wurde ich allerdings schon wieder ausgerufen und sollte Sanchez' Team abholen, da diese auf einige Devi gestoßen sind. Nun, muß ich erwähnen, daß der Captain mir sein Leben zu verdanken hat? Selbstverständlich nicht. Es war ja abzusehen. Claine dagegen ließ sich wirklich Zeit mit seiner Rückkehr. Und da es, wieder einmal, eine kleine Störung am Tor gab, sah ich mich zudem befleißigt, mir das ganze noch einmal anzusehen. Ich muß zugeben, Major Uruhk hat durchaus recht mit ihrer Einschätzung. Dieses Stargate ist alles andere als vertrauenserweckend. Wir sollten so bald wie möglich sehen, wie wir es austauschen können.

Dorn lief mir dann auch noch über den Weg, natürlich, während ich mein Abendessen einnahm. Diesen unverdaulichen Nährungsbrei, dem wir im Moment alle ausgeliefert sind - ein schreckliches, kaum herunterzubringendes Zeug. Wer auch immer diese Maschinen erfunden hat, man sollte ihn, selbst nach mehr als zehntausend Jahren, noch im All aussetzen.

Nun, Dorn kam auf jeden Fall zu mir an den Tisch und sprach mich auf die Prothese an, die er von mir haben will. Und natürlich habe ich bisher leider nicht die Zeit gefunden, diese Prothese anzufertigen. Wie soll ich es sagen, dieser Planet verfügt zwar über einen Tagesrhythmus von 28 Stunden, aber selbst ich muß auch irgendwann einmal schlafen. Und solange wir keinen Arzt in Vineta haben, wobei angemerkt sein sollte, daß ich wirklich nicht weiß, woher wir einen solchen Quaksalber nehmen sollten, werde ich wohl auch weiterhin auf Schlaf angewiesen sein, gerade in einer solchen Situation.

Nun ja, ich versprach Dorn, seine Prothese so bald wie möglich in Angriff zu nehmen. Solange Major Uruhk auf der Prometheus sitzt, können wir sowieso nichts weiter tun als abwarten. Natürlich wäre es von Nutzen, sie so bald wie möglich wieder in der Stadt zu wissen. Aber, wie gesagt, Pendergast hüllt sich in Schweigen. Wollen wir hoffen, daß sich dieses Problem irgendwann einmal lösen wird.

Meine Wohnungssuche verlief weiter erfolglos. Ich habe zwar ein bestimmtes Objekt im Auge, allerdings bin ich mir ziemlich sicher, daß es nicht genehmigt werden wird, wenn ich mich in der Kommandozentrale des militärischen Sektors einmiete. Was wirklich schade ist. Einen solchen Platz findet man sonst nicht in dieser Stadt. Irgendwie wirkt alles recht eng und klein. Möglicherweise liegt es schlicht an der Tatsache, daß Vineta in einer gewaltigen Höhle erbaut wurde und das Szenario wirklich etwas bedrückend wirkt.

TBC ...

06.10.2011

Aus dem Tagebuch eines Genies II


Was tatsächlich geschah:
Dr. Anne Stross blickte auf, als sich die Tür zu ihrem Büro öffnete. Erleichtert nickte sie ihrem Gast zu. „Dr. Babbis." Sie seufzte.
Der junge Wissenschaftler trat langsam ein, ließ die Tür hinter sich wieder zugleiten. „Sie wollten mich sprechen?" fragte er mißtrauisch.
Anne nickte, legte ihr Datenpad zur Seite und faltete die Hände vor sich auf dem Schreibtisch. „Lieutenant Markham ist mit einer Gruppe Erethianer zum Mond hochgeflogen. Ich wußte nicht, ob Sie sich das Datum gemerkt hatten."
Hatte ich." Babbis nickte, hob leicht die Brauen.
Anne sah ihn ernst an. „Ich muß zugeben, ich mache mir ein bißchen Sorgen darum, daß Sie sich vielleicht ... etwas viel zumuten. Das ganze wird kein Pappenstiel. Wenn es nicht klappen sollte, werde ich Markham natürlich sofort zurückholen. Solange Major Uruhk sich noch auf der Prometheus befindet ..."
Das wird nicht nötig sein", entgegnete Babbis.
Auf Annes Stirn wuchs eine steile Falte.
Seit der Besprechung, bei der natürlich davon ausgegangen worden war, daß die Antikerin so schnell wie möglich wieder in Vineta sein und zumindest die Tor-Flüge würde übernehmen können, waren zehn Tage vergangen. Zehn Tage, in denen sie keinerlei Kontakt mehr zur Prometheus gehabt hatten. Woran auch immer es liegen mochte, sie wußte es nicht zu sagen.
Babbis aber hatte geradezu auf der Einhaltung dieses Termins bestanden, als müsse er sich selbst etwas beweisen. Vielleicht war das auch tatsächlich so, Anne wußte es nicht zu sagen. Auf jeden Fall aber mutete der junge Mann sich in ihren Augen etwas viel zu, wenn er tatsächlich seine eigenen Forschungen noch weiter verfolgen wollte, neben seiner Arbeit für Spitzbart und den Flugdiensten für die Außenteams, die Major Uruhk gemeinsam mit Markham zusammengestellt hatte, bevor sie wieder zurückgekehrt war auf das Schiff.
Ich brauche noch Ihren letzten Bericht, Dr. Babbis", wechselte Anne jetzt das Thema.
Babbis sah sie stirnrunzelnd an. „Den letzten Bericht?" fragte er etwas irritiert.
Anne nickte. „Wir waren doch überein gekommen, daß wir weiter vorgehen wie bisher auf Atlantis. Und das bedeutet, für jeden Einsatz werden von allen Beteiligten Berichte verfaßt. Ich würde den Ihren gern bis heute abend noch in Händen halten, wenn möglich."
Babbis atmete tief ein. „Aber ... ich war nur Chauffeur für Williams, ebenso wie heute."
Trotzdem. Es muß nicht viel sein. Aber ich würde auch gern die Wurmlöcher im Auge behalten. Sie wissen, was Major Uruhk dazu meinte, als sie sich das Tor noch einmal angesehen hat vor ihrem Abflug."
Babbis kniff die Lippen zusammen, zupfte nervös an seinem Ohrläppchen. Doch schließlich nickte er.
  Natürlich würde er sich erinnern können. Er war ja der einzige, der wirklich mit der Antikerin zusammenarbeitete. Nicht daß es an anderen interessierten Kandidaten gemangelt hätte, aber Vashtu Uruhk hatte ihre Wahl, gerade was das Tor betraf, damit begründet, daß Babbis bereits halbwegs eingearbeitet war in die Materie und auch mit den Werkzeugen umzugehen wußte, die sie aus einer Gerätekammer, die sonstwo verborgen war, hergeschafft hatte.
Insofern hatte sie natürlich recht. Außerdem waren sie beide ein eingespieltes Team. Kein Wunder also, daß die Antikerin auf ihn bestand. Auch wenn es sicherlich einfacher für alle Beteiligten, abgesehen von Babbis selbst, gewesen wäre, hätte sie jemand anderen eingearbeitet.
Wir sollten das Tor austauschen, ja ich erinnere mich", antwortete der junge Wissenschaftler.
Anne nickte befriedigt.
Ich werde mir das Gate noch einmal ansehen, sobald ich Zeit habe", fuhr Babbis fort.
Anne hob den Kopf wieder. „Dr. Babbis, Sie werden wenig genug Zeit haben, glauben Sie mir. Williams will heute noch einmal nach P1V-121, um erneut zu verhandeln. Das allein wird Sie schon Zeit kosten. Sie wollten doch auch noch an den Planetenkillern ... Habe ich das eigentlich richtig verstanden, was Sie tun wollten? Planetenkiller zur Energiegewinnung nutzen, um auch die bisher nicht aktivierten Bereiche der Stadt hochfahren zu können?"
Wenn Sie Major Uruhk hier haben wollen, müssen wir den Schild hochfahren und im Dauerbetrieb laufen lassen", entgegnete er im schulmeisterlichen Tonfall. „Die Naquadah-Generatoren geben aber nicht genug Energie dafür. Die PKs dagegen ... Nun, Sie haben gesehen, was sie auf diesem Planeten angerichtet haben, Dr. Stross. Und sie können noch wesentlich mehr. Der PK, der irgendwie in die Milchstraße gekommen ist, hat erst einen Planeten in Scheiben geschnitten und ist dann explodiert und hat das Tor auf diesem Himmelskörper zerstört. Wenn wir eine Energiequelle gewinnen können, die so stark ist, sind wir für eine Weile relativ unabhängig von ZPMs, wenn ein PK natürlich auch nicht annähernd die Energie speichern oder hergeben kann, die ein Kristall liefert."
Anne nickte nachdenklich.
Also hatte sie doch richtig gehört. Die Frage war eher, würde Vineta einen überforderten und sicher sehr gestreßten Babbis, der an explosiven Planetenkillern arbeitete, überleben, oder sollte sie ihm die Forschung zunächst einmal streichen. Sie war sich da im Moment nicht so ganz sicher, mußte sie zugeben.
Lieutenant Markham wird ja auch nicht allzu lange fortbleiben, wie es in der Besprechung hieß. Der Mond ist ja nicht so groß." Babbis rückte seine Brille zurecht, warf dann einen Blick auf seine Armbanduhr. „Wann will Williams durchs Tor?"
In zwei Stunden." Anne zögerte immer noch. „Ich könnte mit Dr. Spitzbart reden, damit er Sie vom Dienst in seinem Labor freistellt", schlug sie schließlich vor.
Das wird nicht nötig sein." Babbis lächelte sie hochmütig an und nickte. „Wenn Sie also sonst nichts mehr haben, würde ich mich jetzt gern vorbereiten."
Anne nickte, sah ihm zweifelnd nach.
Irgendwie beschlich sie das Gefühl, sie sollte Markham doch wieder zurückholen und die Sache mit dem Mond aussetzen, zumindest solange, bis die Antikerin wieder in Vineta war. Dann hätten sie zumindest drei Piloten.

***

Dr. Walter Spitzbart öffnete die Tür zum Büro seines Assistenten, warf einen Blick hinein und runzelte die Stirn. „Dr. Babbis?" fragte er schließlich.
Der junge Mann richtete sich auf und blinzelte irritiert in seine Richtung. „Ja?"
Spitzbart trat zögernd ein und sah sich aufmerksam um, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf Babbis richtete. „Haben Sie vergessen, daß wir heute die Testreihen durchführen wollten?" fragte er schließlich, den Blick unverwandt auf einen schwarzen Würfel auf dem Schreibtisch des jungen Mannes gerichtet.
Babbis' Wangen röteten sich leicht. „Ich muß gleich Sergeant Williams durch das Tor fliegen, Sir", antwortete er, riß ungeduldig am Kabel seines Laptops.
Spitzbart musterte nun wieder ihn. „Das hätten Sie mir eher sagen können. Dann hätten wir die Experimente vertagt", entgegnete er dann. „Was machen Sie da?"
Babbis zerrte weiter an dem Laptop. Mit einem häßlichen Laut riß das Kabel und etwas polterte auf den Boden unter dem Schreibtisch. Von der Wucht noch weitergetragen, rutschte das Teil bis fast vor Spitzbarts Füße.
Der betrachtete es aufmerksam, sah dann wieder auf. „Falls Sie das Akku suchen, es liegt hier." Er bückte sich und hob es auf. Ein Teil des Kabels hing noch, wie ein Rattenschwanz, an dem kleinen eckigen Teil.
Babbis' Gesicht verfärbte sich noch weiter. Der Laptop polterte wieder auf den Schreibtisch zurück.
  „Was haben Sie eigentlich vor?" Spitzbart sah wieder auf, hielt ihm den Akku auffordernd hin. „Wozu brauchen Sie den Laptop?"
Ich ..." Babbis schloß den Mund wieder und schluckte sichtlich. „Es ... äh ... Ich wollte während des Wartens auf dem Planeten noch ein wenig arbeiten."
Spitzbart runzelte die Stirn, strich sich mit der freien Hand über seinen gewaltigen Schnurbart. „Und warum reißen Sie das Akku aus dem Gehäuse?"
Weil ... es sollte regelmäßig ausgewechselt werden." Babbis schnappte sich jetzt doch wieder den tragbaren Computer. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden. Ich denke, länger als drei Stunden werde ich nicht weg sein. Dann können wir immer noch die Experimente durchführen."
Spitzbart nickte nachdenklich, wog das Akku in seiner Hand. „Wenn es Ihnen zuviel wird ... ?"
Es wird mir nicht zuviel!" herrschte Babbis ihn an und marschierte wutschnaubend aus dem Büro, einen sehr nachdenklichen Spitzbart zurücklassend.

***

Sergeant Williams maß ungeduldig immer wieder die Breite des Ganges, bis er endlich aufblickte und den Vermißten auf sich zukommen sah. Sofort verfinsterte sich sein Gesicht.
Dr. Babbis, Sie sind überfällig!" herrschte er den jungen Wissenschaftler an.
Babbis schüttelte nur unwillig den Kopf, wollte sich an ihm vorbei in den bereitstehenden Jumper drängen. Doch der hochgewachsene Marine verstellte ihm den Weg. „Wir müssen pünktlich bei den Verhandlungen sein, Doc! Es kann nicht angehen, daß Sie ... Wieso schleppen Sie einen Laptop mit sich herum?"
Babbis drängte sich nun doch an ihm vorbei und trat eiligen Schrittes in den bereitstehenden Jumper, in dem sich schon der Rest des Teams befand, das er auf den Planeten bringen sollte. Der Erethianer und die beiden Wissenschaftler wechselten vielsagende Blicke, als Williams an ihnen vorbeimarschierte, während die Heckluke sich bereits schloß.
Doc, verdammt!" herrschte der Marine Babbis an, kaum daß er das Cockpit betreten hatte. „Was denken Sie sich denn dabei? Wir hatten doch gestern abgemacht ..."
Ich weiß, was wir abgemacht hatten", knurrte der junge Wissenschaftler, ließ den Jumper abheben und sacht aus der Base schweben. „Ich bin im Moment nur eben etwas ... Spitzbart und Stross haben mir aufgehalten."
Williams ließ sich auf dem Copilotensitz nieder, starrte den Jüngeren nieder, versuchte es zumindest. Doch der ließ sich im Moment nichts anmerken, konzentrierte sich vollkommen auf seinen Flug.
So geht es aber nicht", begehrte der Marine schließlich wieder auf. „Wir müssen pünktlich zu den Verhandlungen erscheinen, sonst brauchen wir uns auf dem Planeten gar nicht mehr sehen lassen. Die Typen sind ein bißchen eigen."
Babbis nickte unwillig, nahm etwas Schub weg, als er sich dem Zentralturm näherte.
Das wird heute sowieso lange genug dauern", fuhr Williams fort. „Und passen Sie, um Himmels Willen, auf, daß auch ja keiner den Jumper sieht. Gehen Sie sofort auf Tarnung, sobald wir durch das Tor sind."
Babbis blinzelte, wechselte einen kurzen Blick mit dem Marine. „Was meinen Sie mit, es wird lange genug dauern?" fragte er dann.
Williams lehnte sich zurück. „Ein paar Stunden mindestens."
Drei Stunden!" Babbis' Stimme klang bestimmt.
Der Jumper glitt durch die große Eingangsluke direkt in den Torraum hinein. Das Dach schrammte unsanft über die obere Metallschiene.
Der Marine richtete sich wieder auf. „Was?"
Der junge Wissenschaftler nickte ernst. „Ich habe noch Arbeit. Drei Stunden, Sergeant. Wenn Sie dann nicht wieder am Landeplatz sind, fliege ich ohne Sie zurück."
Der Jumper blieb vor dem aktivierten Tor in der Luft hängen. Babbis lehnte sich zurück und ließ die Kontrollen los.
Sind Sie irre? Drei Stunden? Das reicht doch gerade für die Zeremonien bei den Omaniern!"
Dann sollten die ihre Zeremonien etwas beschleunigen. Mehr als drei Stunden kann ich Ihnen nicht zugestehen, Sergeant, tut mir leid."
Das Wurmloch saugte sie auf.

***

Peter blickte unwillig von seinem Notebook auf, als sein Palmtop plötzlich begann, eine lustige Melodie zu spielen.
Drei Stunden waren um, doch von Williams und seiner Mannschaft war nichts zu sehen.
Fünf Minuten", murmelte Peter leicht verärgert.
Für was hielt ihn dieser Jarhead eigentlich? Er mimte schließlich nur den Chauffeur für andere Teams, weil sonst niemand da war, der hätte einspringen können und Markham ja unbedingt diese dämliche Expedition zum Mond hatte starten müssen.
Peter kniff die Lippen zusammen, starrte angestrengt auf den Bildschirm hinunter, den er auf den Knien ballancierte, und versuchte sich auf die letzten Ergebnisse seiner PK-Forschung zu konzentrieren. Aber das wollte ihm natürlich nicht gelingen.
Wieder blickte er auf, starrte aus dem großen Frontfenster.
Wenn er Spitzbart nicht bei dessen Experimenten half, konnte es gut sein, daß er auch wieder aus dem Stab befördert wurde. Immerhin war er nur zum Stellverteter des Deutschen geworden, weil dieser ihn als Assistenten wollte. Wenn er sich jetzt aber aus den Forschungen ausklinkte, war es gut möglich, daß Spitzbart sich einen anderen suchen würde. Auswahl hatte er immerhin genug.
Leise vor sich hinfluchend schaltete Peter den Laptop aus und legte ihn zurück auf den Sitz hinter sich. Dann konzentrierte er sich wieder auf das, was vor dem großen Frontfenster geschah. Doch leider geschah rein gar nichts.
Und jetzt?
Er hatte Williams klar und deutlich gesagt, daß ihnen nur drei Stunden blieben. Immerhin hatte er auch noch etwas anderes zu tun, als andere SG-Teams durch das Tor auf fremde Welten zu bugsieren. Er empfand es sogar als sehr hilfsbereit, was er tat. Immerhin hätte er sich auch weigern können, allein als Pilot zu dienen, solange Vashtu noch nicht von der Prometheus zurückgekehrt war und Markham seine Expedition durchführte.
Peter entschloß sich, nachdem er einen Blick auf den jumperinternen Detektor geworfen hatte.
Es reichte!
Er schloß die Heckluke und konzentrierte sich darauf, die Maschinen hochzufahren. Dann hob er ab, noch immer voll auf den Detektor konzentriert.
Er würde Williams abholen. Sollte der seine Verhandlungen an anderer Stelle fortsetzen, das war ihm gleich. Er mußte zurück nach Vineta, und zwar dringend!
Peter ließ den Tarnmodus fallen, beschleunigte und hielt auf die kleine Stadt zu, in der Williams mit den Omaniern über einen möglichen Handel nachdachte.
Die Gebäude waren recht niedrig und als Flachdächer gebaut, mit großen Dachterrassen. Offenbar konnte es hier auch einmal recht warm werden, fand Peter, der solche Bauweisen eigentlich aus Wüsten- und Halbwüstengegenden auf der Erde kannte.
Ein großer Platz lag zentral, bestens geeignet für den Jumper.
Einige Menschen, in fremdartige Stoffe und weite Kleidung gehüllt, sahen zu ihm auf. Dann ging plötzlich das Geschrei los, als er den Gleiter tiefer gehen ließ und auf dem zentralen Platz landete.
Peter war verwirrt, dann aber ging ihm auf, daß er gerade einen Fehler beging.
Hatte Williams nicht etwas davon gesagt, er solle den Jumper ja nicht zeigen?
Peter biß sich auf die Lippen. Und wenn schon! Er hatte dem Marine lange genug Zeit gegeben.
Pfeile hagelten gegen das Chassis und die Frontscheibe.
Peter blinzelte, dann aktivierte er sein Funkgerät. „Sergeant, ich bin auf einem Platz in der Stadt, um Sie abzuholen. Es wäre sehr nett, wenn Sie rasch kommen würden."

***

Mam, bei allem Respekt", erklärte Williams mit wütend blitzenden Augen, „aber das, was Dr. Babbis heute getan hat ... Es ist ... höchst hinderlich für Verhandlungen, wie wir sie im Moment durchführem müssen! Ich habe ihm klar und deutlich gesagt, daß die Omanier jeglicher Technik, die die ihre übersteigt, sehr mißtrauen und jeden sofort angreifen, der sich mit einer solchen Technik zeigt. Dr. Babbis hatte die klare Anweisung, den Jumper auf gar keinen Fall zu enttarnen. Und doch hat er es getan! Wissen Sie eigentlich, was wir anstellen mußten, um überhaupt wieder an Bord zu kommen? Ich bin nicht sicher, ob die Omanier uns je wieder ... an den Verhandlungstisch zurückbitten werden. Außerdem war es in meinen Augen eine sinnlose Verschwendung von Munition, sich den Weg freizuschießen. Und die Zeitvorgabe von Dr. Babbis war einfnach lächerlich. Ich sagte ihm klar und deutlich, daß ich mehr als drei Stunden brauchen würde, aber er ließ nicht mit sich reden. Für mich hat er uns einen möglichen Verbündeten gekostet, Mam. Vielleicht sogar einen sehr wichtigen Verbündeten. Immerhin waren die Omanier bereit, uns gegen ein bißchen Hilfe reichlich Saatgut zur Verfügung zu stellen. Und Dr. Lacroux meinte, dieses Saatgut wäre sogar noch besser als das, was Major Uruhk von ihrem ersten Einsatz mitgebracht hat."
Anne lauschte den Worten des Marines. Schließlich entließ sie das SG-Team und seufzte schwer.
Offensichtlich hatten sie sich selbst einen Bärendienst erwiesen, als sie Babbis als einzigen Piloten zuließ, während die beiden anderen nicht in Reichweite waren. Sie würde sich den jungen Wissenschaftler wohl noch einmal zur Brust nehmen müssen.
Anne schüttelte in stummer Verzweiflung den Kopf. Ein paar Tage, mehr nicht. Selbst jemand wie Babbis müßte sein Ego doch weit genug zurückschrauben können, um diese paar Tage allein durchzustehen! Aber da war sie sich plötzlich gar nicht mehr so sicher.

TBC ...