„Ich will nicht, ich muß. Anders werden wir hier wohl nicht heil herauskommen, Doc", antwortete die Antikerin gelassen.
„Sie können doch nicht ... Major Uruhk, ich habe Sie auf diesen Planeten geschickt, um dort Handel zu treiben. Und jetzt wollen Sie ... ?"
„Hören Sie, Dr. Stross, die Leute hier bewachen das Gate. Es wird ihnen ohnehin schon merkwürdig vorkommen, daß es aktiviert ist, aber nichts durchkommt oder von hieraus verschwinden will. Ich beuge mich schon ziemlich weit vor", unterbrach die Majorin.
Anne wechselte mit Walsh einen langen Blick. „Trotzdem können Sie diesen Leuten nicht so einfach Waffen geben, Major", entgegnete sie. „Vor allem nicht unsere. Wir haben ohnehin schon viel zu wenig."
„Das ist mir klar. Und ich rede ja auch gar nicht von unseren Waffen."
Sie tat es schon wieder! Sie mußte sich wirklich doch noch entschieden haben zu bleiben. Es gab kein „ihr" mehr, nur noch ein „uns". und zumindest das beruhigte Anne, wenn sie auch immer noch nicht sagen konnte, wie sie die Antikerin von ihren weiteren Plänen überzeugen sollte.
„Was für Waffen wollen Sie denn dann?" fragte die Leiterin jetzt mißtrauisch.
Ein Seufzen folgte, dann nachdenkliches Schweigen.
„Major?" Anne wurde allmählich ungeduldig. „Wäre es nicht vielleicht besser, wenn ich Ihnen Markham mit einem Team hinterher schicken würde? Dann könnten Sie vielleicht ..."
„Ich brauche einen Planetenkiller", fiel die Antikerin ihr wieder ins Wort.
Annes Augen wurden groß. „Sie wollen was?"
„Statt auch noch in die Falle zu laufen, sollten Sie Markham zum Lager schicken, damit er ein paar Planetenkiller holt", wiederholte Major Uruhk. „Vertrauen Sie mir, Dr. Stross."
„Was haben Sie vor? Sie haben schon einen Planeten fast unbewohnbar gemacht mit diesen Bomben", entgegnete Anne, starrte auf das aktivierte Stargate hinunter, als könne sie so die Dreiergruppe wieder zurückholen.
Wußte sie wirklich, worauf sie sich einließ, wenn sie die Antikerin in die Stadt holen wollte? War das jetzt nicht ein erster, und sehr deutlicher Hinweis auf das, was sie dann erwarten würde? Wollte sie Vineta am Ende wirklich wieder ... ?
„Peter hat mir erzählt, daß Dr. Spitzbart und er die Zünder an den Dingern gefunden hätten", erklärte Major Uruhk jetzt. „Alles, was ich brauche, ist einer, vielleicht zwei, die funktionieren, wenn auch nicht mit voller Sprengkraft. Die anderen dienen zur Tarnung. Packen Sie ein paar Kisten mit irgendwelchem Schrott, genug davon dürfte herumliegen. Lassen Sie Spitzbart die restlichen Bomben entschärfen, bis auf zwei, damit ich vorführen kann, wie diese Dinger funktionieren. Wi'an wird beeindruckt sein, darauf können Sie sich verlassen! Aber er will den Jumper, und das werde ich nicht zulassen."
„Wir haben genug andere. Sehen Sie zu, daß Sie und Ihr Team heil wieder zurückkommen", entgegnete Anne.
„Das werde ich sicher nicht tun!"
„Aber ..." setzte Anne wieder an.
„Doc, ich sag's nicht gern, aber hier stimmt etwas nicht. Wenn die Leute hier den Puddlejumper in die Finger kriegen, ehe wir weg sind, wird der Teufel los sein. Irgendetwas haben die hier mit den Devi gemauschelt, und ich werde ohnehin die ganze Zeit schon schief angesehen, ebenso wie Peter. Die ahnen, daß wir mehr sind, als wir bisher gezeigt haben. Wenn jetzt auch noch ein Schiff auftaucht, daß nur von uns gesteuert werden kann, kann ich für nichts mehr garantieren. Und ich möchte sicher nicht in der Küche eines Devi enden. Also schicken Sie mir diese verdammten Planetenkiller!"
Wieder ein Blickwechsel mit der jungen Technikerin.
„Sie denken, diese ... Sa'tianker haben einen Handel mit den Devi geschlossen?" Anne atmete scharf ein.
„Das weiß ich nicht", kam die nachdenkliche Antwort, „aber denkbar wäre es. Auf diesem Planeten habe ich zwar bisher noch keine Devi-Stadt ausmachen können, aber das hat nichts zu bedeuten. Cornyr und Danea meinten ja, sie kämen auch durch das Gate. Allerdings ist es schon ziemlich auffällig, daß die Sa'tianker zwar offensichtlich über sehr viele Waren, auch von anderen Planeten, verfügen, aber es hier außer uns nicht einen Fremden gibt."
Anne begann, an ihren Nägeln zu knabbern. „Das hört sich wirklich nicht gut an. Und wenn Sie jetzt einfach verschwinden?" fragte sie nach einer kleinen Weile.
„Schlechte Idee. Die würden sehr wahrscheinlich irgendwie die Adresse speichern und uns nachts überfallen. Und wir haben noch nicht genug Energie, um den Schild die ganze Zeit laufen zu lassen."
Wieder hatte sie es getan!
Anne richtete sich auf. „Also gut, Major, Sie bekommen Ihre Planetenkiller. Aber ich hoffe, ich sehe Sie und Ihr Team dann baldigst wohlbehalten wieder hier."
„Ich muß mir nur den Weg zum Tor freimachen, dann bin ich weg. Darauf können Sie sich verlassen. Vielleicht schaffe ich es tatsächlich, zumindest das Saatgut mitzubringen." Vashtu grinste und beobachtete weiter ihren Energiedetektor, der jetzt schon eine ganze Weile Lebenszeichen außerhalb des Jumpers anzeigte.
Die Sa'tianker waren ihr gefolgt, wie sie es auch nicht anders erwartet hatte. Es stand nur zu hoffen, daß sie nicht aus Versehen über den Jumper stolpern würden.
„Und, Major, der Colonel hat sich, wie erwartet, gemeldet", hörte sie Stross' Stimme sagen, hob nun doch den Kopf.
„Was wollte er?" fragte sie.
„Wissen, wo Sie sind, auch wie wir erwartet haben."
Vashtu nickte nachdenklich. „Können wir nicht eine Konferenzschaltung einrichten? Dann könnten wir ihn vielleicht beruhigen", schlug sie vor.
„Er reagierte prompt, nachdem Sie mit Ihrem Team durch das Tor geflogen sind. Sie hatten also recht, er überwacht Sie mittels Ihres Chips. Und damit ..." Stross ließ das Ende des Satzes offen. Es war ohnehin klar, was sie sagen wollte.
Vashtu nickte. „Gut, ich sehe zu, daß ich so schnell wie möglich wieder zurück bin. Mehr können wir dann erst einmal nicht tun. Halten Sie Pendergast weiter hin, sollte es wider Erwarten länger dauern."
„Tun Sie nichts falsches, Major. Das ist unser Erstkontakt in dieser Galaxie", mahnte Stross.
Vashtu grinste wieder, wenn auch bitter. „Unser Erstkontakt waren die Erethianer, Doc. Was wir hier haben, kommt mir vor, als würde ich mit der Lucian Alliance verhandeln müssen. Nur leider habe ich kein Tauri im Rücken, sonst hätte ich schon andere Bandagen angelegt. Uruhk Ende." Sie unterbrach die Verbindung, ehe Stross noch etwas sagen konnte.
Die Anzeigen waren verdächtig nahe gekommen, und sie wollte nicht durch körperlose Stimmen auffallen.
Vashtu sah angestrengt zur ausgefahrenen Rampe und wartete.
Und lange zu warten brauchte sie tatsächlich nicht. Nur wenige Minuten später schlich einer der Männer Wi'ans vor dem Jumper herum und tauchte in ihrem Blickfeld auf.
Vashtu richtete sich katzengleich auf und schlich nach hinten. Lautlos zog sie ihre Beretta und wartete.
Der junge Mann kam näher, sah sich aufmerksam und auch ein wenig verwirrt um.
Ein letzter Blick auf den Detektor verriet der Antikerin, was sie wissen wollte. Dann schnellte sie vor, als der Wächter in ihre Reichweite kam und ihr den Rücken zuwandte. Mit einem leisen Klicken entsicherte sich ihre Waffe, als sie sie ihm an den Hinterkopf hielt.
„Ganz ruhig", wisperte sie ihm zu, packte ihn an der Schulter und manövrierte ihn in die richtige Richtung. „Mitkommen, und keinen Mucks!"
Sie stieß ihn in den Jumper hinein und schloß die Luke hinter sich.
***
Peter schritt unruhig den Raum immer wieder ab, zupfte abwechselnd an seinem Ohr oder schob seine Brille zurecht. Die Antikerin war jetzt schon entschieden zu lange weg dafür, daß sie nur etwas mit Stross bereden wollte. Ihm gegenüber hatte sie natürlich mal wieder kein Wort verlauten lassen. Allerdings stand da ein anderes sehr deutlich im Raum. Und dieses andere Wort lautete Waffen.
Wollte sie denn tatsächlich einen Handel mit diesen merkwürdigen Leuten abschließen? Wollte sie sich wirklich auf diese offensichtlich zwielichtige Sache einlassen?
Er wußte es nicht. Er konnte nur hoffen, daß sie sehr genau wußte, was sie tat und riskieren konnte.
Die Tür öffnete sich. Peter wirbelte sofort herum, die Hand an seiner Automatik. Dann atmete er jedoch auf, als er sah, wer die Hütte betrat, in der sie warten sollten.
„Vashtu!"
Danea, der bis jetzt still in einer Ecke gesessen und vor sich hingebrütet hatte, richtete sich stumm auf.
Die Antikerin lugte noch einmal nach draußen, ehe sie die Tür wieder schloß, dem Erethianer kurz zunickte. In den kam sofort Bewegung. Er stellte sich bei der verschlossenen Öffnung auf und lauschte aufmerksam nach draußen.
Peter fühlte leichte Eifersucht in sich wachsen. Wie lange hatte er gebraucht, um vertrauter mit ihr zu werden? Und wie lange hatte es gedauert, bis sie ihm endlich vertraute? Und jetzt kam dieser Danea und dann das!
„Peter, ich brauche Sie", wandte Vashtu sich leise redend an ihn, trat dicht an ihn heran.
Der junge Wissenschaftler blinzelte. „Aber ..." Er schloß den Mund und nickte. Er war bereit, solange sie nicht das unmögliche von ihm erwartete. Andererseits, wann hatte sie das eigentlich einmal nicht getan?
Vashtu sah ihm in die Augen. „Ich möchte, daß Sie gleich zum Tor gehen und irgendeine Adresse eingeben. Irgendeine, nur nicht die von Vineta. Haben Sie das verstanden?"
Er nickte, runzelte die Stirn. „Aber was bringt uns das?" fragte er verständnislos.
„Zeit", antwortete sie und hob die Hände, als er wieder zu sprechen beginnen wollte. Sofort verstummte er.
„Sie werden irgendeine Meldung durch das Tor schicken und es dann wieder deaktivieren. Vineta schickt uns eine Ladung Planetenkiller, sobald Dr. Spitzbart sie entschärft hat. Alle bis auf zwei. Ich möchte, daß Sie beim Tor warten, bis diese Lieferung durchkommt."
Peters Augen wurden groß. „Was wollen Sie denn hier mit Planetenkillern? Die diesen ... diesen ... Menschen auch noch in den Rachen werfen. Haben Sie denn noch nicht bemerkt, daß hier irgendetwas nicht stimmt?"
Vashtus Blick wurde intensiv. „Ich habe es bemerkt, darum ja eine falsche Adresse", zischte sie. „Wir müssen Vineta vor den Sa'tiankern schützen. Und die einzige Möglichkeit, die ich bisher sehe, ist es, sie auf eine falsche Fährte zu führen."
Peter blinzelte. „Und wie wollen Sie das tun?"
„Mit der falschen Gate-Adresse, Peter, über die Sie die Planetenkiller bestellen." Noch immer diese intensive Blick.
„Was denken Sie?" ließ Danea sich vernehmen.
Vashtu drehte sich zu ihm um. „Ich habe mir eine der Wachen vorgenommen", berichtete sie so leise wie möglich. „Die Sa'tianker haben einen Handel mit den Devi geschlossen. Jeder, der diese Welt besucht, wird ihnen ausgeliefert. Wenn wir verhindern wollen, daß wir demnächst das gleiche Schicksal teilen, müssen wir vorher etwas tun. Wir werden sie von dem Puddlejumper ablenken und sie auf eine falsche Fährte führen ... Sie sind doch Jäger, Danea, oder?"
Der junge Erethianer nickte.
Ein Lächeln breitete sich über das Gesicht der Antikerin aus.
„Was planen Sie denn jetzt wieder für einen Irrsinn?" verlangte Peter leise zu wissen.
Dieser Plan erschien ihm als mehr als unheimlich. Aber zumindest schien sie ... Hatte sie gerade gesagt, die Sa'tianker würden mögliche Besucher ihres Planeten an die Devi ausliefern?
Peters Augen wurden groß vor Entsetzen. „Die wollen uns tatsächlich an diese ... diese Hybridwesen verfüttern?" keuchte er.
„Sieht so aus." Vashtu wandte sich ihm wieder zu und sah ihn wieder mit diesem intensiven Blick an. „Wenn die Planetenkiller durch das Gate kommen, müssen Sie die Wachen ein bißchen ablenken, Peter. Danea, ich möchte, daß Sie sich eine der beiden funktionstüchtigen Bomben schnappen und sie so schnell wie möglich zum Jumper bringen. Ich werde dort warten."
„Was haben Sie vor?" Peter hob in einer hilflosen Geste die Hände. „Wollen Sie uns alle umbringen?"
„Ich will uns den Hals retten, Peter", entgegnete Vashtu mit kaltem Gesicht. „Aber dazu brauche ich einige Ablenkungsmanöver. Die Devi müssen nicht wissen, daß wir aus Vineta kommen, und die Sa'tianker sollen das erst recht nicht erfahren."
Danea nickte. „Das wird nicht einfach."
„Stimmt."
„Und was wollen Sie mit entschärften Planetenkillern? Die können nicht in die Luft fliegen."
„Das will ich auch nicht. Ich will das Saatgut, uns heil wieder zurückbringen und auch den Jumper retten. Wenn die Sa'tianker ihn in die Finger kriegen, haben wir ein echtes Problem, das dürfte Ihnen auch klar sein. Hier gibt es niemandem mit dem ATA-Gen", erklärte sie.
„Die meisten Völker töten Kinder, die Dinge der Schöpfer gebrauchen können", warf Danea ein.
Peter winkte ab. „Das weiß ich, aber ..."
„Ich werde einen Planetenkiller zünden, damit Wi'an davon überzeugt ist, daß wir den Handel ehrlich meinen", schnitt Vashtu ihm das Wort ab. „Den anderen will ich zur Sicherheit. Sobald wir das Saatgut haben, verschwinden wir hier so schnell wie möglich."
„Und dann?"
„Kehren wir nach Vineta zurück und haben zumindest einen Anfang geschafft."
„So einfach? Denken Sie wirklich, Sie können das allein schaffen?" Peter runzelte die Stirn. „Und wenn Sie Verstärkung aus Vineta kommen lassen?"
„Damit die hier auch noch in der Falle sitzt?" Vashtu schüttelte den Kopf. „Wir täuschen einen Handel vor, das wird das beste Mittel sein." Sie stockte, kniff kurz die Lippen aufeinander. „Wi'an hat die Devi bereits informiert."
„Was?"
„Leise, Peter!" zischte sie. „Tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe. Wir müssen hier heraus, ehe die Devi kommen und uns holen. Was danach geschieht, kann uns herzlich gleichgültig sein."
Peter las etwas anderes in ihren Augen. Doch sie wußte auch, solange jemand wie Wi'an die Sa'tianker anführte, würde ein mögliches Bündnis nie zustande kommen.
„Ich finde es merkwürdig, daß die Sa'tianker mit den Dämonen paktieren", wandte Danea stirnrunzelnd ein. „Davon habe ich noch nie gehört."
„Dürfte wohl auch nicht allzu häufig vorkommen." Vashtu seufzte. „Führen Sie meine Befehle aus, dann kommen wir hoffentlich so schnell wie möglich wieder nach Hause."
Peter stutzte, starrte sie kurz an.
Hatte sie gerade wirklich gesagt, was er gemeint hatte, gehört zu haben?
TBC ...
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