29.04.2012

Klimawandel VI


Es war später Abend geworden, als Anne endlich aus ihrem Büro herauskam. Im Kontrollraum tat ein Techniker Dienst, aber eher, um eine mögliche Einwahl von außen zu kontrollieren als irgendetwas anderes zu tun. Etwas überrascht war sie allerdings, als sie auch einen sich träge bewegenden Schatten im Gateroom selbst ausmachen konnte. Ein Marine schien offensichtlich neuerdings auch zur Nachtschicht zu gehören - zumindest seit die Antikerin die Leitung von Dorn übernommen hatte. Ein überraschender, aber auch beruhigender Zug an ihr.
Anne nickte dem Techniker zu und wollte den Kontrollraum gerade verlassen, als sie auf einen weiteren Schatten aufmerksam wurde, der sich draußen auf dem Balkon befand. Die Wissenschaftlerin stockte mitten im Schritt und beobachtete die inzwischen recht vertraut wirkenden Bewegungen. Es war Vashtu Uruhk. Aber was tat sie da draußen?
Kurzentschlossen trat Anne an die Tür und dann auf den Balkon nach draußen.
Das leichte, bläuliche Schimmern des Schildes, der sich über Nacht zurückzudimmen schien, wirkte beruhigend und hatte irgendetwas von einem Nachthimmel auf der Erde, wenn sie auch nicht sagen konnte was.
Leise trat Anne um die Kurve, blieb dann stehen.
Die Antikerin blickte zur Höhlendecke hinauf, wie sie es schon des öfteren getan hatte. Das sanfte Glühen des Schildes zeichnete die Konturen ihres Gesichtes nach und ließ das Weiß ihrer Augen sanft leuchten. Sie schien voll konzentriert auf etwas zu lauschen, schüttelte dann plötzlich den Kopf.
Schön, wenn McKay denkt, er hätte vielleicht die Adresse gefunden. Er soll trotzdem seine Finger davon lassen", wisperte sie in die Luft als spräche sie mit sich selbst. Und - Anne sah sich um, entdeckte aber außer sich niemanden - war sie das nicht auch?
John, ihr bleibt, wo ihr seid, hast du verstanden? Ich komme hier auch allein klar. Es wird gehen", wisperte die Antikerin eindringlich.
Anne hatte plötzlich das Gefühl, als sei sie eine ungeliebte Zeugin bei einem sehr privaten Gespräch, selbst wenn es für sie eher ein Monolog war.
Was war mit der Antikerin los? Waren das noch Nachwirkungen der Drogen? Oder hatte sie den Verstand verloren?
Anne wußte nicht so recht, was sie jetzt tun sollte, blieb einfach stehen und beobachtete und lauschte, während sie immer deutlicher fühlte, daß sie hier Zeuge von etwas wurde, das es sonst nicht mehr gab.
Ich weiß, ich vermisse dich auch", flüsterte Vashtu leise mit bebender Stimme. „Aber ... Nein, es kann nicht die Adresse sein. Ich bin in einer anderen Galaxis, John, schon vergessen? Es müssen acht Symbole sein, nicht sieben. Weiß sonstwer, wo Rodney diesen Einfall her hat." Sie schien zu lauschen, richtete sich dann langsam auf. „Ja, das ist mir klar geworden, als ich nachrechnete. Aber ich hoffe, ich kann das Problem irgendwann lösen ... Nein, es sollte besser noch niemand wissen, John ... Es ist ziemlich viel hier passiert, ich erzähle es dir irgendwann, aber dazu sollten wir das jetzt nicht nutzen, es ... Hör mir zu, Colonel! Hör mir einmal zu! ... Ja, das weiß ich, aber daran werden wir nichts ändern können ... Was heißt, die Apollo ist in Atlantis? ... Ellis hat ... ? ... Ja, ich erinnere mich. Schön, daß er es auch tut. Ich ... John? John?" Unvermittelt schloß Vashtu den Mund, ihre Schultern sanken mutlos herab. Noch immer starrte sie zu einem bestimmten Punkt an der Höhlendecke hinauf, dann aber ließ sie den Kopf sinken, ihre Schultern hoben sich wieder, aber höher als normal.
Anne biß sich auf die Lippen.
Was sie da gerade belauscht hatte, hatte etwas von einem sehr privaten Telefongespräch gehabt. Aber irgendwie ... Wo sollte denn hier ein Telefon sein? Und welcher John? Wer war Ellis? Und hatte die Antikerin nicht auch den Namen McKay erwähnt?
Vashtu?" fragte sie leise, allen Mut zusammennehmend, den sie irgendwie aufbringen konnte.
Die zuckte sichtlich zusammen, ihre Schultern schienen sich noch etwas zu heben, sanken dann langsam wieder herab. „Anne", sagte sie. Ihre Stimme klang belegt.
Ich ... Es sollte nicht ... Es tut mir leid." Anne trat zögernd näher.
Vashtu drehte sich unvermittelt zu ihr um und sah sie an. Ihr Gesicht lag nun im Schatten des Gebäudes, doch das Weiß ihrer Augen glitzerte immer noch im wenigen Licht, das von drinnen zu ihnen hinaus schimmerte.
Sie haben es gehört", stellte die Antikerin fest. Keine Frage, nein, sie stellte es wirklich fest.
Ich dachte, Sie hätten hier irgendetwas ..." Anne schloß den Mund, lehnte sich jetzt ihrerseits gegen das Geländer und blickte auf die Stadt hinunter.
Wir sind in meiner Dimension. Ich weiß es schon länger", sagte Vashtu an ihrer Seite, nahm jetzt auch wieder ihre vormalige Position ein.
Anne nickte. „Das dachte ich mir bereits. Sie schienen eigentlich immer recht sicher zu sein, was das angeht."
Vashtu atmete tief ein. „Was Sie da gerade gehört haben ist ... Es besteht ein Band zwischen mir und jemanden in Atlantis. Eine Art geistiges Band. Eigentlich müßte ich nicht sprechen, wenn ich in ... Kontakt mit ihm trete, aber es fällt mir dann leichter, mich zu konzentrieren."
Lt. Colonel Sheppard, ich weiß. Wir redeten einmal darüber." Ein entschuldigendes Lächeln erschien auf Annes Lippen als sie jetzt aufsah.
Vashtu nickte ernst. „Es geht nicht oft, aber ab und an. Dann scheinen wir Pegasus näher zu sein als sonst. Dann können wir ... kommunizieren, wenn auch nie für lange", fuhr sie fort.
Er sucht nach Ihnen. Das ist ein sehr großer Liebesbeweis."
Vashtu stützte die Unterarme auf das Geländer und faltete die Hände. „Wir sind auf der Erde für tot erklärt worden", sagte sie nach einer kleinen Weile. „Er ... John war mein Erbe. Ich habe ja keine Angehörigen mehr. Also erhielt er einen Brief vom Ministerium. Ich habe sogar einen Orden bekommen." Bei dem letzten Satz klang ihre Stimme sarkastisch.
Sie haben die Milchstraße gerettet, so wie Sergeant Dorn das erzählte. Sie haben ein Supergate zerstört", entgegnete Anne.
Vashtu nickte nachdenklich, hob den Kopf wieder Richtung Höhlendecke. „Was Peter da angestellt hat ..."
Lassen Sie es gut sein, Vashtu. Die Sache ist geklärt. Ich hoffe nur, Sie halten nicht noch mehr zurück, was letztendlich gefährlich für uns werden würde", fiel Anne ihr ins Wort.
Die Antikerin an ihrer Seite seufzte schwer. „Nicht wirklich", sagte sie nach einer Weile.
Anne nickte nachdenklich. „Dieses Band ... kann es uns vielleicht etwas nutzen? Können wir irgendwie unseren Standort auf diese Weise ermitteln?"
Vashtu schüttelte den Kopf. „Nein, nichts", antwortete sie. „Es ist eher ... es sind Gefühle und Gedanken, die nicht von mir kommen. Manchmal ist es so stark, daß ... Manchmal ist es, als würde John neben mir stehen in diesen Nächten. Deshalb möchte ich dann lieber allein sein."
Anne kniff kurz die Lippen aufeinander, richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Stadt unter ihnen beiden. „Würden Sie zurück wollen?" fragte sie nach einer Weile. „Sie haben einen Partner, sind verliebt. Sie arbeiten für das SGC, haben sicher einige Freunde im Cheyenne-Mountain."
Ich weiß es nicht", antwortete Vashtu zögernd und schüttelte den Kopf. „Zu John würde ich sicher wollen, wenn ich könnte. Aber ... Wir beide sind uns zu ähnlich, wir sind zu starke Persönlichkeiten. Lange würden wir es wahrscheinlich nicht miteinander aushalten. Und was das SGC angeht ... Cheyenne-Mountain gab es schon, ehe ich in Atlantis aufwachte. Ich denke, man kommt dort auch ganz gut ohne mich zurecht. Zur Erde allerdings ... Ja, zumindest für ein paar Tage um ... einige Dinge zu erledigen. Unangenehme Dinge."
Ihr viertes Mitglied." Anne hob den Kopf wieder und blickte sie von der Seite an. Sie sah, wie die Antikerin die Lippen aufeinanderkniff, dann aber nickte.
Wallace hatte eine Familie, eine gute Familie, wenn Sie mich fragen", antwortete sie. „Sie hätten eine Erklärung verdient." Jetzt drehte auch sie den Kopf. „Und Sie? Würden Sie 'meine' Erde besuchen wollen? Dort ein neues Leben aufbauen?"
Anne lächelte. „Vielleicht, ich weiß es nicht. Ich weiß ja nicht einmal, ob es dort eine Anne Stross gibt oder gegeben hat", antwortete sie. „Wir stehen hier am Anfang, und diese Stadt ist faszinierend und beängstigend zugleich. Wenn ich den Räten vorsprechen könnte ..."
Den Räten?" Vashtu sah sie wieder an, fragend dieses Mal. „Meinen Sie das IOA?"
Diese Internationale Gemeinschaft, von der Sie gesprochen haben?" Anne schüttelte den Kopf. „Das ist in meiner Dimension anders. Ich denke, es würde eine ziemliche Umgewöhnung sein. Und ich weiß nicht, ob ich Vineta aufgeben möchte."
Vashtu nickte nachdenklich, ließ jetzt ihren Blick ebenfalls über die Stadt wandern. „Ich kann verstehen, was Sie sagen wollen", sagte sie nach einer kleinen Weile.
Sie wollten doch erst gar nicht hierher." Anne lächelte, richtete sich wieder auf und drehte sich zum Zentralturm um. Sie steckte die Hände in ihre Hosentaschen. Dann gab sie einen überraschten Laut von sich, bis ihr etwas einfiel und sie den kleinen Gegenstand aus der Tasche zog.
Was ist?" Die Antikerin hatte sich sofort aufgerichtet bei ihrem Ausruf.
Anne lächelte und hielt hoch, was Markham ihr von einem seiner Flüge mitgebracht hatte. „Die hat der Lieutenant gefunden", sagte sie und hielt das kleine Schmuckstück Vashtu hin.
Die schien kurz zu stutzen, sich dann zu konzentrieren. Ein feiner, indirekter Lichtstrahl begann sie beide zu umfloren, umspielte schließlich den ganzen Balkon.
Anne war verblüfft. „Das ist wie in ..."
Atlantis?" beendete die Antikerin den Satz, grinste und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Schmuck. „Eine Brosche. Hat wohl jemand verloren, oder?"
Keine Ahnung. Auf P1V-125 hat Sullivans Team nur Tote gefunden. Die Devi scheinen kurz vor uns da gewesen zu sein", antwortete Anne mit einer leisen Trauer in der Stimme.
Wir kommen ihnen näher." Vashtu griff nach dem Schmuck und betrachtete ihn sorgsam, während sie ihn in ihren Händen drehte. „Ein schönes Schmuckstück. Markham hält viel von Ihnen." Sie gab die Brosche zurück.
Anne lächelte bitter. „Jetzt, wo Elizabeth tot ist ..." Sie schloß den Mund.
Vashtu nickte mitfühlend. „Ich verstehe. Markham war wohl auch in Atlantis ziemlich einsam."
Anne nickte und fühlte noch immer diesen Kloß in ihrem Hals. Mühsam schluckte sie ihn herunter, steckte die Brosche wieder ein und blickte auf. „Jede von uns scheint ihr Päckchen zu tragen haben, oder?"
Die Antikerin nickte mit niedergeschlagenen Lidern. „Aber irgendwie schaffen wir das schon", fügte sie hinzu.
Anne lehnte sich wieder mit dem Rücken gegen das Geländer und musterte das Metall des Turms, das matt im indirekten Licht schimmerte. „Mir ist bei der Auflistung der Außenwelteinsätze aufgefallen, daß Sie zwar fliegen, aber nicht selbst hinaus gehen mit Ihrem Team."
Vashtu seufzte. „Danea fragte mich heute das gleiche. Und Ihnen gebe ich die gleiche Antwort. Ich habe noch keinen vierten Mann."
Dann gehen Sie zu Dritt. Das letzte Mal hat es ja auch geklappt. Nur sollten Sie sich nicht darauf versteifen, Vashtu", entgegnete Anne. „Wenn Sie hinaus wollen, dann gehen Sie. Aber wenn ein vierter Mann auftaucht, dann sollten Sie ihm auch eine Chance geben."
Ein überraschter Blick traf sie, dann begann Vashtu zu lächeln. „Danke."
Anne nickte nur stumm.

TBC ...

23.04.2012

Klimawandel V


Vashtu bremste das Board geschickt ab und sprang von dem umgebauten Brett herunter. Es mit einem Fuß hochkickend, klemmte sie sich ihr selbstgebasteltes Skateboard unter den Arm und trat näher an das große Tor von Vineta heran. Dort lehnte sie das umgebaute Brett gegen den Schutzschild und grinste. Dann aber wurde sie wieder ernst, als sie sich den beiden gewaltigen Bögen zuwandte.
Der Schild hier flimmerte und schien ihr nicht ganz so undurchlässig wie in Rest der Stadt. Und genau das war es, was Anne Stross Sorgen bereitete.
Aufmerksam musterte sie die beiden hohen Säulen, die sich gen Höhlendecke wölbten, trat langsam näher an den ersten Bogen heran und betrachtete ihn von oben bis unten.
Das Tor war riesig, und sie hatte sich schon von Anfang an gewundert, warum es so gewaltig zu sein schien. Jetzt kam ihr allmählich ein gewisser Verdacht, mußte sie sich eingestehen. Es mußte doch einen Grund für diese überdimensionalen Ausmaße geben. Ihr Volk hatte nichts gebaut, das nicht irgendeinen Sinn ergab.
Major Uruhk!"
Vashtu, die gerade die Hand ausgestreckt hatte, um das Metall der einen Torhälfte zu berühren, zuckte zurück und drehte sich um.
Danea kam die Straße heruntergelaufen, ein Lächeln auf dem offenen Gesicht.
Vashtu nickte dem jungen Erethianer zu, richtete ihre Aufmerksamkeit dann wieder dem Bogen zu, besser der hohen Säule und legte ihre flache Hand auf das Metall. Sie meinte, ein feines Vibrieren wahrnehmen zu können. Das würde bedeuten, das Tor wurde mit Energie versorgt.
Ich dachte, ich würde Sie gar nicht mehr treffen." Danea war bei ihr angekommen.
Vashtu runzelte die Stirn. „Wieso?" Sie drehte sich um und musterte den Erethianer aufmerksam. „Ich bin im Moment beschäftigt, aber ein bißchen Zeit habe ich immer. Gibt es etwas bestimmtes?" Sie hob die Brauen.
Ich ..." Danea senkte etwas verschämt den Blick und zuckte mit den Schultern, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Naja, ich dachte ... Ich habe gehört, daß in den nächsten Tagen viele, die sich den Sternentor-Teams angeschlossen haben, auch hindurchgehen werden. Da wollte ich fragen, ob ... ?" Er blickte etwas verschämt auf.
Vashtu begriff und stutzte. „Sie dachten, ich wolle sie nicht mehr dabei haben? Das ist doch lächerlich!" Sie winkte ab. „Ich will Sie in meinem Team. Nur, äh, gibt es da kleine Schwierigkeiten, was die Größe des Teams angeht." Jetzt war sie es, die entschuldigend lächelte.
Weil wir nur drei sind?" fragte der Erethianer erstaunt.
Vashtu nickte. „Ich habe noch keinen vierten Mann gefunden, der mir zusagen würde. Und aus genau diesem Grund ... werden wir wohl noch etwas warten müssen, bis wir wieder rausgehen."
  Danea nickte nachdenklich. „Das ist schade", gab er dann zu.
Vashtu blinzelte verständnislos. „Wie bitte?" Hatte er vergessen, was das letzte Mal passiert war, nachdem sie durch das Tor geflogen waren? Es hätte nicht viel gefehlt und sie wären irgendwelchen Devi ausgeliefert worden.
Es war abenteuerlich und spannend. Ich würde das gern wiederholen. Naja, nicht alles."
Sie nickte, sah sich einen Moment lang wieder das Flimmern an, drehte sich dann zu ihm um und musterte ihn. „Ich werde mit Dr. Stross sprechen, ob sie uns noch eine Chance gibt, auch wenn wir nur drei sind. Einverstanden?"
Danea nickte. „Und die Versammlung?"
Vashtu dachte einen Moment lang nach. „Die findet morgen statt, wenn ich mich nicht irre."
Darum geht es. Ich würde gern durch das Tor und ... nach der Versammlung, mit einigen Leuten Kontakt aufnehmen. Ich habe da eine Adresse, so nennt ihr das doch."
Vashtu stutzte wieder. Woher sollte ein Erethianer eine Gate-Adresse haben? Das Volk hatte doch, nach eigener Aussage, nie das Sternentor benutzt, es gar nicht benutzen können, da es zu diesem Zeitpunkt nicht mit Energie versorgt wurde.
Sie haben eine Adresse?" wiederholte sie.
Danea nickte. „Nabuck hat sie mir gegeben. Sie stammt von einem Volk, mit dem wir früher zusammengearbeitet haben. Normalerweise kamen sie mit Schiffen, aber dann ... Das werden Sie morgen erfahren."
Vashtu nickte mit scheelem Blick.
Irgendwie beschlich sie gerade das Gefühl, daß hier irgendetwas nicht so ganz stimmte. Aber gut, es sollte ihr recht sein. Wenn Danea Gefallen an Torreisen gefunden hatte, konnte ihr das nur nützen, wenn sie ihn weiter in ihrem Team behalten wollte.
Was tun Sie hier?" erkundigte er sich, betrachtete jetzt selbst das eigenartige Flimmern zwischen den gewaltigen Torsäulen.
Gute Frage ..." Vashtu stemmte die Hände in die Hüften und blickte wieder auf. „Ich will herausfinden, warum der Schild ausgerechnet hier flackert."
Der Erethianer nickte sinnend. „Wissen Sie vielleicht, wann Sergeant Dorn wieder aus der Krankenstation entlassen wird."
Ein Grinsen erschien auf Vashtus Gesicht. „Das wird wohl noch eine Weile dauern. Er lernt, mit einer Prothese für sein Bein zu laufen." Sie konnte sich denken, worum die Frage ging. Die Kinder der Erethianer schienen einen Narren an dem Marine gefressen zu haben. Wußte wer wollte, was er ihnen immer erzählte, aber offensichtlich gefielen die Geschichten ihnen.
Die Gute-Nacht-Geschichte fehlt wohl, was?" fragte sie im scherzhaften Tonfall.
Die Kinder weigern sich, ins Bett zu gehen, wenn der Sergeant ihnen nichts erzählt", erklärte Danea mit resignierter Stimme.
Vashtu nickte sinnend. Dann kam ihr ein Einfall. Sie drehte sich zu dem Erethianer um und sah ihn auffordernd an. „Wie steht's? Sie helfen mir und ich komme vorbei und erzähle eine Geschichte?"
  Danea sah sie groß an. „Das würden Sie tun?"
Vashtu winkte ab. „Klar, warum denn nicht?" Sie zuckte mit den Schultern. „Und wie sieht es aus? Haben Sie gerade Zeit?"
Danea nickte eifrig. „Natürlich. Das wird die Kinder freuen, wenn Sie vorbeikommen, Major."
Schön." Vashtu trat an den zweiten Bogen und betrachtete jetzt diesen. Dabei fiel ihr eine kleine Schaltung auf, die ihr bisher offensichtlich immer entgangen war. Sie drückte darauf und eine Klappe fuhr ein.
Vashtu stutzte, beugte sich dann vor und betrachtete das leuchtende Feld im Inneren genau. „Interessant ..." Sie legte ihre Hand auf die Fläche. Ein Summen erklang, dann erlosch das Feld.
  Und jetzt?
Vashtu hob den Blick wieder zum Tor, doch das Flimmern war geblieben.
Gut, daran lag es nicht ... mh."
Danea war direkt vor das blaue Flimmern getreten, streckte jetzt die Hand aus. Diese und auch sein Arm ... glitten durch das Licht hindurch.
Vashtu erstarrte, holte dann tief Atem und trat näher, als der Erethianer Arm und Hand wieder zurückzog und aufmerksam musterte.
Irgendetwas gespürt?" fragte sie.
Danea schüttelte den Kopf. „Wissen Sie jetzt, warum es flimmert?"
Ich habe einen Verdacht." Ein Lächeln schlich sich wieder auf ihre Lippen. „Gehen Sie doch bitte einmal ganz hindurch."
Der Erethianer warf ihr einen Blick zu, zuckte dann aber mit den Schultern und trat ... durch das Tor nach draußen.
Vashtus Augen leuchteten auf. Sie nickte befriedigt. „Können Sie auch wieder zurück?" fragte sie, trat selbst einen Schritt beiseite.
Danea tat wie ihm geheißen und befand sich wieder innerhalb des Kraftfeldes.
Ein Durchlaß!" Vashtu grinste breit. „Damit dürfte dann auch die Größe erklärt sein. Selbst ein Puddlejumper paßt durch dieses Tor. Wir müssen den Schild nicht abschalten, wenn jemand aus der Höhle hinaus will."
Ist das gut?" erkundigte Danea sich.
Kommt drauf an." Vashtu trat an den Rand der Straße und hob einen Stein auf. „Treten Sie bitte noch einmal durch das Tor nach draußen. Ich werfe Ihnen den Stein zu und Sie versuchen ihn zurückzuwerfen."
Danea tat, wie sie ihn geheißen hatte.
Vashtu wog nachdenklich den Stein, offenbar hatte er sich irgendwann aus der zerschundenen Höhlendecke gelöst, in der Hand, warf ihn dann locker durch das Flimmern. Der Erethianer auf der anderen Seite fing ihn geschickt auf und warf ihn zurück. Doch dieses Mal prallte er an dem Flimmern ab. Danea sah überrascht aus.
Vashtu grinste befriedigt. „Sehr schön. Der Durchlaß funktioniert mit bestimmten Dingen offenbar nur einseitig. Wäre interessant herauszufinden, was er nicht durchläßt."
Danea trat wieder durch das Tor und sah sie forschend an. „Sie sind zufrieden mit dem Ergebnis."
  Vashtu nickte, fummelte ihr Funkgerät aus dem Ohr und reichte es ihm. „Falls etwas schiefgeht, melden Sie es bitte sofort an Miss Walsh. Die soll kurz den Schild abschalten, so schnell wie möglich."
Aber ..."
Vashtu hörte schon nicht mehr zu, sondern sprang mit Schwung durch das Flimmern in die Höhle hinaus. Dann drehte sie sich um und hob die Hände. „Ganz einfach." Sie lachte, wurde dann aber wieder ernst und trat zurück.
Der Schild ließ sie durch.
Sie atmete hörbar aus, drehte sich wieder um und musterte wieder das Tor. „Wäre interessant herauszufinden, was nicht durch kann außer Steinen."
Ist das gut?" erkundigte Danea sich etwas naiv.
Die Antikerin nickte. „Das bedeutet, ich kann die Stadt auf diesem Wege verlassen, sollte etwas passieren und wir müssen hier verschwinden." Ihr fiel etwas ein. „Dr. Babbis würde übrigens gern mit jemandem von Ihrem Volk wegen dem Wetter sprechen."
Das ist kein Problem. So viel Regen hatten wir noch nie."
Kann ich mir denken." Vashtu nahm ihr Funkgerät wieder entgegen und befestigte es erneut an ihrem Ohr, um es zu aktivieren. „Doc?" fragte sie.
Major, hatte ich mich nicht klar und deutlich zur Benutzung Ihres Skateboards geäußert?" wetterte es prompt zurück.
Vashtu runzelte die Stirn. Sie war doch vorsichtig gewesen und hatte das Board in den bewohnten Teilen der Stadt unter dem Arm getragen statt zu fahren. Woher wußte Anne denn jetzt wieder, daß sie es mitgenommen hatte?
Jaja, ich weiß. Aber dieses Mal war ich sehr vorsichtig."
Es macht Lärm, Major! Man kann es durch die ganze Höhle hören, wenn Sie fahren."
Okay, daran hatte sie jetzt nicht gedacht.
Vashtu warf den Metallrollen, die sie unter das einfache Brett geschraubt hatte, einen Blick zu. Vielleicht fand sie irgendwo noch etwas, womit sie den Krach etwas abdämpfen konnte. Wäre doch gelacht, wenn sie sich nicht würde durchsetzen können mit ihrem neuen Fortbewegungsmittel.
Lassen wir das jetzt. Ich sollte mir doch das Tor ansehen", wechselte sie wenig geschickt das Thema. „Das habe ich getan. Es ist sehr interessant, Doc. Sieht aus, als wären wir etwas übervorsichtig gewesen. Der abschließende Test steht zwar noch aus, aber ich schätze, wir können den Schild von jetzt an wirklich im Dauerbetrieb laufen lassen, selbst wenn Babbis raus muß. Der Schild hier ist durchlässig."
Was?" Annes Stimme klang entgeistert. „Sie sollen nicht ablenken, Major! Diese Sache ist ernst genug. Und was erzählen Sie da für einen Unsinn?"
Vashtu tauschte einen Blick mit Danea und grinste breit. „Sie haben mich schon richtig verstanden. Der Schild ist durchlässig. Und das Tor ist groß genug, daß ein Puddlejumper durchfliegen kann", wiederholte sie.

***

Peter geriet langsam ins Schwitzen.
Was er da gerade berechnet hatte, sah wirklich alles andere als gut aus. Es war eine Katastrophe, wenn er genau sein wollte. Wenn auch nur ein Teil der Werte von vor zehntausend Jahren stimmten, und wenn er eine natürliche Drift abzog, selbst dann blieb diese Katastrophe noch gigantisch.
Er lehnte sich zurück und starrte auf die Anzeigen.
Er würde das ganze noch einmal berechnen, am besten so schnell wie möglich. Vielleicht hatte er auch irgendwo einen Fehler gemacht, zumindest hoffte er das. Denn wenn alles stimmte, hatten sie nicht nur den Planeten um einen guten Grad in seiner Bahn verschoben, sondern auch den Mond verloren, den sie eigentlich als Farm nutzen wollten. Und wohin der abgetrieben werden würde, von verschiedenen Anziehungskräften mitgerissen, das wollte er gar nicht wissen.
Peter stöhnte auf und verbarg sein Gesicht, nachdem er die Brille abgenommen hatte, hinter seinen Händen.
Das konnte doch nicht sein! Sie hatten tatsächlich einen sehr viel größeren Schaden angerichtet, als sie jemals hatten erreichen wollen.
Hätte er doch irgendwie einige PKs an die Seite schaffen können. Hätte er doch ...
Entschlossen setzte er die Brille wieder auf und konzentrierte sich auf den Bildschirm.
Er mußte sich einfach irgendwo verrechnet haben. Anders war das nicht zu erklären. Er mußte! Selbst ein Genie konnte sich ab und an einmal irren!

TBC ...

15.04.2012

Klimawandel IV


Als Vashtu ihr Büro betrat, war sie zumindest insofern beruhigt, daß sie den Gesuchten hier fand, also nicht noch die ganze Stadt abklappern mußte. Mit kleinen, verschlafenen Augen hinter seinen Brillengläsern blinzelte er sie an, eine Tasse in der Hand.
Ich dachte, ich wiederhole noch einmal", murmelte Peter wie zur Entschuldigung.
Vashtu nickte. „Das ist wirklich eine gute Idee gewesen von Ihnen", lobte sie ihn, schwang sich hinter ihren Schreibtisch und ließ den Laptop hochfahren. Aus den Augenwinkeln sah sie, daß er verschämt lächelte, während sie das gesuchte Programm startete.
Kommen Sie bitte zu mir." Sie winkte ihm und wartete, bis er an ihrer Seite stand, ehe sie den Rechner so herum drehte, daß auch er sehen konnte, was der Bildschirm zeigte. Peter klappte der Kiefer herunter.
Das ist ... das ist ... ?"
Die Prometheus", beendete Vashtu gelassen den Satz.
Das Erdenschiff war nur undeutlich gegen die Schwärze des Alls auszumachen. Vashtu hatte zwar versucht, die Darstellung zu verdeutlichen, aber nach zehntausend Jahren war der Satellit ihres Volkes alles andere als auf dem neuesten Stand. Irgendetwas schien sich auf seiner Kameralinse abgesetzt zu haben, das sie nicht entfernen konnte. Sie konnte nur hoffen, daß er zumindest solange Bilder lieferte, bis die Prometheus endlich verschwinden würde. Aber vorher hatte diese Kamera noch eine zweite Aufgabe, die mindestens ebenso wichtig war.
Wo kommt der her?" fragte Peter endlich, immer noch baff erstaunt.
Der war schon hier, als wir landeten. Er war nur inaktiv. Ich habe das, so gut es ging, geändert", antwortete die Antikerin.
Peter warf ihr einen etwas hilflosen Blick zu. „Sie haben von hieraus einen Satelliten wieder online geschaltet?"
Sie nickte, begann mit einer Reihe von Eingaben. „Ganz genau. Und ich möchte, daß Sie für mich etwas überprüfen. Es könnte sehr wichtig sein."
Konzentriert bestätigte sie den Befehl und konnte beobachten, wie die Prometheus aus der Kameralinse verschwand, als der Satellit sich drehte. Erst konnte sie nichts als einen der Monde ausmachen, dann tauchte die Helle der Sonne verwaschen auf dem Bildschirm auf. Sie wartete, bis sie ungefähr die Position gefunden hatte, in der der künstliche Himmelskörper sich befunden hatte, als sie ihn aufspürte, dann brach sie die Drehung ab und gab einen anderen Befehl ein. Das Bild verlosch, statt dessen ratterten Zahlenreihen über den Bildschirm. Vashtu speicherte sie ab, dann erhob sie sich und trat an den militärischen Hauptrechner, um dort einige Kristalle zu vertauschen.
Was ist los?" fragte Peter hinter ihr.
Sie startete eine Suchabfrage und betete, daß sie nicht mit tausenden von Daten von anderen Satelliten rechnen mußte, ehe sie sich umdrehte.
Sie hätten mir auch sagen können, was Sie gestern auf Ihrem Flug mit Dr. LeDunde gefunden haben, Peter", warf sie ihm vor. „Ich lasse mich nicht gern überraschen, erst recht nicht, wenn die Überraschung unangenehm für uns werden könnte."
Er blinzelte einen Moment lang verständnislos, dann trat deutliches Begreifen in seine Miene. „Der Ozean!"
Vashtu nickte. „Und nicht nur der", fuhr sie fort. „LeDunde hat mit Carpenter gesprochen, diesem Chef-Geologen. Die beiden zusammen sind zu Spitzbart und haben ihre Daten durchrechnen lassen. Laut den Berechnungen haben wir Erethia aus der Bahn geworfen und müssen mit einer Eiszeit rechnen."
Was?" Peters Augen wurden groß, sein Gesicht verlor alle Farbe. „Aber ..." Er schloß den Mund und runzelte die Stirn.
Sie wußten also nichts von diesen Berechnungen?" Vashtu neigte leicht den Kopf.
Peter schüttelte stumm den Kopf und sah plötzlich sehr leidend aus.
Die Antikerin kniff die Lippen aufeinander, drehte sich wieder zum Hauptrechner um, als dieser ihr mit einem Laut die Ergebnisse mitteilen wollte. Und sie hatte Glück. Es schienen tatsächlich nicht allzu viele Satelliten gegeben zu haben während der Zeit ihres Volkes, zumindest nicht über diesem Planeten selbst.
Kein Wunder, was hatten sie denn auch überwachen sollen? Vineta lag damals schon unter einer schützenden Gesteinsschicht. Es brachte also herzlich wenig, die Stadt zu überwachen. Auch wenn die Daten ihr bei einer ihrer Fragen sicherlich weitergeholfen hätten.
Vashtu suchte eine Darstellung des Planeten, die ungefähr der entsprach, die sie gerade mittels des Satelliten herbeigeführt hatte, dann wandelte sie die Daten um und leitete diese zu ihrem Rechner.
Was können wir tun?" ließ Peter sich endlich vernehmen. Offensichtlich hatte er bemerkt, daß sie mit ihren Bemühungen weitergekommen war.
Wir können gar nichts tun. Ich möchte, daß Sie die Daten überprüfen." Vashtu drehte sich wieder um und nickte zu ihrem Laptop. „Wir haben nämlich etwas, was weder LeDunde noch Carpenter vorweisen konnten: Vergleichsdaten. Vielleicht nicht ganz auf dem neuesten Stand, aber immerhin."
Peter drehte sich wieder zu dem Rechner um und betrachtete die Anzeigen. „Ich soll überprüfen, ob wir den Planeten aus seiner Bahn gebracht und uns einer Gefahr ausgesetzt haben damit? Mit Daten, die zehntausend Jahre alt sind als Vergleichswerten?"
Ganz genau. Denken Sie, Sie schaffen das?"
Peter begann, an seinem Ohrläppchen zu zupfen. Unwillkürlich stieg Vashtu die Frage in den Sinn, wann dieses ausleihern würde. Allerdings war diese Übersprunghandlung wesentlich ... leiser als sein vorheriges Herumgetrommle und Fingerschnippen.
Wenn ich noch die Aussagen der Erethianer über das Klima miteinbeziehe ... vielleicht", antwortete er nach einer Weile.
Vashtu grinste. „Dann machen Sie sich daran. Ich brauche die Ergebnisse."
In diesem Moment meldete sich ihr Funkgerät. Sie aktivierte es und wandte sich unwillkürlich von ihm ab. „Ja?"
Die Meldung der Eingesperrten, Major. Major Barnes bat darum, eine Konferenz zu schalten", sagte Andrea Walshs Stimme in ihrem Ohr.
Vashtu runzelte die Stirn, nickte dann aber, nachdem sie Peter noch einen Blick zugeworfen hatte. Mit langen Schritten ging sie hinüber zu dem Tisch, an dem sie gestern ihr Pilotenbriefing durchgeführt hatte und ließ sich dort nieder. „Gut, schalten Sie durch."
Beinahe sofort hatte sie das statische Rauschen der nicht ganz sauberen Leitung von der Prometheus im Ohr. Unwillkürlich verzog sie das Gesicht. Aus der Stadt war sie wirklich anderes gewohnt.
Major?" fragte sie zögernd.
Major Uruhk?" kam prompt die Antwort zurück.
Gut, daß Sie zugeschaltet sind", meldete sich auch Annes Stimme zu Wort.
Vashtu atmete tief ein.
Wenn es ihr möglich war, versuchte sie, den täglichen Berichten der Eingeschlossenen aus dem Weg zu gehen. Selten genug gelang es ihr. Sie fühlte sich schuldig an deren Lage, da sie nicht wirklich wußte, was sie Pendergast unter dem Einfluß der Wahrheitsdroge mitgeteilt hatte. Und die Erinnerungen an ihren letzten Aufenthalt auf dem Schiff verschwammen immer mehr, was die Sache für Sie nicht leichter machte.
Ich ... kann mithören. Major, was gibt es?" fragte sie, nachdem sie einige Male tief eingeatmet hatte.
Wir haben das Leck, das wollte ich Ihnen mitteilen", antwortete die tiefe Stimme des Marines. „Sie waren es nicht, die das Netzwerk hat auffliegen lassen, Major. Pendergast hat wohl wirklich Verdacht geschöpft und uns eine Laus in den Pelz gesetzt. Lieutenant Conrad, falls Sie sich an ihn erinnern."
Vashtu hätte vor Freude einen Luftsprung machen können. Gleichzeitig aber fühlte sie sich absolut niedergedrückt. „Conrad?"
Er war bei den beiden letzten Einsätzen dabeigewesen, erinnerte sie sich. Er war mit im PK-Lager gewesen, als sie die letzten überlebenden Devi töteten und sie ...
Vashtu biß sich auf die Lippen, als sie sich an noch etwas erinnerte im Zusammenhang mit dem jungen Marine.
Dann weiß Pendergast von der Therapie", sagte sie einfach nur.
Vashtu?" Annes Stimme klang plötzlich besorgt.
Sind Sie sicher, daß er es inzwischen nicht ohnehin weiß?" erkundigte Barnes sich. „Er hat Ihnen mindestens zehn Tage lang Drogen geben lassen, Major. Das sollten Sie nicht vergessen."
Vashtu atmete tief ein und drehte sich auf dem Stuhl herum. Stumm fixierte sie Peter, bis der von seinen Daten aufsah und ihr einen fragenden Blick sandte.
Nicht von meiner", sagte sie dann mit fester Stimme. „Er weiß von der ATA-Therapie, der Dr. Babbis sich unterzogen hat. Er war in der Nähe, als ich mich einmal mit ihm darüber unterhielt."
Das Gesicht des jungen Wissenschaftlers wurde fahl vor Entsetzen.

***

Warum haben Sie nicht mit mir darüber gesprochen? Major Uruhk! Dr. Babbis! Ich kann das einfach nicht glauben!" Anne sah von einem zur anderen, die Hände in die Hüften gestemmt. „Was denken Sie sich dabei, gerade eine solche Information zurückzuhalten?"
Gerade war sie hereingekommen und hatte sie so vorgefunden, wie sie auch jetzt noch verharrten: Babbis am Schreibtisch und die Antikerin auf einem Stuhl. Vor wenigen Minuten erst war der Funkkontakt mit der Prometheus wieder beendet worden. Es war ein sehr bedrücktes Gespräch gewesen nach der Offenbarung der Antikerin.
Vashtu lehnte sich zurück, die Arme vor der Brust gekreuzt. Nachdenklich nickte sie. „Ich hätte es ... Ich wollte sowieso mit Ihnen darüber sprechen, Anne", sagte sie dann.
Wollten Sie, ja? Und warum haben Sie das nicht?" Anne glaubte, noch nie so enttäuscht von irgendjemandem gewesen zu sein wie von diesen beiden. Gerade diese Zwei, in die sie so große Hoffnungen gesetzt hatte, zu denen sie in der letzten Zeit einen immer besseren Draht bekommen hatte. Das schmerzte sie unglaublich, mußte sie zugeben.
Vashtu sah auf, suchte wieder ihren Blick. „Ich denke, es war Ihre erste Reaktion auf meine Therapie", antwortete sie mit ruhiger Stimme, richtete sich auf. „Peter hatte Angst, daß Sie ihn ablehnen könnten, wenn Sie es erfahren."
Meine Reaktion?" Anne starrte die Antikerin groß an.
Ich denke ..."
Lassen Sie mich das regeln, Peter!" Vashtus Stimme klang scharf. Nur kurz unterbrach sie den Augenkontakt, um ihn anzufunkeln.
Peter Babbis saß noch immer hinter dem großen Schreibtisch, einen aufgeklappten Laptop vor sich. Und gerade jetzt wirkte er wie die Maus, die einer Schlange gegenübersteht. Er schluckte sichtlich. „Aber ..."
Ich habe gestern mit Lieutenant Markham darüber gesprochen. Ich würde gern versuchen, die Gentherapie, die Dr. Beckett in unserer Dimension entwickelt hat, mit der Hilfe von Dr. Babbis neu herzustellen und eventuell die Fehler zu vermeiden, die in unserem Atlantis geschehen sind." Vashtu ignorierte den Einwurf ihres Teammitgliedes vollkommen.
Jetzt reicht es mir!" Babbis richtete sich unversehens auf und funkelte die Antikerin an. „Ja, ich wollte nicht, daß alle mich für einen Freak halten, damit haben Sie verdammt recht, Vashtu! Und genau darum wollte ich diese Sache geheimhalten. Ich habe nicht vergessen, was damals beinahe geschehen wäre, als ich mir die Spritze habe geben lassen. Aber das ist jetzt meine Sache, meine!" Er holte tief Luft und wandte sich Anne zu.
Die sah etwas verwirrt von einem zum anderen.
Sie war unter anderen Voraussetzungen hergekommen. Sie hatte geglaubt, die beiden würden etwas hinter ihrem Rücken aushecken und hätten sich deshalb ausgeschwiegen. Aber sie erinnerte sich auch noch an das erste Treffen, daran, wie Markham reagiert hatte, als die Sprache auf die veränderten Gene der Antikerin gekommen war. Und sie erinnerte sich an den beinahe panischen Ausruf von Babbis.
Dr. Stross, ich denke ..."
Einen Moment, Dr. Babbis." Anne hob die Hand, sah die Antikerin offen an. „Denken Sie wirklich, Sie könnten diese Therapie neu herstellen?"
Vashtu zögerte einen Moment, nickte dann aber. „Mit der richtigen Hilfe, ja. Aber ich brauche ein Labor, Zeit und müßte mich mit einem Mediziner absprechen, den wir zur Zeit noch nicht hier haben."
Sie könnten sich vorstellen, daß es funktioniert?"
Wieder ein deutliches und entschlossenes Nicken. „Ich müßte einige Fehler vermeiden, die Dr. Beckett unterlaufen sind, um selbst nicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Aber das müßte relativ leicht zu beheben sein mit den Geräten meines Volkes. Ich bin Genetikerin, Dr. Stross. Meine ganze Familie hat auf diesem Gebiet gearbeitet. Die Doppelhelix habe ich fast eher gelernt als das Sprechen."
Anne zögerte noch immer.
Mehr ATA-Träger. Mehr Menschen, die mit den Gerätschaften eines verschwundenen Volkes umgehen konnten. Keine Sorgen mehr über das Wohlergehen gerade der drei, die ihr jetzt zur Verfügung standen. Es war verlockend, sehr verlockend sogar.
Andererseits gehörte sie einer Welt an, in der das Arbeiten am Genom verboten war. Die Regierungen aller Länder ihrer Erde hatten sich zu einem Pakt zusammengeschlossen, um etwas, wie es Major Uruhk darstellte, zu verhindern. Sicher, die Vereinigten Staaten hatten garantiert irgendein geheimes Labor, in dem an ähnlichen Dingen geforscht wurde. Aber ...
Blieb nicht die Humanität auf der Strecke, wenn sie hier zulassen würde, wogegen sie im allgemeinen selbst war? Es war ihre Überzeugung, daß es nicht richtig war, in den Gang der Dinge, gerade in einen so entscheidenden wie den Genstrang, einzugreifen und eine neue Menschenrasse heranzuzüchten. Würde sie aber nicht genau das zulassen, wenn sie jetzt ihre Einwilligung gab.
Ihr Blick glitt von Vashtu ab zu Babbis hin.
Er sah nicht verändert aus. Und nach allem, was die Antikerin und auch Sergeant Dorn ihr gesagt hatten, war er schon immer so wie jetzt gewesen. Er war nicht mutiert oder zu etwas geworden, was ihr gefährlich werden konnte. Im Gegenteil schien er sogar fast so gut mit den Gerätschaften umgehen zu können wie die Antiker selbst. Sicher würde das ein Paradebeispiel sein, sie wußte es nicht, aber es würde ihnen allen das Überleben erheblich erleichtern.
Anne wandte sich wieder der Antikerin zu und sah sie wieder an. Forschend, durchdringend, als könnte sie anhand ihrer Augen sehen, was diese vielleicht verborgen hielt. Doch da gab es kein Geheimnis mehr, nicht in dieser Sache. Und was auch immer sonst noch hinter den dunklen Augen lauern mochte, im Moment betraf es sie noch nicht.
Anne nickte. „Also gut, Sie erhalten Ihr Labor, Major. Sie können an dieser Gentherapie arbeiten. Wenn Sie mir zusagen, daß es nicht gefährlich für die Beteiligten und Bewohner dieser Stadt sein wird."
Das wird es nicht. Mein Wort darauf." Vashtus Gesicht war ernst bei diesen Worten, sehr ernst. Und in ihren Augen konnte Anne lesen, daß sie die Wahrheit sagte.
Gut, dann ..." Sie wandte sich jetzt endlich Babbis zu und sah ihn an. „Ich kann verstehen, Dr. Babbis, daß Sie dachten, wir würden Sie vielleicht für einen Freak halten, wie Sie sich selbst gerade ausdrückten. Aber eine solche Möglichkeit unter den Tisch kehren zu wollen war ein schwerer Fehler, den ich nur zum Teil nachvollziehen kann. Und ich kann nur hoffen, daß Sie nicht noch etwas zurückhalten, das eine solche Tragweite besitzt."
Babbis schluckte sichtlich. „Ich hätte mich ja geäußert", wandte er ein. „Aber ..."
Ich verstehe." Und das tat sie wirklich. Sie konnte beide verstehen, daß sie so lange geschwiegen hatten. Zwar war Vashtu eher mit der Wahrheit herausgerückt, aber auch nur, weil sie unter Druck stand und sich keinen Rat mehr wußte.
Wie mußten sie damals auf SG-27 gewirkt haben? Warum hatten beide so lange geschwiegen?
Anne senkte den Kopf und seufzte.
Wenn Sie nichts dagegen haben ... Das Tor", sagte Vashtu leise zu ihr.
Anne nickte stumm und trat von der Tür weg, um die Antikerin vorbei zu lassen.
Auf was hatte sie sich eingelassen, als sie sich für diese kleine Gruppe aussprach, sie sogar in ihren Stab aufnehmen wollte? Wenn es jetzt am Anfang dieses Unternehmens schon solche gravierenden Geheimnisse gab, wollte sie gar nicht wissen, was sie noch tun mußte, um das Vertrauen der Drei endgültig zu erlangen. Sie konnte nur hoffen, Babbis und Uruhk in den Griff zu bekommen, ehe noch eine Katastrophe eintreten konnte.
Ich ... es tut mir leid", meldete Babbis sich wieder.
Anne nickte. „Tun Sie das nur nie wieder, Dr. Babbis. Nie wieder!" Sie wandte sich ab und wollte das Büro wieder verlassen, dann aber fiel ihr noch etwas ein und sie drehte den Kopf und sah den jungen Wissenschaftler streng an. „Ich hoffe, Sie wissen, daß Sie nun ebenfalls interessant für Pendergast sind, Dr. Babbis. Ihr Schweigen hat Sie in Gefahr gebracht, und das sollte Ihnen durchaus bewußt werden. Vielleicht hätten wir irgendwie verhindern können, daß der Colonel es erfährt, wären Sie nicht ganz so bedacht darauf gewesen, diese wichtige Sache zu verschweigen. Ich kann nachvollziehen, warum Sie geschwiegen haben, aber ich kann es nicht wirklich verstehen. Reicht Ihnen das Beispiel von Major Uruhk noch nicht? Spätestens als sie in der Zelle saß, hätten Sie zu mir kommen müssen, selbst wenn da das Geheimnis schon heraus war. Jetzt bleibt uns nur zu hoffen, daß Pendergast es wirklich eher darauf abgesehen hat, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden."
  Der Blick, der sie traf, hätte wirklich von einem Kaninchen stammen können. Und irgendwie beruhigte er sie wieder ein wenig.
Babbis hatte verstanden und würde sich in der Zukunft hoffentlich mehr zusammenreißen.






TBC ...


08.04.2012

Klimawandel III


Das war nicht fair von Ihnen!" beschwerte Peter sich nach der Besprechung, als Markham mit seinen Unterlagen gegangen war. „Sie wissen verdammt genau, daß diese Leute Gentherapierte nicht mögen! Sie habe es doch gerade selbst erlebt, als Sie wegen dieser verdammten Drogen zu einem Wraith geworden sind!"
Vashtu schob ihre Flugunterlagen für die nächste Woche zusammen, ließ seine Worte an sich abprallen und erhob sich.
Ich habe das bis jetzt aus gutem Grund keinem gesagt, verdammt! Und dann kommen Sie und teilen das auch noch einer der wahrscheinlich größten Klatschbasen in dieser Stadt mit. Haben Sie denn vollkommen den Verstand verloren?"
Noch immer ruhig legte sie den Stapel auf ihrem Schreibtisch ab, trat dann an den militärischen Hauptrechner und verschob einige Kristalle. Auf dem Bildschirm las sie aufmerksam mit, dann drehte sie sich um und sah den jungen Wissenschaftler auffordernd an.
Was?" Peter saß noch immer, stur vor sich hinbrütend und mit vor der Brust verschränkten Armen, an seinem Platz und blitzte sie wütend an.
Würden Sie vielleicht kurz zu mir kommen, Dr. Babbis?" fragte sie mit ruhiger und freundlicher Stimme.
Peter stutzte. Wann hatte sie ihn das letzte Mal mit seinem Familiennamen angeredet? Das mußte doch schon ... definitiv war das nicht mehr vorgekommen, seit ... der Sache mit Kolya garantiert. Er meinte sogar, schon wesentlich eher.
Kommen Sie bitte her!" In ihren Augen loderte es kurz auf.
Peter schob seinen Stuhl zurück, zögerte noch einen Atemzug, dann aber erhob er sich und trat an ihre Seite. Die Antikerin wies auf den Bildschirm. „Lesen Sie mir bitte vor, was dort geschrieben steht", forderte sie ihn auf.
Peter starrte sie entgeistert an, sah dann kurz auf die fremdartigen Schriftzeichen. Nur einen Bruchteil konnte er lesen, und das lag eindeutig nicht an seinen schlechten Augen oder einer zu kleinen Schrift.
Vashtu nickte. „Ich hatte eigentlich mit Dr. Jackson ausgemacht, daß er Ihnen zumindest die Grundbegriffe in Antikisch beibringt", sagte sie. „Und er meinte, er habe das auch getan."
Peter zuckte mit den Schultern. „Wer konnte denn auch ahnen, wo wir irgendwann einmal landen", verteidigte er sich lahm.
Darum geht es nicht!" Vashtu funkelte ihn wieder an. „Sie wollen irgendwann zu den Spitzenwissenschaftlern der Erde gehören, wenn ich mich nicht irre. Alles, was Sie bisher hier getan haben, deutet daraufhin, ebenso wie vieles, was Sie in SG-27 getan haben. Aber, Peter, und das sollten Sie sich sehr gut merken, jeder Spitzenwissenschaftler, den das Stargate-Programm bisher hervorgebracht hat, war zumindest in der Lage, rudimentär die Schrift meines Volkes zu lesen. Wenn sie es nicht von vorn herein lernten, mußten sie hart dafür kämpfen, wie beispielsweise Dr. Jackson. Er hatte einen guten Teil der Worte und Begriffe bereits übersetzt, ehe ich zu ihm stieß und ihm half. Denn genau das habe ich in den letzten Monaten in Cheyenne-Mountain getan, wenn ich nicht unterwegs war. Jackson und ich arbeiteten an einem Wörterbuch." Mit einem Ruck wandte sie sich ab und marschierte zu dem Schreibtisch hinüber.
Peter schluckte hart, betrachtete weiter die Anzeige auf dem Bildschirm.
Für ihn sahen diese merkwürdigen Zeichen aus, als seien Ameisen über ein Blatt Papier gelaufen. Aber manch einer würde das vielleicht auch von der lateinischen Schrift behaupten, ging ihm auf.
  „Er hat mir aber sehr wenig beigebracht", verteidigte er sich lahm. „Ich war doch nur ein billiger Aktivator!"
Sie haben kein Interesse gezeigt", entgegnete Vashtu, wandte ihm noch immer ihren Rücken zu.
Peter musterte wieder den Bildschirm. Auf seinen geistigen Befehl änderte sich die Anzeige, was ihn einen Moment lang erstaunt zurückweichen ließ.
Und genau das ist es, was Sie an Potenzial verschenken", bemerkte Vashtu gelassen.
Als Peter wieder den Kopf drehte sah er, daß sie sich nun doch umgedreht hatte und zu dem Bildschirm nickte. „Das kann heute kaum noch jemand, wissen Sie das? Darum werde ich immer so merkwürdig angesehen", fuhr Vashtu mit ruhiger Stimme fort. „Ich weiß nicht genau, woran es liegt, aber bei Ihnen scheint sich die Natur, ähnlich wie bei John Sheppard, einen kosmischen Scherz erlaubt zu haben. Nur bin ich mir bei ihm nicht sicher, ob es da nicht doch eine Verbindung zu meinem Volk gibt. Bei Ihnen dagegen ..." Sie trat näher, funkelte ihn wieder an. „Verdammt, Peter, Sie haben hier schon so viel geschafft! Sie sind anstrengend, Sie halten verdammt viel von sich selbst und überschätzen sich leicht, viel zu leicht! Aber Sie haben dieses Potenzial!"
Kosmischer Scherz?" echote er verständnislos.
Vashtu nickte. „Ich habe Sie sehr genau im Umgang mit Gerätschaften meines Volkes beobachtet, Peter. Alles, was für Sie davon abhängt, sie ebenso selbstverständlich zu gebrauchen wie ich ist schlicht Ihre Unfähigkeit zu verstehen, weil Sie meine Sprache nicht sprechen und sich weigern, irgendjemanden um Hilfe zu bitten." Sie reckte ihren Hals, um seinem Gesicht näherzukommen. „Statt dessen regen Sie sich über Dinge auf, die zweitrangig sind und uns vielleicht helfen können. Haben Sie schon einmal soweit gedacht? Ich hätte meine Therapie auch lieber für mich behalten, aber die Fremdzellen sind so tief in mir verankert, daß ich manchmal vollkommen vergesse, wann ich sie einsetze und wann nicht. Für andere kann das sehr befremdlich wirken. Ich erinnere Sie nur an unseren ersten Einsatz - und Sie waren über mich informiert!"
Aber Sie wissen doch auch, wie diese ... wie die Stadt ... wie Stross ... Verdammt, wir haben uns alle Sorgen um Sie gemacht, als Sie da in der Zelle gehockt haben! Ihre Anweisungen ... die waren so ... so ..."
Endgültig?" Ihre dunklen Augen loderten wieder auf. Sehr resolut nickte sie. „Ja, das waren sie. Und sie sollten es auch sein. Ich war ein Wraith, Peter, ich war sogar noch mehr als das: ich war eine Wraith-Königin!"
Peter zuckte zurück.
Warum sagte sie ihm das? Warum noch darauf herumreiten? Die Sache war doch hoffentlich ausgestanden, oder? War da vielleicht immer noch ... ?
Ich werde Ihnen sagen, was ich tun werde, Peter." Vashtu wandte sich ab und konzentrierte sich wieder auf den Bildschirm. Die Datei wechselte, ohne daß sie einen der Kristalle hatte berühren müssen. Was statt dessen dort plötzlich aufleuchtete ... hatte verdammte Ähnlichkeit mit ... Lehrbüchern?
Er staunte.
Ich werde Ihnen die Sprache meines Volkes beibringen. Und ich bin sicher keine so geduldige Lehrerin wie Daniel Jackson", fuhr sie endlich fort. „Und dafür werden Sie mir Ihr Blut zur Verfügung stellen und mir bei Stross helfen. Wir brauchen mehr ATA-Träger hier, und das wissen Sie verdammt genau!"
Peter mußte ihr leider zustimmen, so ungern er das auch tat.
Und Ihre erste Unterrichtsstunde beginnt jetzt." Ungeduldig tippte sie auf den Bildschirm und begann, laut vorzulesen, während sie mit dem Finger die einzelnen Begriffe entlangfuhr.

***

Es war früh am nächsten Morgen, und Anne drehte sich um und atmete erleichtert auf, als sich die Tür zu ihrem Büro öffnete.
Die Antikerin war ihrem Ruf umgehend gefolgt, sah sie jetzt stirnrunzelnd an. „Was gibt es?" fragte sie, reckte dann den Hals und nickte den beiden anderen Anwesenden zu.
Major Uruhk, das sind Dr LeDunde und Dr. Carpenter. Ich weiß nicht, ob Sie sich schon kennen", stellte Stross ihre beiden Gäste vor.
Meines Wissens nicht." Major Uruhk, Vashtu, rief Anne sich ins Gedächtnis, trat lächelnd näher und reichte erst der dunkelhaarigen Frau, dann dem hochgewachsenen Geologen die Hand. Anne nutzte diese kurze Zeit, um sich hinter ihrem Schreibtisch zu verschanzen.
Vashtu warf ihr einen irritierten Blick zu. „Um was geht es jetzt?" erkundigte sie sich.
Anne bedeutete ihren drei Gästen, sich einen Sitzplatz zu suchen. Ihre, hoffentlich baldige militärische Leiterin hockte sich kurzerhand auf den Rand ihres Schreibtisches, überließ die beiden Stühle den Wissenschaftlern.
Carpenter sah die Antikerin fasziniert an, sagte aber nichts, sondern zog einige Ausdrucke unter seine Jacke hervor, die er ihr reichte. „Ich ... äh ... denke, das wird die Lage besser erklären", sagte er dabei.
Vashtu nahm die Unterlagen und blätterte etwas darin. Ihre Stirn umwölkte sich dabei und sie begann, nachdenklich an ihrer Unterlippe zu knabbern. „Das Gestein ist marode, okay", sagte sie schließlich, hob den Blick zur gläsernen Decke und schien einen Moment lang wirklich bis zu den zerbröselnden Felsen dieser Höhle zu blicken. „Der Schutzschild läuft im Dauerbetrieb. Das dürfte im Moment also ein eher kleines Problem sein", fügte sie im leicht fragenden Tonfall hinzu.
Das ist nicht das ganze Problem, Major", wandte Anne ein, nickte dann LeDunde zu.
Die dunkelhaarige Frau lächelte und musterte die Antikerin nun ihrerseits aufmerksam. „Ich weiß nicht, ob Sie sich mit Meterologie auskennen, Major."
Vashtu drehte sich halb zu Anne um, die Stirn weiter gerunzelt, wandte sich dann der jungen Französin zu und zuckte mit den Schultern. „Ich kann einen Wetterbericht im Fernsehen ansehen und weiß, wovon die Rede ist. Reicht das?"
Anne hüstelte hinter vorgehaltener Hand. Das war sicher nicht die Antwort gewesen, auf die LeDunde gehofft hatte. Zumindest starrte sie den Major einen Moment lang verblüfft an. Dann atmete sie tief ein und richtete sich auf ihrem Stuhl auf.
Das wird dann wohl reichen müssen, Major", sagte sie mit etwas unterkühlter Stimme.
Vashtu nickte, legte die Unterlagen von Carpenter auf den Tisch neben sich und kreuzte die Arme vor der Brust. „Und was sagt der Wetterbericht außer Dauerregen?"
Daß wir ein Problem bekommen werden - zumindest ist das sehr wahrscheinlich", wandte Dr. Carpenter ein. „Bei Ihrem Kontrollflug gestern entdeckte Jaqueline ... Dr. LeDunde ... einen Ozean, der bisher unbekannt gewesen ist."
Wir haben einen Ozean auf Erethia?" Vashtu riß die Augen auf.
Ja, Major", mischte Anne sich nun ein. „Und offensichtlich ... Dr. Carpenter?"
Der nickte mit einem leichten Stirnrunzeln, strich sich über seinen weit zurückliegenden Haaransatz. „Offenbar gab es diesen Ozean schon immer, Major. Allerdings lag er bisher unter einer oberen, zugegebenermaßen porösen Gesteinsschicht."
Die Antikerin nickte, wechselte wieder einen fragenden Blick mit Anne. „Und das bedeutet?" erkundigte sie sich schließlich.
Daß entweder während oder kurz nach dem verheerenden Brand die Höhle eingestürzt ist, die den Ozean bis jetzt verbarg, Major", fuhr Carpenter fort.
Wieder flogen die Brauen der Antikerin gen Haaransatz und sich blinzelte unter ihren Ponyfransen zur gläsernen Decke hinauf. Diesmal allerdings verzog sich ihr Gesicht leicht zu einer Grimasse. „Okay, die Decke hier ist auch nicht mehr sonderlich stabil. Das ist mir schon beim ersten Besuch aufgefallen", bemerkte sie und erntete einen überraschten Blick des Geologen.
Anne nickte, beugte sich vor.
Sie wußte nicht ganz, was für eine Rolle die Antikerin jetzt gerade spielte, doch sie schien keineswegs so absolut ahnungslos, wie sie tat. Das zu beobachten, könnte noch interessant werden. Ob sie den Zusammenhang selbst herstellen konnte? Anne wußte es nicht, doch in ihr klang eine leise Stimme, die dieses nur allzu kräftig bejahen wollte.
Dr. LeDunde hob nun das Kinn und lächelte leicht. „Wir beobachten seit unserer Ankunft hier das Wetter und das Klima, Major", begann sie nun zu erklären. „Und wir können sicher sein, daß sich beides ganz offensichtlich verändert hat."
Vashtu nickte bedächtig und wartete schweigend, die Hände jetzt locker in ihrem Schoß gefaltet. Ein Bild der Entspannung. Doch irgendetwas an ihrer Haltung wirkte dabei falsch.
Die Temperatur sinkt immer weiter ab. Daß wir unter einem Dauerregen zu leiden haben, ist leider aus der Katastrophe zu erklären, die die Devi auf diesem Planeten ausgelöscht hat."
Auf die Schnelle fiel uns leider nichts anderes ein. Tut mir leid." Wieder ein Schulterzucken, doch der Blick, mit dem die Antikerin die Meterologin bedachte, war eindeutig lauernd.
Das sagt ja auch niemand. Wir haben durchaus Verständnis für Ihre damalige Entscheidung", wandte LeDunde sofort ein. „Aber, so wie es aussieht, haben wir ein Problem. Und dieses Problem wird nicht kleiner, sondern wächst immer mehr an."
Vashtu drehte sich wieder zu Anne um und sah sie fragend an. Die Leiterin hob in einer hilflosen Geste die Hände.
Und was für ein Problem haben wir?" fragte die Antikerin schließlich, als man ihr sonst keine echte Antwort geben konnte.
Anne fiel auf, daß in ihren großen, sprechenden Augen deutlich Sorge zu lesen stand. Vashtu begriff durchaus den Ernst der Lage, sogar die Konsequenzen. Aber sie schien noch nicht so ganz verstanden zu haben, worum es wirklich ging und was der eigentliche Auslöser für dieses Problem war.
Wir haben unsere Daten an Dr. Spitzbart weitergegeben", erklärte nun wieder Carpenter. „Er hat das ganze von seinem Team durchrechnen lassen."
Vashtu nickte aufmerksam, schien sich zu wappnen vor dem Urteil, das auf sie niederkommen würde.
Es sieht alles danach aus, als hätte die Großzündung dieser ... PKs den Planeten aus seiner Umlaufbahn gerissen", beendete Carpenter seinen Bericht.
In der nächsten Sekunde stand die Antikerin stocksteif neben dem Schreibtisch, die Augen weit aufgerissen und das Gesicht kalkweiß. „Was?" Sie fuhr zu Anne herum und starrte diese groß an.
Die nickte bedauernd. „Es ist so, Major. Sie hatten keine andere Wahl, soviel ist klar. Aber es bleibt wie es ist. Als das Lager mit den Planetenkillern explodierte, hat die bloße Wucht Erethia aus seiner eigentlichen Bahn gerissen."
Was wir zu erwarten haben, ist ein atomarer Winter", berichtete jetzt LeDunde mit einem zufriedenen Lächeln. „Vielleicht sogar eine Eiszeit. Wir werden mit Stürmen zu kämpfen haben, und ganz sicher wird es Jahrzehnte dauern, bis das Klima sich wieder halbwegs eingependelt hat."
Vashtu atmete tief ein. Anne glaubte mitansehen zu können, wie es in ihrem Hirn zu arbeiten begann, um eine annehmbare Lösung zu finden.
Eine Eiszeit! Soetwas hatte es wohl noch auf keiner Welt gegeben. Und sie saßen auch noch hier in einer Antikerstadt, unter der Oberfläche, über den Köpfen eine morsche Decke, die ihnen ohnehin irgendwann auf den Kopf fallen würde, glaubte man den Prognosen der Geologen.
Das war die Art Information, die Vashtu wohl noch wesentlich öfter erwarten würde, sobald sie endlich nicht nur interimsweise ihren Posten annahm und an ihrer Seite zur Leiterin der Stadt werden würde. Anne fragte sich, ob sie die Antikerin nach dieser Hiobsbotschaft überhaupt noch dazu würde überreden können. Andererseits war ihr aber auch keine andere Wahl geblieben. Immerhin war Vashtu im Moment Dorns Stellvertreterin und dafür zuständig, sich um solche Angelegenheiten zu kümmern.
Die Frage ist jetzt, was sollen wir tun, Major?" wandte sie ein, beobachtete die Antikerin weiter.
Die stand jetzt, mit geballten Fäusten, da, die Stirn in tiefe Falten gelegt. Nachdenklich knabberte sie wieder an ihrer Unterlippe und starrte blicklos durch die Fenster in den Gateroom hinaus.
Dann hob sie plötzlich den Kopf. „Haben wir irgendwelche Vergleichsdaten?" erkundigte sie sich. „Wissen wir, ob Erethia wirklich aus der Bahn ist?"
Dafür sind wir noch nicht lange genug hier", entgegnete Anne.
Genau die Frage, die auch sie als erstes gestellt hätte.
Vashtu nickte nachdenklich, kreuzte jetzt die Arme vor der Brust und fixierte die Meterologin. „Wie lange, sagten Sie, führen Sie die Messungen jetzt durch?"
Seit unserer Ankunft. Knapp vier Monate." LeDunde zuckte mit den Schultern.
Die Antikerin sah Anne wieder an, eine leise Forderung in den Augen. Die Leiterin nickte. „Danke, Dr. LeDunde, Dr. Carpenter, für Ihr Kommen." Sie neigte leicht den Kopf.
Die beiden Wissenschaftler erhoben sich zögernd, offensichtlich hatten sie mehr erwartet, vielleicht sogar, an der folgenden Konferenz teilnehmen zu dürfen, dann aber gingen sie.
Vashtu atmete einige Male tief ein, nachdem die Tür sich geschlossen hatte. „Ich werde das noch einmal von Peter kontrollieren lassen", sagte sie, lehnte sich gegen eine Scheibe und sah Anne auffordernd an.
Die lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und nickte. „Die Frage ist, was sollen wir jetzt tun?"
Vashtu nagte wieder an ihrer Unterlippe. „Erst einmal ... gar nichts. Wir können im Moment keine Panik riskieren. Außerdem sind die Werte zu kurzfristig gesetzt. Wir haben keine Vergleiche." Sie suchte Annes Augen und sah hinein. „Einen atomaren Winter hätte ich auch vorhersagen können nach diesem Brand. Dazu reicht schon wesentlich weniger Wucht als die eines Lagers voller Planetenkiller."
Anne nickte, erwiderte den Blick. „Wir sollen also gar nichts tun? Sind Sie sich da wirklich sicher?"
  Vashtu zögerte, wandte kurz den Kopf und blickte in den Kontrollraum hinein, dann nickte sie wieder. „Solange die Prometheus noch über unseren Köpfen hängt, können wir uns keine Panik leisten, Anne. Wenn wir Pendergast los sind, was hoffentlich nicht mehr allzu lange dauern wird, ist es immer noch früh genug, um die Leute zu informieren. Vielleicht fallen uns auch noch Lösungen ein, wer weiß?"
Sie trauen sich nicht zu, die Bahn zu kontrollieren?"
Die Antikerin schüttelte sofort den Kopf. „Auch ich habe meine Schwächen. Und eine davon ist Astrophysik." Ein zerknirschtes Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Bis jetzt habe ich mich, was solche Dinge anging, immer auf Peter verlassen können. Ich denke, ich kann es auch jetzt."
Anne nickte nachdenklich, ließ jetzt selbst den Blick schweifen. „Es gefällt mir nicht, die Leute im unklaren zu lassen, Major. Es gefällt mir ganz und gar nicht."
Wir können aber auch keine Panik riskieren, nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Abwarten ist im Moment wirklich die beste Lösung, glauben Sie mir!" Vashtu schüttelte den Kopf. „Wir legen die Hände ja nicht in den Schoß. Wir überprüfen die Daten, sofern wir sie überprüfen können."
Anne seufzte. „Sie vertrauen Dr. Babbis wohl blind, wie?"
Nicht in allem, aber in seinen Fachgebieten ja."
Anne zögerte, dann nickte sie. „Dann lassen Sie ihn die Sache überprüfen, Major. Und lassen Sie uns hoffen, daß die beiden sich geirrt haben."
Den nächsten Blick hätte sie liebendgern ignoriert oder gar nicht wahrgenommen. Doch er war zu eindringlich. Und ihr wurde klar, daß Vashtu nicht an dem Ergebnis zweifelte - an dem bestehenden Ergebnis, das sie noch einmal überprüfen lassen wollte!

TBC ...

01.04.2012

Klimawandel II


Vashtu sortierte noch die Unterlagen über die möglichen Expeditionen der nächsten Woche, als die Tür sich öffnete und der junge Lieutenant David Markham das große Büro betrat. Wie immer staunend sah er sich um, ehe er sich ihr zuwandte.
Mam?"
Setzen Sie sich." Die Antikerin hatte kaum zugehört, legte gerade die letzten Anfragen auf einen der beiden Stapel und lehnte sich seufzend zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Ausgiebig streckte sie sich, blinzelte dem Lieutenant dann zu. „Sie wollen selbst auch einmal wieder raus?" Ein spitzbübisches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
Markham ließ sich jetzt doch nieder und nickte. „Dr. Jameson würde sich gern die Flora auf P1V-129 ansehen, inwieweit sie sich in den letzten zehntausend Jahren entwickelt hat. Ich hielt das für eine gute Idee, mal wieder rauszukommen, Mam."
Vashtu nickte, richtete sich auf und betrachtete stirnrunzelnd die beiden Stapel vor sich. „Ist genehmigt. Aber über den Zeitpunkt müssen wir uns noch ein bißchen unterhalten", sagte sie. „Es steht auch noch immer die Abschlußbesprechung Ihrer Expedition aus. Dr. Stross trat an mich heran mit der dringenden Bitte, sie so schnell wie möglich einberufen zu können."
Schon klar." Markham beugte sich vor. „Danea meinte, wir sollten vielleicht jetzt schon anfangen damit, Felder anzulegen, ehe der Winter kommt. Der Frost könnte uns helfen."
Vashtu nickte.
Verzeihen Sie die Frage, aber ist das hier jetzt Ihr Büro?" erkundigte Markham sich überraschend.
  Die Antikerin schmunzelte und sah sich in dem großen Raum um. „Bis jetzt hat mich hier noch keiner herausgejagt und Dorn gefällt sein kleines unter diesem besser", gestand sie ihm mit einem verschwörerischen Blinzeln zu wissen. „Allerdings denke ich, sobald der Rest endlich unten ist, werden die Karten wohl neu gemischt werden."
Das allerdings machte ihr Sorgen. Sie hielten inzwischen zwar einen regelmäßigen Funkkontakt zu denen, die sich Vineta noch anschließen wollten oder gar von vorn herein zur Expedition gehört aber nicht von Bord der Prometheus gelassen worden waren. Offensichtlich ging es ihnen gut, und dank ihren Erfahrungen ... wußten sie zumindest, worauf sie achten mußten. Dennoch konnte das Blatt sich immer noch wenden. Vor allem, da Vashtu einen alten Satelliten ihres Volkes wieder in Gang gebracht und auf die Prometheus ausgerichtet hatte. Pendergast arbeitete mit allen Mitteln daran, die Umlaufbahn so schnell wie möglich zu verlassen. Vielleicht war es ihm selbst endlich in den Sinn gekommen, daß er sich mit seiner Methode, sie endlich in den Griff zu kriegen, einen Feind geschaffen hatte. Zumindest hoffte sie, die Leute dort oben irgendwie herauszuholen, ehe Pendergast starten konnte.
Die Tür zum Büro öffnete sich wieder und ein sehr abgehetzter Peter Babbis trat ein.
Vashtu warf ihm einen amüsierten Blick zu. „Wieder da?" erkundigte sie sich überflüssigerweise.
Peter warf ihr einen bösen Blick zu, ließ sich dann auf der gegenüberliegenden Seite zu Markham nieder, wischte sich mit einer entschiedenen Geste das Haar aus dem Gesicht.
Gut, dann können wir ..." Vashtu zog den kleineren Stapel mit Anfragen an sich heran. „Der Serge ist im Moment noch in der Krankenstation. Ich weiß nicht, ob Sie beide informiert sind, daß ich solange den militärischen Sektor leite." Sie blickte hoch, in zwei erwartungsvolle Gesichter, nun ja, Peters weniger erwartungsvoll als vielmehr neidisch. Aber zumindest schien das keine große Neuigkeit für beide zu sein, immerhin.
Okay, es geht um verschiedene Anfragen der SG-Teams und auch der Wissenschaftler", fuhr sie fort. „Wir drei sind die einzigen Piloten, die zur Zeit in der Lage sind, die Puddlejumper zu fliegen. Auch das ist bekannt."
Markham nickte stumm, hob die Brauen, um einen langen Blick auf den Stapel zu werfen, den sie direkt vor sich hatte.
Vashtu schmunzelte, wandte sich dann an ihr Teammitglied: „Peter, das soll keine Schmälerung Ihrer Leistungen sein, aber ich möchte, daß Sie im Moment noch die Flüge über den Planeten übernehmen. Da gibt es einige Anfragen. Und Sie sind schon etwas vertrauter damit."
Der junge Wissenschaftler blinzelte überrascht. „Ich komme doch gerade ..." Er unterbrach sich, zuckte dann mit den Schultern. „Wird mir wohl mehr Zeit für meine Forschungen bleiben."
Genau." Vashtu schob ihm den Stapel zu. „Und außerdem werde ich vielleicht ein bißchen Zeit finden, Ihnen die Kontrollen endlich einmal richtig zu erklären. Solange wir uns innerhalb des Schildes bewegen, besteht keine Gefahr für mich." Befriedigt sah sie, wie seine Augen sich weiteten angesichts des Packens Papier, den sie ihm gerade gegeben hatte. „Und ich würde nachher noch gern mit Ihnen über etwas reden, Peter", sagte sie abschließend.
Sie wußte selbst, den Berg Arbeit, den sie ihm gerade überlassen hatte, sah gewaltiger aus, als er in Wirklichkeit war. Im Endeffekt ging es um irgendwelche kurzen Flüge, die kaum mehr als ein oder zwei Stunden in Anspruch nehmen würden, zudem hatte sie sie bereits über die Tage verteilt, so daß ihm noch genug Zeit bleiben würde, um zu tun, was auch immer ihm wieder im Kopf herumspukte.
  „Das ist eine Menge." Peter blickte unschlüssig auf.
Meist Kurzflüge. Sie werden sich schon nicht überanstrengen", entgegnete sie, wandte sich dann Markham zu. „Was Ihr Gesuch angeht, wie gesagt, es ist genehmigt", sagte sie. „Allerdings steht bis jetzt immer noch die Suche nach Nahrung und Saatgut ganz oben auf unserer Liste. Wenn Sie nichts dagegen haben und Dr. Jameson sich so lange bezähmen kann, würde ich Sie bitten, das ganze an einem ruhigen Tag durchzuführen und sich auf die Umgebung des Tores zu beschränken. Einen Piloten muß ich Ihnen ja glücklicherweise nicht mitgeben."
Markham nickte verstehend. „Wann paßt es am besten?"
In fünf Tagen. Reicht Ihnen das? Ich wollte die Torreisen an diesem Tag ohnehin drosseln, da Dr. Stross mit einer dringenden Bitte an mich herangetreten ist."
Markham schürzte nachdenklich die Lippen und lehnte sich zurück. Dann nickte er. „Geht klar. Und wieviele Einsätze haben wir bis dahin?" Er warf dem zweiten Stapel einen langen Blick zu.
Vashtu zog die Papiere jetzt zu sich heran. „Wenn wir es gut koordinieren, jeder drei pro Tag. Geht das klar für Sie?"
Wann ziehen wir denn wieder los, Vashtu?" warf Peter in diesem Moment ein.
Die Antikerin schob unwillig die Brauen zusammen.
Es juckte sie, wieder selbst ein Team zu leiten, zumal Anne Stross ihr auch eines zugestanden hatte. Allerdings waren sie beide sich nicht so ganz einig, was die Größe dieses Teams anbelangte. Darum verzichtete sie im Moment bewußt auf eigene Torreisen. Zudem wollte sie die Zeit nutzen, die ihr möglicherweise blieb, um noch ein bißchen am DHD zu basteln und es vielleicht für das achte Shevron zugänglich zu machen. Dann könnte sie ganz schnell von hier verschwinden und mit Verstärkung aus Atlantis zurückkommen.
Sie stellte sich das Gesicht von McKay vor, wenn sie plötzlich aus dem Gate trat. Nach so langer Zeit rechnete, außer John, wahrscheinlich niemand mehr mit ihrem Auftauchen. Vielleicht waren sie auf der Erde sogar schon längst für vermißt oder tot erklärt worden.
Nun ja, in zumindest einem Fall stimmte das ja auch.
Vashtu riß sich aus ihren Gedanken. „Wenn Sie Zeit erübrigen können, Peter, könnten Sie mir vielleicht am DHD helfen", wechselte sie das Thema. „Außerdem steht da noch immer die Fehlfunktion der Sekundärwaffe im Raum ..." Sie warf ihm einen bezeichnenden Blick zu.
Peter kreuzte die Arme vor der Brust und begann, vor sich hinzubrüten.
Markham betrachtete dieses Zusammenspiel zwischen ihnen mit einem breiten Grinsen, dann wurde er wieder ernst. „Drei Flüge pro Tag sind eine Menge. Sind Sie sicher, daß Sie tatsächlich diesen einen Tag Ruhe einschieben wollen?"
Vashtu nickte, griff jetzt in den Stapel vor sich und verteilte die ersten, bereits geordneten Anfragen vor sich. „Es wird eine Sache der Koordination, wie gesagt. Aber es müßte machbar sein. Vielleicht müssen wir das eine oder andere Team nur aussetzen, andere ... Williams will noch einmal nach P1V-121, um das Saatgut zu holen. Das dürfte nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen." Sie schob ihm das Blatt zu.
Markham überflog es, nickte dann und legte es zur Seite.
Vashtu nahm ein neues Papier.
Verdammt, es juckte sie sogar ganz gewaltig, endlich wieder das Tor zu betreten. Andererseits aber war sie im Moment für die Sicherheit der Stadt zuständig, und hier lag einiges im Argen, was sie beheben wollte. Außerdem ...
Vashtu hob den Kopf und fixierte Peter von der Seite, bis dieser nervös aufblickte.
Er starrte sie an, dann schüttelte er entschieden den Kopf. „Sie wissen doch genau, wie es bis jetzt immer hieß. Sie selbst haben es doch ..."
Es geht darum, mehr Piloten zu bekommen", entgegnete sie bestimmt.
Ohne mich!"
Ich brauche aber Ihr Blut, um einen neuen Fehler vermeiden zu können."
Warum sollte ich?"
Wollen Sie forschen?"
Das hat damit nichts zu tun!"
Wer ist gegen das Tor geknallt, Sie oder ich?"
Ich war übermüdet!"
Das könnte zu einem Dauerzustand werden, ist Ihnen das klar?"
Wie lange hat Beckett dafür gebraucht? Mehrere Jahre, wenn ich das richtig verstanden habe."
Aber wir haben Sie, zudem mit der richtigen Frequenz."
Ich bin kein Freak!"
Bin ich einer?"
Markham sah sie beide scheel an. „Was ... ist ... los?" fragte er leise.
Vashtu löste den Blickkontakt zu dem jungen Wissenschaftler, drehte sich wieder zu ihm um. „Es geht um die Gefahr, wenn wieder jemand von uns ausfallen sollte", antwortete sie. „In unserer Dimension besteht die Möglichkeit, sich das ATA-Gen auf künstliche Weise zu beschaffen. Peter ist ein solcher Träger." Sie nickte zu Babbis hinüber, aus dessen Gesicht alles Blut wich.
Markham starrte sie groß an. „Sie meinen ... ?"
Ich meine, wir sollten jede Chance nutzen. Wir alle wollen durch das Tor, und ich will auch noch die Stadt vor den Devi schützen. Das wird mir aber schwerlich gelingen, wenn wir nur drei ATA-Träger haben."
Markham warf Peter einen weiteren, diesmal deutlich entsetzten Blick zu. „Aber ..."
Im Moment geht es nur um die Idee, Lieutenant. Was halten Sie persönlich davon?" Vashtu beugte sich vor und starrte ihn durchdringend an. „Sie und ich sind natürliche Träger des Gens, Peter, bei aller Begabung, die er bisher für die Geräte meines Volkes gezeigt hat, ist es nicht. Wenn ich Dr. Becketts Therapie verwende und dessen Fehler vermeide, würden wir alle entlastet werden. Nicht nur mit den Flügen, sondern auch mit der Aktivierung der verschiedenen Gerätschaften."
Aber Sie wissen doch auch, daß die meisten Völker uns ohnehin schon ... nicht sonderlich positiv eingestellt sind."
Dann sollten wir an unserem Auftritt ihnen gegenüber feilen."
Markham lehnte sich nervös zurück, starrte auf das einsame Blatt Papier vor sich. „Ich kann das nicht entscheiden", sagte er schließlich.
Aber Sie könnten Ihre Meinung sagen, wenn ich zu Dr. Stross gehe", wandte Vashtu ein.
Die Idee gefiel ihr, zugegeben, immer besser. Sie könnte vielleicht sogar versuchen, Carsons Fehlerrate zu beheben und von diesen verdammten fünfzig Prozent Mißerfolg fortzukommen. Zudem hatte sie mit Peter das perfekte Versuchskaninchen zu Hand, sollte erneut irgendetwas mit den Frequenzen nicht stimmen. Sie würde wieder in ihrem eigentlichen Beruf arbeiten, was definitiv auch noch ein Vorteil war.
Was sagen Sie?" Erwartungsvoll sah sie Markham an.
Der junge Lieutenant erwiderte ihren Blick nervös. „Und was, wenn ... wenn etwas wie bei Ihnen geschieht, Mam?" fragte er schließlich.
Vashtu blinzelte, dann schoben sich ihre Brauen wieder zusammen. „Wir reden hier davon, ein Hilfsmittel zu erstellen, zudem eines, was nicht auf anderen Spezies beruht, sondern auf der Zellebene des Menschen."
Das ist nicht richtig. Beckett nahm Mäuse", korrigierte Peter, duckte sich, als sie ihm einen mörderischen Blick zuwarf.
Ich weiß nicht, wer dieser Beckett ist, von dem Sie immer sprechen", fuhr Markham fort. „Ich kenne niemandem dieses Namens. Ich kann mir nicht vorstellen, was ..." Er verstummte und kniff die Lippen aufeinander.
Dr. Carson Beckett wäre auch in Ihrer Dimension beinahe mit nach Atlantis gegangen, fragen Sie Dr. Stross", wandte Vashtu ein. „Seine Forschungen waren ihm bei Ihnen allerdings wichtiger als die Möglichkeit, etwas neues zu erleben. Wenn er aber zugesagt hätte, hätte er den Posten von Dr. Grodin."
Markham starrte sie an. „Vom Doc?" Er schien jetzt wirklich zu überlegen.
Vashtu lehnte sich zurück und kreuzte die Arme vor der Brust.
Diese Idee war einfach nur genial! Warum war sie ihr nicht schon eher gekommen? Sie hätte schon längst mit den Forschungen beginnen können. Und wenn sie die Fehlerquote tatsächlich senken könnte ...
Ein schmales Lächeln begann ihren rechten Mundwinkel zu umspielen, als sie daran dachte, daß sie sowieso noch mit Stross über einen möglichen Wechsel im Auftritt der Außenteams reden wollte. Wenn sie Teams hatte, in denen mehr als einer das Gen trug, dann würden die anderen Völker vielleicht wirklich unter Druck geraten. Das passende Auftreten und sie würden sicher Verhandlungspartner finden, davon war sie überzeugt.
Ich ..." Markham schloß den Mund wieder, sah erneut zu Peter. Dann zuckte er mit den Schultern. „Es wäre eine Möglichkeit, selbst mehr Zeit mit anderen Dingen verbringen zu können", gab er dann zu. „Ich verstehe nichts von Genetik und diesem ganzen Kram, Mam, aber wenn Sie meinen, es würde nicht gefährlich sein, uns sogar helfen ... Warum nicht?"
Vashtu lächelte, sehr zufrieden mit sich selbst, und setzte sich wieder auf. „Gut, dann sollten wir jetzt noch die restlichen Flüge unter uns aufteilen."