29.01.2012

Aus dem Tagebuch eines Genies XI

5. Tag:

„Alles abflugbereit?"
Danea blickte etwas irritiert auf und sah einen sehr munteren, wenn auch recht besorgt wirkenden Lieutenant Markham hinten aus dem Jumper blicken. „Ich ... Ja, wir sind bereit", antwortete er, als er kurz in die Gesichter seiner beiden Begleiter gesehen hatte.
„Gut, dann bitte einsteigen, die Herrschaften." Markham versuchte sich an einem Lächeln, doch es wirkte gezwungen.
Danea richtete sich auf und schulterte seine letzte Tasche. Die Tasche mit dem kostbaren Inhalt, das wichtigste, neben der Eignung dieses Mondes für die Landwirtschaft.
Die beiden anderen Erethianer bestiegen vor ihm den kleinen Gleiter. Nachdenklich folgte Danea ihnen, drückte dann auf die Handsteuerung für die Heckluke und ging nach vorn in das Cockpit.
Markham saß bereits an den Kontrollen und ging offensichtlich noch irgendwelche Meldungen des Jumpers durch, dann begannen die Maschinen leise zu summen.
„Es war ein wirklich ereignisreicher Tag, nicht wahr?" Danea lächelte den jungen Militär aufmunternd an.
Markham nickte. „Diese ganze Expedition war ereignisreich", antwortete er. „Und wohl auch ziemlich einträglich, oder? Immerhin wissen wir jetzt, was wir wissen wollten."
„Stimmt." Danea nickte, warf noch einen Blick nach unten, ehe sie Atmosphäre des Mondes endgültig verließen. Ein eigenartiges Gefühl machte sich in ihm breit, doch er schwieg.
„Ich mache mir Sorgen. Wenn Babbis am Ende noch durchdreht ... Jedenfalls hoffe ich, du kannst das verstehen." Markham warf ihm wieder einen Blick zu.
Danea nickte. „Ich verstehe, und ich teile deine Gefühle", antwortete er. „Aber dennoch haben wir etwas gutes bewirkt."
„Das steht noch zu hoffen." Markham seufzte und schlug den Kurs für den Rückflug nach Erethia ein.

*** 

89. Tag

Nachtrag:

Es steht zu hoffen, daß Markham und seine Expedition 7x204899 Die Sache mit Stross geht gut. Ich weiß nicht ... Dämmliche Berechnungen, nie stimmen sie so, wie ich sie haben will!
Was ich sagen wollte ist, daß diese Sache allmählich zur Ruhe kommt. Williams ist ein Trottel! Welche Auswirkung auf das Raum-Zeit-Kontinuum hat ein Wurmloch in eine andere Dimension? Ich denke, der Kaffe ist kalt, es sollte kein neuer aufgebraucht werden.
Vashtu Uruhk bleibt beim Schach. Ich meine, die Sache ist ein Devi. Und wenn ich die SG-Teams sehe, die sie verteilt hat, schaue ich auf Türme. Die PKs sind harmlose Kisten. Sie können lkµolm,öckvlä#äaögfdµztrkjcbvhgfdäldfg,cv.bm---zhtgd,f

Zur gleichen Zeit:

„Ein Jumper kommt!" Walshs Stimme klang aufgeregt.
Anne atmete erleichtert auf und stieg in den Lift, vor dem sie gerade gestanden hatte, um zu ihrem Quartier zu kommen. Doch jetzt war ihr Ziel ein anderes.
„Sagen Sie Markham, daß ich ihn auf der Stelle sprechen muß", sagte sie in ihr kleines Mikrofon. „Williams meinte, je eher er von diesem Planeten kommt, desto besser. Wenn Markham etwas wacher als Babbis ist, könnte er diesen Flug vielleicht übernehmen."
Keine Antwort.
Anne stieg stirnrunzelnd aus dem Lift und ging mit strammen Schritten den Gang hinunter. „Miss Walsh?" fragte sie schließlich. „Andrea, stimmt etwas nicht?"
„Ich ... äh ..." meldete die andere sich unversehens wieder. „Ich denke, das wird Sie interessieren, Dr. Stross."
Anne schüttelte verständnislos den Kopf. „Was ist los?"
„Es ist nicht Markham", antwortete Walsh nach einer Weile.
Anne stockte kurz in ihrem Schritt. „Was?"
Aber wer sollte sonst einen Puddlejumper nutzen? Und wie? Es gab schließlich nur drei ATA-Träger im näheren Umfeld. Einer von ihnen lag jetzt hoffentlich endlich in seinem Bett und holte den Schlaf der vergangenen vier Tage nach, der zweite befand sich vielleicht endlich auf dem Rückflug hierher und die andere saß in der Prometheus fest.
Anne schüttelte den Kopf, als sich eine leise Hoffnung in ihren Geist schleichen wollte. Sie beschleunigte ihre Schritte unwillkürlich und fühlte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann.
Das Schott der Pyramide schloß sich gerade wieder. Doch im Seitenelement öffnete sich dafür eine kleine Tür. Und aus dieser Tür kam ... ein kleines grauhäutiges Wesen, das sich mit großen Augen umsah.
Anne stockte im Schritt.
Ein ... der ... Heimdahl?
Das Interesse des Asgard richtete sich auf sie. Mit einer gemessen erscheinenden Geste neigte er den Kopf. Da kam eine zweite Gestalt aus dem Inneren der Pyramide.
Anne holte tief Atem, konnte einfach nicht glauben, was sich da vor ihren Augen abspielte. Und dennoch ...
„Dr. Stross, ich hoffe, Sie haben ein gemütliches Plätzchen für unseren neuen Freund und mich. Nach Möglichkeit einen, der abgeschirmt ist. Wir haben von Pendergast einen Jumper ... geliehen." Major Vashtu Uruhk grinste spitzbübisch und winkte mit dem Daumen in Richtung des Base. „Übrigens haben wir noch das eine oder andere mitgebracht, was vielleicht nützlich sein könnte."
Anne blinzelte noch immer ungläubig, dann begann sie das breite Grinsen mit einem erleichterten Lächeln zu erwidern.
Die Antikerin war wieder in Vineta!

ENDE

22.01.2012

Aus dem Tagebuch eines Genies VIII

Was tatsächlich geschah:

Anne blickte auf, als sich die Tür zu ihrem Büro öffnete. Ein beinahe mütterliches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als sie sah, wer sich da Zutritt verschafft hatte.
„Dr. Babbis, ich hoffe, Sie hatten eine ruhigere Nacht als ich.", begrüßte sie ihren unverhofften Gast. Doch bereits ein Blick in dessen Gesicht, verhärmt wirkend und mit dunklen Schatten unter den Augen, beantwortete ihre Frage mehr als ausreichend.
Es wurde wirklich Zeit, daß Markham von seiner Expedition zurückkehrte, wurde ihr wieder klar. Babbis würde über kurz oder lang einfach umkippen, wenn er seine Tätigkeiten nicht etwas zurückschraubte. Er sah ja jetzt schon fast aus wie ein lebender Leichnam. Irgendwann, wenn nicht einer der beiden anderen ATA-Träger zurückkehrte, würde er vielleicht sogar noch Vineta in die Luft jagen mit seinen Forschungen an den Planetenkillern.
Babbis ließ sich schulterzuckend nieder, gähnte hinter vorgehaltener Hand. „Es wird gehen", nuschelte er und blinzelte.
Anne nickte nachdenklich und faltete die Hände vor sich auf dem Tisch. „Ich wollte Ihnen noch danken für Ihre Hilfe gestern. Ohne Sie hätte es wesentlich mehr Tote gegeben. Ich hoffe, das ist auch Ihnen klar."
„Wir brauchen einen Medizinmann." Babbis rieb sich ein Auge hinter der Brille. „Diese Antiker-Geräte zu benutzen ist anstrengend."
„Kann ich mir vorstellen." Anne lächelte mitfühlend.
Wenn er doch nur nicht so eine Nervensäge wäre - nun ja, zumindest meist. Heute schien er relativ umgänglich. Vielleicht einfach die Tatsache, daß er übermüdet war, vielleicht aber auch wurde ihm klar, daß es so nicht mehr lange weiterging.
„Ich kann Ihnen mitteilen, daß Lieutenant Markham bald zurückkehren wird", sagte sie. „Die Erforschung des Mondes ist so gut wie abgeschlossen. Er wollte eigentlich heute schon zurückkehren, aber es hatte sich da etwas ergeben, daß mich etwas unruhig werden ließ. Aber er wird spätestens in zwei Tagen zurück sein."
Babbis blickte fragend auf. „Sind Sie mit mir nicht zufrieden?" fragte er ungläubig.
„Doch, selbstverständlich." Anne lächelte wieder. „Aber ich sehe auch, daß dieser zusätzliche Dienst Ihnen sehr zusetzt. Außerdem halten ich es für besser, wenn Sie sich auf Ihre Arbeit konzentrieren und nur im Notfall einspringen. Sie müssen doch selbst zugeben, daß dies jetzt nicht gerade der beste Umstand ist, oder?"
Er zuckte mit den Schultern. „Irgendetwas von ... der Prometheus?" Eine leise Hoffnung schlich sich in seine müden Augen bei diesen Worten.
Annes Lächeln verlosch. Langsam schüttelte sie den Kopf. „Leider nein, tut mir leid. Nach meinen Informationen, die wir mittels der Planentenüberwachung der Antiker gewinnen, wird an dem Schiff gearbeitet. Ich kann nur hoffen, daß es Major Uruhk und auch den restlichen Leuten gelingt, sich abzusetzen, ehe die Prometheus startet. Wir brauchen jeden einzelnen von ihnen."
Babbis senkte betreten den Blick wieder, starrte leer auf ihren Schreibtisch.
Anne seufzte. „Ich möchte Sie heute nicht allzu sehr herumscheuchen, Dr. Babbis", wechselte sie das Thema. „Sergeant Williams möchte es noch einmal auf P1V-121 versuchen. Ich habe bereits mit ihm gesprochen. Er ist damit einverstanden, wenn Sie sein Team dort aussetzen und eine halbe Stunde warten. Dann aber kehren Sie zurück hierher. Nach sieben Stunden können Sie ihn abholen. Er meint, seine Leute würden solange durchhalten, selbst wenn sie auf Widerstand stoßen."
„Ich soll zurückkommen?" Babbis' Augen weiteten sich. „Aber ... warum?"
Anne seufzte wieder, lehnte sich zurück. „Weil mich das gestrige Szenario doch etwas unruhig gemacht hat, Dr. Babbis. Ich möchte, daß Sie, wenn Sie wieder in der Stadt sind, mit einem Sicherheitsteam die bewohnten und erreichbaren Bereiche absuchen und eventuelle Geräte, die uns gefährlich werden könnten, abschalten."
„Antikergeräte? Abschalten?" Ein höhnisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Sagten Sie gerade, ich soll Geräte der Lantianer abschalten?"
„Ich weiß, das wird vielleicht nicht ganz einfach", gab Anne zu. „Aber im Moment sehe ich keine andere Möglichkeit. Entweder Sie schalten die Energiefresser ab oder Sie lassen die betreffenden Gebäude oder Räumlichkeiten durch das Sicherheitsteam versiegeln."
„Versiegeln hört sich schon vernünftiger an." Babbis nickte nachdenklich.
„Falls Sie noch etwas Zeit erübrigen könnten, wäre die Reparatur des Tores ebenfalls ziemlich dringend. Sie haben recht, das Loch scheint bei jeder Einwahl zu wachsen", fuhr Anne fort.
Wieder ein ungläubiges Blinzeln. „Wirklich?" Er klang jetzt tatsächlich erstaunt.
Die Leiterin der verbotenen Stadt nickte. „Ja, wirklich. Miss Walsh und ich haben uns das ganze gestern noch einmal angesehen und einige Probeläufe gestartet. Der Krach wird immer stärker und das Einschußloch wächst, als würden winzige Teile des Naquadah bei jeder Etablierung in den Ereignishorizont gezogen."
Babbis rieb sich über das Gesicht, begann dann an seinem Ohrläppchen zu zupfen, eine Eigenart, die sie immer sehr irritierte.
„Möglicherweise haben Sie recht", befand er dann. „Die Energie, die durch ein Wurmloch entsteht, ist enorm. Dummerweise hat der Schütze, der für dieses Loch verantwortlich ist, genau die richtige Stelle getroffen. Bei jedem Wurmloch liegt es halb im Ereignishorizont."
Anne nickte und wartete geduldig. Sie war sicher, sie würde gleich einen Babbis erleben, wie ihn sonst nur Major Uruhk kannte, zumindest in dieser Dimension.
„Ich kann das nicht richtig im Kopf berechnen, aber wenn wir weiter so unverantwortlich oft das Tor benutzen, könnte es wirklich recht bald geschehen, daß wir aus dem Netzwerk wieder herausrutschen - oder vollkommen hineingezogen werden. Wenn das Wurmloch sich weiter ausdehnen und den gesamten Torraum miteinbeziehen kann, werden wir der Lage nicht mehr Herr werden. Und das bedeutet ... wir brauchen dringenst ein neues Sternentor. Vashtu, Verzeihung, Major Uruhk hat sich da wohl geirrt mit ihrer etwas unkonventionellen Art, das Loch zu verstopfen. Stahl ist nicht dazu gemacht, den Energien eines Wurmloches standzuhalten. Entweder wir finden reparaturfähiges Naquadah, das nicht angereichert wurde, oder ein neues Sternentor."
„Nun, wie auch immer. Wir sind im Moment wirklich auf das Gate angewiesen. Ich denke, das wissen Sie selbst auch. Oder möchten Sie länger als nötig von den Nährungsbreien abhängig sein."
Unwillig verzog Babbis das Gesicht, drehte sich dann um und starrte durch die großen Fenster nach draußen. „Wenn wir besser an das Loch herankämen, könnten wir es jederzeit wieder stopfen. Aber leider verfügt keiner von uns über die Fremdgene von Major Uruhk. Ihr dürfte es ein leichtes sein, den Prozeß zumindest etwas aufzuhalten."
„Ich vertraue da im Moment ganz auf Sie, Dr. Babbis. Wenn Sie möchten, können Sie ein Team zusammenstellen aus unseren Physikern, die Ihnen helfen", schlug Anne vor.
Babbis' Kopf ruckte zu ihr herum. „Sie wollen, daß ich ... ein Forschungsteam leite?" Schierer Unglauben lag in seiner Stimme.
Anne lächelte. „Machen Sie sich daran und holen sich die, die Sie brauchen, Dr. Babbis. Wie gesagt, wir brauchen das Tor."

***

Nachdem er Stross' Büro verlassen hatte, zögerte Peter. Eigentlich sollte er sofort zur Jumper-Base und Williams' Team so schnell wie möglich auf dem Planeten absetzen. Andererseits aber fühlte er sich schlapp wie nie zuvor in seinem Leben. Selbst Kaffee, nicht das es davon in Vineta viel gegeben hätte, zudem hielt die Leiterin über die mageren Vorräte, die Vashtu und Markham aus der Prometheus besorgt hatten, ihre Hand, half nicht mehr wirklich weiter. Aber vielleicht ...
Peter wandte sich in Richtung Krankenstation und marschierte los. Vielleicht hatte er ja Glück und diese Schwester Claudia hatte gerade Dienst. Sie würde ihm sicherlich etwas geben können, das ihn auch weiterhin wach hielt.
Erst als er schon auf halbem Weg die Treppen hinauf war, fiel ihm ein, daß er auch hätte einen der Lifte benutzen können. Irgendwie schien sein Gehirn auch nicht mehr zu arbeiten, wie es sollte, ging ihm auf. Andererseits würde ein bißchen Bewegung auch sicher ein bißchen guttun nach den vielen sitzenden und stehenden Tätigkeiten der vergangenen Tage. Auf jeden Fall meinte er, sich etwas munterer zu fühlen.
Schwester Claudia war nicht im Dienst, wie Peter schnell feststellte, nachdem er schließlich durch die Tür getreten war. Er fand nur diesen Oberpfleger, zumindest hielt der sich wohl für einen solchen, namens Marc, wenn er sich nicht irrte.
„Doc, was kann ich für Sie tun?" erkundigte der sich. In seinem Gesicht spiegelte sich eine durchwachte Nacht und auch der gestrige Tag noch deutlich wider.
„Ich brauche etwas, womit ich mich wach halten kann." Peter versuchte, sich so autoritär wie möglich zu geben, richtete sich auf und kreuzte die Arme vor der Brust.
Der Pfleger sandte einen langen Blick in Richtung der schmalen Betten, die zu einem gewissen Teil tatsächlich wieder leer waren.
„Ich muß arbeiten!" setzte der junge Wissenschaftler hinzu.
„Sie müssen auch einmal schlafen", entgegnete Marc bestimmt.
„Ich muß gleich Sergeant Williams und sein Team durch das Gate fliegen. Und wenn ich wiederkomme, habe ich einen eiligen Auftrag von Dr. Stross auszuführen. Ich habe keine Zeit, mich irgendwo hinzulegen. Also, ich brauche etwas, was mich wach hält."
Marc runzelte die Stirn, kreuzte nun ebenfalls die Arme vor der Brust. „Nicht von mir. Ich habe Ihnen gestern schon gesagt, daß Sie sich hinlegen sollen. Wenn Sie das aus falsch verstandenem Stolz nicht tun, ist das nicht meine Sache."
„Falsch verstandener Stolz?" brauste Peter plötzlich auf. In ihm begann es zu brodeln. „Ich werde dringend gebraucht! Falls Sie es noch nicht bemerkt haben, ich bin zur Zeit der einzige ATA-Träger, den wir haben! Ich kann es mir nicht leisten auszufallen! Also geben Sie mir schon endlich etwas!"
 Der Pfleger musterte ihn wieder von Kopf bis Fuß, dann wandte er sich plötzlich ab und aktivierte sein Funkgerät.
Peter war kurz davor, vor Wut wirklich zu explodieren.
Was bildete dieser Kerl sich eigentlich ein? Jetzt glaubte er ihm nicht einmal? Das ging aber eindeutig zu weit!
Marc sprach leise in sein Funkgerät, warf ihm einige kurze Blicke zu und nickte immer wieder. Dabei verhärtete sich sein Gesicht immer mehr. Schließlich klopfte er wieder auf das winzige Gerät in seinem Ohr, drehte sich ganz Peter zu und nickte. „Also gut, kommen Sie mit", sagte er, wenn man seiner Stimme und seiner Haltung auch deutlich anmerkte, wie er tatsächlich zu dieser Sache stand.
Der junge Wissenschaftler blitzte ihn wütend an. „Habe ich es nicht gesagt?" fauchte er.
Marc ließ den Vorwurf an sich abprallen wie Wasser, marschierte zu einem kleinen Nebenraum und zückte einen Schlüssel. „Das ist das erste und letzte Mal", sagte er, während er die Tür öffnete. „Das nächste Mal stecke ich Sie in ein Bett."
„Das hätten Sie wohl gern, was?" brauste Peter auf.
Marc betrat den Raum, kehrte kurz darauf wieder zurück und hielt ihm eine kleine Schachtel mit Tabletten hin. „Mehr bekommen Sie von mir nicht. Die Spritzen rühre ich nicht an."
Peter warf dem Pfleger noch einen verächtlichen Blick zu, schnappte sich das Päckchen und rauschte davon.
Dem Kerl hatte er es aber gezeigt!

***

Williams und sein Team warteten tatsächlich bereits, als Peter um die Ecke kam, doch dieses Mal schien der Marine wesentlich ... milder gestimmt, woran auch immer das liegen mochte. Williams nickte ihm zu und wartete, bis er den Jumper betreten hatte, ehe er ihm folgte, wie auch der Rest der SG-Einheit.
Peter ließ sich auf dem Pilotensitz nieder und konzentrierte sich. Kurz summten die Motoren, dann erlosch das Geräusch wieder. Statt dessen fuhr die taktische Hologrammanzeige hoch.
Der junge Wissenschaftler blinzelte, er konnte hören, wie die rechte Waffenplattform ausfuhr.
„Doc, ich denke, das haben Sie nicht gemeint, oder?" Williams klang unsicher.
Peter schluckte, schloß die Augen und konzentrierte sich darauf, die Drohnen wieder einzufahren. Kurz stotterte irgendetwas in seinem Geist, es war wie ein winziges Aufbegehren, dann summten die Triebwerke wieder, die Heckluke schloß sich.
Er atmete erleichtert auf und öffnete vorsichtig ein Auge.
Was war denn nur mit diesem Jumper los? Er hatte doch gar nicht ...
Eine Klappe zu seiner Linken öffnete sich, ein Energiedetektor wurde ausgefahren.
„Doc?"
Er fühlte Williams' Blick auf sich, wußte jetzt endgültig nicht mehr, was er tun sollte. Schließlich griff er hektisch nach dem Detektor und steckte ihn in eine nicht ganz volle Tasche seiner Überlebensweste. „Habe meinen verloren", kommentierte er sein Tun mit einem mitleidheischenden Grinsen und warf dem Marine einen kurzen Blick zu.
Der nickte, doch in seinem Gesicht war deutlich Skepsis zu lesen. Doch falls er etwas bemerkt hatte, schwieg er darüber.
„Dann mal los." Peter konzentrierte sich wieder auf das Fliegen.
Mit einem deutlichen Ruck hob der Puddlejumper ab, krachte dann zurück auf den Boden.
Ließ das künstliche Gen etwa nach? War das der Grund, aus dem der Gleiter heute nicht so auf ihn reagieren wollte, wie er es sollte?
Ja, so mußte es sein, sagte er sich, während er etwas wie einen deutlichen Protest in seinem Hirn wahrnahm. Die AI des Jumpers meldete sich bei ihm, doch aus den kryptischen Äußerungen wurde er nicht recht schlau. Jedenfalls schien das Gerät aber unbeschädigt, schon einmal etwas, wenn auch sicher nicht das, was er erwartet hatte.
Endlich hob der Jumper vom Boden ab und - Peter hielt unwillkürlich den Atem an - flog mit stotternden Triebwerken in Richtung Zentralturm.
„Ist der Jumper beschädigt?" erkundigte Williams sich.
Die Verbindungstür in den Lade- und Passagierraum glitt mit einem deutlichen Krachen zu. Peter zuckte zusammen.
„Äh, nein, offensichtlich nicht." Siedendheiß war ihm eingefallen, daß niemand von seiner Gentherapie wußte. Im Gegensatz zu Vashtu machte er ein kleines Geheimnis daraus, vor allem auch, weil diese Arten von Manipulation in der Dimension, in der sie sich jetzt befanden, nicht sonderlich angesehen waren. Vashtus aufgemotzter Genstrang half der Stadt, oder würde es vielleicht irgendwann tun, aber seine leicht veränderten Gene?
Der Jumper sackte unter ihm weg, er konnte ihn gerade noch auffangen, ehe sie in eines der Gebäude krachen konnten.
„Schon gut, ich werde es mir nachher ansehen. Muß irgendeine kleinere Fehlfunktion sein", beschwichtigte er blind Williams, doch der nickte nur, nach einem weiteren scheelen Blick auf ihn.
Das Schott zum Gateroom war noch geschlossen. Eigentlich sollte es sich, da es über ein ähnliches Feld wie das Tor verfügte, bei Annäherung öffnen, aber dieses Mal tat es das nicht.
Peter verzweifelte langsam.
Was ging hier vor? Warum ... ?
Endlich glitt das Schott zurück.
Er seufzte erleichtert, verringerte die Geschwindigkeit. Wieder verlor der Jumper an Höhe, diesmal so ruckhaft, daß kurzzeitig die Trägheitsdämpfer versagten und sie durchgeschüttelt wurden. Peter fluchte, zog die bockige Kiste wieder hoch. Zu spät fiel ihm Vashtus Warnung ein, da hatte er die Beleidigung bereits gedacht. Und die AI antwortete damit, daß sie noch mehr bockte. Jetzt wollten auch die Triebwerke wieder aussetzen.
„Verdammt, Babbis! Sie bringen uns um!" schrie Williams ihn plötzlich an. „Egal, was Stross gesagt hat, das kann nicht sein. Lassen Sie uns sofort aus dieser Kiste aussteigen!"
Peters Kopf ruckte hoch. „Was?"
Der Jumper flog endlich in den Gateroom hinein, pendelte sich, wenn auch widerstrebend vor dem Tor ein.
„Was hat Dr. Stross gesagt?" Er funkelte den Marine wütend an.
Williams sank in seinen Sitz zurück und fluchte leise. „Stellen Sie auf der Stelle den Jumper ab. Sie sind nicht in der Lage heute irgendetwas zu fliegen, verdammt!" herrschte er ihn an.
„Ich bin nicht in der Lage?"
Die Chevrons des Tores rasteten, eines nach dem anderen, ein, der Energieschild war hochgefahren, daß die Ematation den Jumper nicht zerstören konnte.
Williams nickte. „Stellen Sie den Gleiter ab, auf der Stelle!" wiederholte er.
Der Jumper glitt in das Feld des Autopiloten und wurde in das Wurmloch gezogen.

***

Anne betrat den Kontrollraum und sah stirnrunzelnd nach draußen zum Tor. „Ist Dr. Babbis noch nicht wieder zurück?" fragte sie nach einer Weile.
Walsh blickte von ihrer Arbeit auf, warf dann einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Nein", antwortete sie gedehnt, „ist er nicht."
Beide Frauen sahen sich einen Moment lang schweigend an, dann nickte Anne und trat an die großen Fenster.
Walsh wählte ein und schloß für alle Fälle den Schild, obwohl das eigentlich nicht nötig war. „Leitung offen", meldete sie dann und drückte die entsprechenden Befehle.
„Dr. Babbis? Hier ist Dr. Stross", begann Anne, beobachtete das Wurmloch. Der Knall war beinahe ohrenbetäubend gewesen, stellte sie seufzend fest. „Sie sind überfällig. Ist etwas passiert?"

***

Nach dem Adrenalinstoß, den der Streit mit Williams ihm gebracht hatte, fühlte Peter sich noch ausgelaugter als vorher. Er war ... einfach nur leer, es gab schlichtweg nichts, was er tun konnte, abgesehen vom Warten.
Mit einem Rest klaren Verstandes zog er sein Palmtop aus der Tasche und stellte sich den Wecker, nachdem das SG-Team draußen verschwunden war. Dann lehnte er sich zurück, kreuzte die Arme vor der Brust und sah hinaus. Und sah hinaus. Und sah hinaus ...
Eine lustige Melodie zwitscherte durch den Jumper und riß ihn wieder aus dem Schlaf.
Peter blinzelte, tastete dann nach dem kleinen Handrechner und schaltete ihn ab, ehe er sich wieder in den Sitz kuschelte.
„Nur noch fünf Minuten ..." Dann war er auch schon wieder eingeschlafen.
„Dr. Babbis? Hier ist Stross. Sie sind überfällig. Ist etwas passiert?"
Müde blinzelte er und wischte sich über den Mund. Ein Speichelfaden blieb in seinem Mundwinkel hängen.
Was?
„Dr. Babbis, ist etwas passiert? Hier Dr. Stross, können Sie mich hören?"
Wo kam das her? Er war doch ...
Plötzlich riß er die Augen auf, fuhr hoch und starrte wild um sich.
Nein, er war weder in seinem Quartier in Vineta, noch in seinem Apartment auf der Erde. Er saß vornübergesunken in einem Puddlejumper und sollte eigentlich ...
„Mist!"
„Dr. Babbis, melden Sie sich doch! Hallo?"
Stross! Vineta! Das Tor!
„Oh verdammt!"
Noch immer etwas desorientiert blickte er sich um, auf der Suche nach dem Ursprung der Stimme, die er hörte. Es brauchte ein bißchen, ehe er begriff, daß diese in seinem Ohr steckte, und daß er noch immer ein Funkgerät trug.
„Dr. Ba..."
„Hier Babbis", meldete er sich und dachte rasent schnell nach. „Ich hatte ein paar Probleme mit dem Jumper und habe mir ... äh, die Kristalle angesehen. Dabei habe ich wohl die Zeit vergessen. Tut mir leid."
„Alles in Ordnung bei Ihnen? Walsh sagte ..."
„Ja, danke, jetzt müßte es wieder gehen. Äh, Williams hat sich noch nicht gemeldet. Ich denke, er ist wohl durchgekommen." Sein Blick fiel auf seine Armbanduhr. Unwillkürlich erstarrte er. Über eine Stunde war er jetzt schon auf dem Planeten. Eine Stunde! Was hätte er in dieser Zeit nicht schon alles tun können!
„Gut, dann kehren Sie jetzt bitte umgehend wieder zurück, Dr. Babbis. Es gibt noch einiges zu tun, wie Sie wissen."
Peter nickte und konzentrierte sich.

***

Anne tauschte wieder einen Blick mit Walsh. Die grinste.
„Vielleicht sollten Sie auch noch Williams kontaktieren, ohne daß Babbis was mitkriegt", schlug sie vor. „Interessieren würde es mich, warum die Waffen am Jumper aktiviert waren, als er abflog."
Anne bekam große Augen. „Sie waren was?"
Walsh nickte, brach die Verbindung ab und wartete. „Die Drohnenphalanx auf der rechten Seite war aktiviert und ausgefahren. Und wie der Jumper hier herein kam ... nun, entweder Dr. Babbis hatte wirklich Probleme oder er selbst war das Problem, was ich eher annehme."
Anne drehte sich wieder zum Tor um. „Gut, warten wir, bis Babbis zurück ist, dann nehmen wir sein Wurmloch", entschied sie mit gemischten Gefühlen. „Er hat viel zu wenig geschlafen in den letzten Tagen. Und der Dienst auf der Krankenstation gestern hat auch noch das Mark aus seinen Knochen gesaugt, wenn Sie mich fragen."
Walsh schaltete die Schilde zu, als das Tor sich wieder aktivierte. Kurz darauf kam die Bestätigung, sie ließ den ersten Schild fallen und beobachtete, wie der Jumper sich an diesem Ende des Wurmloches wieder materialisierte. Dann schaltete sie die betreffenden Leitungen.
„Hoffen wir, daß Williams nicht gerade mitten in einer Verhandlung steckt", sagte sie.
„Hoffen wir, daß er und sein Team überhaupt noch leben nach dem, was Babbis sich geleistet hat", entgegnete Anne besorgt, während der Jumper zum Schott hochschwebte und den Zentralturm Richtung Pyramide verließ.

***

Peter war einfach nur wütend. Anders konnte er seine Emotionen im Moment beim besten Willen nicht beschreiben.
Kaum daß er wieder in der Base gewesen war vor ein paar Stunden und eigentlich hatte den Lift zum Zentralturm nehmen wollen hatte Stross ihn kontaktiert und ihm mitgeteilt, daß nicht nur Williams mit seinem Team bis morgen warten wollte mit einer Rückkehr, sondern daß auch die Reparatur des Tores verschoben worden war auf den nächsten Tag. Eindringlich hatte sie ihm noch einmal veruscht klar zu machen, daß er Raubbau an seinem Körper betrieb - als würde er das nicht selbst wissen! - und ihn dann mit drei Militärangehörigen in die bewohnbaren Teile der Stadt geschickt. Und hier sollte er nach Energiefressern Ausschau halten und die Räume und auch Gebäude versiegeln lassen. Kein Wort mehr von einer Abschaltung, nein. Er sollte nur Detektor spielen und herumschnüffeln.
Nicht daß er im allgemeinen etwas gegen diesen Auftrag gehabt hätte, aber ...
„Geht es Ihnen gut, Doc?" fragte Watts, ein junger Lieutenant, der ihm mitgegeben worden war.
„Ja", knurrte Peter und marschierte weiter.
Er wußte selbst, daß er im Moment wohl nicht gerade wie das blühende Leben wirkte. Aber mußte man ihn auch noch mit der Nase darauf stoßen? Immerhin versah er innerhalb der Stadt einen sehr wichtigen Dienst, da konnte er es sich schlichtweg nicht leisten, sich auszuruhen. Zumindest solange nicht, wie Markham noch auf diesem verdammten Mond seinen Erholungsurlaub genoß.
Nun ja, zumindest damit würde wohl bald Schluß sein, wenn er sich recht erinnerte. Dabei, auch das mußte er zugeben, war gerade diese Erinnerung seltsam nebulös und wie in Watte gehüllt, wie fast alles, was heute geschah.
„Ihr Gerät piept", meldete Watts sich erneut.
Peter wollte gerade zu einer unwirschen Antwort ansetzen, als er bemerkte, daß der andere recht hatte. Verständnislos blinzelnd starrte er auf den kleinen Bildschirm des Energiedetektors, sah dann zu dem Gebäude hinauf, an dem sie gerade vorbeigelaufen waren. Mit einem Ruck drehte er sich schließlich um und lenkte seine Schritte zu der Eingangstür.
„Hier drin ist etwas", sagte er dabei, betrat neugierig das Gebäude und sah sich um. Doch auf den ersten Blick war nichts anderes festzustellen wie in allen anderen Gebäuden: Ein Flur, von dem Türen abzweigten. Ganz am Ende schimmerten die gläsernen Türen des Liftes.
Peter schürzte nachdenklich die Lippen, hob dann den Detektor.
Nein, der Lift war es definitiv nicht, um den er sich kümmern sollte.
„Machen Sie Meldung an Stross", wandte er sich an seine drei Begleiter, ohne jemand bestimmten dabei anzusprechen. „Ich schätze, wir haben hier etwas gefunden."
Wie auf der Jagd pirschte er sich in das Innere des Gebäudes, hielt den Detektor hoch und sondierte die Lage. Hinter der dritten Tür schien sich diese ominöse Energieverschwendung zu befinden.
„Mann, manchmal wünschte ich mir, ich könnte das auch!"
Peter hob unwillig den Kopf und starrte den jungen Marine nieder. „Sie wissen nicht, was Sie da denken", entgegnete er, öffnete dann die Tür.
Ein kleines Gerät stand ihm gegenüber auf einem Tisch. Schriftzeichen leuchteten auf seiner Oberfläche, die entfernt an einen Planetenkiller erinnerte.
Peter runzelte die Stirn, steckte den Detektor wieder ein und beugte sich über den Tisch, um, was auch immer es war, genauer zu mustern. Dann erhellte sich sein Gesicht sichtlich, als er die aufgeklappte Rückfront fand. Im Inneren des Gerätes schimmerten verschiedenfarbige Kristalle.
„Dürfte nicht allzu lange dauern", wandte er sich an Watts, umrundete den Tisch und beugte sich über die Öffnung des Gerätes.
„Dr. Stross meinte, wir sollten nicht ..."
„Ich kann dem Ding die Energie entziehen. Damit ist es dann nicht mehr mit unseren Generatoren verbunden und kann auch nichts weiter entladen." Befriedigt über diese einfache Lösung zog er einen Kristall aus seiner Halterung.
Plötzlich senkte sich deutliches Schweigen über den Raum, unterbrochen nur von einem gelegentlichen Klicken, als die Anzeigen auf dem Gerät sich veränderten.
„Äh, Doc ..." wandte Watts sich nervös an ihn. „Sind Sie sich wirklich sicher, daß Sie genau das vorhergesehen haben?"
Peter war nun doch verblüfft, wußte nicht so recht, was er jetzt tun sollte. Also steckte er den Kristall zurück in die Halterung.
Der Farbwechsel folgte jetzt schneller.
Watts wich unwillkürlich einen Schritt zurück. „Doc, das sieht aber nicht sehr gut aus", sagte er.
„Ich weiß. Einen Moment noch." Der nächste Kristall wurde ausprobiert, und wieder einmal wünschte er sich die Antikerin an seine Seite. Selbst wenn sie ein solches Gerät nicht kannte, könnte sie ihm doch helfen, indem sie die Schriftzeichen übersetzte.
„Mam, Dr. Babbis ..."
Peters Kopf ruckte hoch. Wütend funkelte er den Marine an, aktivierte dann selbst sein Funkgerät. „Dr. Stross, Babbis hier", meldete er sich, nahm sich den nächsten Kristall vor und zog ihn aus seiner Halterung - mit dem gleichen Ergebnis wie die beiden vorhergehenden Versuche. Der Farbwechsel erfolgte inzwischen unheimlich schnell. „Wir haben einen Ihrer Energiefresser gefunden. Dürfte nur ein paar Minuten dauern, bis ich ihn vom Netz genommen habe."
„Dr. Babbis!" Stross' Stimme klang alles andere als erfreut. „Habe ich Ihnen keine klaren Anweisungen gegeben?"
„Doch. Aber dieses Ding braucht offensichtlich mehr Energie, als wir verkraften können." Der Kristall wurde wieder zurückgesteckt.
Wie konnte er dieses Gerät nur ausschalten? Irgendeine Möglichkeit mußte es doch einfach geben.
Peter schob sich die Brille wieder auf die Nasenwurzel zurück, entschied sich dann für den nächsten Kristall und zog ihn heraus.
Im gleichen Moment verloschen die Lichter, das Gerät war still.
Peter richtete sich, sehr zufrieden mit sich selbst, auf und rieb sich die Hände. „Dann auf zum nächsten Bösewicht", wandte er sich an Watts, der ihn ungläubig musterte.
„Sie werden gar nichts mehr tun, Dr. Babbis!" wütete Stross plötzlich in seinem Ohr los. „Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollten die Gebäude kontrollieren und versiegeln lassen. Wie kommen Sie denn überhaupt dazu, diese Befehle vollkommen zu ignorieren?"
War wohl doch kein so toller Einfall gewesen, wie?
„Ich habe ihn vom Netz genommen. Ich denke, das ist schon mehr als genug", verteidigte er sich lahm. Doch er konnte sich des Gefühles nicht erwehren, daß er gerade seinen nächsten Fehler in einer ziemlich langen Liste gemacht hatte.

TBC ...

15.01.2012

Aus dem Tagebuch eines Genies VII

4. Tag:

„Es hat gestern einen ziemlich heftigen Unfall gegeben", sagte Markham leise, als er auch dem Zelt kam, in dem er allein übernachtete.
Danea wechselte einen Blick mit seinen beiden anderen Begleitern, dem alten Nabock und Jehnam, einem erfahrenen Jäger, wie auch er einer gewesen war, ehe die Fremden auftauchten.
Markham ließ sich am Feuer nieder und seufzte.
„Warum hast du uns das gestern nicht schon gesagt?" fragte Danea.
Der Lieutenant blickte wieder auf. „Weil die Erethianer nicht weiter betroffen zu sein scheinen, wie Dr. Stross mir sagte. Einer unserer Wissenschaftler kam um bei dem Versuch, irgendein Gerät abzuschalten. Das ganze Gebäude ist zerstört."
„Dann sollten wir so schnell wie möglich zurückkehren in die Stadt der Schöpfer. Wer weiß, was diese Explosion ausgelöst hat dort", wandte Nabock ein.
Markham rieb sich den Nacken, starrte in die Flammen ihres kleinen Lagerfeuers.
Danea ging auf, wie müde der Lieutenant wirkte. Er hatte sicher nicht sehr viel geschlafen in der letzten Nacht. Wahrscheinlich zuviel Sorgen, ging ihm auf.
„Nabock hat recht", wandte er ein.
Markham blickte wieder auf und sah ihn leidend an. „Dr. Stross meint, wir sollten hierbleiben, bis wir sicher sind, daß sich keine Devi hier herumtreiben und wir den Mond vollständig überprüft haben. Wie lange braucht ihr noch?"
„Hier sind keine Devi", entgegnete Nabock bestimmt.
Markham kniff die Lippen aufeinander und zog die Beine an, um seine Unterarme auf die Knie zu stützen. „Aber wir haben Ruinen gefunden."
„Die sind schon lange aufgegeben, Lieutenant Markham", entgegnete Danea. „Nabock hat recht. Wir sollten wirklich zurückkehren nach Vineta. Wir brauchen auch nicht mehr lange. Heute abend könnten wir fertig sein, wenn Dr. Stross meint, wir sollten uns hier erst alles ansehen."
„Es ist unverantwortlich von ihr, soetwas zu fordern!" Die Stimme des alten Erethianers klang verärgert.
Markham blickte zum Himmel hinauf und beobachtete, wie in der frühen Dämmerung die näherstehenden Planeten und Monde auftauchten aus der Nacht.
Danea konnte beinahe spüren, was in dem jungen Mann neben ihm vor sich ging. Und, er mußte zugeben, auch in seiner Brust stritten sich die Gefühle. Aber wahrscheinlich konnte er Markham nicht wirklich verstehen. Die Erethianer hatten kein Militär, und jeder einzelne seines Volkes handelte nach seinem eigenen Gewissen, nicht nach dem, was ihm vorgegeben worden war von anderen.
„Major Uruhk ist auch noch nicht wieder in Vineta", murmelte Markham nachdenklich und runzelte die Stirn. „Dr. Babbis ist wohl vollkommen überfordert mit der Situation."
„Ein Grund mehr, sofort zurückzukehren", wandte nun Jehnam ein.
„Nein." Danea schüttelte bestimmt den Kopf. „Wir sollten tun, was Dr. Stross wünscht. Wenn sie meint, die Lage sei ruhig genug, damit wir den Mond weiter erforschen können, sollten wir das auch tun."
Nabock versuchte, ihn niederzustarren, doch er gab nicht nach. Vielleicht wußte er nicht alles, aber er hatte zumindest genug Verstand, um nicht blind nach vorn zu stürmen, wie der zweite Älteste es jetzt von ihm verlangte.
„Ihr werdet heute fertig?" Markham senkte den Kopf wieder, sandte einen fragenden Blick in ihre kleine Runde.
Jehnam nickte. „Es ist nicht mehr viel zu tun. Eigentlich könnten wir gleich hierbleiben und beginnen, Felder anzulegen."
„Uns fällt sicher eine einfachere Lösung ein", wandte Markham ein, sah zu Danea hinüber. „Noch ein Jumperflug gefällig?"
Der junge Erethianer nickte lächelnd. „Gern", antwortete er.
Markham richtete sich ächzend wieder auf und streckte sich. „Dann sollten wir sehen, ob wir nicht noch ein bißchen Zeit herausschinden können. Dr. Stross möchte eine Antwort von uns allen. Darum halte ich es auch für besser, wenn wir unsere Arbeit beenden."
Danea stand auch auf und stellte sich an Markhams Seite. Auffordernd blickte er zu Jehnam hinüber, bis dieser nickte. Nur Nabock blieb stur, wie er nicht anders erwartet hatte.
„Ich wollte mir noch einmal die Ruinen der Devi ansehen", schlug Markham vor.
„Gut." Danea nickte, drehte sich dann um und folgte dem anderen zu dem einsamen Puddlejumper hinüber.
Ein Unfall in der verbotenen Stadt der Schöpfer. Kein Wunder, daß Nabock wieder eine Bedrohung sah. Seit Jahrtausenden fürchteten die Erethianer diese Stadt, und Danea waren die Verhandlungen mit den Menschen aus diesem weit entfernten Atlantis noch sehr gut im Gedächtnis geblieben. Auch er war nicht gerade begeistert von der Aussicht, ausgerechnet in der Stadt der verräterischen Schöpfer zu leben, aber er hatte zumindest als einer der ersten die Notwendigkeit erkannt.
Markham ließ sich auf dem Pilotensitz nieder und schloß die Heckluke. „Inzwischen werde ich wohl immer besser, was?" Er zwinkerte Danea zu.
Der nickte. „Besser jedenfalls als Dr. Babbis."
„Das ist auch nicht schwer." Markham ließ den Jumper abheben und an Höhe gewinnen, während er die Geschwindigkeit erhöhte. „Mir macht das Schweigen der Prometheus Sorgen. Was, wenn Pendergast mit dem Rest von uns abhauen will?"
„Ihr sagtet, er könne nicht so schnell fliegen", wandte Danea ein.
„Aber er hat Geiseln, wenn er dahinter gekommen ist, was zwischen uns und seiner Mannschaft ablief."
„Denkt Dr. Stross das auch?"
Markham biß sich diesmal wirklich auf die Lippen. „Ich weiß nicht, wie weit Sie im Moment denkt. Dr. Babbis macht ihr da einige Schwierigkeiten. Zumindest mehr, als er bräuchte."
Der Jumper schoß über den, sich langsam erhellenden Himmel.
Danea lehnte sich nachdenklich zurück. „Aber angreifen wird er uns doch nicht, oder?" fragte er nach einer kleinen Weile.
„Ich denke eher nicht." Der Lieutenant reckte den Hals, als sie dem Wald mit den Ruinen näherkamen. Langsam senkte er den Jumper wieder ab, landete ihn schließlich nicht weit von den ersten Bäumen entfernt.
„Dann mal los." Mit wenig Enthusiasmus erhob er sich und ließ Danea den Vortritt, ehe er ihm folgte, sich seine Waffe greifend, die hinten auf einem der Sitze gelegen hatte.
Danea trat aus dem Jumper heraus und blickte sich aufmerksam um. Dann wurde er plötzlich auf etwas aufmerksam, senkte den Blick. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

***

88. Tag:

Unter welchen Bedingungen bricht der menschliche Körper zusammen? Wie erschöpft muß man sein, um einfach umzukippen und nicht mehr aufzustehen?
Ich weiß es nicht, aber ich glaube, allmählich stoße ich an die Grenzen des mir möglichen. Mein Verstand beginnt zu leiden, mein Körper folgt ihm, da er keine andere Wahl hat. Und das schlimmste ist, man läßt mir einfach keine Ruhe, um mich zu regenerieren. Ich bin hilflos dem ausgeliefert, was Stross und diese ganze atlantische Bande planen. Niemand nimmt mehr Rücksicht auf meine eigenen Bedürfnisse.
Dr. Babbis, fliegen Sie durch das Tor! Dr. Babbis, reparieren Sie das Tor! Dr. Babbis, aktivieren Sie dieses Gerät! Dr. Babbis, deaktivieren Sie jenes Gerät! Dr. Babbis, die Testreihen müssen fortgesetzt werden! Dr. Babbis, Sie müssen auf der Stelle herkommen! Dr. Babbis, bleiben Sie nur weg da!
So und noch anders geht es hier zu. Natürlich, ich bin der wichtigste Mann in der Stadt, wenn ich nicht hier wäre, wäre Vineta schon längst wieder stumm und tot. Aber selbst jemand wie ich braucht seine Ruhe, und seien es auch nur fünf Minuten, die man mir zugestehen sollte. Wenn mein Körper irgendwann nicht mehr kann, weiß ich, wem ich das zu verdanken habe.
Markham ist immer noch nicht zurück. Was, zum Kuckuck, macht der eigentlich so lange da oben? Der Handel ging um ein paar Tage, aber inzwischen sind es ... oh, doch erst der vierte Tag? Nun ja, es kommen mir mehr vor. Und ich kann nicht nachvollziehen, was er und die Erethianer da oben so lange treiben. Der Mond war begrünt, er hatte ein angenehmes Klima, was wollen sie denn noch mehr wissen? Oder legen sie schon Felder an? Mit einem Sack Saatgut sicher nicht die beste Idee.
Statt mich weiter an meinen Forschungen arbeiten zu lassen, zieht Stross mich immer weiter ab. Heute durfte ich, zusätzlich zu Williams' Team, durch die Stadt ziehen auf der Suche nach Energiefressern - als würde uns das mehr als ein bißchen Zeit erkaufen! Zudem kommt, daß ich letzte Nacht durchgearbeitet habe - Dorns Prothese ist so gut wie fertig. Zumindest ein Lichtblick in dieser Finsternis.
Vashtu, wo bist du, wenn man dich braucht? Und ich könnte dich im Moment wirklich sehr gut hier gebrauchen. Aber du sitzt weiter gemütlich in der Prometheus und grinst wahrscheinlich auf deine übliche Art zu uns hinunter, während du dich vielleicht sogar mit Pendergast endlich geeinigt hast. Noch ein Nebenbuhler! Hat dir deine Erfahrung mit diesem Psycho-Kerl nicht gereicht?
Ach, was schreibe ich da schon wieder? Ich sollte - Vashtu wird wiederkommen, das ist klar. Sie wird wiederkommen! Wenn sie jemand wirklich gut kennt, dann weiß er, daß sie nichts unversucht lassen wird, um wieder hierher zurückzukehren. Ihre Arbeit hier ist noch nicht erledigt. Und sie ist zu zuverlässig, um irgendetwas nur halb zu tun. Wenn sie noch nicht wieder hier ist, kann das eigentlich nur bedeuten, daß sie wieder irgendetwas mit Pendergast auszutragen hat. Ansonsten würde nichts sie davon abhalten, Vineta wieder zu betreten. Nur allein die Sache mit dem Forschungs-Sektor liegt ihr doch ziemlich schwer im Magen. Hoffentlich wird sie nie herausfinden ...
Ich sollte allmählich selbstständiger werden. Ich kann mich nicht immer auf Vashtu Uruhk verlassen und hoffen, daß sie mir helfen wird. Aber wenn nicht sie, wer dann? Wem kann ich hier denn noch vertrauen? Stross auf jeden Fall wohl nicht, im Gegenteil, sie scheucht mich doch herum wie ... Nun ja, ihr billiger Sklave bin ich nicht, darauf kann sie sich verlassen. Was auch immer sie mir jetzt antun wird, es wird noch Folgen haben, darauf kann sie sich verlassen!
Aber was können wir tun, wenn Vashtu nicht zurückkommt? Wie sollen wir uns dann weiter schützen? Ich weiß schließlich, was Stross mit ihr vorhat, und ich muß zugeben, ich halte es für eine sehr gute Idee. Vielleicht wird mir nicht jeder zustimmen, aber ... Militärische Leiterin, gleichberechtigt neben Stross stehen, in alle Entscheidungen der Stadt involviert sein? Wer würde sich das nicht wünschen? Und, vor allem, es würde sich einiges ändern, wäre Vashtu hier und auf diesem Posten. Niemand würde mich mehr herumscheuchen, auch Stross nicht. Vashtu hat Verständnis für meine Bedürfnisse. Sie würde das nicht zulassen.
Die Frage ist eher, weiß sie selbst, was sie will? Sie tut so viel, eigentlich jetzt schon alles. Sie auf diesen Posten zu setzen, würde das ganze nur offiziell machen. Die Frage ist, weiß Vashtu eigentlich, was sie bereits getan hat für Vineta? So ganz sicher bin ich mir da nämlich nicht. Sie gluckt noch immer, wenn es um die Stadt geht. Sie hat Angst vor etwas, nur weiß ich immer noch nicht, vor was genau. Aber ich bin sicher, irgendwann wird sie mir das sagen können - wenn sie von der Prometheus zurück ist. Ja! Ich bin ihr Vertrauter. Wenn sie nicht mir traut, wem dann?
Ich wünschte nur, es würde schneller gehen. Viel schneller. Wenn sie nur wieder hier wäre, wenn irgendjemand mit dem Gen hier wäre außer mir. Ich werde das nicht mehr lange durchhalten können.

TBC ...