29.07.2012

Meuterei (Teil 1) II


Einen Tag später:

Colonel Pendergast mußte zugeben, inzwischen wurde er doch etwas unruhig. Er hatte der Antikerin einen gehörigen Brocken hingeworfen, war sich absolut sicher gewesen, sie würde den Köder schlucken und so schnell wie möglich zurückkehren, sich damit in seinem Netz fangen und ... Doch inzwischen waren mehrere Tage vergangen, seit er hatte den Funkkontakt, den seine Gefangenen zur Atlantis-Expedition aufgebaut hatten, unterbinden lassen. Tage, in denen seine Hoffnungen auf den Brigade General immer weiter in sich zusammenschrumpften, in denen ihm immer deutlicher wurde, was er damals auf Atlantis angerichtet hatte.
Die Antikerin sollte seine Eintrittskarte sein in den Generalstab der Vereinigten Staaten. Ihr Wissen war unschätzbar für seine Erde, ihr Können stand ganz außer Frage nach dem, was er bisher gesehen und gehört hatte über sie. Und ... ihr verändertes Genom machte sie zu noch einem fetteren Braten für die Militärs der Erde.
Zu Anfang hatte Pendergast geglaubt, relativ leichtes Spiel mit ihr zu haben, sie mit ein bißchen Schikane zurechtstutzen zu können. Doch Major Uruhk hatte sich als zu zäh und ausdauernd in ihrem Freiheitswillen gezeigt. Immer wieder war sie ihm entwischt, auch wenn er noch so scharfe Androhungen ausgesprochen hatte. Trat sie nicht in Kontakt zu diesen verdammten Wissenschaftlern, schaffte es vor allem dieser nervige Dr. Babbis bis zu ihr, um ihren Widerstand neu anzufachen.
Also waren seine Repressalien ihr gegenüber härter geworden. Doch selbst die Brick schien sie nicht wirklich schrecken zu können. Irgendwie war es ihr bei ihren Aufenthalten dort gelungen, nicht halb wahnsinnig zu werden vor Langeweile. Offensichtlich hatte sie es dennoch geschafft, sich irgendwie zu betätigen, irgendeine geistige Aufgabe zu finden.
Sie hatte ja sogar den Mediziner Dr. Peter Grodin auf ihre Seite gezogen. Pendergasts Glück war es, daß er sich von allen Neueingaben in den Zentralrechner der Prometheus Updates unmittelbar danach schicken ließ. Davon wußte nur sein engster Vertrauter, Sergeant Bates, etwas, ebenso wie von dem, was sich in Major Uruhk verbarg.
Irgendwie war es ihr gelungen, sich fremde Zellen zu spritzen, Wraith-Zellen und noch irgendetwas, was er nicht hatte identifizieren können. Bei ihrem letzten Aufenthalt hier hatte Pendergast Major Uruhk auf Herz und Nieren testen lassen, um zumindest ansatzweise herauszufinden, was diese fremden Zellen tun konnten. Und dank des kleinen Drogencocktails, den Bates ihr regelmäßig verabreicht hatte auf seinen Befehl, war es ihr sehr schnell sehr gleichgültig geworden, was sie zeigte oder nicht.
Er wußte seitdem, daß er es nicht einfach haben würde, die Antikerin kalt zu stellen und hinter ihre Geheimnisse zu kommen. Aber er war sicher, sein Plan würde auch diesmal aufgehen. Dieser Ehrenkodex, dem sie sich verpflichtet schien, war einfach zu verführerisch, um ihn auch ein zweites Mal gegen sie einzusetzen. Major Uruhk wurde genau dadurch berechenbar, und das wollte er schonungslos ausnutzen. An ihrer Ehre gepackt, hatte sie schon einmal gezeigt, daß sie sich über seine Befehle auch hinwegsetzte - und dieses Mal brauchte es das gar nicht. Sie würde sich befleißigt fühlen, den Eingeschlossenen zu helfen, sie aus der Prometheus herauszuholen. Als käme es ihm auf diese Weicheier an, die er in dem leeren Hangar hatte einsperren lassen nach ihrer Flucht!
Gut, Leute wie Grodin würde er brauchen, auch um Major Uruhk endlich zum Sprechen zu bringen. Das Skopolamin, das er ihr hatte das letzte Mal geben lassen, hatte sich in einigen Bereichen als unzuverlässig erwiesen. Ihre Blockaden und ihr Willen waren zu stark, um ihm mehr als einige Geheimnisse zu verraten. Aber er kannte schließlich noch ein paar Mittelchen, die er anwenden konnte, wenn auch nur mit Hilfe von Grodin. Und er war sicher, er würde endlich herausfinden, was er wissen wollte.
Und danach ... Nun, Valium hatte sie schon das letzte Mal ruhig gestellt, und dieser kleine Wartungsraum, der sowieso nicht genutzt wurde und den Bates nach seinen Anweisungen präpariert hatte, würde sie schon halten können.
Und wenn sie auf der Erde angekommen waren, würde er die ultimative Waffe vorzeigen können: Eine lebende genmanipulierte Antikerin und deren Geheimnisse, die den Vereinigten Staaten sicher mehr als nur willkommen sein würden. Er würde seine Akte bis dahin reingewaschen und sich der letzten unliebsamen Zeugen entledigt haben - Unfälle passierten schließlich, vor allem bei einem schwer beschädigten Raumschiff wie der Prometheus. Und wo kein Kläger, da auch kein Richter. Er würde in den Generalstab aufsteigen, vielleicht mit der Möglichkeit auf mehr. Man würde ihm dankbar sein für das, was er da aus einer fernen Galaxis mitgebracht hatte, selbst wenn er diesen unfähigen Asgard verloren hatte. Major Uruhk wog diesen Verlust zehntausendfach wieder auf.
„Sir, wir erhalten Daten“, meldete der Lieutenant, der für die Überwachung des Schiffes zuständig war, in diesem Moment. „Jemand ist in das Schiff eingedrungen auf Ebene siebzehn.“
Pendergast lehnte sich vor, mit einer Hand sinnend sein Kinn stützend.
Dann konnte sein kleines Spielchen ja endlich losgehen. Mal sehen, wie gut die Antikerin wirklich war und ob sie die Falle erkennen würde, die er ihr gestellt hatte. So oder so, er würde ihrer habhaft werden. Und auf dem langen Weg zurück zur Erde würde sie singen wie ein Vögelchen ...
„Mein kleines Lantianer-Vögelchen“, sinnierte er grinsend, sandte Bates einen Blick. Der nahm sofort Haltung an. „Ihre ID auf dem Schirm?“
Der Lieutenant schüttelte den Kopf. „Nein, Sir. Aber die Eindringlinge kamen aus dem 302-Flugdeck.“
Klever, diese Antikerin. Ein interessanter erster Zug. Sie mußte den Schild des Puddlejumpers manipuliert haben, ebenso wie sie irgendwie irgendetwas auf dem Planeten gebastelt hatte, damit er sie nicht fand. Wäre er nicht sicher gewesen, sie genau dort zu wissen, wäre er vielleicht sogar überrascht gewesen, ihre Stimme zu hören, als die Meuterer, die er in den leeren Hangar hatte sperren lassen, begannen, Kontakt zur Atlantis-Crew zu suchen. Vielleicht wäre es ihm sogar geglückt, sie anhand des Funksignals auf die Prometheus beamen zu lassen, hätte dieser verfluchte Asgard nicht fast das ganze Gerät mitgenommen bei seiner Flucht dort hinunter.
Wieder warf Pendergast Bates einen Blick zu, dann nickte er. „Sie wissen, was zu tun ist, Sergeant“, sagte er nur mit gefährlich leiser Stimme.
Wollte er doch einmal sehen, was sein kleines Lantianer-Vögelchen zu seinem nächsten Zug sagen würde?

***

Danea Il'Eskanar gab seinen Leuten ein Zeichen, hob die Waffe der Fremden an die Wange und pirschte dann vorsichtig weiter.
Es hatte nicht lange gebraucht, um ihn und ein Dutzend anderer seines Volkes zu überreden, sich dieser Rettungsaktion anzuschließen. Jetzt aber fragte er sich wirklich, ob er das richtige tat.
Sicher, er mochte diesen Colonel Pendergast ebensowenig wie die neuen Bewohner der Stadt der Schöpfer. Aber hier befand er sich auf fremdem Territorium, noch dazu in einem, das ihm relativ unvertraut war. Zwar hatte sein Volk kurzfristig Schutz auf der Prometheus gesucht nachdem die Fremden aufgetaucht waren, aber sie waren kaum über diese merkwürdige Aussichtsplattform hinausgekommen, in der man sie einquartiert hatte.
„Den Gang weiter hinunter“, wisperte die Stimme von Major Uruhk in seinem Ohr. „Immer geradeaus. Und achtet auf die Quergänge.“
Er nickte, als würde sie neben ihm stehen, dann erst ging ihm auf, daß er ja auf Empfang schalten mußte, wollte er antworten. Er klopfte mit dem Finger auf das kleine Gerät in seinem Ohr. „Verstanden“, gab er durch.
„Ich melde mich, sobald ich mehr sehe“, antwortete seine SG-Leaderin, was er wieder mit einem Nicken quittierte. Aber dieses Mal war er sich sicher, sie erwartete keine Antwort.
Iriar huschte an ihm vorbei, wie er eine dieser Waffen, P-90, an die Wange gedrückt.

***

Vashtu starrte auf die Hologrammanzeigen des Jumpers und fluchte leise in ihrer Muttersprache. Aber mehr würde sie wohl nicht herausholen können aus dem Gerät, und das wußte sie nur zu gut.
Aufmerksam weiter die kleinen, blinkenden Punkte verfolgend, nahm sie Kontakt zu dem zweiten Jumper auf, der, getarnt und mit einer Abschirmung versehen, direkt neben dem ihren stand: „Wie weit sind Sie mit der Codierung, Peter?“
„Ich würde schneller vorankommen, wenn Sie nicht alle zwei Minuten danach fragen würden“, wetterte Dr. Peter Babbis in ihrem Ohr los und verursachte nun doch ein leises Grinsen in ihrem Mundwinkel.
Sie mußten den Code des Schotts ändern, denn sehr wahrscheinlich würden sie nicht alle Eingeschlossenen auf einmal hier herausbringen können. Pendergast und seine Leute sollten sich schon noch ein bißchen die Zähne ausbeißen, ehe sie irgendjemanden wieder irgendwo einschließen konnten. Außerdem mußte Babbis auch noch die Programme umschreiben, damit der Colonel den Wartenden nicht die Luft abstellen konnte, indem er den Asgard-Schild deaktivierte.
Ein schönes Stück Arbeit, das ihr Teammitglied da zu leisten hatte. Vashtu hätte ihm gern geholfen, doch sie mußte die Rettungscrew überwachen, was bei der vereinfachten Darstellung des Detektors der Puddlejumper nicht ganz einfach war.
„Halten Sie sich ran. Wir haben keine Zeit. Sobald Sie mit dem Code fertig sind, geben Sie das Pad an Basbara weiter, damit die ihn einspeisen kann.“
„Jaja“, kam die geknurrte Antwort.
Vashtu wurde aufmerksam, änderte die Einstellung des Funkgerätes. „Danea, in den Nebengang, da kommt jemand.“

***

Anne trat in den Gateroom Vinetas, beobachtete einen Moment lang stirnrunzelnd die zwei Marines, die vor dem Tor Wache hielten, dann nahm sie die Treppe in den Kontrollraum hinein.
„Wo ist Major Uruhk?“ fragte sie sofort Andrea Walsh, die für den reibungslosen Ablauf der Gate-Aktivitäten und sonstigen Arbeiten hier zuständige Technikerin.
Die blickte verwirrt auf. „Aber ...“ Sie schloß den Mund, ihre Augen wurden schmal. „Major Uruhk ist nicht hier. Warum?“
„Weil ich sie suche. In ihrem Büro ist sie nicht, ebensowenig in ihrem Quartier oder in dem Labor, das ihr zugeteilt wurde. Sergeant Dorn meinte, er hätte sie schon seit Stunden nicht mehr gesehen.“ Anne trat näher und musterte die andere aufmerksam. „Sie ist doch wohl nicht mit einem Puddlejumper weg, oder?“ fragte sie mißtrauisch.
Walsh blinzelte, wandte sich dann dem DHD zu, als das Tor von außen aktiviert wurde und schaltete die Schilde zu. „Nicht, daß ich wüßte“, antwortete sie ausweichend.
„Ich habe ihr jeden Flug strikt untersagt, Andrea. Wenn sie also doch da raus ist ...“ Anne wies nach oben, wo irgendwo, weit entfernt, aber leider nicht zu weit, die Prometheus über ihren Köpfen hing. „Suchen Sie sie! Ich will sie so schnell wie möglich in meinem Büro sprechen.“
„Sie ist nicht in der Stadt, Dr. Stross“, antwortete Walsh kleinlaut.
Anne, die sich gerade umgedreht hatte, wandte den Kopf. „Was soll das heißen?“ Ihre Stimme klang lauernd.
„Sie sagte, sie wollte zum Mond hoch.“ Walsh lächelte entschuldigend und zuckte mit den Schultern. „Sich ansehen, wie weit wir dort sind.“
Anne atmete tief ein. „Geben Sie sie mir - auf der Stelle!“

***

Danea zuckte zurück, als er in seinem Ohr einen leisen Ausruf hörte. „Nicht da lang!“
Etwas verwirrt wechselte er einen Blick mit Iriar, die jedoch nur mit den Schultern zuckte.
„Wo sollen wir denn dann lang gehen?“ zischte der junge Erethianer. „Jeder Gang scheint blockiert, egal wohin wir uns wenden, es sei denn zurück zum Hangar.“
„Gute Frage ... Halten Sie die Stellung. Ich versuche, das herauszufinden“, kam prompt die Antwort.
Die Stellung halten? Wieder ein Blick mit Iriar, die mindestens ebenso ratlos schien wie er.

***

Pendergast lächelte zufrieden. „So einfach wird es wohl doch nicht, wie?“ fragte er den Bildschirm, über den er sich gebeugt hatte.
Die ID-losen Pünktchen auf dem Bildschirm verharrten in einem Gang seines Schiffes, schienen ihm selbst bis hierher etwas ratlos, was ihn sehr befriedigte. Noch ein bißchen, und seine Leute hatten die Pünktchen eingekreist. Dann konnte das Spiel erst richtig losgehen.
„Na, wieviele Bröckchen muß ich dir noch zuwerfen, bis du aus deinem Versteck herauskommst, mein Lantianer-Vögelchen?“ fragte er den Bildschirm.
Sie würde ihre Deckung aufgeben, das war klar. Sie würde ihr abgeschirmtes Fluggerät verlassen - und dann würde Bates schnell und effizient zuschlagen, so wie verabredet. Auf keinen Fall würde sie jemandem von ihrem Stoßtrupp, wahrscheinlich dieses merkwürdige Völkchen von dem Planeten, die sie schon einmal hier angeschleppt hatte, zurücklassen. Nein, nein, das würde ihr Ehrenkodex nicht zulassen.
Pendergast lauerte weiter. Bald ...

***

Vashtu arbeitete sich in rasender Schnelle durch die Pläne der Prometheus, biß sich immer wieder auf die Unterlippe.
Verdammt, verdammt, verdammt! Es mußte doch einen Weg ...
Dann stolperte sie über das Programm. Ein Grinsen teilte ihre Lippen, als sie ihr Funkgerät wieder auf Senden brachte.
„Danea, ungefähr drei Meter entfernt, rechts. Da gibt es einen Wartungsschacht, der direkt in den Hangar führt über die Belüftung. Kriegt ihr die Verkleidung runter?“
„Ein Wartungsschacht?“ Danea schien überrascht.
Vashtu wartete ungeduldig.
Sie würde die Eingeschlossenen nicht ihrem Schicksal überlassen. Zwar kannte sie nicht alle, aber doch einen Teil von denen, die Pendergast hier gehalten hatte. Und sie konnten in Vineta jeden einzelnen dieser Männer und Frauen gebrauchen. Sei es für Dorns Sicherheitsdienst, wohin die Militärangehörigen kommen würden, sei es die restlichen Wissenschaftler. Und nicht zu vergessen die mageren Reste der medizinischen Besatzung: Grodin, Heightmeyer und drei Assistenzärzte, sowie noch eine Handvoll Pfleger und Schwestern, die nicht auf der zerstörten Daedalus gewesen waren. Selbst die Techniker, denen Pendergast den Krieg erklärt hatte, obwohl sie nichts als ihre Arbeit getan hatten, würden sie dort unten gut gebrauchen können, sollten sie sich ihnen anschließen wollen.
„Wir sind drin“, meldete Daneas Stimme endlich.
Vashtu atmete auf. „Schiebt die Verkleidung wieder vor, damit nicht sofort bemerkt wird, was passiert ist. Könnte sein, daß wir jetzt kurzzeitig den Funkkontakt verlieren. Immer geradeaus und dann in den kleineren Nebengang. Das ist die Belüftung und führt direkt in den Hangar hinein.“
„Gut, ich denke, wir werden das finden.“
Vashtu nickte befriedigt, gerade, als sich eine neue Stimme in ihren Funkkontakt mischte.
„Major Uruhk, bitte umgehend melden“, hörte sie undeutlich und fluchte wieder.
Ausgerechnet jetzt mußte Stross auf ihre kleine Rettungsaktion aufmerksam werden, verdammt! Sie hatte auf ein bißchen mehr Zeit gehofft.
„Peter, wie weit sind Sie?“ fragte sie wieder.
„Der Code ist gleich soweit“, kam die unwirsche Antwort.

TBC...

22.07.2012

2.10 Meuterei (Teil 1)

A/N: Dieses Mal ein sehr kurzer Anfang, zugegeben. Aber ansonsten hätte ich einen Mörder-Cliffhanger produzieren müssen. Und von dem werdet ihr Leser sehr bald mehr als genug bekommen *fieses Grinsen*. Mit diesen Worten: Willkommen zur Midseason!



„Und Sie sind sich wirklich sicher?“ Dr. Anne Stross sah nervös zu dem Bildschirm hinüber und wartete.
„Ganz sicher.“ Major Vashtu Uruhk verschob den letzten Kristall und hob den Kopf, als der Bildschirm aufflammte. Augenblicklich runzelte sie die Stirn. „Die Prometheus versucht zu starten. Pendergast will den Rest unserer Leute mitnehmen, wohin auch immer.“ Ihre Augen loderten vor kalter Wut auf.
Anne stellte sich neben sie und betrachtete aufmerksam den Bildschirm.
Undeutlich war darauf das Erd-Raumschiff auszumachen. Es lag mit dem rückwärtigen Antrieb zur Kamera in einer Umlaufbahn um den Planeten. Und bis jetzt waren die hinteren Schubdüsen dieses Antriebes immer schwarz gewesen. Jetzt aber ... war gut die Hälfte dieser Düsen aufgeflammt und glühte dunkelrot.
„Bei dem Tempo braucht er Wochen, bis er auch nur aus der Umlaufbahn heraus ist“, fügte Vashtu kalt hinzu und kreuzte die Arme vor der Brust. „Mehr als genug Zeit für uns, die Eingeschlossenen da herauszuholen.“
Anne neben ihr musterte sie. „Aber nicht Sie!“ entschied sie endlich.
Vashtu runzelte die Stirn und wandte den Kopf. „Wie bitte?“
Anne nickte entschieden. „Ich werde Sie da auf gar keinen Fall herauslassen, Vashtu“, wiederholte sie. „Ihr Haß auf Pendergast ist zu groß.“
Ein ironisches Lächeln umspielte die Mundwinkel der Antikerin. „Soll ich ihm etwa dankbar sein dafür, daß ich mich in eine Wraith-Queen verwandelt hatte? Auf diese Erfahrung hätte ich liebendgern verzichtet! Außerdem mag ich es nicht sonderlich, wenn jemand mich unter Drogen setzt und irgendwelche Geheimnisse aus mir herausquetschen will.“
„Sie sagten selbst, wir haben noch Zeit“, entgegnete Anne. „Wenn Markham von P1V-144 zurück ist ...“
„Wenn dem Colonel nicht einfällt, daß er auch ein paar F-302 vor seinen Bug spannen kann, haben wir noch Zeit“, widersprach Vashtu entschieden. „Wir müssen so schnell wie möglich da hinauf und die anderen runterholen. Hier sind sie sicher, und Pendergast kann sie nicht orten.“
„Sie dagegen kann er orten, Major, sobald Sie die Stadt verlassen haben.“ Anne sah sie eindringlich an. „Was mache ich, wenn Sie gerade die oberen Luftschichten durchbrochen haben und er läßt Sie vom Steuer des Puddlejumpers wegbeamen? Was, wenn der Jumper dann abstürzt, oder, noch besser, wenn er selbst in eine Umlaufbahn gerät, weit ab von allen unseren Möglichkeiten? Wenn Sie weg sind, können wir Sie wahrscheinlich nicht zurückholen, Vashtu. Daran sollten Sie, bei allem Haß, auch denken. Ich kann verstehen, daß Sie inzwischen auf Pendergast nicht mehr sonderlich gut zu sprechen sind. Aber jetzt da hochstürmen und ihn blind anzugreifen versuchen, wird die Lage für keinen besser machen - am allerwenigsten für die, die dort oben eingesperrt sind.“
„Wollen Sie Pendergast auf einen Nährungsbrei in die Stadt einladen, um mit ihm zu verhandeln?“ Vashtus Augen wurden groß. „Wir müssen so schnell wie möglich da hoch, sonst sind sie außerhalb unserer Reichweite und wir können nichts mehr tun! Ich lasse niemanden zurück, Anne! Nie!“
„Sie sollen sie auch nicht zurücklassen, sondern einfach nur ein oder zwei Tage abwarten, Vashtu“, entgegnete die Leiterin Vinetas. „Sobald Markham wieder da ist, werden wir etwas unternehmen. Aber ich werde nicht ausgerechnet Sie in die Prometheus lassen. Sie haben selbst davon gesprochen, wie es bewertet wird, was Sie beim letzten Mal getan haben. Wollen Sie auch noch eine Meuterei auf Ihre Kappe nehmen?“
„Wäre vielleicht keine schlechte Idee ... vor allem, wenn ich Pendergast und Bates ein bißchen kielholen darf - im Weltraum, versteht sich!“ Ein kaltes Lächeln erschien auf Vashtus Gesicht.
„Das habe ich nicht gehört, Major!“ Anne wandte sich wieder dem Bildschirm zu. „Vielleicht können sie ja irgendwie allein verschwinden? Sie haben Sie ja schließlich auch irgendwie herausgeschmuggelt.“
„Ich würde mich darauf nicht verlassen.“ Vashtu schüttelte den Kopf. „Der Colonel wird aufpassen. Er kann es sich nicht leisten, noch mehr seiner Besatzung zu verlieren.“ Sie runzelte nachdenklich die Stirn.
„Sie dürfen auch unsere ID-Chips nicht vergessen, Major“, fuhr Anne fort.
Vashtus Stirn runzelte sich noch mehr. Nachdenklich nagte sie an ihrer Unterlippe. Dann nickte sie schließlich, als müsse sie sich selbst bestätigen.
„Lassen Sie es bleiben, Vashtu“, wiederholte Anne eindringlich. „Das kann nicht gut gehen, glauben Sie mir.“
Ein Mundwinkel verzog sich leicht. „Vielleicht doch ...“

TBC ...

15.07.2012

Die undichte Stelle VI


Anne spielte mit der Brosche, die Lieutenant Markham ihr vor einigen Wochen von einem Planeten mitgebracht hatte, als Vashtu das Büro betrat. Stirnrunzelnd sah die Antikerin sich einen Moment um. Irrte sie sich, oder standen die Schreibutensilien, die die zivile Leiterin auf ihrem Schreibtisch aufgestellt hatte, jetzt anders als früher. Sicher war sie sich da nicht.
Anne blickte auf, legte die Brosche wieder zurück auf den Tisch und faltete die Hände. „Sie sind schon zurück?"
Vashtu nickte. „Gerard ist unten geblieben, zusammen mit Markham, Williams und Jordan. Die anderen ... sind wohl noch auf dem Weg. Ich wollte Ihnen besser so schnell wie möglich sagen, was wir gefunden haben."
Anne strich sich eine Strähne ihres blonden Haares aus dem Gesicht. „Und? Was haben Sie gefunden, Major?" fragte sie.
Vashtu kratzte sich kurz an der Schläfe, wies dann auf die Stühle vor dem Schreibtisch. Auf das stumme Nicken der anderen ließ sie sich nieder. Trotz Verstärkung der Fremdzellen merkte sie jetzt doch ziemlich deutlich ihre Beine. Die Wadenmuskeln schmerzten etwas, und die Antikerin war sich sicher, daß sie spätestens am nächsten Morgen einen gehörigen Muskelkater haben würde.
Also?" Anne sah sie auffordernd an.
Wir haben einen See gefunden", antwortete Vashtu endlich, nach einigem Zögern, um die Spannung zu erhöhen.
Einen See?" Anne runzelte die Stirn.
Vashtu verzog das Gesicht. „Naja, als See ... So, wie Sie es sagen, klingt das nach einer Pfütze. Ist aber wohl ein bißchen größer."
Die Leiterin Vinetas nickte. „Also brauchen wir uns zunächst keine Sorgen um das Trinkwasser zu machen, wenn ich das jetzt richtig verstehe. Wie lange, schätzen Sie, wird dieses Reservior halten?"
Vashtu lehnte sich zurück und grinste.
Offensichtlich hatte Dr. Stross einen vollkommen anderen Eindruck als sie. Kein Wunder, sie hatte das ganze ja auch nicht gesehen. Wenn nur allein die Oberfläche hielt, was sie versprach ... und sie wußten nicht, wie tief dieser See überhaupt war.
Einige tausend Jahre, bei den paar Leuten, die hier wohnen", antwortete sie deshalb unschuldig.
Anne riß die Augen auf. „Wie bitte?"
Vashtu nickte, wies mit einer Hand nach draußen und machte eine alles umschließende Geste. „Die Höhle dort unten ist ungefähr so groß wie diese hier. Und wir wissen noch nicht, wie tief dieser See ist und von wo er gespeist wird. Wird ein bißchen halten, selbst wenn wir den Wasserverbrauch hochschrauben."
Die Leiterin holte tief Atem. „Ein paar tausend Jahre?" wiederholte sie.
Die Antikerin nickte gelassen. „Schätzungsweise. Und, wie gesagt, wir wissen noch nicht, von wo er gespeist wird. Ist die Quelle ergiebig ... Ich glaube, da unten gibt es Fische."
Anne staunte nur noch. „Fische?"
Ich habe etwas auf dem Detektor messen können, bin mir aber nicht sicher, was. Könnten Fische sein. Sind Sie gut im Basteln? Dann könnten wir vielleicht unsere Breie etwas ... äh, aufmotzen."
Major!" Doch Anne lächelte bei diesem Wort. Sie hatte den Scherz verstanden. „Wenn Sie irgendwo etwas brauchbares finden, dürfen Sie sich gern als Fischerin betätigen. Gegen ein bißchen Abwechslung im Speiseplan hätte ich wirklich nichts einzuwenden."
Vashtu sandte ihr einen sehr zufriedenen und triumphierenden Blick. „Ich habs doch gesagt!"
Und die Höhle an sich?" Anne beugte sich jetzt doch wieder vor. „Ist der Fels dort unten stabil?"
Die Antikerin zuckte mit den Schultern. „Dr. Gerard hat seine Forschungen noch nicht abgeschlossen, aber er ist optimistisch. Scheinbar haben wir nur das Problem mit der obersten Felsschicht, alles andere ist noch in Takt. Wahrscheinlich Erosion, meint er."
Anne nickte. Sie wirkte erleichtert. „Dann sind wir zumindest nach unten abgesichert."
Und der Rest wird sich finden, keine Sorge. Wer weiß, vielleicht hält die Decke wirklich noch wesentlich länger, als wir jetzt denken. Also, ehe mir der Himmel nicht wirklich auf den Kopf fällt, werde ich optimistisch bleiben!"
Anne blickte wieder auf, gerade als die Tür sich wieder öffnete. „Sergeant Dorn", begrüßte sie den Neueintretenden.
Der Marine humpelte auf seiner Krücke zu dem zweiten Stuhl, nickte Vashtu zu und ließ sich nieder. „Wir haben was gefunden", sagte er sofort.
Vashtus Brauen schoben sich sofort zusammen. „George, ich glaube das nicht, tut mir leid! Peter kann unmöglich die undichte Stelle sein."
Dorn nickte nach hinten. „Da kommt es", sagte er nur, mit einem sehr bezeichnenden Blick.
Vashtu schüttelte den Kopf und drehte sich um, gerade als einer der anderen Marines ein koffergroßes Gerät in das Büro trug und auf dem Boden abstellte. Sofort wurden die Augen der Antikerin groß.
Das ist doch ..."
Anne richtete sich auf, sie nahm es aus dem Augenwinkel wahr. „Das sieht nicht aus wie ein Gerät der Devi", stellte sie dann fest.
Vashtu richtete sich auf, kaum daß der Marine wieder verschwunden war. Aufmerksam studierte sie die Schriftzeichen an den Seiten des Gerätes. „Ist es auch nicht", bestätigte sie, warf Dorn einen bösen Blick zu. „Sieht eher aus wie ein ... Moment." Sie fand den Aktivator und betätigte ihn.
Augenblicklich begann das Gerät, Papier auszuspucken. Flugblätter mit einem ihr sehr bekannten Konterfei. Vashtu deaktivierte das, was auch immer es war, wieder, betrachtete stirnrunzelnd das, was da vor ihr auf dem Boden lag. „Eine Art Kopierer", sagte sie dann, sammelte das Papier ein. „Definitiv nicht von den Devi. Und wenn Sie sonst nichts gefunden haben, bin ich dafür, daß wir alle uns bei Peter Babbis entschuldigen. Ich hatte es ja gesagt. Er kann unmöglich ein Verräter sein." Sie legte die Papiere vor Anne auf den Schreibtisch und grinste breit und zufrieden.
Die Leiterin der Stadt betrachtete mit großen Augen die Flugblätter. „Jetzt haben wir zumindest eine Erklärung, warum es so viele waren."
Vashtu nickte. „Ganz genau, diese Erklärung haben wir jetzt. Und wir haben noch etwas anderes: einen Grund, das Gate wieder zu öffnen!" Sie klopfte auffordernd mit einem Finger auf die Papiere. „Ob mit oder ohne Peter, ich möchte so schnell wie möglich sehen, daß wir weiter versuchen, Handel zu treiben und nach Verbündeten zu suchen."
Anne blickte auf, die Lippen zusammengekniffen. Dann nickte sie. „Also gut. Aber Ihr Team bleibt bis auf Widerruf außen vor."
Vashtu nickte befriedigt.

***

Eine Woche später:
Nachdem er den Jumper gelandet hatte und die Heckluke hatte sich öffnen lassen, sammelte er so schnell wie möglich seine Utensilien zusammen und trat nach hinten, gerade als ein schwarzhaariger Struwwelkopf durch die Öffnung lugte. Dunkle Augen weiteten sich überrascht.
Peter!"
Er nickte etwas betreten, zupfte sich mit der freien Hand am Ohrläppchen und lächelte entschuldigend. „Markham ist noch nicht wieder zurück und braucht wohl noch ein paar Stunden", erklärte er.
Die Antikerin war sehr erfreut. „Freut mich. Dann kann ich Sie also wieder zum Mond schicken. Hat doch was." Sie zwinkerte ihm zu, stieg die Rampe hinauf und griff sich eine der Kisten. „Wir brauchen noch etwas Zeit hier und ich wollte wegen der Wache nicht weg."
Peter nickte verstehend, packte das andere Ende des Kastens und stemmte ihn mit ihr zusammen hoch.
Dann können Sie vielleicht aushelfen. Es fehlt jemand, der die Fläche der Ruinen berechnet", fuhr die Antikerin gut gelaunt fort.
Peter folgte ihr in den strahlenden Sonnenschein hinaus.
Sonne! Es schien die Sonne auf diesem Planeten.
Peter blinzelte hinter seinen selbsttönenden Brillengläsern in den Himmel. Das tat wirklich gut nach der ganzen Zeit in der düsteren Höhle und im Dauerregen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so erfreut über ein paar Sonnenstrahlen gewesen zu sein.
Gemeinsam mit Vashtu schleppte er den schweren Kasten ein Stück weiter. Dorthin, wo sich die Ruinen einer Stadt erhoben. Einer Stadt, wie er sie noch nie gesehen hatte.
Von Ihrem Volk?" fragte er und nickte in die Richtung.
Vashtu blinzelte, schüttelte dann den Kopf. „Nein, jedenfalls nicht, soweit ich weiß", antwortete sie gelassen.
Dr. Liang, der Archäologe, der einsam und verlassen in Vineta gestrandet war, kam ihnen entgegen, ein breites Grinsen auf den Lippen, wie man es einem Chinesen nicht wirklich zugetraut hätte. „Eine wirklich beeindruckende Anlage", wandte er sich an die Antikerin.
Vashtu nickte. „Schon herausgefunden, von wem es stammen könnte?"
Nicht von den Antikern, das sagten Sie ja bereits, Major." Liang sah wieder zu den Quadern hinüber, die wie sinnlos verteilt in dem flachen Tal lagen. „Vielleicht von dem Volk, das diesen Planeten früher bewohnt hat." Erst jetzt schien ihm aufzugehen, wen die Antikerin da mitgebracht hatte. Freundlich lächelnd verbeugte er sich vor Peter. „Dr. Babbis. Es wäre mir eine große Ehre, wenn Sie die Vermessungen vornehmen könnten."
Vashtu grinste breit, wandte sich ab und marschierte zurück zum Rand des Trümmerfeldes.
Peter sah ihr etwas hilflos nach, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf den Chinesen und nickte. „Natürlich, wenn die Maße stimmen sollen, sollte man sich immer den besten holen." Er sah sich aufmerksam um. „Keine Devi?"
Liang schüttelte den Kopf. „Nein, alles ruhig. Seit drei Tagen", antwortete er. „Major Uruhk ist zwar noch etwas beunruhigt, aber ..."
Devi!" schrie die Antikerin in diesem Moment.
Und tatsächlich, ein Rochen zog einen Atemzug später über ihnen dahin.
Zurück zu den Jumpern! Los!" bellte Vashtu scharf, hob ihre Waffe.
Peter beobachtete einen Moment lang, wie sie herumfuhr und eine Salve in die Büsche jagte, dann begriff er endlich, packte den ratlosen Liang am Arm und zog ihn mit sich, zurück zu seinem Jumper. Hinter sich hörte er die unterschiedlichen Waffen des halben Dutzends Militärangehöriger ihre Kugeln verteilen.
Wo kamen denn jetzt so plötzlich die Devi her? Es war doch alles ruhig, sowohl bei Vashtus als auch bei Markhams Flügen, seit sie die drei Tage pausiert hatten.
Die anderen Wissenschaftler, vier an der Zahl, die bei den Ruinen mitgeholfen hatten, folgten Peter auf dem Fuße, als er endlich in den Jumper sprang, sofort die Heckluke schloß und nach vorn in das Cockpit hetzte.
Noch immer wurde draußen geschossen.
Warum brauchte Vashtu solange? Ihr Jumper stand doch direkt neben seinem, einen längeren Weg hatte sie also nicht.
Peter zögerte, ging erst einmal in den Tarnmodus. Und dann sah er, wie einer der Marines zwischen den Büschen hervorkam, eine andere Gestalt wie einen Sack über die Schulter geworfen.
Die Antikerin!
Peter erstarrte.
Dr. Liang, der sich auf dem Copilotensitz niedergelassen hatte, stöhnte auf. „Der Major!"
Ging das jetzt schon wieder los?

***

Autsch!"
Vashtu blinzelte, als sie diesen leisen Aufschrei hörte, holte dann erst einmal tief Atem.
Ihre Hüfte schmerzte, schmerzte sogar ganz entschieden. Unwillkürlich verzog sie das Gesicht, tastete mit der Hand über die Stelle, fand aber keine Wunde.
Vashtu!" Der Ausruf war voller Erleichterung.
Erst jetzt ging ihr auf, wo sie sich befand. Nicht mehr auf P1V-145, sondern ... auf der Krankenstation von Vineta.
Sie brauchte einen Moment, ehe sie ihre Erinnerung wieder halbwegs beisammen hatte.
Major?"
Sie blickte, wieder blinzelnd, auf und sah in Anne Stross' Gesicht. Die Leiterin der Stadt hatte sich über sie gebeugt, sah sie sorgenvoll an.
Vashtu verzog das Gesicht, rappelte sich auf die Ellenbogen. „Das war dann jetzt wohl meine Premiere", sagte sie, räusperte sich, als sie hörte, wie belegt ihre Stimme klang.
Sie sollten sich noch ausruhen, denken Sie nicht?" fragte Anne sie.
Ausruhen? Gute Idee, aber ...
Oh Mann! Jagen Sie mir nie wieder so einen Schrecken ein!"
Vashtu stutzte, sicher sich verhört zu haben. Dann wagte sie einen Blick unter ihren Ponyfransen hervor. Ihre Augen wurden groß.
Peter?"
Der grinste, rieb sich die rechte Hand. „Hallo", sagte er schüchtern.
Vashtu blinzelte zum dritten Mal, stutzte dann und hob den Kopf zu Anne. „Aber ..."
Es scheint, als habe jetzt Dr. Babbis Ihren ... Fluch geerbt", sagte die im entschuldigendem Tonfall. „Wohin auch immer er durch das Gate fliegt, die Devi kommen ein paar Minuten später."
Vashtu sah sie ungläubig an. „Aber ... Markham und ich ... ?"
Bei Ihnen erscheinen sie nicht mehr, ich weiß. Dr. Babbis, sieht aus, als müßte ich mich bei Ihnen entschuldigen." Anne blickte auf.
Vashtu schüttelte, noch immer etwas benommen, den Kopf, sah dann zur anderen Seite des Bettes. Einträchtig nebeneinander saßen Dorn und Danea dort und schwiegen. Doch beiden war die Erleichterung deutlich anzusehen.
Vashtu richtete sich jetzt endgültig auf. Ihre Hüfte protestierte kurz, doch sie unterdrückte den Schmerz, rieb noch einmal darüber. „Okay, damit wären dann jetzt wohl alle Mitglieder meines Teams mindestens einmal von einem Glimmer getroffen worden. Und wir haben es überlebt. Ist doch schon mal was."
Irgendwie fühlte sie einen gewissen Stolz über diese Leistung. Keines der anderen SG-Teams hatte eine solche Quote vorzuweisen.
Danea sah sie irritiert an, sagte aber noch immer nichts. Dorn dagegen schien, aller Erleichterung zum Trotz, plötzlich besorgt zu sein.
Wie lange war ich weg?" wandte Vashtu sich an Peter, der sich schon wieder die rechte Hand rieb. Kurz erhaschte sie einen Blick auf gerötete Haut in seiner Handfläche, als er sie hob und die Finger wieder um das kühle Metall des Fußendes des Bettes schloß. Eine gerötete Stelle mit einer merkwürdigen Form, die sie irgendwie an ein Schmuckstück erinnerte. Nur wußte sie nicht so recht zu sagen, wo sie dieses Schmuckstück schon einmal gesehen hatte.
Peter sah sie irritiert an, als er ihren nachdenklichen Blick bemerkte, zuckte dann mit den Schultern. „Ein paar Stunden, mehr nicht."
Vashtu nickte. „Lange genug geschlafen", entschied sie. „Wir müssen wohl ..."
Major?" Annes Stimme klang plötzlich sehr ernst als sie ihr ins Wort fiel.
Vashtu richtete ihren Blick sofort auf Dorn. Der sah noch besorgter aus als gerade. Also war noch etwas passiert. Und das ...
Wir haben den Kontakt zu den Eingeschlossenen auf der Prometheus verloren", sagte Stross sehr leise.

08.07.2012

Die undichte Stelle V


Mam?"
Williams und Jordan standen an einer Tür am Ende der Treppe. Einer Tür, keinem Schott!
Vashtu atmete tief ein, gab Markham dann ein Zeichen. „Waffen bereitmachen", befahl sie zischend.
Die beiden Marines zogen sich zurück, hoben ihre Waffen und sicherten.
Was soll ich tun?" ließ Gerard sich vernehmen, während Vashtu an Markhams Seite Aufstellung nahm. Sie hatte auf den letzten Metern Energieanzeigen gemessen, die sie nicht wirklich zuordnen konnte. Was auch immer das war, es befand sich definitiv hinter der Tür. Und sie hatte nicht vor, in eine böse Überraschung hineinzugeraten.
Leise fluchend wandte sie den Kopf. „Holen Sie auch Ihre Waffe raus, Doc", zischte sie. „Und seien Sie, verdammt nochmal, leise!" Sie drehte sich wieder um und nickte Markham zu, der daraufhin den Öffnungsmechanismus betätigte.
Vashtu wirbelte in den Durchgang, die P-90 schußbereit an der Wange, den Finger am Abzug. Sie tat einen Schritt, sicherte sofort, fuhr herum, so schnell sie nur konnte, dann trat sie einen Schritt zur Seite.
Sicher!" meldete sie über die Schulter.
Markham folgte ihr, ebenfalls seine Waffe schußbereit.
Der Strahl der beiden kleinen Lampen reichte nicht wirklich weit und traf auf eine felsige Wand. Bei ihrem nächsten Schritt hörte sie das Echo, als ihre Sohle über einen Stein schrammte.
Wo auch immer sie sich hier befanden, es hatte gewaltige Ausmaße und lag sehr tief unter der Oberfläche.
Williams und Jordan traten jetzt ebenfalls ein, leuchteten mit ihren Waffen.
Ein Geräusch!
Vashtu hob die Faust und lauschte, während ihre Augen immer noch die gewaltige Finsternis, die sie umgab, zu durchdringen suchten. Und dann hörte sie es wieder. Ein ... leises Platschen, wie von kleinen Wellen, die sacht gegen einen Strand schlugen. Und war da nicht ein feines Glitzern kurz außerhalb des Lichtsstrahls ihrer P-90.
Mam?" hörte sie Williams fragen, tat einen weiteren vorsichtigen Schritt.
Und dann ... starrte sie auf eine Wasserfläche, die sich sanft bewegte. Sie hatte das Reservior gefunden. Und es ... sah ziemlich groß aus, sofern sie es in dieser Finsternis ausmachen konnte.
Scheiße, was ist das?" fragte Jordan, der an ihre Seite getreten war und auf das Wasser hinausleuchtete.
Vashtu atmete tief ein. „Sieht aus, als hätten wir das Wasser gefunden", sagte sie nach einigem Zögern, ließ dann die P-90 sinken. „Rucksäcke absetzen!" befahl sie hart. „Generatoren raus. Wollen wir doch einmal sehen, ob wir nicht ein bißchen Licht in dieses Dunkel bringen können."
Sie drehte sich um und bemerkte Dr. Gerard, der gerade die Höhle zögernd betrat und sich mit großen Augen umsah. „Doc, untersuchen Sie das Gestein, ob es hier ebenso porös ist wie oben. Wir brauchen zumindest einen stabilen Untergrund, wenn uns schon irgendwann der Himmel auf den Kopf fallen wird."
Der Wissenschaftler blinzelte sie verständnislos an, während sie den Rucksack von ihrem Rücken schälte. „Aber ..."
Sie sind hier, um das Gestein zu untersuchen. Also untersuchen Sie!" Frustriert zerrte sie an den Verschnürungen, kniete sich dann hin und befreite den Naquadah-Generator, den sie die ganze Zeit mit sich herumgeschleppt hatte, aus ihrem Rucksack. Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, daß der Geologe sich endlich an die Arbeit machte.
Kopfschüttelnd beugte sie sich über das Gerät, holte die Kabel aus dem Rucksack und begann sie mit dem Generator zu verbinden.
Williams und Jordan, die ebenfalls Rucksäcke getragen hatten, zauberten jetzt starke Scheinwerfer aus ihnen hervor, während Markham, der einen zweiten Generator bei sich getragen hatte, diesen nun ebenfalls aufstellte..
Vashtu schloß die Kabel an, machte dem Lieutenant Zeichen, und fuhr ihren Generator dann hoch.
Wie Flutlichter in einem Station leuchteten die Scheinwerfer hell auf und erhellten die Höhle tief unter der Stadt.
Na also!
Vashtu richtete sich befriedigt auf und drehte sich um ... um entgeistert zu erstarren.

***

Dr. Stross!"
Peter wünschte sich, er könnte die Tür hinter sich zuknallen lassen, als er das Büro der Leiterin der Stadt stürmte. Doch leider fuhr diese auf einer Schiene wieder in ihre Ausgangsposition zurück. Dafür aber blieb er vor ihrem Schreibtisch stehen und schlug mit beiden Fäusten auf die Platte ein, einmal nur, dann teilte ihm ein Schmerz mit, er solle das jetzt nicht wirklich wiederholen wollen.
Stross starrte ihn groß an, dann verfinsterte sich ihr Gesicht. „Dr. Babbis, was denken Sie sich dabei, hier einfach so hereinzustürmen?" tadelte sie ihn mit scharfer Stimme.
Peter beugte sich über den Schreibtisch. Eine Ader an seinem Hals schwoll an, ohne daß er es bemerkte. In seinen Augen blitzte gerechter Zorn. „Was denken Sie sich dabei, irgendjemandem den Befehl zu geben, in meinen Sachen zu wühlen?" schrie er wieder los.
Stross beugte sich vor. „Ich glaube, ich habe Ihnen vor zwei Stunden mehr als deutlich gesagt, daß eine Untersuchung gegen Sie eingeleitet wurde, Dr. Babbis. Und um Sie von den Vorwürfen zu entlasten habe ich auch einer Durchsuchung Ihres Quartiers, Ihres Büros und Ihres Labors zugestimmt. Das dürfte doch wohl in Ihrem Sinne sein, wenn Sie unschuldig sind, oder?"
Ich BIN unschuldig, verdammt!" brüllte er sie an, beugte sich noch weiter vor. „Ich weiß nicht, was dieser ganze Unsinn soll! Ich habe mir selbst nichts vorzuwerfen! Und ich habe, ebenso wie Sie, viel für Vineta getan. Mich jetzt zu beschuldigen, einen Verrat begangen zu haben, ist einfach ... niederträchtig!"
Nein, es ist eine Schlußfolgerung", entgegnete Stross, senkte dabei ihre Stimme weiter ab und ließ sie beherrscht klingen. Langsam erhob sie sich von ihrem Stuhl, beugte sich jetzt auf ihrer Seite über den Schreibtisch, was ihn unwillkürlich etwas zurückweichen ließ. „Sie sind der einzige Pilot, der nicht einen Devi-Angriff zu verzeichnen hat, Dr. Babbis. Das ist sehr verdächtig, da müssen Sie mir auch zustimmen. Immerhin sind Sie in den letzten Tagen ebenfalls durch das Tor geflogen, so wie Major Uruhk und Lieutenant Markham. Sie hätten ebenso unter Überfällen zu leiden haben müssen wie die anderen. Daß dem nicht so ist, ist verdächtig. Und genau das habe ich versucht, Ihnen zu erklären."
Ich habe absolut gar nichts getan!" Noch immer zornig funkelte er sie an, hob dann die Faust. „Ich bin unschuldig! Wenn ich keine Überfälle zu verzeichnen habe, ist das nichts als Glück, mehr nicht! Und wenn Sie einmal richtig nachdenken würden, würden Sie das auch wissen. Vashtu und Markham gehen sehr viel öfter durch das Gate als ich. Die Wahrscheinlichkeit ..."
Es geht hier nicht um irgendeine Berechnung, Dr. Babbis. Sondern um Auffälligkeiten und Tatsachen. Wenn bei Ihnen nichts zu finden ist, haben Sie doch wohl auch nichts zu befürchten, oder?" Stross neigte leicht den Kopf.
Peter atmete tief und heftig ein, richtete sich dann wieder auf. „Was erlauben Sie sich?" knurrte er. „Sie halten mich von anderen fern, Sie geben den Befehl, in meinen privaten Sachen zu wühlen und beschuldigen mich, ein Verräter zu sein. Mich! Wenn hier jemand einen Grund hat, die Devi tot sehen zu wollen, dann bin ich das! Diese ... diese Hybridwesen haben einen meiner Freunde getötet - vor meinen Augen!"
Das ist mir klar, ändert aber nichts an der Situation." Stross kreuzte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Dr. Babbis. Aber ich kann das nicht übergehen, so leid mir das auch tut."
Und was war auf P1V-139?" Peter fuhr den Arm aus und wies zum Sternentor. Wütend funkelte er die Wissenschaftlerin vor sich an. „Denken Sie denn wirklich, ich wäre so dämlich, daß ich zwar, wenn ich selbst fliege, jeden Angriff unterbinde, dann aber, als ich mit dem Team draußen bin, zu dem ich gehöre, mich freiwillig anschießen lasse?"
Wenn Sie unschuldig sind, haben Sie nichts zu befürchten, Dr. Babbis. Mehr kann ich Ihnen im Moment dazu nicht sagen."
Scheinheiligkeiten!"
Er wußte selbst nicht, was plötzlich in ihn fuhr. Von Wut und gerechtem Zorn getrieben, beugte er sich vor und wischte mit beiden Händen Stross' Schreibtisch leer. Mit einer solchen Wucht, daß kleine Einzelteile gegen die gläserne Wand krachten.
Stross wich nicht zurück, wie er vielleicht vermutet hätte. Sie stand kerzengerade vor ihm, nur von der, jetzt leeren Tischplatte von ihm getrennt, und starrte ihn an. Dann hob sie eine Hand ans Ohr. „Ein Sicherheitsteam sofort in mein Büro", befahl sie mit kalter Stimme.
Peter ging erst jetzt auf, was er da gerade getan hatte. Er hatte die Beherrschung verloren, gründlich verloren.
Hilflos blickte er zu dem Chaos auf dem Boden, bückte sich dann und begann, die Sachen wieder einzusammeln.
Lassen Sie das, Dr. Babbis", befahl Stross ihm mit kalter Stimme, was ihn aber nur noch mehr antrieb, wieder für Ordnung zu sorgen.
Sie sollen das lassen!" fuhr sie ihn an, gerade als er nach einer kleinen Brosche griff, die er noch nie gesehen hatte.
Er richtete sich auf, seine Finger schlossen sich um das Schmuckstück.
Stross sah ihn immer noch an, schwieg jetzt aber.
Es ... tut mir leid."
Seine Hand begann plötzlich zu jucken und zu stechen. Hilflos öffnete er die Finger wieder und ließ die Brosche auf den leeren Schreibtisch fallen. Die Haut seine Handfläche und der Finger war etwas gerötet, und das Jucken hielt an.
Die Tür hinter ihm öffnete sich und zwei Marines betraten das Büro.
Bringen Sie Dr. Babbis bitte zurück zu seinem Quartier", befahl Stross noch immer mit dieser kalten Stimme. „Und sorgen Sie dafür, daß er es nicht verläßt."
Peter fügte sich, rieb sich die Hand an der Hose.

TBC ...

01.07.2012

Die undichte Stelle IV


Vashtu stieg immer tiefer hinunter in die Eingeweide der Stadt. Die Lichter der P-90, die die Mehrzahl ihrer Expedition bei sich trugen, erhellten den Schacht, dem sie folgten, nur unzureichend, selbst die helle Hallogenlampe, die Dr. Gerard bei sich hatte, konnte die sie umgebende Finsternis nicht wirklich durchdringen.
Natürlich hätte sie, bevor sie aufgebrochen waren, kurzfristig die Energieversorgung zuschalten können für die unteren Ebenen der Stadt. Doch das wollte sie so lange wie möglich vermeiden. Wer konnte denn schon sagen, was sie hier erwarten würde? Was hinter den Schotts und Türen lauerte, die sie vielleicht nicht hätte verriegelt lassen können. Und auf dieser Reise tief in die unteren Ebenen Vinetas ging es letztendlich nur um die Frage nach dem Trinkwasser.
Es ist ziemlich unheimlich hier", stellte Gerard fest, der etwas hinter ihr die Stufen hinunterging. „Und wir hätten vielleicht die Lifte benutzen können, wenn Sie ..."
Nein!" Vashtu leuchtete wieder die Rohrleitungen an, denen sie folgten. „Sie sollten sich besser um das Wasser kümmern, Doc, und mir keine Vorschläge machen wollen."
Markham warf ihr einen amüsierten Blick über die Schulter zu.
Vashtu war nervös und fühlte sich frustriert. Peter zu beschuldigen war in ihren Augen einfach nur lächerlich. Was auch immer diese ständigen Angriffe von Seiten der Devi ausgelöst hatte, er war es sicher nicht, davon war sie überzeugt. Aber Anne und der Großteil der Stadt hatte sich auf ihn als Sündenbock versteift, und sie war nicht sicher, ob es je gelingen würde, diesen Verdacht vollkommen von ihm zu nehmen - zumindest solange nicht, bis sich der wahre Schuldige gefunden hatte. Und ob der jemals auftauchen würde?
Diese Dinge hier sind sehr komplex errichtet und geplant worden", begann Gerard zu dozieren.
Vashtu seufzte ergeben, drehte sich zu ihm um und leuchtete ihm ins Gesicht. „Der Rat war nicht dumm. Und er hat diese Stadt errichten lassen", fiel sie dem Wissenschaftler ins Wort.
Gerard blinzelte, bis sie endlich den Lichtkegel senkte. „Ich meinte nur, man wird sich etwas dabei gedacht haben, Vineta zwar nicht so groß wie Atlantis anzulegen, aber in die Tiefe zu ziehen. Wir sollten uns wirklich diesen Subebenen zuwenden."
Das werden wir auch irgendwann tun, keine Angst." Vashtu drehte sich wieder um und marschierte entschlossenen Schrittes die Treppe weiter hinunter.
Warum öffnen wir sie dann nicht sofort?"
Weil es möglicherweise zu gefährlich ist." Sie warf Markham einen frustrierten Blick zu und zog eine Grimasse. „Wir sollten uns nach und nach um das kümmern, was uns vielleicht hier erwartet. Wir hatten noch immer keine Zeit, den oberen Forschungssektor zu erkunden, Doc. Ich halte nicht sehr viel davon, wenn wir jetzt schon hier unten anfangen herumzuwüten. Außerdem sind die Forschungsberichte gerade erst aufgetaucht."
Aber jetzt sind wir doch auch hier unten. Wir sollten zumindest einen Blick auf das werfen, was ..."
Ein warnender Blick traf den Wissenschaftler und ließ ihn verstummen.
Vashtu nickte befriedigt, als er endlich den Mund schloß. „Kümmern Sie sich um die Pläne. Nicht daß wir hier den falschen Leitungen folgen und in irgendeiner Aufstiegsmaschine herauskommen", sagte sie, was ihr wieder irritierte Blicke einbrachte.
Sie sollte sich wirklich langsam daran gewöhnen, daß sie hier zwar mit einer Atlantis-Besatzung zu tun hatte, aber nicht mit der, die sie kannte, auch wenn ihr einige Gesichter bekannt vorkamen. Von anderen, wie Markham, wußte sie, daß sie in dieser Dimension als tot oder vermißt galten. Nein, der junge Lieutenant, hier ein Offizier der Air Force, war auf ihrem Atlantis ein Marine-Sergeant gewesen und nur dank des Gens in den zweifelhaften Ruf gelangt, Puddlejumper zu fliegen. Auch Doc Grodin, der auf der Prometheus festsaß, war schon lange tot und kein Mediziner gewesen.
Es war immer noch verwirrend, auch wenn sie sich allmählich daran gewöhnte. Dennoch blieb manchmal ein schaler Geschmack in ihrem Mund zurück und sie hoffte, sie würde von denen, mit denen sie jetzt täglich zu tun hatte und gemeinsam in dieser Stadt lebte, lange etwas haben und ihnen eine zweite Chance geben können, sofern sie eigentlich bereits als tot galten. Und ... hatten ihre Verbindungen zu John, dank der Gefühle zwischen ihnen und einem Plan ihres alten Freundes Janus überhaupt entstanden, ihr nicht bereits mitgeteilt, daß auch sie als gefallen galt? Für ihren Dienst hatte sie sogar einen Orden erhalten, was auch immer das einer Toten bringen sollte.
Vashtu riß sich aus ihren Gedanken, als ein weiteres Schott im Licht der Lampe auftauchte. Die Stufen aber führten noch tiefer in die Eingeweide dieses Planeten hinunter.
Diese Höhlen waren zum Großteil künstlich angelegt, das wußte sie durch ihren Besuch auf Antarktica. Dabei aber blieb die Frage, ob man auf ein bereits bestehendes System von Höhlen und Gängen zugegriffen und dieses „nur" erweitert hatte zu diesen gewaltigen künstlichen Domen, in denen sie jetzt bereits seit fünf Monaten lebten.
Vashtu schwenkte die P-90 zu den Stufen. „Weiter!" befahl sie mit harter Stimme.
Unter ihr sah sie zwei einsame Lichtstrahlen. Williams und Jordan, die ihren Weg sicherten. Hinter ihnen folgten Watson und Lafayette, die ihren Rückweg kontrollieren sollten.
Der allerdings würde sich als ziemlich anstrengend erweisen, davon war sie überzeugt. Wenn sie jetzt nur die ganzen Stufen bedachte, die sie hinuntergestiegen waren ... die unteren Ebenen Vinetas hatten offensichtlich ebenso gewaltige Ausmaße wie die obere Höhle. Und hoffentlich war das Gestein hier etwas weniger mürbe. Aber um das herauszufinden hatte sie schließlich Gerard mit dabei.
Und Peter hockte jetzt irgendwo oben und kochte vermutlich wieder einmal im eigenen Saft, weil er glaubte, sie hätte freiwillig auf ihn verzichtet. Als würde sie das tun! Nein, ganz sicher würde sie das nicht. Sie arbeitete von allen am besten mit ihm zusammen, schätzte seine Einwände und auch seine Einfälle, wenn sie ihm auch oft genug auf den Weg helfen mußte, wie mit den PKs. Brachte sie ihn jedoch einmal auf den richtigen Gedanken, dann verbiß er sich darin und ließ sich nicht mehr davon abbringen, bis er eine Lösung gefunden hatte.
Das mochte sie an ihm, mußte sie sich eingestehen. Diese Hartnäckigkeit, mit der er selbst unter Druck hervorragend arbeitete, auch wenn er dann gern lamentierte - wie McKay, wie sie dann immer wieder feststellte.
Hatte John soetwas nicht auch indirekt zu ihr gesagt? Daß sie sich, vielleicht aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu ihm, einen kleinen McKay herangezüchtet hatte mit Peter? Nun ja, zumindest hatte er von Spaß gesprochen, und den hoffte sie auch irgendwann wieder zu haben.
Aber erst einmal mußte dieser blödsinnige Verdacht ausgeräumt werden, der gegen ihn gehegt wurde. Es war doch einfach nur lächerlich anzunehmen, daß ausgerechnet Peter, der hatte mitansehen müssen, wie sein Freund Wallace starb, sich auf irgendeinen Handel mit jemandem wie den Devi einließ. Und es zeugte nur allzu deutlich davon, daß die Reste von SG-27 noch immer nicht wirklich von den ehemaligen Atlantern akzeptiert wurden.
Wobei ... ?
Vashtu schüttelte den Kopf, als ihr ein anderer Gedanke durch den Kopf ging. Ein Gedanke, der für sie sehr unangenehm war. Aber zumindest Anne war jeden Tag bei ihr gewesen, als sie mit ihren Fremdzellen zu kämpfen und sich freiwillig hatte in eine Zelle sperren lassen. Die Leiterin der verbotenen Stadt war dort gewesen, ebenso wie Peter und Dorn - und einigen anderen der neuen Bewohner der Stadt. Selbst Cornyr und Danea hatten sie besucht, nachdem ihre Anfälle nachgelassen hatten. All das hatte sehr beruhigend auf sie gewirkt, und sie war überzeugt gewesen, akzeptiert zu werden, gleich was auch immer sich in ihr verbarg. Sie hatte sich als Teil der Stadt gefühlt, als jemand, dessen Meinung und Freundschaft andere zu schätzen wußten.
Und Peter? Sie durfte nicht zu ihm, was ihm sicher einen falschen Eindruck vermittelte. Sie kannte ihn gut genug, um das sagen zu können. Er würde wieder einmal vermuten, sie wolle ihn abschieben und zurücklassen. Selbst wenn er es ihr nicht ins Gesicht sagte, aber er würde es denken. Und es würde sein Vertrauen in sie erschüttern.
Wie konnte sie sich an einen, in ihren Augen dermaßen irrsinnigen Befehl fügen? Warum sollte sie das tun?
Vashtu beschloß im stillen, daß sie, sobald sie wieder in der obersten Ebene der Stadt waren, Peter aufsuchen würde. Sie mußte ja nicht mit ihm über irgendwelche Flüge oder Geheimnisse reden. Es gab genug anderes, zumindest hoffte sie das, worüber man sprechen konnte. Aber von ihm fernhalten ... ? Nein, das würde sie nicht weiter zulassen! Sie würde ihn nicht wie einen Aussätzigen behandeln, dazu wußte sie selbst viel zu gut, wie es war.
Markham blieb plötzlich wieder stehen und drehte sich zu ihr um, die Stirn gerunzelt sah er sie nachdenklich an. „Sagten Sie nicht etwas von drei Subebenen, Mam?" fragte er.
Vashtu blinzelte, warf Gerard, der gerade wieder in sein Datenpad vertieft hatte, einen Blick zu. Dann nickte sie. „Ja, ich sprach von drei unteren Ebenen der Stadt. Warum?"
Markham drehte sich um und leuchtete mit seiner Waffe in das nächste Stockwerk hinunter. „Weil wir die dritte Subebene gerade erreichen, Mam", antwortete er, trat einen Schritt zur Seite, damit sie an ihm vorbei konnte, um sich selbst zu überzeugen, daß hier irgendetwas nicht stimmte.
Und tatsächlich, sie befanden sich gerade in einen Zwischengeschoß. Nach der nächsten Kehre in der Treppe folgte ein weiteres Schott. Die Treppe aber ... führte noch tiefer hinunter in den Planeten hinein.
Vashtu holte tief Atem, drehte sich dann zu Markham um, doch auch der konnte ihr keine passende Antwort präsentieren.
Sie biß sich auf die Lippen und fühlte wieder eine gewisse Wut in sich aufsteigen.
Was in dieser Stadt stimmte eigentlich überhaupt mit den Plänen überein? Und warum hatte man diese offensichtlichen Änderungen der Pläne nicht eingetragen? Was sollte diese verdammte Geheimhaltung?
Vashtu fluchte in ihrer Muttersprache, stieg die Treppen weiter hinunter. Die Tür zur dritten Subebene ließ sie unbeachtet, sondern marschierte mit strammen Schritten weiter.
Sie würde schon noch herausfinden, was hier eigentlich gespielt worden war!

***

Peter ging strammen Schrittes zurück zu seinem Quartier.
Die halbe Stadt hatte er auf den Kopf gestellt, um Vashtu zu finden, die ihm vielleicht helfen konnte bei seinem Problem. Gleichgültig, was Stross auch immer behauptete, er war keine Gefahr! Und er spürte irgendwo tief in sich, daß die Antikerin dies auch sehr genau wußte und deshalb heute morgen versucht hatte, mit ihm zu sprechen, bis sie durch den Funkspruch gestört worden war.
Aber sie war nicht auffindbar. Von einem Marine-Sergeanten, dessen Namen er nicht kannte, hatte er schließlich gehört, daß sie im Auftrag von Stross unterwegs war mit einem Team, um die Süßwasserquelle ausfindig zu machen, die diese Stadt versorgte.
Und ihn hatte sie hier zurückgelassen mit den Vorwürfen und Beschuldigungen!
Peter kniff die Lippen fest aufeinander.
Nein, er wußte, daß die Antikerin ihn nicht einfach zurückgelassen hatte. Sie hatte sich bisher immer für ihn eingesetzt, selbst wenn er Unsinn angestellt hatte wie damals mit dieser ATA-Therapie. Eigentlich hätte er im Team ausgetauscht werden müssen, und das wußte er auch. Doch sie hatte darauf bestanden, daß er in SG-27 blieb.
Aber warum hatte sie ihn dann nicht mit auf diese Expedition genommen? Warum hatte sie sie nicht einmal ihm gegenüber erwähnt?
Irgendwie fühlte er sich doch zurückgesetzt und alleingelassen, mußte er zugeben. Auch wenn er sich noch so realistische Szenarien ausdachte für ihr Schweigen, an diesen Gefühlen konnte all das nichts ändern. Vielleicht sollte er ihr einmal richtig die Meinung sagen, damit sie endlich verstand, wie er sich fühlte, wenn sie soetwas tat. Es war ja wie damals bei der Erkundung der Stadt. Da war sie auch mit Stross losgezogen und hatte ihn mit Markham zusammengesteckt. Naja, gut, sie hatte mit der jetzigen Leiterin Vinetas offensichtlich etwas ausgehandelt wegen dem verbliebenen Rest von SG-27. Jedenfalls waren Dorn und er sofort bis in den Führungsstab aufgerückt, nachdem Stross die Leitung übernommen hatte. Vashtu dagegen hing irgendwie noch immer in der Luft, auch wenn immer mehr Stimmen laut wurden, sie solle endlich offiziell den Posten einnehmen, den sie ohnehin schon die ganze Zeit ausfüllte. Aber das, das wußte er auch,  würde wohl noch ein hartes Stück Arbeit werden.
Peter bog um die Ecke des Ganges, als er es bemerkte: Die Tür zu seinem Quartier stand offen!
Einen Moment lang blieb er verblüfft stehen, wußte nicht so recht, was er davon halten sollte. Er war sich sicher, er hatte am Morgen, nachdem er aus der Krankenstation entlassen worden war, die Tür verschlossen, damit niemand dieses Gerät fand, das er ...
Das Gerät! Dieser Kopierer!
Peter hetzte los, die letzten Meter nahm er im Spurt. Und da hörte er auch endlich die Stimme. Die Stimme, von der er niemals gedacht hatte, sie ausgerechnet in einem solchen Moment hören zu müssen: Sergeant Dorn befand sich in seinem Quartier!
Peter riß die Augen auf, schlitterte die letzten Meter und blieb dann, wie angenagelt, in der Öffnung stehen und konnte einfach nicht glauben, was er da sah.
Dorn stand, wie ein General auf dem Schlachtfeld, mitten in dem halbdunklen Raum, in einer Hand die allgegenwärtige Krücke, und gab den drei anderen Marines Anweisungen, die diese auch prompt ausführten.
Sein Quartier wurde durchsucht!
Dorn!" entfuhr es Peter.
Der Marine drehte sich zu ihm um, sah ihn ernst an. „Doc." Er nickte grüßend, doch diesmal ohne jedes Schmunzeln oder amüsierten Blick.
Sir, ich habe da was!"
Peters Kopf ruckte zu seinem Schrank hinüber, den man offenbar aufgebrochen hatte. Der Militär, der in seinen Sachen gewühlt hatte, zog gerade ... den Kopierer aus seinem Versteck.
Dorn warf ihm einen Blick zu, humpelte dann zu seinem Untergebenen.
Peter kniff die Lippen fest aufeinander, um den wütenden Schrei zu unterdrücken, der in seiner Kehle steckte.
Wie kamen sie dazu, in seinen Sachen zu wühlen? Wie konnten sie seinen Schrank aufbrechen? Warum ... ?
Er tat noch einen Schritt über die Schwelle, fixierte zornig Dorns Rücken.
Der dirigierte mit seiner Krücke den anderen zu dem zerwühlten Bett hinüber, um sich den Kopierer genauer ansehen zu können.
Was machen Sie da?" fragte Peter endlich, auch wenn er es sehr genau wußte.
Dorn warf ihm wieder einen solchen Blick zu, vorwurfsvoll und enttäuscht. Dann richtete der Marine sein Interesse wieder auf das Gerät, das bereits vor Monaten aufgetaucht war und Peter heimlich in sein Quartier gebracht hatte, um es genauer zu untersuchen.
Das ist mein Eigentum, Dorn! Sie können doch nicht so einfach ..."
Den Schreibtisch", befahl der Marine mit tieferer Stimme als sonst.
Dorn!"
Der ältliche Mann mit den grauen Augen drehte sich zu ihm herum und sah ihn wieder an. „Sie gehen einen Kaffee trinken, Doc. Ist besser. Wir räumen auf, wenn wir fertig sind."
Wie komme ich dazu? Wer hat Ihnen denn überhaupt gestattet, meine Sachen zu durchwühlen?" wetterte Peter plötzlich los. „Hier befinden sich sehr heikle und gefährliche Experimente, Dorn. Sie können doch nicht so einfach ..."
Innere Sicherheit", antwortete der Marine fest.
Peter schnappte einen Moment lang nach Luft.
Dorn also auch! Ausgerechnet der Marine, ausgerechnet ...
Peter fühlte sich plötzlich von allen verlassen, denen er bis jetzt getraut hatte. Vashtu war allein losgezogen, hatte ihn zurückgelassen. Stross beschuldigte ihn, ein Verräter zu sein. Und Dorn ... glaubte das auch noch!
Ich habe mir nichts zu schulden kommen lassen", würgte er irgendwie hervor. „Und Sie sollten das auch wissen! Wir kennen uns lange genug, Dorn."
Er fühlte einfach nur bittere Enttäuschung über seine gesamte Umwelt. Er wünschte sich im Moment nichts anderes, als so schnell wie möglich wieder auf der Erde, auf ihrer Erde, zu sein, sich dort in seinem Apartment vergraben zu können und den Rest der Welt auszusperren aus seinem Leben. Reichte es denn nicht schon, was er bis jetzt hatte erdulden müssen? Hatte er nicht schon genug für Vineta getan?
Dorn sah ihn immer noch an, und Peter ging auf, daß irgendetwas in diesem Blick war. Doch seine eigenen Emotionen peitschten im Moment zu hoch, er konnte nicht verstehen, was Dorn ihm da in seiner üblichen stummen Art mitteilen wollte.
Gehen Sie, Doc. Ist besser", sagte der Marine schließlich.
Und Peter ballte in hilfloser Wut die Hände zu Fäusten.
Er würde gehen. Ja, und er wußte auch genau, zu wem er gehen würde!
Er drehte sich auf dem Absatz um und marschierte mit großen Schritten den Weg zurück, den er gekommen war.

TBC ...