28.09.2011

2.06 Aus dem Tagebuch eines Genies

Tag 1:
Danea Il'Eskanar reckte den Hals, starrte gebannt nach draußen.
Über Torreisen konnte man sich seiner Meinung nach streiten. Sie schienen ja ganz interessant, und vor allem spannend, zu sein. Aber ein Flug in einem Puddlejumper ... das machte ihm richtig Spaß! Schade, daß er nicht, wie Dr. Babbis, Major Uruhk oder der jetzt am Steuer sitzende Lieutenant Markham, über dieses Gen verfügte, sondern darauf angewiesen war, daß einer der drei ihn mitnahm. Aber vielleicht machte für ihn gerade die Seltenheit eines solchen Fluges den Reiz aus.
Die Weiten des Alls breiteten sich vor ihm aus wie ein gewaltiges Seidentuch, auf dem Kristalle leise schimmerten, mal mehr, mal weniger hell. Es war unglaublich wie dunkel es hier war, bedachte man, daß auf dem Planeten unter ihnen gerade Tag herrschte.
Gut, in den Überlieferungen seines Volkes war von dem goldenen Zeitalter, ehe die Dämonen zurückkehrten, die Rede. Auch davon, daß die Erethianer damals Raumfahrt betrieben hatten. Doch das war so lange her, kaum noch jemand nahm diese Berichte wirklich für bare Münze.
Da ist die Prometheus", sagte Lieutenant Markham mit angespannter Stimme.
Danea richtete sein Interesse auf das, was da vor ihnen aus der Finsternis des Alls auftauchte. Im ersten Moment war er enttäuscht von dem riesigen Metallkoloß mit den eigenartigen Formen, dann erschauderte er, als er die Beschädigungen sah.
Können sie uns wahrnehmen?" fragte er, behielt das gewaltige Schiff genau im Auge.
Nein, wir sind auf Tarnung. So gut sind die Scanner der Prometheus nicht", antwortete Markham mit bitterer Stimme.
Danea betrachtete das Schiff weiter mit skeptischer Miene. Gegenüber ihrem kleinen Puddlejumper war die Prometheus gewaltig. Aber sie besaß eine eigenartige Form, die nicht so recht zu dem passen wollte, was er kannte - nicht daß das viel gewesen wäre. Fremdartige Schriftzeichen waren an den hohen Aufbauten im hinteren Drittel des Schiffes angebracht.
Ob Major Uruhk gerade nach draußen sieht?" fragte er, beugte sich vor.
Ich schätze eher nicht. Ihr Quartier hat kein Fenster", antwortete Markham trocken. „Sofern sie überhaupt in ihrem Quartier ist ..." Er seufzte. „Wenn wir nur schon einen Weg gefunden hätten, sie unten zu halten. Sie will doch, oder?"
Danea ließ sich wieder auf den Copilotensitz zurücksinken und nickte. „Das hat sie zumindest Dr. Stross gesagt", sagte er.
Er fühlte Bedauern, als Markham jetzt einen anderen Kurs einschlug und die Prometheus unter ihnen zurückblieb.
Nicht daß er besonderen Wert auf nähere Bekanntschaft mit diesem Colonel Pendergast legte, das sicher nicht! Aber Major Vashtu Uruhk, die Schöpferin, die so gar nicht zu ihrem Volk zu passen schien, die hätte er gern wieder getroffen. Auch wenn es jetzt knapp zehn Tage her war, daß sie das erste Mal das Sternentor von Vineta benutzt hatten, hallte noch immer ein letzter Hauch ihres Abenteuers in seinem Inneren nach. Und Major Uruhk hatte ihn wieder beeindruckt mit ihrer schnellen Auffassungsgabe und ihrer raschen Anpassungsfähigkeit an veränderte Situationen. Und er war stolz darauf, daß sie ihn in ihrem Stargate-Team haben wollte.
Es wird bestimmt eine Lösung geben", fuhr Danea leise fort, eigentlich mehr zu sich selbst gesprochen.
Doch Markham ging sofort darauf ein: „Babbis arbeitet wie ein Besessener daran. Ich frage mich nur, wie es ihm gelingen will, ohne ZPM den Schutzschild hochzufahren."
Danea hatte keine Ahnung, was ein ZPM war. Was er sich unter einem Schutzschild vorstellte, verschwieg er lieber. Er wollte sich vor ihren neuen Freunden nicht lächerlich machen. Obwohl er bisher eigentlich weniger das Gefühl hatte, sich lächerlich zu machen, wenn er etwas nicht wußte. Aber trotzdem erwachte allmählich sein männlicher Stolz. Er wollte sich nicht ständig alles erklären lassen müssen, sondern selbst herausfinden, worum es ging.
Dr. Babbis hat da irgendetwas mit Major Uruhk besprochen", wandte er statt dessen ein. „Ich habe es nur nicht verstanden. Sie reden ... merkwürdig miteinander."
Markham grinste. „Das stimmt allerdings. Die beiden werfen sich nur noch Brocken zu." Er nickte. „Das ist schon eigenartig, wenn man aus einer Dimension wie ich kommt. Aber die beiden sind gut aufeinander eingespielt. Kaum zu glauben, daß sie erst vor relativ kurzer Zeit ein Team geworden sind."
Danea sah den jungen Lieutenant von der Seite an. „Wie meinst du das?"
SG-27 hat nur ein halbes Jahr Bestand gehabt unter Major Uruhk. Sergeant Dorn hat mir das gesagt", antwortete Markham, erwiderte seinen Blick. „Das ist sehr kurz, wenn man bedenkt, wie vertraut die drei miteinander sind."
Das allerdings war Danea auch schon aufgefallen. Und es schien für die Menschen, die Vineta eingenommen hatten, tatsächlich etwas eigenartiges zu sein. Jedenfalls hatte er das schon des öfteren gehört. Er verstand das mit den Dimensionen zwar nicht so ganz, aber sie schienen wirklich von unterschiedlichen Erden zu kommen. Major Uruhk, Dr. Babbis und Sergeant Dorn von einer Erde, die recht offen schien, die anderen von einer anderen, die aber größtenteils genauso war, nur eben ... anders.
Da ist der Mond." Markham sah wieder nach draußen.
Danea richtete seine Aufmerksamkeit nun auch wieder auf das, was da vor ihnen auftauchte. Er atmete tief ein, als er die bläulich schimmernde Halbkugel sah.
Vielleicht, mit ein wenig Glück, würde sein Volk hier Farmen errichten und sie bald die erste Ernte einfahren können.

***

85. Tag
Wie bereits erwähnt ist Markham mit Danea und einer Handvoll anderer Erethianer zu dem Mond geflogen, auf dem wir zunächst gestrandet sind. Ich halte zwar nicht sonderlich viel davon, aber alle anderen schätzen diese Idee offenbar sehr. Nun ja, nach den ersten Erfahrungen, die wir mit dem Aliens dieser Galaxie und dieser Dimension machen durften, sollten wir wirklich sehen, daß wir so bald als möglich unabhängig sind.
Stross meinte heute mittag, mich nochmals an die leidige Pflicht als Pilot für andere Teams erinnern zu müssen. Als wäre das nötig gewesen! Sergeant Williams hielt sich allerdings nicht so ganz an die Absprache, so daß ich mich beinahe gezwungen sah, ihn und sein Team zurückzulassen. Erst in allerletzter Minute tauchten sie auf, und selbstverständlich, wie sollte es anders sein, waren die Außerirdischen wenig erbaut von ihren Kontaktversuchen. Wäre ich nicht mit dabei gewesen ... Ich denke, Major Uruhk weiß, warum sie mich in ihr neues Team genommen hat.

Spitzbart dagegen ... Er mag in seiner Dimension ein guter Wissenschaftler sein, ein guter Vorgesetzter ist er dagegen nicht! Viel zu autoritär und viel zu unwissend Neuerungen gegenüber. Er weiß ja nicht einmal, wie man einen Laptop richtig bedient und daß das Akku auch ab und an aufgeladen werden muß. Statt dessen rauschte er in mein Büro und wollte mich zwingen, an seiner Forschung weiterzuarbeiten. Aber ihm habe ich die Meinung gesagt! Darauf ist Verlaß. Irgendwann wird Stross wahrscheinlich selbst herausfinden, wer von uns beiden die bessere Wahl für den leitenden Posten wäre.

Mit meinen eigenen Forschungen geht es nur sehr schleppend voran, wahrscheinlich auch, weil meine vertraute Assistentin, Vashtu Uruhk, fehlt. Dabei geht es doch gerade bei dem neuesten Projekt um sie. Immerhin sind Stross und sie an mich herangetreten, da ich inzwischen mit Fug und Recht behaupten darf, die Kapazität in Sachen PK zu sein. Aber so einfach ist es leider auch für mich nicht, die Funktionen einer halbintelligenten Mehrzweckwaffe umzukehren. Ich werde es schaffen, soviel steht fest. Und wenn es das letzte ist, was ich in diesem Leben tun werde. Die PK-Forschung gehört mir allein, und ich werde sie zum Wohle dieser Stadt nutzen.

Vashtu ist immer noch auf der Prometheus. Dazu kommt, daß Pendergast offensichtlich eine Kontaktsperre zwischen dem Schiff und uns verhängt hat (oder aber er läßt einen seiner unfähigen Techniker am Funkmast arbeiten). Jedenfalls gibt es zur Zeit keine Meldungen mehr von oben. Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll. Vashtu ist immerhin ein Teil der Stadt, sie gehört hierher, und ich ... Was schreibe ich da?
Aber es ist so. Ich muß zugeben, daß eine bestimmte Sorte Frauen mein Interesse erregt. Vashtu gehört eindeutig dazu. Schwarzhaarig, aufgeweckt, intelligent und technisch begabt. Wenn sie doch nur diesen Sheppard vergessen würde! Aber sie hängt offensichtlich noch immer an ihm. Nun ja, es steht immerhin zu hoffen, daß sie irgendwann begreifen wird, daß der Sheppard dieser Dimension tot ist und auch nicht mehr auferstehen wird. Vielleicht ...

Ich bin müde, ich sollte mich allmählich wirklich ins Bett legen. Zur Zeit denke ich übrigens über einen Wohnungswechsel nach. Nicht daß der Turm schlecht wäre, aber ein größerer Raum, mehr Platz für sich selbst und die eigenen Forschungen, das wäre nicht zu verachten. Vielleicht, wenn Markham wieder zurück ist.

TBC ...

22.09.2011

Unsauberer Handel VII

Vashtu zog den Jumper hoch, gerade als Wi'an mit den beiden Devi um die Ecke kam. Die Antikerin spannte die Kiefer an. Die AI reagierte sofort. Zwei weitere Drohnen schossen aus den Haltebuchten heraus und hielten direkt auf die vielgliedrigen Wesen zu.
Wi'an brüllte irgendetwas.
Vashtu ließ die Tarnung fallen und den Jumper in den Himmel hineinschießen, während sie weitere Drohnen in das Dorf jagte. Dann setzte sie Kurs zurück auf das Gate und suchte die Straße ab.
Da!
Sie senkte den Gleiter etwas ab, rief das entsprechende Programm auf. Tatsächlich, ihre beiden Teammitglieder hetzten zwischen den Bäumen davon. Sie brachte den Jumper tiefer, senkte die Geschwindigkeit und ließ die Heckluke hinabgleiten. Dann drückte sie ihr Funkgerät.
„Peter, rein, so schnell es geht!" Sie drosselte die Geschwindigkeit noch mehr, drehte sich immer wieder um. Da tauchten die beiden zwischen den Bäumen auf, aber ...
Vashtu setzte die Heckluke auf den Boden auf. Mit einem häßlichen Scharren pflügte diese die unbefestigte Straße.
Ihre Leute wurden verfolgt. Zumindest zwei von Wi'ans Männern hatte sie hinter ihnen gesehen.
Sie konzentrierte sich wieder auf die Anzeigen und suchte die Verfolger. Mit dem nächsten Gedanken schossen auch schon zwei Drohnen nach hinten. Als sie sich wieder umsah, hechtete Danea gerade, Peter am Arm gepackt, auf die Rampe.
„Rein mit euch!" rief sie den beiden zu, zog den Jumper hoch, sobald sie sicher sein konnte, daß ihr Team im Gleiter war.
In diesem Moment explodierten der erste Planetenkiller.
Peter warf sich auf den Schließmechanismus, um die Heckluke einfahren zu lassen. Vashtu hatte vorne bereits mit der ersten Druckwelle zu kämpfen. Der junge Wissenschaftler wurde tüchtig durchgeschüttelt, als auch noch die zweite Bombe hochging. Zwei Feuerpilze schraubten sich direkt hinter ihnen in den Himmel.
Danea kroch keuchend auf den Copilotensitz. „Ist das auch normal für euch?" fragte er atemlos. 

*** 

„Aktivierung von außen!" Walsh warf sich fast auf die beiden Schild-Schalter und aktivierte sie.
Anne hetzte beim ersten Klang des Alarms aus ihrem Büro, raste die Treppe in den Kontrollraum hinunter und blieb wie erstarrt stehen, während die junge Technikerin den, an das DHD angeschlossenen Laptop genau im Auge behielt. Dann entspannte die sich sichtlich und ließ die Schilde fallen. „Kennung von Dr. Babbis", sagte sie mit einer tiefen Erleichterung, während bereits ein etwas lädierter Jumper in den Gateroom zurückkehrte.
Anne trat, einen Moment lang sprachlos, ans Fenster. Dann riß sie sich zusammen. Dafür war später noch Zeit! „Major, Sie müssen sich umgehend auf der Prometheus melden. In fünf Minuten will er ein Rettungsteam hier herunterschicken."
Falls die Antikerin sie gehört hatte, bemerkte sie nichts davon. Das Wurmloch erlosch und der Jumper schwebte sacht wieder zur Luke hinauf.
„Ich bin in der Pyramide", wandte Anne sich sofort an Walsh, hetzte auch schon aus dem Kontrollraum hinaus und in den Lift hinein, um so schnell wie möglich zum militärischen Sektor zu gelangen.
Als die Tür des Antiker-Transporters sich wieder öffnete, fand sie sich bereits in der noch recht stillen Militärzentrale wieder, raste aus dem abgeschirmten Gebäude heraus und rannte, so schnell sie nur konnte, hinüber zur Pyramide.
Die Antikerin durfte nicht so einfach wieder verschwinden! Nicht jetzt, nicht nach den letzten paar Stunden! Sie beide mußten erst ...
Dr. Babbis trat gerade aus dem Gebäude und streckte und reckte sich ächzend. „Das nächste Mal kann sie die Dinger allein scharf machen", beschwerte er sich dann bei Danea, der ihm recht dichtauf folgte.
Anne blieb keuchend stehen. „Ist der Major ... ? Ist sie ... ?"
Babbis warf ihr einen kühlen Blick zu, nickte dann in die Base hinein. „Sie unterhält sich gerade mit Pendergast", antwortete er, marschierte dann grußlos weiter.
„Dr. Stross?" Danea war stehengeblieben, knetete seine Hände. Ein nervöses Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. „Ich ... ich hoffe, ich kann noch recht oft durch das Tor gehen. Es ist nicht ... so schlimm, wie ich dachte. Und ... zumindest ..."
„Major Uruhk hat Sie für dieses Team ausgesucht." Anne erwiderte das Lächeln etwas gehetzt. „Wenn Sie weiter dabeibleiben wollen, müssen Sie das mit ihr bereden. Ich habe keinen Einfluß darauf."
Danea nickte, wandte sich dann ab und folgte Babbis. Anne sah den beiden stirnrunzelnd nach, dann rief sie sich den eigentlichen Grund für ihr Hiersein ins Gedächtnis und betrat die Base. Schon von weitem hörte sie die Stimme der Antikerin und erleichterte noch weiter. Sie hatte fest damit gerechnet, daß die Majorin wieder auf die Prometheus zurückgebeamt werden würde, wie es inzwischen schon so oft geschehen war. Aber offensichtlich hatten sie es um Haaresbreite verfehlt.
„Nein, Sir, es ist alles in Ordnung. Es gab nur eine Störung, Sir ... Natürlich, Sir ... Ich verstehe, Sir ... Ja, Sir ... Nein, Sir, mir geht es gut ... Das ist nicht nötig, Sir ..."
Anne lugte um die Ecke und lächelte. Major Uruhk marschierte den kleinen Laderaum immer wieder hinauf und hinunter, während sie ihre Meldung machte.
„Das tut mir wirklich leid, Sir ... Nein, ich hätte nicht gedacht, daß die Abschirmung noch so gut funktioniert ... Natürlich, Sir ... Ja, Sir ..." Die Antikerin drehte sich zu ihr um und zog eine Grimasse. Dann nickte sie zu dem Sack hinüber, der an einer der beiden Bänke lehnte.
Annes Augen wurden groß.
„Ja, Sir, in drei Tagen ... Ja, Sir, ich werde mich von jetzt an regelmäßig melden, Sir ..." 

*** 

Einen Tag später:  
Vashtu schielte über die Schulter hinweg, als sich die Wände des Besprechungsraumes hinter ihr öffneten. Unwillkürlich setzte sie sich gerade hin, als sie die Eintretende erkannte, grinste verschmitzt.
„Ich freue mich, daß es Ihnen allen gut geht", begrüßte Stross die Anwesenden.
Vashtu zwinkerte Danea, der ihr gegenüber saß, verschwörerisch zu, ehe sie sich umdrehte, einen Arm auf den Tisch gestützt. „Wir haben nachher noch die Besprechung wegen der Zusammenstellung der SG-Teams", erklärte sie. „Ich wollte das so schnell wie möglich hinter mich bringen, ehe dem da oben wieder einfällt, daß ihm irgendetwas nicht so ganz schmeckt, was ich ihm gesagt habe."
Stross nickte, ließ sich auf ihrem Platz am Kopfende nieder und aktivierte ihr Datenpad. „Ich habe gerade die Meldung bekommen, daß das Getreide in dem Sack, den Sie mitgebracht haben, Major, von hervorragender Qualität ist. Damit wird man etwas anfangen können. Nur schade, daß es ein einziger ist. Wir werden wohl wesentlich mehr benötigen."
Vashtu kniff kurz die Lippen aufeinander und senkte den Kopf. Plötzlich fehlte Wallace ihr wieder, wie schon gestern bei der Besprechung mit Wi'an. Aber offensichtlich hatten auch die neuen Bewohner von Vineta da das eine oder andere zu bieten.
„Ich weiß immer noch nicht, wie Sie das eigentlich angestellt haben. Ihr Bericht ist da ... etwas vage, Major?" Stross blickte wieder auf, ihr direkt in die Augen. Das tat sie oft, fiel Vashtu plötzlich auf.
Und irgendwie ... sie mochte es. Die Leiterin der verbotenen Stadt schien wirklich ihre Nähe zu suchen, wollte sie näher kennenlernen. Und die Antikerin wußte, daß ihre Augen meist mehr von ihr verrieten als sie vielleicht wollte.
„Sagen wir, ich würde in der nächsten Zeit nicht unbedingt Besuche auf dem Planeten der Sa'tianker unternehmen wollen. Sofern die Devi nicht sofort dort einmarschiert sind, dürften sie nicht sonderlich gut auf uns zu sprechen sein." Sie verzog das Gesicht wieder zu einer Grimasse und zuckte mit den Schultern. „Wir haben uns hier wohl nicht sonderlich gut eingeführt, schätze ich."
„Wir wollten überleben!" Peters Faust schlug hart auf den Tisch. Mit einem Schmerzenslaut rieb er sich die Handkante.
Stross warf ihm einen amüsierten Blick zu, wandte sich dann wieder Vashtu zu und musterte sie erneut. „Also kamen Devi durch das Tor, als es blockiert war", vermutete sie.
Die Antikerin nickte. „Ja, genau. Zwei Devi-Rochen kamen."
„Devi-Rochen?" Stross stutzte.
„Jäger", half Peter wieder aus. „Major Uruhk hat da so eine kleine ... Macke. Sie muß immer allem Namen geben, von dem sie meint, es hätte noch keinen."
„Das ist eine alte Pilotentradition auf der Erde. Ich habe sie nur übernommen", wandte Vashtu unschuldig ein. „Auf jeden Fall hatte ich Peter und Danea die Anweisung gegeben, die beiden scharfen Bomben bei den Rochen zu deponieren. Ich wußte nicht, daß das Gate blockiert war, aber ich hätte es mir denken können. Eine Taktik, wie sie die Wraith auch anwenden. Wi'an hatte schlicht den Fehler gemacht, uns zwar überwachen zu lassen, aber nicht einzusperren. Es war relativ einfach, die Wächter abzuschütteln und den Spieß umzudrehen."
„Wir wurden überwacht?" Peters Augen hinter den Brillengläsern weiteten sich.
Vashtu warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. „Was meinen Sie denn, warum ich das Ablenkungsmanöver von Ihnen gewollt habe, als die Lieferung kam?"
„Aber ..."
„Was geschah mit den Devi? Sind sie tot?" fiel Stross dem jungen Wissenschaftler ins Wort.
Vashtu neigte den Kopf und runzelte dann die Stirn. „Ich schätze eher, die Sa'tianker werden bald tot sein. Sie hatten einen Handel mit den Devi geschlossen. Jeder, der auf ihrem Planeten kam, wurde an sie verschachert, dafür blieben die Sa'tianker unbehelligt. Diese Welt muß wohl früher einmal ein Handelsposten und Knotenpunkt gewesen sein, nach den ganzen Waren zu schließen, die ich auf dem Basar gesehen habe."
Stross richtete sich wieder auf und sah sie scharf an.
„Von soetwas wußte mein Volk bisher nichts", warf Danea nun schnell ein und schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Wir waren immer davon ausgegangen, daß alle Völker in diesem Teil der Galaxie das gleiche Los wie wir teilen und sich nichts mehr wünschen, als frei von den Devi zu sein. Was die Sa'tianker getan haben, scheint mir unüblich. Aber es würde erklären, warum nur noch so wenige Händler unterwegs sind zwischen den Planeten."
Stross atmete einige Male tief ein.
Vashtu kreuzte die Arme vor der Brust und erwiderte den Blick der anderen nachdenklich. „Ich denke auch nicht, daß wir des öfteren auf eine solche merkwürdige Beziehung stoßen werden", wandte sie ein. „Sie sollten es weiter versuchen. Irgendwann werden wir schon Handelspartner finden. Allerdings sollten wir vielleicht vorher eine gründliche Inventur durchführen, damit wir eventuelle Waren im Tausch bieten können."
Die Leiterin sah sie wieder an, sehr nachdenklich, wie es der Antikerin auffiel.
„So viele Planetenkiller haben wir auch nicht." Peter lehnte sich mit einem hochmütigen Gesichtsausdruck zurück. „Übrigens scheinen Sie mit Ihrer Vermutung recht gehabt zu haben, Vashtu. Die Rochen reagierten beide auf meinen Wunsch, einmal das Innere zu sehen. Ich habe die Dinger in die Luft gejagt mit den Bomben."
Augenblicklich wandten sich die beiden Frauen zu ihm um und starrten ihn groß an.
„Soll das heißen ... ?" Vashtu schloß abrupt den Mund.
„Sie meinen, eine der verwendeten Komponenten waren ... Antiker?" beendete Stross die abgebrochene Frage.
„Sieht so aus. Jedenfalls reagieren die Rochen auf das Gen." Peter grinste breit.
„Womit wir ein Problem haben. Wenn wir ihre Technik benutzen können, können sie auch unsere benutzen." Vashtu stöhnte auf.
Alpträume wurden wahr vor ihrem geistigen Auge. Sie wagte gar nicht, sich vorzustellen, was da noch auf sie zukommen würde. Spinnenartige, mit Termiten verwandte vielgliedrige und intelligente Hybridwesen, die auch noch die hochentwickelte Technologie ihres Volkes benutzen konnten! Straffe Organisation gegen eine relativ kleine Gruppe, die sich gerade neu formierte und ohnehin schon eine Bedrohung direkt über sich wußte.
Peters Grinsen erstarb, als er ihren Worten nachlauschte.
„Aber wir können ihre Technologie vielleicht ebenfalls nutzen", wandte Stross ein. „Vielleicht ergibt sich irgendwann einmal eine Möglichkeit, wie wir etwas von den Devi erbeuten und erforschen können. Dann könnten wir herausfinden, was sie können und was nicht."
Vashtu nickte, stumm vor sich hinbrütend, blickte dann wieder auf. „Dr. Stross, ich denke, ich sollte ..." Sie stockte kurz, richtete sich wieder auf. „Ich habe mich entschlossen, zumindest vorerst, hierzubleiben. Wenn wir einen Weg finden, wie Pendergast keinen Einfluß mehr auf mich ausüben kann."
Die Leiterin Vinetas sah sie wieder an, ein Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht. „Das freut mich wirklich sehr, Major. Ich hatte gehofft, daß Sie sich eines Tages dafür entscheiden würden. Und ich kann Ihnen versichern, wir werden daran arbeiten. Es geht nicht nur darum, daß wir Sie brauchen, und ich denke, Sie wissen das auch. Wir ... Ich würde nachher ohnehin gern mit Ihnen sprechen, wenn Sie kurz Zeit haben."
Vashtu nickte, doch ihre Augen wurden schmal. „Gut." Sie zog das Wort fragend in die Länge.
„Was das Ergebnis ihrer Expedition angeht ... es war zwar nicht zufriedenstellend aber nachvollziehbar. Wenn es nach mir geht, Sie dürfen das Gate so oft benutzen, wie Sie wollen. Allerdings würde ich noch gern über die Größe Ihres Teams mit Ihnen sprechen. Meines Wissens wollen Sie, daß die neuen Einheiten aus vier Leuten bestehen ... ?"
Vashtu atmete tief ein.
Das leidige Thema! Sie hatte damit gerechnet, daß es irgendwann auf den Tisch gebracht werden würde. Aber, wenn sie ehrlich war, im Moment war sie mehr als zufrieden mit Peter und Danea. Wozu sollte sie noch jemand viertes aufnehmen? Sie mußten sich erst einmal wieder zusammenraufen.
Stross nickte verstehend. „Ich denke, darüber sollten wir später noch einmal sprechen." Sie schaltete ihr Pad ab und machte Anstalten, sich zu erheben. Dann blickte sie, mit einer tiefen Furche auf der Stirn, noch einmal fragend auf. „Wie haben Sie sich den Rest für die SG-Teams gedacht?"
Vashtu räusperte sich. „Wie besprochen werden wir nur mit Jumpern durch das Tor gehen, Doc. Darüber habe ich bereits mit Markham und Peter gesprochen, sie sind einverstanden. Desweiteren sind die Erethianer damit einverstanden, selbst Mitglieder zu stellen. Ich schätze, wir werden so um die zehn Teams zusammenstellen können, inklusive dem meinen und dem des Lieutenants. Mit zehn Teams kommen wir schon erheblich weiter. Außerdem wird mindestens ein Wissenschaftler mitfliegen, bei Bedarf hoffen wir selbstverständlich auf mehr. Alles weitere kann ich Ihnen nach der Besprechung sagen."
Stross nickte, richtete sich auf und schob sich ihr Datenpad unter den Arm. „Dann kommen Sie einfach in mein Büro, Major", sagte sie lächelnd. „Wir beide werden eine Menge zu besprechen haben."
Vashtu fühlte wieder die Sympathie, die von der anderen zu ihr hinüberstrahlte. Und sie war sich sicher, sie hatte sich richtig entschieden.

ENDE

14.09.2011

Unsauberer Handel VI

Danea huschte durch das dichte Unterholz. Immer wieder blieb er kurz stehen, um zu lauschen und sich zu orientieren. Doch niemand schien ihm zu folgen. Oder aber, die Verfolger waren noch leiser als er, was er zu bezweifeln wagte.
Den schwarzen Würfel, der diese gefährliche Bombe war, die die Devis seiner Heimat getötet hatte, hielt er fest in den Armen und hoffte, daß er damit nichts beschädigte. Babbis hatte ihm gegenüber immerhin mehrmals erwähnt, wie gefährlich diese Waffen waren.
Wenn er ehrlich war, er hätte nicht übel Lust, diese Bombe jetzt schon zu zünden, irgendwo im Dorf der Sa'tianker, damit mit diesem unehrenhaften Spielen ein Ende war. Aber er hatte Major Uruhk sein Wort gegeben. Und die Schöpferin hatte seinen Respekt mehr als nur verdient.
Wo war dieses Fluggerät, das die Vineter immer Puddlejumper nannten? Es mußte sich doch hier irgendwo befinden.
Danea schlich vorsichtig weiter, als er auf vermehrte Lichtstrahlen vor sich aufmerksam wurde. Da war definitiv eine Lichtung. Vielleicht sogar die, die Major Uruhk zum Landen benutzt hatte. Zumindest hoffte er das.
Kurz bevor das Unterholz sich lichtete reckte Danea den Hals und erstarrte.
Es war die Lichtung, auf der der Jumper gestanden hatte. Aber jetzt war er nicht mehr da. Und das lag nicht daran, daß er getarnt war, nein. Deutlich konnte der Erethianer die tiefen Schleifspuren sehen, die die Erde aufgerissen hatten.
Der Puddlejumper war weg!

***

„Dr. Stross?"
Anne sah auf und nickte, als sie den Kopf von Andrea Walsh sah, der sich in ihr Büro hineinreckte. „Was gibt es?"
Walsh verzog unwillig das Gesicht. „Colonel Pendergast ist wieder in Funkkontakt mit uns getreten", erklärte sie.
Anne richtete sich auf und winkte der anderen, ihr Büro zu betreten. „Ist getreten? Wollte er dieses Mal nicht mit irgendjemandem sprechen?" erkundigte sie sich.
Walsh ließ die Tür hinter sich zugleiten und schüttelte den Kopf. „Er sagte, wenn sich Major Uruhk nicht binnen Stundenfrist bei ihm meldet, wird er ein Suchteam herunterschicken", antwortete sie. „Und damit wäre dann auch unser Geheimnis ..." Sie zuckte mit den Schultern.
Anne atmete tief ein. „Eine Stunde?" fragte sie entsetzt.
Walsh nickte. „Und wir konnten keinen Kontakt mehr zu Major Uruhk oder einem aus ihrem Team herstellen. Das Gate wurde ... aktiviert, kurz nachdem wir die Lieferung durch den Ereignishorizont geschickt hatten."
Anne bezwang sich, nicht sofort hochzufahren oder entsetzt aufzuschreien.
Die Antikerin hatte recht gehabt! Sie hatte von Anfang an recht gehabt, wie auch die Erethianer. Sie hatten ein Sternentor wieder in ein Netzwerk eingefügt, das mehr als gefährlich war. Wer konnte denn schon ahnen, auf was für ein Volk sie das nächste Mal stoßen würden? Wie sollte das alles nur weitergehen?
Sie wußte es nicht.
Ihr Blick fiel auf ihre Uhr.
„Eine Stunde ..." murmelte sie vor sich hin und fühlte, wie ihr Herz sich verkrampfte.
Eine Stunde, dann würde ihr Geheimnis offenbar werden. Eine Stunde, bis Vineta in Pendergasts Hände fiel.

***

„Peter, Planänderung!"
Er blieb abrupt stehen und lauschte auf die Stimme, die über den Äther in seinem Ohr zu hören war.
„Schnappen Sie sich so schnell wie möglich den zweiten Planetenkiller und schlagen Sie sich in den Wald. Wi'an hat den Puddlejumper", meldete Vashtus verzerrte Stimme sich wieder.
„Aber ..."
In diesem Moment hörte er es. Das Geräusch, vor dem er sich seit Wochen am meisten fürchtete: Ein Zischen, wie das einer Schlange.
Peter wirbelte auf dem Absatz herum, starrte zum Himmel hinauf und keuchte.
Zwei Devi-Jäger, Rochen, wie Vashtu sie getauft hatte, schossen über ihn hinweg und jagten Richtung Dorf.
„Devi! Vashtu ... Major ... gerade sind ..." Peter fühlte wieder dieses gemeine Summen in seinem Kopf und keuchte.
Zwei der Träger wurden auf ihn aufmerksam. Er hob beschwichtigend die Hand. „Schon gut", keuchte er. Seine Rechte tastete nach seiner Automatik.
„Verschwinden Sie!" Der Befehl war hart, sehr hart.
Der dritte Träger, oder Wächter, oder was auch immer, war hinter ihm gegangen und jetzt auf einer Höhe mit ihm. Peter blickte auf, als das Summen in seinem Kopf allmählich nachließ. Mit einem leisen Klicken entsicherte er seine Waffe.
„Alles in Ordnung?" fragte sein Gegenüber. Die Rochen schien er gar nicht als Bedrohung wahrzunehmen.
Peter biß sich auf die Lippen.
Der scharfe Planetenkiller lag auf der Kiste, die sich in den Armen dieses einen Mannes befand. Irgendwie mußte er ... Irgendwie.
Er riß an seiner Waffe, um sie aus dem Holster zu ziehen. Doch er hatte den Sicherungsgurt vergessen. Ein Schuß löste sich, peitschte direkt neben seinem Fuß in den Boden.
Polternd fielen die anderen Kisten auf den Weg.
Peter hätte sich selbst verfluchen können. Er hatte sich verraten. Jetzt saß er in der Falle.
Doch nur einen Moment lang, dann bellte eine P-90 los. Die beiden Träger torkelten nach vorn.
Der dritte Mann wirbelte herum, noch immer die Kiste mit dem funktionstüchtigen Planetenkiller in den Armen.
Peter stürzte vor. Endlich gelang es ihm, die Waffe von der Sicherung zu befreien, bekam sie aber falsch in die Hand.
Egal!
Er holte weit aus und knallte dem Sa'tianker den Griff seiner Automatik hart an den Kopf. Torkelnd ging der in die Knie.
„Dr. Babbis!"
Danea?
Peter grabschte sich die Bombe und raste los, in Richtung, aus der die rettenden Schüsse gekommen waren.
Der Erethianer stand auf dem Weg, die Waffe noch im Anschlag.
„Devi!" rief Peter ihm nur zu, hastete an ihm vorbei in den Wald. Danea folgte ihm dicht auf.

***

Vashtu warf sich in die Büsche, als sie das erste, sanfte Summen in ihrem Kopf wahrnahm. Kurz darauf sah sie die beiden Devi-Rochen, wie sie sanft in der Nähe des Dorfes landeten.
„Wi'an!" zischte sie, schlug sich weiter in das Unterholz hinein, zückte dann ihren Detektor und kontrollierte die Werte.
Wo war der Rest ihres Teams? Sie meinte, zwei kleine Punkte verschwinden zu sehen, doch sicher war sie sich nicht. Peter hatte sie erreichen können, aber Danea? Entweder er hatte sein Funkgerät deaktiviert oder es war defekt. Das wußte sie nicht zu sagen. Sie konnte nur hoffen, daß der Erethianer sich hatte in Sicherheit bringen können.
Vorsichtig lugte sie durch die Blätter und Zweige und beobachtete das Treiben vor dem Dorf.
Ehlie hatte ihr auch nicht sagen können, wo sich der Jumper befand, aber zumindest wußte sie jetzt, wo die Sa'tianker das Saatgut lagerten. Und genau das würde sie sich jetzt holen. Und vielleicht ...
Vashtu huschte im Schutz der Büsche näher an das Dorf heran, beobachtete, wie zwei Devi aus den Jägern stiegen.
Nein, es waren genau solche, wie sie sie bereits kannte. Ihre Kleidung schimmerte im Sonnenlicht, beide trugen sie Brustpanzer, die reich verziert waren. Das Haar auf ihren menschenähnlichen Köpfen war zu einem großen Zopf geflochten, wie sie es schon auf Erethia gesehen hatte.
Krieger, aber sicher keine einfachen, ging ihr auf.
Sie wußte nicht wirklich etwas über ihren neuen Feind. Sie würden noch sehr viel mehr herausfinden müssen, ehe sie wirklich wirksam gegen die Devi vorgehen konnten. Doch eines konnte sie immerhin aus ihrer nächtlichen Suchaktion heraus sagen: Es schien eine Art Kastenverhalten innerhalb eines Devi-Volkes zu geben. Und wenn sie das zu grunde legte, hatte sie es hier wohl mit etwas wie Offizieren zu tun.
Vashtu verzog unwillig das Gesicht.
Wenn sie ehrlich sein wollte, es interessierte sie nicht wirklich. Aber sie wußte, wenn sie diese Feinde nicht genauer studieren würden, würden sie vielleicht Vorteile abgeben, die irgendwann einmal wichtig werden könnten. Sie hatte lange genug gekämpft, um sich soetwas nicht entgehen zu lassen.
Aber nicht hier und nicht jetzt, rief sie sich zur Ordnung, huschte weiter, gerade als einer der beiden Piloten sich irritiert in ihre Richtung zu drehen begann.
Daran hätte sie beinahe nicht mehr gedacht. Devi konnten sie spüren, wie sie sie spüren konnte. Allerdings setzte bei den Hybridwesen diese Reaktion wohl etwas zeitversetzt ein, das war ihr ebenfalls bereits in der Stadt aufgefallen. Solange sie sich bewegte, hatten die Devi sie nicht erkannt. Erst als sie zögerte und einen Zugang zu dem Gebäude suchte, in dem sich Peter und Wallace befunden hatten, war der Alarm losgegangen. Vielleicht eine kleine Schwäche bei diesen Feinden, die sie irgendwann würde nutzen können.
„Peter?" zischte sie in ihr Funkgerät.
„Ja?" kam umgehend die Antwort.
Erleichtert seufzte sie. „Hören Sie zu. Wir müssen irgendeinen Treffpunkt ausmachen. Ich habe hier noch zu tun. Sobald wie möglich komme ich nach. Verstanden?"
„Devi sind auf dem Planeten. Danea ist bei mir. Wir haben die Planetenkiller. Der Jumper ist weg", meldete der junge Wissenschaftler abgehackt.
Vashtu blieb in ihrer Haltung stehen und stutzte. „Sie haben die Bomben?" fragte sie dann, drehte sich auf der Stelle um. Ein kaltes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. „Dann treffen wir uns in zehn Minuten in dem Gehölz vor dem Dorf. Und bleiben Sie in Bewegung, Peter. Die Devi können uns beide wahrnehmen."
Sie schlug sich in die Büsche, jetzt direkt Kurs haltend auf das Lagerhaus, in dem das kostbare Saatgut gelagert wurde.

***

Peter wechselte einen ratlosen Blick mit Danea, der nur irritiert zurückblinzelte. „Was hat sie gesagt?"
„Wir sollen warten, aber in Bewegung bleiben", antwortete er, schüttelte dann den Kopf. „Funktioniert dein Funkgerät nicht mehr?"
Etwas ratlos schüttelte der Erethianer den Kopf. „Leider nein."
Peter seufzte. „Dann weiter!" Er marschierte einige Schritte, stutzte dann und drehte sich um, als er bemerkte, daß Danea ihm nicht folgte. „Was?"
Der Erethianer nickte nach rechts. „Wir müssen da entlang."
Peter fühlte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg.
"Das wußte ich doch!" murrte er, dem Erethianer folgend.

***

Vashtu hockte in ihrer Deckung in der Nähe des Lagerhauses und beobachtete vorsichtig die beiden Wachen, die das Gebäude in regelmäßigem Abstand patrollierten, um sich auf deren Rhythmus einstellen zu können.
Dabei allerdings gingen die Devi ihr nicht aus dem Kopf.
Warum waren sie so schnell hergekommen? Hatte Wi'an Erethia erwähnt? Waren überlebende Devi aus der zerstörten Stadt irgendwie bis hierher gelangt?
Sie hatte auf keine ihrer Fragen eine Antwort, und sie wußte nicht wirklich, ob sie sie jetzt schon haben wollte.
Sie hatte sich entschieden, und das spürte sie erst jetzt wirklich. Sie wollte sich den Vinetern anschließen, sie wollte ein Teil dieser Stadt sein. Sicher kein besonders wichtiger, aber immerhin. Sie würde gern weiter das Gate nutzen, um vielleicht auch irgendwie einen Weg nach Hause zu finden. Und sie wollte den anderen helfen.
Sie wußte, daß eine Gentherapie in der Dimension, aus der die ehemaligen Atlanter stammten, alles andere als angesehen war. Dennoch würde sie gern einmal mit Dr. Stross darüber sprechen. Möglicherweise ...
Vashtu fiel etwas auf, was ihr bisher entgangen war. Sie machte einen langen Hals und beugte sich etwas zur Seite. Dann breitete sich ein Lächeln über ihr Gesicht aus.
Sie hatte den Jumper gefunden. Und er lief immer noch im Tarnmodus. Und genau darum hatte sie den dritten Wächter bis jetzt nicht wirklich wahrgenommen. Aber der hatte sich bewegt und war damit kurzfristig in ihr Blickfeld geraten.
Ein Plan nahm in ihrem Kopf Gestalt an.
Sie verließ die Deckung, um sich eine bessere zu suchen, denn eines hatte sie sofort bemerkt: Die Wächter des Lagerhauses konnten den des Jumpers ebenfalls nicht sehen.

***

„Peter, sind Sie in Stellung?"
Er zuckte wieder merklich zusammen, als sich unvermittelt ihre Stimme in sein Ohr schlich. Das Summen war wieder da, zwar nicht so stark wie vorhin auf der Straße, aber immerhin.
„Ja, wir sind in der Nähe der Devi-Rochen", antwortete er.
„Perfekt!"
Er stutzte.
Danea drehte sich zu ihm herum. „Ist das Major Uruhk?"
Peter nickte. „Was ist perfekt?" fragte er lauernd. Er wurde das Gefühl nicht los, daß sie gleich wieder irgendeine Unmöglichkeit von ihm verlangen würde. Und er wurde nicht enttäuscht.
„Sie werden die beiden Planetenkiller scharf machen und bei den Rochen deponieren", befahl sie. „Ich sorge für ein kleines Ablenkungsmanöver. Wir treffen uns auf der Straße zum Tor. Dort sammle ich euch beide ein. Dann geht es nach Hause."
„Sie wollen was?" Peter fuhr hoch. „Ich soll was? Wir haben doch kaum eine Chance, wenn Sie auch noch das Saatgut mitschleppen wollen!"
„Ich habe den Jumper wiedergefunden." Triumph schwang in ihrer Stimme mit.
Peter wechselte mit Danea einen ratlosen Blick. „Sie hat den Jumper wiedergefunden", wiederholte er.
„Und jetzt sehen Sie zu, daß Sie die Bomben scharf machen! Wir haben nicht viel Zeit. Die Devi ..."
„Können uns spüren, ich weiß." Peter erhob sich, machte Danea ein Zeichen. „Wir sollen die Planetenkiller bei den Jägern hochjagen", erklärte er kurz.
Warum nur immer er?

***

Vashtu hatte den einsamen Wächter schnell und lautlos ausgeschaltet, im Jumper Schutz gesucht und beobachtete nun von diesem Standpunkt aus die beiden anderen Wachen, die mit präziser Regelmäßigkeit ihre Runden zogen.
Sie konzentrierte sich auf die Drohnen und konnte fühlen, wie die AI sich ihres Wunsches sofort annahm. Mit ihren Gedanken schoß sie die Waffe ihres Volkes ab und lenkte sie zu einem bestimmten Punkt, nicht allzu weit entfernt.
Die Wachen wurden sofort aufmerksam. Vashtu beobachtete, wie sie kurz Blicke tauschten, dann losrannten.
Sie zögerte nicht mehr. So schnell wie möglich hechtete sie aus dem Jumper heraus und raste zum Lagerhaus hinüber. Ein kurzer Tritt mit aktivierten Fremdzellen, und das Innere des Lagerhauses lag vor ihr.
Das Summen in ihrem Kopf nahm wieder zu.
Vashtu fluchte leise, versuchte sich an das dämmrige Halbdunkel zu gewöhnen, das hier herrschte. Dann griff sie sich den ersten Sack, den sie erkennen konnte, warf ihn sich ächzend über die Schulter und stapfte mit schweren Schritten zurück zu dem kleinen, getarnten Gleiter.
Das war aber nur der erste Streich, sagte sie sich, während sie den Sack wieder ablud und sich auf den Pilotensitz schwang. Hoffentlich hatte Peter genug Zeit gehabt, um die Bomben scharf zu machen ...

***

Peter klatschte mit der flachen Hand auf den Würfel und erleichterte, als dieser hochfuhr.
„Wohin?" rief Danea ihm leise zu.
Gute Frage, fiel ihm jetzt ein. Blinzelnd sah er sich um.
Die Jäger, oder Rochen, der Devi waren extrem flach. So flach, daß sie beide sich nur in gebückter Haltung bewegen konnten, solange sie nahe an den Fluggeräten waren. Der Auswuchs, den die, die sie auf dem Planeten gejagt hatten, besessen hatten fehlte bei diesen Exemplaren.
Wie konnten diese hünenhaften Wesen in diesen Dingern fliegen? Sie mußten sich so flach wie möglich hineinlegen, anders konnte er sich das nicht vorstellen. Aber wie ... ?
Peter zuckte zurück, als sich unversehens eine Luke vor ihm öffnete. Er erwartete jeden Moment, einen Devi hervorschnellen zu sehen, doch nichts geschah.
„Dr. Babbis?" Danea klang ein wenig hilflos.
Peter blinzelte. Sollte etwa ... ? Hatte Vashtu recht? Dann ...
Der Planetenkiller in seiner Hand tickte und erinnerte ihn daran, daß er nicht viel Zeit hatte. Und auf der anderen Seite des Dorfes gab es in diesem Moment eine Explosion.
Peter zuckte zusammen, schmiß den tickenden und leuchtenden Würfel in den Jäger hinein und hastete zu Danea hinüber.
„Her damit!" Ungeduldig riß er dem Erethianer die Waffe aus der Hand, klatschte mit der flachen Hand darauf. Doch nichts geschah.
Er konnte die Unruhe spüren, die sich im Dorf ausbreitete.
„Dr. Babbis ..." Danea sah ihn hilflos an.
„Ich mache ja schon", knurrte er, drehte den Würfel und versuchte es noch einmal.
Und diesmal fuhr die Waffe hoch.
Ein erneuter Gedanke, wieder öffnete sich eine Klappe. Ein mehr oder weniger gezielter Wurf und er hetzte dem Erethianer nach, wieder in den Wald zurück.
Hinter sich hörte er jetzt mehrere, kurz aufeinanderfolgende Explosionen, die aber bei weitem nicht die Sprengkraft eines Planetenkillers aufwiesen.

TBC ...