30.09.2012

2.11 Meuterei (Teil 2)

Author's Note: Und damit ist die Pause beendet. Viel Spaß jetzt bei der Fortsetzung!



Lieutenant Jason Frederics kroch bis an das Gitter heran, suchte dann mit den Augen, so gut es ging, die Umgebung ab, ehe er vorsichtig mit den Fingerknöcheln gegen das Metall klopfte.
„Roger, mach auf. Los, mach auf, Mann!“ zischte er.
Ein junger Mann mit blondem, kurzen Haar, drehte sich um, sein Kopf ruckte suchend hin und her.
„Ich bin hier. In der Lüftung“, wisperte Frederics.
Der andere blinzelte, trat dann aber näher. „Jason?“ fragte er ungläubig. „Aber ich dachte ...“
„Laß mich hier raus, verdammt. Und mach schnell!“
Der andere nickte. „Moment.“ Er verschwand aus Frederics Blickfeld.
Der junge Marine linste aufmerksam in den Raum hinein, zumindest so gut er ihn erkennen konnte.
Seit zwei Tagen kroch er durch die Schächte der Prometheus, irgendwie auf ein Wunder hoffend. Doch dieses Wunder wollte sich einfach nicht einstellen. Also hatte er beschlossen, selbst aktiv zu werden.
Es gab noch genug Unzufriedene unter der Besatzung, die bisher nicht in das Fadenkreuz des Colonels geraten waren wie er. Und er hatte Freunde, die ihm vielleicht helfen würden. Freunde wie Roger Vanderbilt, mit denen er zusammen in der Ausbildung gewesen war und denen er vertraute. Pendergast konnte einfach noch nicht alle mit seinem Größenwahn angesteckt haben, es ging einfach nicht!
Die Verschraubungen wurden gelöst, als Vanderbilt wieder auftauchte, einen Schraubendreher in der Hand und konzentriert arbeitend.
„Was ist passiert?“ verlangte er zu wissen. „Der Colonel hat uns durch die Gänge gescheucht wie bei einem Herdentrieb. Aber gesehen habe ich erst etwas, als wir in den 302-Hangar gekommen sind. Da waren Leichen.“
Frederics kniff die Lippen fest aufeinander. „Leichen?“ fragte er nach einiger Zeit.
Sollte sich die Möglichkeit, die Danea, dieser Erethianer ihnen geboten hatte, sich als Falle herausgestellt haben? Waren die anderen, die nicht wieder eingefangen worden waren, in feindliches Feuer gelaufen und umgekommen?
„Einige Leute des Colonels und ein paar, die mit dir eingesperrt gewesen sind. Jason, was war da los?“ Vanderbilt blickte auf.
Frederics rüttelte wieder an dem Gitter. „Das erzähle ich dir, wenn ich hier raus bin. Und jetzt mach endlich! Wir müssen den Schacht wieder verschlossen haben, wenn jemand kommt.“
„Klar.“ Der junge Marine nickte, schraubte weiter.
Einige Leute von Pendergast und ein paar von den Eingesperrten. Ein paar. Wieviele waren in Rogers Augen ein paar? Sie waren rund dreißig Leute in dem Hangar gewesen, und dann war da noch dieser Erethianer-Trupp gewesen, den Major Uruhk ihnen zu Hilfe geschickt hatte. Das waren definitv mehr als ein paar.
Aber was war danach passiert?
Frederics hatte getan, was er konnte, um eben nicht aufzufallen und doch irgendwie Informationen zu erhalten. Bis zur Brücke kam er nicht, die Lüftungsschächte dort waren mehrfach versiegelt. Er hatte sein Glück bei der Messe versucht, war sogar bis in Bates' Quartier gekrochen in der Hoffnung, irgendetwas herauszufinden. Doch mehr als ein paar Brocken hatte ihm das nicht gebracht. Und diese Brocken ergaben keinen rechten Sinn für ihn. Er wußte nicht, was er damit anfangen sollte.
Endlich löste sich das Gitter.
Frederics schwang sich geschickt aus dem engen Schacht, kam auf die Beine und sah sich aufmerksam um. Dann half er seinem Freund, alles wieder zu präparieren, wie es vorher gewesen war, oder doch zumindest so gut er konnte.
Nachdem sie das Gitter wieder angeschraubt hatten, wischte er mit dem Fuß über die Staubschicht, die sich unten an der Wand gebildet hatte durch das Entfernen und Wiederanschrauben, um das ganze etwas zu verteilen. Ein Fehler, es liegenzulassen, und er wußte es. Doch leider wurden solche Kleinigkeiten viel zu oft übersehen.
„Also, was ist hier los?“ zischte er Vanderbilt zu, packte den anderen bei den Schultern. „Was ist passiert?“
„Wir sind gestartet“, antwortete der.
Frederics nickte.
Das wußte er. Wie er auch wußte, daß sie nicht allzu schnell vorankamen. Noch immer hingen sie in der Umlaufbahn. Die beschädigte Prometheus brauchte lange, ehe sie sich von dem Himmelskörper lösen konnte.
„Was war das mit den Leichen? Roger!“
Der sah ihn etwas hilflos an. „Jeffreys Trupp war vollständig aufgerieben“, antwortete er. „Wer war das? DieseMajorin, die wir zusammen mit den Wissenschaftlern auf dem Mond aufgelesen haben?“
Frederics nickte. „Weiter“, forderte er.
Die Zeit brannte ihm unter den Nägeln. Er mußte sehen, daß er die anderen Gefangenen, sofern er sie finden konnte, befreien und irgendwie auf den Planeten hinunterbringen konnte. Denn offensichtlich wurde Major Uruhk irgendwie von einer weiteren Rettungsmission, die mit Selbstmord gleichzusetzen gewesen wäre, mußte er zugeben, abgehalten.
„Von den anderen ... diese Gehirnklempnerin und einer der Pfleger waren tot“, antwortete Vanderbilt zögernd. „Und da war doch dieser kleine Techniker mit der dicken Brille? Den hatte es auch erwischt.“
Heightmeyer?
„Oh Mann!“ Frederics schluckte. Er hatte die Psychologin gemocht. Während der letzten Wochen im Hangar war es auch sie gewesen, die den anderen immer wieder Mut machte und ihnen Trost zusprach.
„Was ist mit Major Uruhk? Konnte sie entkommen?“ fragte er, auch wenn er sich da, nach allem, was er hatte läuten gehört, ziemlich sicher war.
Vanderbilt nickte. „Die war so schnell weg, wie sie gekommen war. Der Colonel hat danach ...“ Er stockte.
Frederics wurde mißtrauisch. Vanderbilt war einer der wenigen, die Zutritt hatten und Dienst auf der Brücke leisteten. Gerade darum hatte er sich ihn ja auch ausgesucht als Informanten.
„Pendergast hat was? Roger?“ fragte er lauernd und starrte dem anderen tief in die Augen.
„Er wollte einen Deal mit ihr durchziehen ... wegen Barnes und diesem Alien-Typen“, stotterte Vanderbilt.
„Einen Deal?“ Frederics dachte rasend schnell nach. „Wann soll dieser Deal über die Bühne gehen?“
„Er sollte schon längst vorbei sein“, platzte es aus Vanderbilt heraus. „Der Colonel war heute morgen unten auf dem Planeten. Aber die beiden hat er zurückgelassen. Und er und Bates sind auch wieder zurückgekommen.“
Frederics' Herz schlug ihm bis zum Hals. „Allein?“ fragte er.
„Keine Ahnung. Auf der Brücke war dieser Major jedenfalls nicht.“
Natürlich nicht.
Frederics nickte, ließ Vanderbilt endlich los. „Okay, dank dir, Kumpel. Und zu keinem ein Wort!“ Mit einem spitzbübischen Grinsen legte er einen Finger an die Lippen.
„Und wo willst du jetzt hin?“
Frederics drehte sich um.
Gute Frage, darüber hatte er sich noch keine echten Gedanken gemacht. Er wußte nur, er brauchte Verstärkung und Waffen. Also würde sein nächster Schritt wohl ...
„Laß das meine Sorge sein.“


***

Dr. Anne Stross kam im Eilschritt aus dem Antiker-Lift heraus und ging hinüber zur Tür der Krankenstation.
Vor knapp einer Viertelstunde hatte sie die Nachricht des Suchtrupps erreicht, daß man wieder in der Stadt wäre. Mit dabei, einen schwer verletzten Dr. Peter Babbis. Von Lieutenant David Markham fehlte noch immer jede Spur. Doch Sergeant George Dorn, der für die innere Sicherheit der Stadt zuständig war, hatte bereits einen neuen Trupp ausgesandt, der hoffentlich bald Neuigkeiten bringen würde.
Anne aber zweifelte nicht daran, daß es sich um schlechte Neuigkeiten handeln würde. Pendergast hatte sich bei ihr gemeldet, und sie hatte den Schmerzensschrei gehört, den Major Vashtu Uruhk ausgestoßen hatte. Die Antikerin lebte zwar, befand sich aber in der Gewalt des Kommandanten der Prometheus. Und niemand konnte sagen, ob und wie ihr das Kunststück gelingen würde, sich erneut zu befreien und wieder herunterzukommen.
Anne trat durch die Tür und sah sich um.
Marc Boyer, der Oberpfleger, kam gerade an ihr vorbei, mit toternstem Gesicht und tief gerunzelter Stirn. Anne hängte sich sofort an ihn.
„Marc, wie geht es Dr. Babbis?“ fragte sie, folgte ihm auf dem Fuße.
Der Pfleger zuckte mit den Schultern. „Schlecht“, antwortete er einsilbig, öffnete die kleine Tür zum Labor. Dann drehte er sich zu ihr um und sah sie ernst an. „Sehr schlecht. Wenn Sie mich fragen, hat er kaum eine Überlebenschance, es sei denn, Grodin kommt von der Prometheus herunter. Die Kugel hat knapp sein Herz verfehlt, aber er hat viel Blut verloren. Dr. Stevenson und Dr. LaCrux haben noch nicht genug Erfahrung. Und Dr. Miong hat selbst noch mit einer Schußwunde zu kämpfen. Wir brauchen Grodin, und das dringenst!“ Mit diesen Worten trat er durch die Tür, die sich direkt hinter ihm wieder schloß.
Anne starrte ihm nach und schluckte.
Alle drei ATA-Träger außer Gefecht, verwundet, verschleppt oder vermißt. Sie konnten absolut gar nichts tun. Selbst wenn es ihr irgendwie gelang, zur Prometheus Kontakt aufzunehmen, glaubte sie nicht, daß Pendergast Grodin zur Behandlung eines Wissenschaftlers hier herunterlassen würde. Ganz zu schweigen davon, daß ...
Anne drehte sich um und betrachtete einen Moment lang die Etage, auf der sie sich befand, bis sie fand, was sie suchte. In der Krankenstation war es ansonsten ruhig, nur um ein abgetrenntes Abteil herrschte etwas Hektik. Und dort ...
Anne biß sich auf die Lippen und marschierte wieder los.
Irgendwie mußte dieser Alptraum doch endlich enden! Sie hoffte immer noch, in ihrem Bett wieder aufzuwachen und sich dann entspannt zurücklehnen zu können. Aber sie wußte auch, das würde nicht der Fall sein.
Was auch immer Major Uruhk sich dabei gedacht hatte, sie hätte eigentlich wissen müssen, daß sie sich auf keinen Handel mit Pendergast einlassen konnte. Der Colonel hatte ihr schon das letzte Mal übel mitgespielt, sehr übel mitgespielt, wie Anne sich erinnerte. Es fehlte nicht viel um sich ausmalen zu können, was die Antikerin jetzt erwarten würde.
Sie blieb vor dem Abteil stehen und atmete wieder einige Male tief ein.
Hinter dem Vorhang wurde hektisch gearbeitet, sie sah es und konnte es auch hören. Aber es war merkwürdig still. So als ob der Tod bereits Einzug gehalten hatte in diesen Raum. Als würde man nur noch ...
Anne riß sich mit aller Gewalt aus ihren Gedanken und trat um den Vorhang herum.
Auf dem OP-Tisch lag, mit nacktem Oberkörper, Babbis, die Brille immer noch auf der Nase. Offensichtlich hatte niemand daran gedacht, sie ihm abzunehmen. Seine Brust war blutbedeckt, ein Loch, aus dem der rote Lebenssaft noch immer pulsierend floß, war nahe seines Herzens.
Die beiden jungen Assistenzärzte, LaCrux und Stevenson, versuchten hektisch, die Blutung zu stillen, doch in ihren Gesichtern war nichts als die pure Ratlosigkeit.
Anne kniff die Lippen zusammen, starrte auf den jungen Mann hinunter, der um sein Leben kämpfte.
Nicht Babbis, nicht auch noch er! So nervend er auch oft war, so rechthaberisch und eigenwillig, sie brauchten ihn hier. Er mußte einfach überleben, auch für Major Uruhk, die in ihm wohl mehr sah als nur einen Wissenschaftler.
Anne hob die Hand, legte den Daumen an ihre Lippen. Dann begann sie, an dem Nagel zu knabbern, wie sie es schon eine Weile nicht mehr getan hatte. Dabei beobachtete sie weiter die hilflosen Versuche der beiden Ärzte, den jungen Wissenschaftler zu retten.
„Mam, Doc“, wandte sich nach einer Weile eine ruhige, tiefe Stimme an sie.
Anne versteifte sich, ließ die Hand sinken. „Dorn“, flüsterte sie, wagte nicht, einen Blick abzuwenden.
„Wir haben ... einen ausgebrannten Puddlejumper gefunden“, sagte die Stimme des Marines im einem tiefen Timbre, das sie nicht kannte.
Anne nickte auffordernd, noch immer den Blick auf Babbis fixiert.
„Lieutenant Markham ist tot, Doc“, schloß Dorn seinen kurzen Bericht.
Anne schloß die Augen.

TBC ...

02.09.2012

Meuterei (Teil 1) VII

Author's Note: Da bei mir im Moment das RL eine ziemlich große Rolle spielt, gehe ich nach diesem Post für ein paar Wochen in "Urlaub". Nennt es Season-Break, wenn ihr wollt. Sobald ich wieder fit bin, geht's weiter. Falls ich es vergessen sollte ... ;) ich besitze auch ein Mailfach und die Leute, die mich kennen, wissen, wie sie mich erreichen können.
Viel Spaß beim Lesen!


Am nächsten Morgen - eine Stunde vor Sonnenaufgang:

Hart wurde er gerüttelt, und eine Stimme schien ihm in sein Ohr zu brüllen, was er erst gar nicht verstehen konnte.
Wo kam denn hier bitte eine Stimme her? Er lag doch in seinem Bett. Wie sollte da ... ?
„Peter, ich brauche Sie, aufstehen!“ rief die Stimme wieder. Die Stimme von Vashtu Uruhk.
Er blinzelte, wollte sich einen Moment lang unwillig wieder losmachen, um sich auf die Seite zu drehen. Dann aber gab er es auf. Sie war einfach zu hartnäckig, außerdem flammte jetzt auch noch das Licht in seinem Quartier auf.
Aber, wo zum Kuckuck, kam die Antikerin her? Wie kam sie in seine privaten Räumlichkeiten hinein? Er riegelte doch jeden Abend die Tür ab, damit er keine unliebsame Überraschung in der Nacht erlebte, wie sie schon des öfteren vorgekommen war.
„Was ... ?“ grummelte er unwillig.
„Aufstehen, los! Wir haben keine Zeit. Und nehmen Sie ihre Automatik mit!“ befahl ihr Stimme.
Er blinzelte, als sie immer noch nicht aufhörte, ihn an der Schulter zu rütteln, und gähnte herzhaft. „Wie spät ist es?“
„Früh genug. Wir haben nicht viel Zeit und ich muß noch unsere Spuren verwischen. Also los!“ In ihren Augen blitzte es.
Was sollte das bedeuten? Sie hatten doch gar keinen Einsatz am Sternentor. Und sein nächster Flug war erst für den Nachmittag geplant, weil er noch eine Testreihe durchführen wollte.
„Jetzt machen Sie schon, Peter!“ Sie knuffte ihn in den Oberarm.
„Autsch!“ rief er protestierend aus, setzte sich jetzt endlich auf und rieb sich die schmerzende Stelle. „Irgendwann brechen Sie mir noch einmal den Arm“, beschwerte er sich.
„Machen Sie schon.“ Sie richtete sich ungeduldig auf, trat zu dem Stuhl, über dem seine Kleider vom gestrigen Tag zum Auslüften hingen, und warf sie ihm zu. „Wir haben eine Verabredung. Na los!“
„Eine Verabredung?“ Er schwang sich aus dem Bett und griff nach dem Pullover, den er sich besorgt hatte, weil es ihm allmählich zu kalt in diesen Höhlen wurde.
Vashtu nickte ungeduldig. „Mit Pendergast“, fuhr sie fort.
Er stockte mitten in der Bewegung. „Mit wem?“ Seine Augen wurden groß.
Sie starrte ihn durchdringend an. „Wir treffen uns mit Pendergast, um die Geiseln auszutauschen, Peter. Und jetzt machen Sie endlich! Wir müssen den halben Planeten umkurven, damit er nicht herausfindet, wo wir wirklich stecken.“
„Sind Sie irre? Sie wollen ...“ Er stutzte. „Was wollen sie eigentlich?“ fragte er.
Vashtu präsentierte ihm eine glänzende Cd. „Er wollte einige Informationen und einen der Mikrowellen-Jumper“, erklärte sie. „Ich habe die ganze Nacht daran gesessen und einen normalen präpariert. Von mir kriegt er absolut nichts, schon gar keine Waffe, die er am Ende noch gegen uns einsetzen kann.“
„Haben Sie denn vollkommen den Verstand verloren? Sie wollen ihm einen getürkten Puddlejumper geben im Austausch gegen die drei, die oben in der Prometheus hocken? Und Sie denken, Pendergast wird sich darauf einlassen? Der will Sie doch nur so schnell wie möglich in seiner Reichweite haben. Haben Sie denn noch nicht genug von seinem Drogencocktails?“
„Ziehen Sie sich an, Peter. Sie sind mein Schatten. Ein Begleiter, so war es ausgemacht.“ Wieder ein listiges Grinsen von ihr. „Außerdem nehmen wir beide unsere Waffen mit. Das war nicht abgemacht, also verstecken Sie Ihre Automatik gut, aber auch so, daß Sie schnell daran kommen.“
Endlich stülpte Peter sich den Pullover über den Kopf, starrte sie dann aber wieder groß an, ehe er auch in seine Hose schlüpfte. „Ich gehe zu Stross“, drohte er.
„Sie werden mit mir kommen, Peter. Und ehe wir uns versehen, haben wir die restlichen drei hier in der Stadt und man wird uns dankbar sein“, entgegnete die Antikerin.
Peter blinzelte wieder, blickte von seinem Fuß auf. „Dankbar?“
Vashtu nickte ernst. „Grodin ist der leitende Arzt. Was wir mitgebracht haben, sind Assistenzärzte, die sich noch in der Ausbildung befinden. Die können noch nicht alles. Und Danea ... dazu muß ich ja wohl nichts sagen, oder? Er ist Teammitglied.“
Peter preßte die Lippen aufeinander. „Natürlich ist er das“, knurrte er dann wütend.
Hätte er gekonnt, er hätte irgendwie gesehen, daß sie den Erethianer doch noch irgendwie einpackten vor zwei Tagen. Immerhin war Danea der Neue in ihrem Team, ehemals SG-27. Selbst wenn er noch nicht lange dabei war, er gehörte zu ihrer kleinen Truppe.
„Also gut“, entschied er endlich, schnürte sich auch den zweiten Schuh zu. „Lassen Sie uns unsere Leute retten!“
Vashtu nickte befriedigt.

***

Markham folgte den beiden ungleichen Personen in einigem Abstand. Er hatte sich fast die ganze Nacht um die Ohren geschlagen, weil er den Major beobachtet hatte. Erst als dieser Techniker, Bakerman?, aufgetaucht war, hatte er sich zumindest für eine Stunde hinlegen können, ehe der ihn wieder weckte.
Jetzt waren die beiden, Dr. Babbis und Major Uruhk, wieder auf dem Weg in die Jumper-Base. Markham hätte fluchen können. Hätte er das gewußt, dann wäre er gleich dort geblieben.
Was wollte der Major schon wieder mit dem arroganten Wissenschaftler? Wieso holte sie immer ihn dazu, wenn es irgendetwas gab?
Markham verstand das nicht so ganz, und es stand ihm auch nicht zu, an einem führenden Offizier Kritik zu üben. Dennoch hätte es ihn wirklich interessiert, was Major Uruhk wohl in Babbis zu sehen glaubte, was sie sonst nicht finden konnte. Irgendetwas mußte da wohl sein, sonst ...
Die Wand glitt auf und öffnete damit den Blick auf die Reihen um Reihen von Puddlejumpern, die auf ihren Einsatz warteten. Bakerman war damit beschäftigt, die Gleiter mit Nummern zu versehen, und tat dies lieber des Nachts, um Babbis aus dem Weg zu gehen, der momentan wieder einmal mit den Sekundärwaffen bei dem halben Dutzend Fluggeräten beschäftigt war.
Markham verbarg sich hinter einem der anderen Gebäude und beobachtete, wie ein Jumper startete. Einer ohne Kennung.
Das mußten die beiden sein, denn die Wand schloß sich hinter ihnen wieder.
Der Lieutenant huschte in die Pyramide hinein, schnappte sich den nächstbesten Puddlejumper und folgte den beiden im Tarnmodus und sicheren Abstand.

***

Vashtu landete den Jumper nahe der kleinen Quelle, die sie während der ersten Expedition nach dem verheerenden Brand gefunden hatte. Angespannt starrte sie nach draußen und fluchte leise.
„Sie sind schon da“, bemerkte Peter an ihrer Seite überflüssigerweise.
Vashtu nickte und durchbohrte die beiden Gestalten, die in einigem Abstand zu ihnen auf dem Plateau warteten, mit ihren Blicken. Dann riß sie sich von dem Anblick los und erhob sich mit einem Ruck. „Los!“
Wo hatte Pendergast die Geiseln? Warum waren die drei nicht auch hier?
Sie wußte es nicht, aber sie würde es herausfinden. Auf jeden Fall würde dieser Wahnsinnige da draußen noch einiges von ihr zu hören bekommen, nachdem der Austausch stattgefunden hatte.
Peter folgte ihr auf dem Fuße, während sie von der Rampe hinuntersprang und durch die knöchelhohe, aufgeweichte Asche stapfte. Zumindest regnete es im Moment nicht. Dafür aber dampfte ihr Atem in der morgendlichen Kühle.
Bald würden sie sich etwas einfallen lassen müssen, wurde ihr klar. Wenn die Temperaturen, wie berechnet, weiter absanken, würde ihnen irgendwann nichts anderes mehr übrig bleiben, als sich irgendwoher wärmende Kleidung und ein ZPM zu besorgen. Die PKs mochten eine gute Übergangslösung sein, aber sie entluden einfach zu schnell.
„Guten Morgen, Major Uruhk.“ Pendergast hatte sich umgedreht, als sie näherkamen, und lächelte sie jetzt kalt an. „Und Dr. Babbis, was für eine Überraschung!“
„Colonel.“ Peters Stimme klang unterkühlt.
„Wo sind Danea, Barnes und Grodin?“ fragte Vashtu sofort.
Sergeant Bates, der sich inzwischen auch ihnen zugewandt hatte, musterte sie aufmerksam, warf Pendergast dann einen kurzen Blick zu.
„Die drei sind in Sicherheit“, antwortete der gelassen. „Oder dachten Sie, ich schleppe sie mit hier herunter und vielleicht in einen Hinterhalt? Ich werde sie freilassen, sobald ich wieder auf der Prometheus bin. Mein Wort darauf.“
Vashtu kreuzte die Arme vor der Brust. „Was ich von Ihrem Wort zu halten habe, weiß ich“, entgegnete sie kalt. „Was wohl bedeutet, wir haben ein Patt. Ich werde Ihnen nicht geben, was Sie wollen, wenn ich nicht die Geiseln bekomme.“
Pendergast schürzte nachdenklich die Lippen, nickte dann. „Verstehe“, sagte er, ehe wieder sein kaltes Lächeln auf seinem Gesicht erschien. „Aber wir werden uns doch sicherlich auf einen Kompromiß einigen können, oder?“
Vashtu betrachtete ihn mißtrauisch. „Und was schlagen Sie vor?“
„Lassen Sie sich auf nichts ein, Vashtu“, zischte Peter ihr zu.
Sie wußte, was sie hier tat, verdammt! Sie warf ihm einen kalten Blick zu, damit er das auch endlich verstand.
Pendergast hob die Hände als wolle er zeigen, daß er unbewaffnet war. „Einen Teil jetzt, einen Teil später?“ stellte er in den Raum.
Vashtu hob das Kinn, musterte ihn wieder forschend.
Wenn sie nur wüßte, was dieser Kerl ausheckte. Wenn sie es auch nur wirklich sagen könnte. Aber ...
„Reden wir miteinander, Major, von Offizier zu Offizier. Nur Sie und ich“, schlug er unversehens vor. „Ich bin sicher, wir werden eine Einigung erzielen.“
„Sie und ich?“ echote sie mißtrauisch.
„Sehen Sie hier noch jemanden? Bates und Babbis können sich derweil allein vergnügen. Was sagen Sie?“
Vashtu begann, an ihrer Unterlippe zu nagen.
Sie konnte Pendergast nicht wirklich einschätzen. Sie hatte geglaubt, sie könnte es, aber jetzt ging ihr auf, daß das nicht der Fall war. Er war ... unberechenbar für sie. Sie kannte ihn nicht gut genug, aber sie traute ihm auch nicht zu, hinterhältig genug zu sein, irgendeine Dummheit hier ausgeheckt zu haben.
Sie nickte. „Gut, reden wir - allein.“
„Vashtu!“ zischte Peter ihr entsetzt zu.
„Ich weiß, was ich tue. Vertrauen Sie mir“, wisperte sie zurück, auch wenn das nicht so ganz stimmte. „Seien Sie nur vorsichtig mit Bates. Der ist link.“
Sie trat vor, nickte nach rechts. „Gehen wir.“
Pendergast sah noch einen Moment zu Bates, dann trat er an ihre Seite und ging neben ihr her. Schweigend.
Vashtu wurde nervös. Sie war sich der Nähe des Militärs nur allzu bewußt. Und sie wußte auch, daß es leicht schiefgehen konnte, was sie hier tat. Ob Anne und die anderen nun recht hatten oder nicht, sie hatte sich Pendergast zum Feind gemacht. Sie hatte sich gegen einen leitenden Offizier, dem sie eigentlich unterstand, aufbegehrt und war von seinem Schiff geflohen.
Seite an Seite schritten sie weiter, Richtung Abgrund.
Von hier aus, das wußte sie, hatte man einen sehr guten Blick auf die ausgebrannte Devi-Stadt. Man sah nicht die Trümmer und die ausgebrannten Gebäude, nur das ganze, das noch recht intakt wirkte. Aus diesem Grund waren Anne und sie ja auch auf den Gedanken gekommen, die Ruinen als Heimstatt zu nennen statt Vineta, das sicher verborgen unter dem Gestein lag.
„Ziemlich ruhig dort drüben“, bemerkte Pendergast, nachdem sie am Hang angekommen waren.
Vashtu mußte gegen die Versuchung ankämpfen, herumzuwirbeln und den Colonel in den Abgrund zu stoßen. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter und sah, daß Peter und Bates noch immer so standen, wie sie sie verlassen hatten. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Mann neben sich.
„Wir hatten einen Deal, Pendergast“, sagte sie. „Sie haben sich nicht daran gehalten.“
Er nickte nachdenklich, warf ihr einen kurzen Blick zu. „Meine Sicherheit war mir wichtiger als das, was wir gestern ausgemacht haben. Ich gebe es gern zu.“
„Als Zeichen Ihres guten Willens hätten Sie aber zumindest wenigstens eine der Geiseln mit hinunterbringen können“, warf Vashtu ihm vor, verbarg sich in ihrem Zorn, um ihre Unsicherheit zu überspielen.
Je länger diese Farce dauerte, desto sicherer wurde sie sich plötzlich, daß sie einen Fehler begangen hatte, als sie sich auf dieses Treffen einließ.
Pendergast nickte wieder. „Das hätte ich sicher“, gestand er ihr zu wissen. „Aber ...“
In diesem Moment knallte es hinter ihr und sie hörte Peter kurz aufschreien.
Sie wirbelte herum, gerade als der junge Wissenschaftler fiel.
„Peter!“
Ihre Augen weiteten sich, als sie begriff. Sie wollte loshetzen, zurück zu Babbis, ihn sich schnappen und dann mit dem Jumper in die Stadt.
Doch soweit kam es nicht.
Nie hätte sie Pendergast so schnelle Reflexe zugetraut, und sie konnte sich wirklich nur sagen, daß er das hier irgendwie geplant hatte.
Blitzschnell packte er sie, seine Hand legte sich über ihren Mund. Er riß sie zurück, und dann fühlte sie, wie etwas gegen ihren Hals gedrückt wurde. Sie wollte die Fremdzellen aktivieren, wollte sich losreißen, da hörte sie bereits das Zischen, und einen Atemzug später ...
Sie war noch bei Bewußtsein, sie hörte das Summen und Markhams Stimme in ihrem Ohr, dann eine Detonation. Doch sie sackte in sich zusammen, kraftlos und von einem Moment zum anderen unvorstellbar müde. Unsanft wurde ihr das Funkgerät aus dem Ohr gerissen. Sie wollte wegen des kurzen Schmerzes protestieren, doch noch immer war da diese fremde Hand auf ihrem Mund, so daß nur undeutliche Laute aus ihrer Kehle stiegen. Sie wunderte sich, was hier gerade geschah ... dann sank sie in die erlösende Bewußtlosigkeit.
„Enttarnen!“ bellte Pendergast in das Funkgerät der Antikerin. „Enttarnen oder ich breche dem Major das Genick!“
Er riß die Bewußtlose hoch, packte mit der Hand anders zu, so daß ein kurzer Ruck genügte, um sich ihrer für immer zu entledigen. Dann erschien ein kaltes Lächeln auf seinen Lippen, als sich, kurz vor ihm, der Puddlejumper enttarnte. Er aktivierte seine eigenes Funkgerät und sagte ein einziges Wort: „Feuer!“
Im nächsten Moment raste eine der Raketen der Prometheus auf den Jumper von Lieutenant Markham hinunter und verwandelte den Gleiter in einen Feuerball, der langsam im Abgrund verschwand.
„Sir?“
Bates war angelaufen gekommen, stand jetzt neben ihm.
Pendergast drehte sich zu ihm um. „Wir haben unser Vögelchen. Jetzt müssen wir es nur noch sichern und nach Hause in seinen Käfig bringen.“ Seine Stimme klang triumphierend.

***

„Dr. Stross? Dr. Stross!“ Jemand hämmerte mit beiden Fäusten gegen die Tür ihres Quartiers.
Anne kämpfte sich widerwillig aus ihren Träumen. Dann aber war sie sofort hellwach und richtete sich auf.
Irgendetwas war passiert, dessen war sie sich sicher. Irgendetwas ...
Sie kämpfte sich aus dem Bett, warf sich so schnell wie möglich zumindest einen Pullover über, rang noch mit ihrer Hose, während sie schon, auf einem Bein, zur Tür hüpfte. „Was ist los?“ fragte sie, noch während sie öffnete.
Andrea Walsh stand auf ihrer Schwelle und starrte sie mit schreckensgeweiteten Augen an. „Das Tor ist blockiert“, sagte sie.
Anne blinzelte. „Was?“
Walsh nickte. „Williams war noch einmal auf P1V-121. Er wollte vor knapp einer Stunde zurück sein. Aber ...“ Hilflos zuckte sie mit den Schultern.
Anne atmete tief ein. „Dann wecken Sie Babbis oder Major Uruhk. Es wird wohl wieder an diesem verdammten Einschußloch liegen.“
Gott sei Dank nichts schlimmes! Gott sei Dank nicht die Nachricht, die sie gefürchtet hatte.
Sie wußte gar nicht, wie erleichtert sie sein konnte, bis zu diesem Moment. Doch dann blickte sie in das ernste Gesicht der Chef-Technikerin und erstarrte unwillkürlich.
„Major Uruhk und auch Dr. Babbis sind nicht auffindbar“, berichtete Walsh endlich zögernd.
Anne glaubte, ihr Herz müsse stehenbleiben. „Dann ...“ Hilflos irrte ihr Blick hin und her, bis er schließlich auf der Technikerin haften blieb, die kurz erstarrte, dann das Funkgerät in ihrem Ohr aktivierte.
„Wann war das?“ fragte Walsh. Ihr wich alles Blut aus dem Gesicht. „Sicher?“ Dann ein Stöhnen und ein hilfloser Blick in Annes Richtung.
„Was ist los?“
„Wir haben einen ... Energieanstieg gemessen“, antwortete Walsh zögernd. „Und ... vielleicht eine Minute vorher ... hat ... Colonel Pendergast Major Uruhks Funkgerät benutzt.“
Anne taumelte einen Schritt zurück.
Es war passiert! Der Alptraum war Wirklichkeit geworden. Und sie hatte es nicht verhindern können. Sie hatte gar nichts tun können, weil sie auf Markham vertraut und sich ins Bett gelegt hatte.
Markham!
„Versuchen Sie Lieutenant Markham zu erreichen“, befahl sie, wirbelte herum und griff sich ihr eigenes Funkgerät.
„Lieutenant Markham ist ebenfalls nicht erreichbar. Er wollte wohl eine Meldung absetzen, aber ... er wurde unterbrochen - gerade als dieser Energieanstieg erfolgte.“
Nein, nein, nein! Anne glaubte, jeden Moment den Verstand verlieren zu müssen. Hilflos stöhnte sie auf, während sie mit ihren Schuhen kämpfte.
„Haben wir irgendeine Ortung?“ fragte sie schließlich und blickte die Technikerin an.
Walsh zögerte, nickte dann aber.
„Dann ein Rettungsteam dahin, aber so schnell wie möglich! Die Leute sollen schwere Bewaffnung tragen. Wir wissen nicht, ob ...“ Sie schloß den Mund und schluckte. „Wir wissen nicht, was uns da draußen erwartet.“
Walsh nickte, drehte sich um und wollte gehen. Dann blieb sie wieder stehen. „Ein Funkspruch von der Prometheus“, sagte sie vollkommen emotionslos.
Anne schluckte wieder, richtete sich auf und klopfte auf ihr Funkgerät. „Stellen Sie durch!“ befahl sie dann.
„Dr. Stross?“ hörte sie Pendergasts Stimme. „Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt. Ich wollte Ihnen nur kurz mitteilen, daß jetzt ... alles erledigt ist. Viel Glück für Ihre Expedition.“ Ein Zögern. „Major Uruhk läßt Ihnen übrigens mitteilen, daß Sie sich doch umentschieden hat. Es brauchte zwar etwas ... Überredungskunst, aber sie ist jetzt sicher auf der Prometheus und wird nicht mehr zurückkehren.“ Ein leises, schmerzerfülltes Stöhnen, dann ein unterdrückter Schrei.
Anne schloß die Augen. Sie hatte die Stimme erkannt.
„Das als letzten Gruß von Major Uruhk. Sie bedauert, es Ihnen nicht selbst mitteilen zu können, aber sie ist im Moment ... sprachlich etwas behindert.“ Die Leitung knackte, als sie getrennt wurde.
Anne kniff hilflos die Lippen zusammen.
Das konnte nicht geschehen sein, nein!

***

Das Erwachen ging qualvoll langsam vor sich.
Vashtu stöhnte leise auf. Ihre Lider flatterten. Undeutlich konnte sie eine Gestalt neben sich ausmachen, hörte Worte, die sie jedoch nicht verstand. Ihr Kopf sank ihr immer wieder auf die Brust herab, weil er plötzlich Tonnen zu wiegen schien.
Dann aber hörte und fühlte sie es, konnte einen unterdrückten Schmerzensschrei nicht verhindern. Ein gemeines Knacken, als ihr linker Arm verdreht und aus dem Gelenk gezogen wurde. Sie brüllte in ihren Knebel vor Schmerz, verlor fast wieder das Bewußtsein, ehe er nachließ. Wieder sank sie benommen in sich sich zusammen, kämpfte darum, wach zu bleiben.
Irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas ...
Endlich, wahrscheinlich durch den Schmerz beschleunigt, begann ihr Geist wieder zu arbeiten, gerade als ihr Kopf in den Nacken gerissen wurde.
Sie schluckte und blinzelte wieder. Das Bild vor ihren Augen klärte sich etwas.
„Bist du wieder wach, mein Vögelchen? Hast du schon genug geschlafen?“ fragte eine bekannte Stimme.
Vögelchen?
Vashtus Hinterkopf knallte unsanft gegen etwas, das metallisch hohl klang.
Wo war sie? Gerade war sie doch noch ...
Endlich begann sie zu begreifen, riß die Augen auf und starrte in das Gesicht, das sich über sie gebeugt hatte.
Pendergast!
In ihren Augen loderte blanker Haß auf. Mit aller Kraft versuchte sie sich loszureißen, was ihr allerdings nur neuerlichen Schmerz einbrachte, der sie keuchen ließ.
„Ich mußte dir deinen Flügel ein bißchen stutzen“, erklärte der Colonel ihr. „Wir wollen doch nicht, daß du dich losreißt, oder? Erst einmal mußt du handzahm gemacht werden, dann können wir darüber sprechen. Aber solange ...“
Vashtu sah, wie er etwas hob, es sah aus wie ein schmaler Gürtel.
Was hatte er vor? Wollte er sie auspeitschen mit dem Ding?
Unwillkürlich versteifte sie sich, starrte ihn noch immer voller Zorn an.
Allmählich ging ihr auf, was mit ihr gerade passierte. Und sie begriff, allzu lange konnte sie nicht betäubt gewesen sein, wenn er immer noch damit beschäftigt war, sie zu fesseln.
Versuchsweise ruckte sie erneut an den Schellen, die ihre Handgelenke umwanden, und wieder erntete sie einen gemeinen Schmerz im linken Arm.
Was hatte dieser Wahnsinnige ihr angetan? Warum konnte sie den Arm nicht wirklich bewegen?
Pendergast schüttelte den Kopf, schlang ihr dann diesen eigenartigen Gürtel um den Hals.
Vashtu versuchte, ihn zu treten. Er stand geradezu wie ein Paradebeispiel vor ihr. Doch ihre Knöchel waren ebenfalls gefesselt und an irgendetwas festgemacht.
Was tat er da?
Pendergast beugte sich in aller Seelenruhe über sie. Dann ging ein Ruck durch diesen Gürtel, den er ihr um den Hals gebunden hatte.
Vashtu röchelte, so gut es ging, um überhaupt noch Luft zum Atmen zu erhalten.
„So geht es dir, wenn du dich wehrst. Hast du das jetzt verstanden?“ Er packte ihr Kinn und hob ihr Gesicht an. „Du wirst brav sitzenbleiben. Eine falsche Bewegung, und die Schlinge zieht sich zu. Nicht gerade angenehm für dich, oder? Nein, ganz sicher nicht. Also wirst du dich jetzt nicht mehr rühren - und auch keinen Piep von dir geben. Es sei denn, mein Lantianer-Vögelchen möchte singen. Und singen wirst du, darauf kannst du dich verlassen.“
Er ließ sie los und trat einige Schritte zurück.
Vashtu wurde auf den Raum aufmerksam und begriff, daß sie sich wohl wieder auf der Prometheus befand. Die Kabine, in der sie sich aufhielt, war klein und bis auf zwei Stühle und einen Tisch leer. Sie fand auch keine Ecken oder Kanten, irgendetwas, was ihr vielleicht helfen konnte.
Das Schott öffnete sich, es befand sich direkt ihr gegenüber, so daß sie jeden Eintretenden sehr genau sehen konnte, ebenso wie er sie.
„Wir haben jetzt eine Menge Zeit“, wandte Pendergast sich wieder an sie, lächelte triumphierend zu ihr hinunter. „Und du hast sicher viel zu erzählen, nicht wahr?“
Vashtus Aufmerksamkeit glitt von ihm ab, als sie Bewegung am Schott wahrnahm.
Bates trat ein, und er zerrte noch jemanden mit sich.
Vashtus Augen weiteten sich vor Schrecken, als sie begann zu begreifen.


Ende Teil 1 - Fortsetzung folgt