29.04.2010

Erdgebunden III

"Was ist denn da los?" Captain Jeffrey Storm bremste unwillkürlich den Wagen ab, gab dann aber wieder Gas, als er den Leichenwagen in der Auffahrt der Babbis-Familie sah. „Scheiße!"
Joe Hernan, Ex-Polizist und seit neuestem für das Stargate-Programm tätig, pfiff durch die Zähne. „Das nenne ich einen großen Auftritt!"
Storm warf ihm einen undefinierbaren Blick zu. „Keinen guten, wenn Sie mich fragen." An der Absperrung parkte er den Wagen und stieg sofort aus, sein Beifahrer folgte ihm auf dem Fuße.
Ein junger Polizist, der die Absperrung offensichtlich bewachte, trat ihnen entgegen. „Entschuldigen Sie, aber Sie müssen weiterfahren. Hier gibt es nichts zu sehen."
Storm zückte mit aller Seelenruhe seinen Ausweis. „Militärpolizei. Wenn das hier das Anwesen der Familie Babbis ist, habe ich sehr wohl etwas hier zu tun, nämlich einen Militärangehörigen zu suchen und zu finden."
Der junge Polizist starrte beeindruckt auf den Ausweis.
"Nationale Sicherheit", wandte nun Hernan ein, zückte ebenfalls eine Brieftasche. Allerdings hatte er noch keinen Ausweis vorzuweisen, statt dessen eine Legitimation, vom Präsidenten unterzeichnet und vom Kongreß abgesegnet.
Der junge Mann stand augenblicklich stocksteif.
"Was ist hier passiert?" verlangte Storm zu wissen.
Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, als er wieder zu dem Leichenwagen hochsah. Zwei Bullis mit der Kennung der Spurensicherung standen ebenfalls, neben gut einem Dutzend Streifenwagen und Zivilfahrzeugen der Polizei, in der Auffahrt.
"Ein Mord, Sir", antwortete der junge Polizist.
Storm und Hernan wechselten einen Blick, dann schlüpften sie Seite an Seite unter der Absperrung durch und marschierten den Kiesweg zum Haus hinauf.
"Mord! Wenn unser ausgeflogenes Vögelchen ..." Hernan biß sich auf die Lippen.
"Babbis nicht. Der hat schon ganz anderen Typen gegenüber gestanden", entgegnete Storn ruhig und schüttelte den Kopf. Doch innerlich blieb er angespannt. „Aber man könnte ihm das Verbrechen vorwerfen."
"Und was machen wir dann?"
"Ermitteln und sehen, daß er einen gescheiten Anwalt kriegt."
"Sie wollen der Polizei ins Handwerk pfuschen? Das wird die nicht gern sehen!"
"Sind die schon von mir gewohnt. Mache ich öfter." Storm zuckte mit den Schultern. „Und manchmal sind sie froh, wenn sie einen Fall abgeben können." Allerdings, sagte er sich selbst, war ihm das noch nie bei einem Mordfall passiert. Entführung, Geiselnahme, Verschleierung, einiges andere mehr, das ja. Aber einen Mord?
"Wer ist der ermittelnde Detective?" wandte Hernan sich an den nächstbesten Polizisten, der draußen vor dem Haus stand und eine Zigarette rauchte.
Der blinzelte irritiert, nickte dann aber hinein. „Detective Vinge", nuschelte er, die Kippe cowboyhaft in einem Mundwinkel balancierend. „Ist drin."
Wieder wechselten die beiden Männer einen Blick, dann nickten sie sich zu, als müßten sie sich selbst bestätigen und betraten das Haus.
In der Halle blieben sie wieder stehen und sahen sich beeindruckt um. Dann aber wurden sie aufmerksam, als das Objekt ihrer Suche von zwei Polizisten die Treppe hinuntergeführt wurde.
"Storm! Gott sei Dank! Könnten Sie diesen Idioten sagen, daß ich nichts getan habe?" rief der junge Wissenschaftler ihnen zu.
Storm blickte auf und kniff die Lippen aufeinander. „Wird sich schon aufklären, Doc. Lassen Sie mich mal machen. Rufen Sie im SGC an und melden sich bei Landry", antwortete er. „Der wird sich um alles weitere kümmern."
Babbis, mit blassem Gesicht und vom Schlaf noch verstrubbelten Haaren, nickte, ließ sich von den Polizisten aus dem Haus führen.
"Scheiße, was ist hier los?" entfuhr es Hernan.
"Nichts gutes, fürchte ich." Storm klopfte dem anderen auf die Schulter. „Lassen Sie uns sehen, wo wir diesen Vinge finden. Vielleicht bekommen wir dann zumindest ein paar Antworten."
Hernan nickte stumm, folgte ihm dann.

***

Als Mackenzie einige Stunden später das Krankenzimmer seiner Patientin betrat, war er sich ziemlich sicher, daß er einen Fehler machte. Aber im Command bestand man darauf, daß die Antikerin Bescheid wußte, vielleicht, weil sie sich bisher immer stark für gerade dieses Teammitglied gemacht hatte.
Vashtu saß auf dem Bett, das Kissen in den Rücken gestopft, den Laptop auf den Knien und war offensichtlich wieder in ihre Beschäftigung während der ersten Sitzung vertieft. Diesmal bemerkte sie wirklich nicht, daß er den Raum betrat, wie er feststellte. Sie war viel zu sehr in dieses Spiel, oder was auch immer sie da tat, versunken.
"Major Uruhk?" Hörbar schloß der Psychologe die Tür.
Beim Klang seiner Stimme versteifte sie sich plötzlich, doch das hatte nichts mit Erschrecken zu tun, es war eher Erkennen, wie er mit einem Blick in ihr Gesicht feststellte. Vorher entspannt, war sie jetzt sofort wieder auf der Hut.
Was hatte man ihr nur angetan, daß sie dermaßen auf Hilfe, auch wenn diese unangenehm war, reagierte?
"General Landry schickt mich. Ich soll Ihnen etwas mitteilen - etwas ernstes", fuhr er fort.
Erstaunt beobachtete er, wie sie plötzlich begann, in sich hineinzuhorchen, als erwarte sie dort etwas wahrzunehmen. Erst nach einem erleichterten Seufzen sah sie auf, ihm direkt in die Augen. Ihr Blick war wieder kalt.
"Was gibt es?" fragte sie emotionslos. „Meines Wissens ist es noch nicht morgen, eher Nachmittag - und zwar desselben Tages."
Mackenzie nickte. „Das ist richtig. Es geht auch nicht um Ihre Therapie, Major. Wie Sie sehen, habe ich keine Unterlagen bei mir." Er hob die leeren Hände.
Mißtrauisch sah sie ihn an. „Was wollen Sie dann?" fragte sie.
Mackenzie trat an das Bett heran und ließ sich auf einem Stuhl nieder. „Wie gesagt, General Landry schickt mich mit der Bitte, Ihnen etwas mitzuteilen. Es geht um Ihr vermißtes Teammitglied."
Augenblicklich saß sie stocksteif da, in ihren Augen sah er Sorge. „Geht es Babbis gut? Wo ist er?"
Mackenzie lehnte sich zurück.
War er hier gerade mitten in einer Sitzung? Ihm kam es fast so vor. Ihre Sorge war so offensichtlich schwesterlich, als habe sie sie im Lehrbuch gelesen.
"Dr. Babbis befindet sich in Boston", antwortete er ausweichend.
"Boston?" Ihre Augen wurden groß. „Was macht er denn in Boston?"
Mackenzie lehnte sich vor. „Major, Dr. Babbis wird des Mordes verdächtigt und sitzt in Untersuchungshaft."
Das Blut wich ihr aus dem Gesicht. „Was?" Sie blinzelte verständnislos, ihr Blick irrte hin und her. „Wen soll er denn ermordet haben?"
"Seinen Vater", antwortete Mackenzie sehr einfühlsam.
Wenn das möglich war, wurden ihre Augen noch größer. „Seinen Vater? Warum sollte Babbis seinen Vater töten? Das ist doch purer Unsinn!"
"Wie es aussieht, gibt es jede Menge Zeugen, die aussagen, daß er sich mit ihm gestritten hat am Tag des Mordes. Die beiden, so die bisherigen Ermittlungen, waren allein im Haus der Familie, sonst niemand bei ihnen."
Entschlossen packte sie den Laptop zur Seite und schwang die Beine aus dem Bett.
Mackenzie richtete sich auf, packte sie an der Schulter. „Major, Sie sind noch nicht bereit für die Welt da draußen!" warnte er.
Sie stieß ihn einfach weg, es schien ihr nicht einmal sonderliche Mühe zu bereiten. Auf blossen Füßen marschierte sie an ihm vorbei zu ihrem Schrank und öffnete diesen, um sich Schuhe und Jacke herauszuholen.
"Zwingen Sie mich nicht, den Sicherheitsdienst zu rufen, Major!" Mackenzie stellte sich vor die Tür, während er beobachtete, mit welcher Entschlossenheit sie ihre wenigen Habseligkeiten zusammenpackte und in einer Reisetasche verstaute. Dorn hatte ihr die zusätzliche Wäsche gebracht, erinnerte er sich.
"Major, Sie bleiben schön hier, bis Sie geheilt sind." Er ließ seine Stimme jetzt eindringlich klingen, baute sich vor der Tür auf. Doch er war sich auch im klaren darüber, daß er gegen sie keine Chance haben würde. Das hatte sie ihm ja auch gerade erst bewiesen. Sie war wesentlich kräftiger als er, ob nun mit oder ohne ihre Fremdzellen wagte er sich gar nicht auszumalen.
"Ich werde nicht danebenstehen und zusehen, wie ein Mitglied meines Teams für etwas angeklagt wird, was es nie im Leben getan hat!" fauchte sie ihn an. „Peter würde nie jemanden töten, schon gar nicht seinen Vater, verdammt! Lassen Sie mich auf der Stelle hier heraus, Mackenzie! Wenn Sie mir nicht die Erlaubnis geben, werde ich sie mir holen. Ich bin gesund! Mir geht es gut!" Sie baute sich vor ihm auf. Unter normalen Umständen hätte sie vielleicht lächerlich gewirkt, sie war gut einen halben Kopf kleiner und wesentlich schlanker als er. Unter normalen Umständen, aber nur allein diese Frau war nicht normal.
"Ich kann Sie nicht gehen lassen, Major, tut mir leid. Die MP und die nationale Sicherheit haben sich der Sache angenommen. Dr. Babbis wird der beste Anwalt gestellt, den das Militär sich leisten kann. Sie können doch gar nichts tun in dieser Sache!"
Das war ein Fehler, und er wußte es in dem Moment, als er die Worte aussprach.
Plötzlich wurde sie wieder eiskalt, starrte ihn an. Ihre Kiefer spannten sich an und er sah kalte Wut in ihren Augen blitzen. Sie trat noch einen Schritt näher.
"Sie sind nicht mehr eingesperrt in diesem Labor, Major Uruhk, Sie brauchen nicht mehr auf Selbstmordmissionen zu gehen gegen die Wraith. Sie sind hier sicher, und für Dr. Babbis wird getan, was in unseren Kräften steht. Wenn er unschuldig ist, dann wird er auch wieder freikommen."
In ihren Augen blitzte etwas auf. „Ich war auch unschuldig!" zischte sie plötzlich. Ihr ganzer Körper bebte vor Anspannung, und Mackenzie begriff, wie sehr sie sich zurückhalten mußte um nicht das zu tun, was ein Teil ihres Denkens ihr vorgab. Und er begriff noch etwas.
"Ja, Sie waren unschuldig, Vashtu. Sie hatten nichts getan, gar nichts." Er ließ seine Stimme so sanft wie möglich klingen, um sie zu beruhigen. „Und doch sperrte man Sie ein, das ist richtig. Aber jetzt und hier ist das anders. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, nicht jetzt, verstehen Sie? Es wird nichts passieren."
Plötzlich schimmerten wieder Tränen in ihren Augen und ihre Lippen begannen leise zu beben. Dann bahnte sich der erste Schluchzer seinen Weg tief aus ihrem Inneren heraus. „Er hat damals auch nichts getan, aber er hätte es können." Die Aggression war weg, so plötzlich verraucht wie ein Blitz. Statt dessen sah der Psychologe sich unversehens einem hilflosem kleinen Mädchen gegenüber. Einem Mädchen, das mit dem Schmerz nicht umgehen konnte, der in ihm wütete.
Sie schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte einfach nur, sank auf den Boden, vollkommen kraft- und haltlos.
Die erste Sperre war gefallen, die erste Blockade gelöst.
Mackenzie atmete tief ein, rutschte dann an der Tür entlang ebenfalls zu Boden, sah sie an und wußte nun wirklich nicht mehr, was er sagen sollte. Er wußte nur, es mußte von ihr kommen. Babbis' Inhaftierung hatte offensichtlich etwas in ihr gelöst, vielleicht einen der Faktoren, den sie heute selbst gestreift hatte. Sie hatte die Blockade durch seine Frage gelockert, und die Schwierigkeiten des jungen Wissenschaftlers die Tür restlos aufgestoßen.
Sie zog die Beine an, schlang die Arme um die Schenkel und barg das Gesicht zwischen den Knien, während sie einfach nur weinte.
Mackenzie atmete einige Male tief ein.
Was er sich heute morgen zusammengereimt hatte, bestand aus mehreren Gründen. Es gab vieles, was offensichtlich in ihr arbeitete und sie immer mehr zu etwas getrieben hatte, was sie selbst nicht wollte. Vielleicht würde sich aber jetzt nach und nach alles seine Bahn brechen, ohne daß er härtere Methoden auffahren mußte dafür.
"Enkil ..." wisperte sie endlich, zog die Nase hoch. Inzwischen hatte sie die Stirn auf die Knie gestützt und starrte auf ihren Schoß hinunter. „Er war ... ein Monster! Er mutierte immer weiter, wurde zu etwas ... wir ... ich konnte ... Er hatte keine echte humanoide Form mehr. Aber er hatte noch einen letzten Rest Verstand." Sie stockte und schluckte einige Male. „Ich ... Die Gentherapie ... ich nahm sie wieder auf, weil ich ihm helfen wollte. Ich verfeinerte sie und fand schließlich den Fehler. Enkil ... er sollte sie bekommen. Vielleicht ..."
"Der Rat lehnte Ihr Gesuch ab", warf Mackenzie nüchtern ein.
Sie nickte, krümmte sich noch weiter zusammen. „Da kam ich auf den Gedanken, mir das Mittel selbst zu spritzen. Ich ... Sie sollten sehen, daß es ungefährlich war." Ihre Schultern bebten, wieder ein tiefer Schluchzer. „Aber ... Der Rat entschied ... Es ... ich wurde zusammen mit ihm in Enkils Zelle gesperrt. Heute nennt ihr es die Brick ..." Wieder bebte ihr ganzer Körper, doch diesmal nicht vor Wut.
Der Psychologe fühlte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich.
Vashtu sah auf. Noch nie in seinem Leben hatte Mackenzie in den Augen eines anderen einen so tiefen Schmerz gesehen, und er hoffte, er würde das auch nie wieder sehen müssen.
"Enkil ... er hielt sich zurück. Er ... er griff mich nicht an. Ich war ... ich hoffte, ich ... Ich wollte da heraus!" Ihr ganzer Körper verkrampfte sich. „Ich habe ihn angegriffen, kontrolliert angegriffen. Ich wollte aus dieser Zelle ... ich hatte solche Angst! Und Enkil ... er wehrte sich nicht einmal! Er ließ es zu, daß ich ... daß ich ... ihn verletzte ... ihn fast tötete. Er konnte nicht mehr sprechen oder sich sonstwie verständlich machen. Er war ... nicht mehr der, den ich gekannt habe. Ich ... ich sah ihn als ... als einen Feind. Ich sollte ihn ... töten."
Mackenzie schluckte und nickte.
"Als er ... er lag einfach da, vor mir." Vashtus Brauen zogen sich hilflos zusammen. „Ich dachte, ich hätte es hinter mir. Aber ich hatte nur eine kleine mit einer großen Zelle getauscht. Der Rat holte mich aus der Brick und ließ mich in unser altes Labor sperren. Sie waren sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Sie ... Enkil starb einige Tage später. Er starb ... weil ich ..."
"Er starb, weil man Ihnen befohlen hatte, ihn zu töten, Sie ihn aber nur verletzen konnten", vervollständigte Mackenzie den Bericht. „Und Sie brachte man in das Labor, damit Sie dort Ihre Arbeit wieder aufnehmen konnten."
Sie nickte mit einem bitteren Gesichtsausdruck und starrte ins Leere. Tränen gab es jetzt keine mehr.
"Sie waren ... normal geblieben. Sie mutierten nicht. Und Sie konnten die Zellen kontrollieren."
Wieder ein stummes Nicken, und gleichzeitig spürte er, wie die Tür sich wieder schloß. Und er wußte selbst, es war mehr als genug für dieses Mal gewesen.

***

Peter atmete auf, als er Storm in Begleitung von zwei anderen Männern den Raum betreten sah. „Oh, Gott, bin ich froh Sie zu sehen, Captain!" seufzte er und ließ den Kopf auf seine Unterarme sinken, die er auf den Tisch vor sich gestützt hatte.
"Doc, das ist Dan Elliott, Anwalt. Er wird Sie in sämtlichen Bereichen vertreten", stellte der MP einen der beiden Männer vor.
Peter nickte und seufzte wieder. Dann richtete er sich auf und sah die drei müde an. „Was soll dieser ganze Quatsch, ich hätte meinen Vater getötet? Der wird sich doch bloß wieder ..." Er verstummte, als er in das Gesicht des dritten Mannes blickte. Ungläubig zwinkerte er. „Sie sind doch ... ich meine, Sie waren doch ..."
"Hernan", stellte der sich vor und nickte. „Und ganz recht, ich war bei dem Banküberfall dabei. Inzwischen arbeite ich für die nationale Sicherheit - zumindest in diesem Fall."
Peter warf einen ratlosen Blick in die Runde. „Ich verstehe nicht ..."
"Doc, Ihr Vater ist wirklich tot, ermordet", erklärte Storm. „Sah nicht sehr schön aus. Die Polizei glaubt, Sie müßten es gewesen sein, weil wohl nur Sie beide im Haus waren. Können Sie sich an irgendetwas erinnern?"
Peter blinzelte, riß sich dann zusammen und richtete sich stocksteif auf. „Das ist doch Unsinn! Warum sollte ich meinen Vater denn töten? Wie denn überhaupt?"
"Professor Babbis wurde mit einem Küchenmesser ermordet", erklärte nun wieder Hernan. „Mehr wollen Sie gar nicht wissen, glauben Sie mir."
Peter schluckte, sah sich wieder in dem Raum um, in den er gebracht worden war nach dem Erkennungsdienst. Seine Schultern sanken herab.
Nie hätte er geglaubt, einmal selbst in so einem Raum sitzen zu müssen. Im Fernsehen mochte das ja recht spannend sein, aber selbst in eine solche Situation zu geraten ... Er kniff die Lippen fest aufeinander und begann, mit den Fingern einen Takt auf die Tischkante zu trommeln, hielt dann aber plötzlich wieder inne und sah auf.
"Was jetzt?" fragte er.
Das schien das Stichwort des Anwalts gewesen zu sein. Er ließ sich neben seinem Klienten nieder und nickte. „Zunächst einmal müssen da einige grundsätzliche Fragen geklärt werden. Doktor Babbis, was wollten Sie in Boston? Sie leben doch nicht hier, sondern in Colorado Springs."
Peter blinzelte, begann, an einem Ohrläppchen zu zupfen. „Ich ... Mein Vater holte mich her. Er sagte, er hätte dafür gesorgt, daß ich ..." Er stockte, bekam große Augen. „Oh mein Gott! Er hat veranlaßt, daß ich das SGC verlassen soll!"
Storm nickte. „Wir haben auch eine Kündigung erhalten, aber die war nicht unterschrieben", erklärte er. „Und da Sie mit Ihrem Eintritt in das SGC zu einem Geheimnisträger der höchsten Stufe geworden sind, Doc, ist es nicht ganz so einfach für Sie, da wieder herauszukommen."
Elliott und Hernan tauschten einen langen, besorgten Blick, der auch dem jungen Wissenschaftler nicht entging.
"Ich bin mitgekommen, weil meine Mutter einen Unfall hatte. Sie liegt im Brigham & Women's Hospital." Er verstummte kurz wieder und schluckte hart. „Sie ... bei der Untersuchung ist herausgefunden worden, daß sie unter Eierstockkrebs im letzten Stadium leidet."
Storm sah ihn mitfühlend an. „Doc, wenn Sie wollen, dann ... das Eveins Army ist sehr gut eingerichtet, mit allem, was nötig ist ... und noch ein bißchen mehr, wenn Sie verstehen?"
Peter schluckte, zupfte wieder an seinem Ohrläppchen und kniff die Lippen aufeinander. Dann nickte er. „Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar, Captain. Sie ... ist blind und hat starke Schmerzen."
Storm nickte nun auch. „Ich werde das veranlassen."
"Würde ich nicht tun. Mrs. Babbis könnte die einzige Zeugin sein, die das Alibi des Doktors bestätigen kann", entgegnete Elliott.
"Kann sie nicht. Ich bin gestern am frühen Abend gegangen. Danach war ich noch in einem Coffee-Shop", antwortete Peter wie auf eine Frage. „Und wenn ihr im Eveins wirklich geholfen werden kann ..." Hoffnungsvoll sah er wieder Storm an.
"Ich werde Landry informieren. Glaube nicht, daß er etwas dagegen hat, wenn ihr die beste Pflege zuteil wird. Sie arbeiten schließlich für das Militär, Doc", beruhigte Storm ihn. „Ich rufe gleich nachher an."
"Wir haben allerdings ein weiteres Problem", warf Elliott in den Raum. „Dadurch, daß Doktor Babbis nicht hier gemeldet ist, besteht für das Gericht die Gefahr der Flucht. Ich glaube nicht, daß ich Sie auf Kaution herausholen kann."
Peter nickte niedergeschlagen.
"Woran erinnern Sie sich noch?" fragte Hernan nun.
Der junge Wissenschaftler sah wieder auf. „Ich war im Krankenhaus bei ihr, dann bin ich in diesen Coffee-Shop gegangen und habe drei oder vier Tassen getrunken. Der letzte Kaffee schmeckte etwas bitter. Dann habe ich mir ein Taxi genommen und bin zum Haus meiner Eltern rausgefahren. Auf dem Weg dorthin war ich ziemlich müde. Also bin ich gleich zu Bett gegangen."
"Sie haben Kaffee in einem Coffee-Shop getrunken und wurden müde?" Storm hob die Brauen. „War das entkoffinierter?"
"Nein, normaler Kaffee."
Storm und Hernan wechselten einen langen Blick, sahen dann gemeinsam den Anwalt an. Der schien zu verstehen. „Ich werde eine Blutprobe veranlassen lassen. Aber wenn es ein Mittel auf pflanzlicher Basis war ... diese K.O.-Tropfen sind verteufelt schwer nachzuweisen."
"Warum sollte mir jemand K.O.-Tropfen in den Kaffee mischen?" Peter war verwirrt.
"Fragen wir einmal anders: Wer hatte Grund, Ihren Vater zu töten?" erkundigte Hernan sich.
Der junge Wissenschaftler verzog voller Ironie das Gesicht. „Fragen Sie lieber, wer nicht. Mein Vater hat sich überall seine Feinde geschaffen. In der Literaturwelt ist er schon seit Ewigkeiten ein rotes Tuch für alle. Er hat mehr als eine Karriere zerstört. Und an der Uni ... Er ist ... war ziemlich hart mit seinen Studenten, da sind auch mehr als genug abgesprungen und hinterher komplett abgerutscht."
"Netter Mensch, Ihr Vater, Doc", wandte Storm ein. In seinem Gesicht spiegelte sich der Rest des Satzes wieder.
Peter blinzelte. „So schlimm bin ich nicht!" brauste er dann auf, erntete einen amüsierten Blick von dem MP und dem Ex-Polizisten.
Elliott sah ihn von der Seite an mit nachdenklicher Miene.
"Da wäre noch eine andere Sache, Doc", wandte Storm ein. „Sie haben nicht zufällig irgendwo einen Zweitschlüssel für Ihre Wohnung versteckt?"
"Hä?" Peter starrte den MP groß an.
"Major Uruhk hat Ihnen ... etwas geschickt, was sie gern wieder hätte. Und dem SGC wäre es ebenfalls lieber, wenn sie es bei sich tragen würde, statt daß es offen irgendwo herumliegt."
Peter blinzelte, dann weiteten sich seine Augen entsetzt. „Ist V... Major Uruhk in Schwierigkeiten? Wo ist sie? Sie würde mir den Kristall doch nicht ..."
Elliott drückte ihn mit sanfter Gewalt wieder auf den Stuhl zurück. „Beruhigen Sie sich. Wird schon nicht so schlimm sein, Doktor Babbis."
"Der Major hatte Schwierigkeiten, Doc. Aber das ist jetzt ein für allemal geklärt. Glauben Sie mir. Sie hat Ihnen den Kristall nur zur Vorsicht geschickt. War wohl so abgemacht zwischen ihnen, oder?" Storm neigte leicht den Kopf.
Peter nickte stumm, noch immer mit geweiteten Augen.
"Wie war das jetzt mit dem Zweitschlüssel?" erkundigte Hernan sich.
"Hinter dem dritten Stein in der Mauer, rechts von der Tür."
Storm und Hernan tauschten wieder einen Blick. Dann wandte der MP sich wieder an Peter: „Wir verlassen Sie jetzt, Doc, und geben Ihre Wünsche und Antworten an das SGC weiter. Machen Sie sich keine Sorgen, Sie kommen hier schon raus."

TBC ...

27.04.2010

Erdgebunden II

Vashtu hockte auf ihrem Bett, zwei Knöpfe in den Ohren und ein kleines Gerät in ihren Händen. Leise nickte sie im Takt der Musik mit dem Kopf, als Sergeant George Dorn ihr Krankenzimmer betrat. Sofort leuchteten ihre Augen auf und sie schaltete den kleinen MP3-Player aus. „George!" sagte sie, während sie sich die kleinen Knöpfe aus den Ohren zog.
Der Marine nickte ihr zu, runzelte die Stirn. „Immer noch nicht geheilt?" fragte er mit einem Nicken auf ihren verbundenen Hals.
Vashtu verzog das Gesicht. Unwillkürlich tastete sie nach dem Verband, zog dann eine Grimasse. „Es tut zumindest nicht mehr weh." Sie zuckte mit den Schultern.
Dorn nickte, ließ sich auf dem Stuhl an ihrem Bett nieder und griff nach ihrer Hand, um sie zu drücken. „Wie geht es dir?" fragte er dann sanft.
Wieder zog sie eine Grimasse. „Wie schon? Ich will hier raus", antwortete sie, rutschte näher und ließ die Beine baumeln. „Ich habe die Nase gründlich von Krankenhäusern voll. Und dieser ... dieser ... Mackenzie ist einfach nur ein Idiot!" In ihren Augen blitzte es kalt auf. „Er will mich nicht gehen lassen, solange ich ihm nicht mein Herz ausgeschüttet habe. Aber da gibt es nichts auszuschütten."
Dorn runzelte die Stirn und öffnete den Mund.
Vashtu schüttelte ungeduldig den Kopf. „Schon etwas von Babbis gehört?" fragte sie dann.
Der Marine ließ sich nicht aus dem Konzept bringen, sondern schüttelte ebenfalls den Kopf.
Vashtu kniff dann nachdenklich die Lippen aufeinander. „George, ich habe ihm den Steuerkristall per Post geschickt", sagte sie dann endlich. „Existiert seine Wohnung denn noch?"
Dorn nickte, und die Antikerin seufzte erleichtert.
"Warum nicht mir?" erkundigte er sich dann plötzlich.
Vashtu blinzelte. „Was?" Sie sah ihn einen Moment lang mit großen Augen an, dann zuckte sie mit den Schultern. „Weil ich denke, Peter hat ab und an auch einmal einen Vertrauensbeweis verdient. Außerdem ist er, abgesehen von mir, der einzige, der vielleicht etwas mit dem Kristall anfangen kann, und wenn er ihn nur John nach Atlantis schickt. Vielleicht ist die Post auch einfach etwas langsam." Sie mußte zugeben, ihr fehlte die zweite Kette mit dem Steuerkristall. Sie war es inzwischen so gewohnt, ihn zu tragen, daß es schwerfiel, ihn irgendwann einmal nicht dabei zu haben.
Dorn nickte wieder, drückte ihre Hand, ehe er sie losließ und sich nach vorn beugte, um ihr besser ins Gesicht sehen zu können. „Dein AB?"
Vashtu sah ihn kurz an, dann nickte sie. „Du hast recht!" Von einem plötzlichen Energieausbruch erfaßt, schwang sie sich vom Bett und lief auf nackten Füßen zu dem spintartigen Schrank hinüber, in dem sich ihre Sachen befanden. Sie wühlte kurz, dann kehrte sie zu dem Marine zurück, einen Schlüssel in der Hand. „Mein Wohnungsschlüssel. Verlier ihn nicht, sonst muß ich wirklich nach Atlantis, um den zweiten zu holen." Sie zwinkerte.
Dorn nahm den Schlüssel an sich und steckte ihn ein. Dann wurde sein Gesicht wieder ernst. „Mackenzie", sagte er nur.
Schlagartig verdüsterte sich Vashtus Miene wieder.
"Dieser heimtückische Mistkerl! Sie hatte ganz genau gewußt, daß er sie nicht so einfach davonkommen lassen würde, schon beim ersten Mal nicht. Er war erpicht auf ihre Geheimnisse, auf Dinge, die niemanden etwas angingen. Und sie mochte ihn nicht, sein Auftreten, seine ganze Art. Für sie war er einfach nur arrogant. Noch arroganter, seit er offensichtlich das Sagen über sie hatte und sie nicht aus dem Krankenhaus entlassen wollte.
Vashtu kreuzte abwehrend die Arme vor der Brust. „Der Kerl kann mir gestohlen bleiben! Irgendwie komme ich schon hier heraus, darauf kannst du dich verlassen! Ich habe keine Probleme, es geht mir gut."
Dorn warf ihrem bandagierten Hals einen langen Blick zu, sagte aber nichts.
Die Antikerin warf sich wieder auf das Bett, knallte ihren Hinterkopf hart in das Kissen und starrte zur Decke. „Er hatte heute wirklich die Unverfrorenheit mir zu sagen, daß mein Dienst auf Atlantis ausgesetzt wird auf sein Geheiß. Ich würde John so lange nicht wiedersehen, bis ich mir endlich das von der Seele geredet hätte, was mich bedrückt. Woher will ausgerechnet er denn wissen, was mich bedrückt?" Ein bitteres Lachen, das sofort wieder abbrach. „Ich will hier heraus!"
"Vielleicht solltest du mit ihm reden, Kleines", begann Dorn nun. „Die Wunde will nicht heilen, vergiß das nicht. Und denke an das letzte Mal."
"Ich habe mich im Griff!" Sie runzelte die Stirn.
Nein, sie hatte sich nicht wirklich im Griff, und das wußte sie. Wenn sie einschlafen wollte, war sie wieder in dieser Waldhütte, mußte wieder ihr Leben vor dem Goa'uld ausbreiten. Oder sie fühlte, wie dieses Schlangenwesen sich in ihren Körper fraß. Sie hatte Atlantis verraten, sie hatte die Sache mit dem Steuerkristall verraten - beinahe hätte sie noch mehr preisgegeben, ehe sie begriff, daß sie die Erinnerungen steuern konnte.
"Kleines!" Dorn seufzte schwer und erhob sich, um sich auf die Bettkante zu setzen. Wieder griff er nach ihrer Hand. Einen Moment lang war sie versucht, sie ihm vorzuenthalten, dann aber ließ sie die Berührung zu.
"Du bist nicht so hart, wie du gern sein würdest." Dorns Stimme war sanft. „Wer dich gut genug kennt, der weiß das. Da ist inzwischen so viel, was dich bedrückt. Laß dich davon nicht auffressen, das ist der falsche Weg. Du solltest wirklich mit Mackenzie reden. Er mag zwar nicht sonderlich nett sein, aber er ist kompetent."
Vashtu warf ihrem väterlichen Freund einen langen Blick zu. „Kompetent?" wiederholte sie, erstaunt, ein solches Wort aus seinem Mund zu hören.
Dorn nickte. „War auch schon bei ihm. Das halbe SGC war bei ihm, und viele aus Atlantis. Er hat sich um die gekümmert, an denen die Wraith sich nährten während der Belagerung."
Vashtu kniff die Augen zusammen und verzog unwillig das Gesicht. Dann wandte sie stumm den Kopf ab.
"Rede es dir von der Seele, dann wird es gut sein und du kannst hier raus. Du mußt nicht alles erzählen, nur soviel, wie er zum Arbeiten braucht."
Vashtu blinzelte die Tränen fort und schluckte einige Male, dann holte sie tief Atem. „Ich kann soetwas nicht, George", sagte sie schließlich.
"Du kannst es."
Als sie wieder in seine Augen sah, sah sie den Stolz in ihnen. Stolz auf sie. Und irgendwie wünschte sie sich plötzlich wirklich, seine Tochter zu sein, oder Laurell wenigstens gekannt zu haben. Dann würde sie sich vielleicht besser fühlen.
"Du hast das mit deinem Colonel wieder hingekriegt, also wirst du es auch schaffen, Mackenzie zu überleben und dir ein paar von deinen Sorgen nehmen zu lassen. Ist nicht so schwer, wenn du einmal einen Anfang gefunden hast."
Sie lächelte gezwungen, wurde aber gleich wieder ernst.
Dorn nickte, dann erhob er sich wieder, drückte noch einmal kurz ihre Hand. „Muß jetzt los."
Sie nickte nur, sah ihm nach, wie er ihr Zimmer verließ.

***

Peter bezahlte das Taxi, richtete sich dann, sich die Schläfen reibend, auf und blinzelte zum Haus hin.
Was war nur los mit ihm? Er fühlte eine unendliche Müdigkeit in sich, die er kaum bezähmen konnte. Dabei hatte er sich den ganzen Tag mit Kaffee zugeschüttet.
Er schüttelte leicht den Kopf und seufzte, dann wandte er sich dem Haus zu und stapfte mißmutig die Einfahrt hinauf.
Wieder ein Tag vorbei, wieder ein Tag, den er nicht im SGC gewesen war.
Ob man ihn dort vermißte? Ob man sich fragte, wo er geblieben war?
Er war sich da nicht so sicher. Immerhin war er inzwischen schon seit vier Tagen wieder in Boston, und bisher war noch nicht einmal ein Anruf eingegangen. Dabei war er sich eigentlich sicher gewesen, daß ...
Er zog mühsam den Schlüssel aus seiner Jackentasche und steckte ihn nach einigen Anläufen ins Schloß.
Das Haus war dunkel, als er die Tür aufstieß. Die Bediensteten seines Vaters übernachteten nicht hier, sondern in einem kleineren Anbau, der sich wie verschämt in einem extra angelegten Wäldchen verbarg. Und der Professor war entweder noch nicht von einer seiner zahlreichen Verpflichtungen zurück oder bereits zu Bett gegangen.
Peter seufzte schwer.
Zumindest hatte er damit gerechnet, daß Vashtu Uruhk sich nach seinem Verbleib erkundigen würde. Aber selbst sie schwieg.
Die Frage war, ob man im SGC tatsächlich eine Kündigung mit seinem Namen erhalten hatte oder nicht. Und ob man diese Kündigung wirklich ernst nehmen würde. Immerhin war er, seit er das erste Mal durch das Stargate geschritten war, ein Geheimnisträger. Normalerweise hätte man ihn nicht so einfach laufen lassen dürfen, zumindest hatte er das nie angenommen.
Ohne weiter darüber nachzugrübeln schlich er in die große Halle hinein, dann eine der breiten Flügeltreppen in den ersten Stock hinauf. Dabei gähnte er immer wieder herzhaft.
Vielleicht sollte er sich mit dem SGC in Verbindung setzen. Wäre vielleicht nicht die schlechteste Lösung um herauszufinden, was im Cheyenne-Mountain eigentlich geschah.
Aber morgen, beschloß er, heute war er nicht mehr fähig dazu. Morgen war auch noch ein Tag ...

***

Eine dunkle Gestalt löste sich aus dem Schatten eines wilden Rosenstrauches und glitt zur Eingangstür der Villa hinauf. Vorsichtig drückte sich eine behandschuhte Hand gegen das Holz. Die Tür schwang auf.
Ein böses Lächeln schlich sich auf schattige Züge.
"Guten Abend", zischte eine haßerfüllte Stimme.
Die Gestalt betrat das Haus.

***

"Bin da."
Mackenzie blinzelte und blickte dann auf. Überrascht nickte er, als er die Antikerin in der Tür zu seinem Büro stehen sah.
"Guten Morgen, Major", begrüßte er sie, klappte die Krankenakte zu, in der er sich einige Notizen gemacht hatte zu einem anderen Fall. „Schön, daß Sie jetzt zumindest ein erstes Einsehen zeigen. Wir kommen offensichtlich voran."
"Ich will hier heraus, und Sie scheinen der einzige Weg zu sein, das zu schaffen." Mit weiten Schritten marschierte sie zu dem Stuhl vor seinem Schreibtisch und warf sich hinein. „Also?" Auffordernd sah sie ihn an.
Mackenzie wurde mißtrauisch. Irgendetwas stimmte da nicht, da war er sich sicher. Erst gar nichts und jetzt plötzlich alles? Nein, das konnte nicht sein.
"Was soll ich erzählen? Über die Wraith? Da hätte ich einige nette Geschichten auf Lager." Ihr Gesicht wirkte angespannt bei diesen Worten.
Mackenzie beugte sich vor, sah sie sehr genau an, blickte in ihre Augen. Er las Entschlossenheit in ihnen, aber auch immer noch Widerstand. Und er war sicher, was auch immer sie gleich erzählen würde, es würde nicht das sein, was er hören wollte.
Er lehnte sich wieder zurück und nahm ihre Akte, um in ihr zu blättern. „Nun, wenn wir so früh beginnen wollen, dann sollten wir vielleicht gleich zum Anfang zurückkehren. Sie haben mehrmals angegeben, daß Sie Zeuge geworden sind, wie Ihre Mutter starb. Stand sie Ihnen nahe?"
Vashtus Gesicht versteinerte sichtlich. „Sie war meine Mutter", sagte sie nur.
Noch immer blockte sie ihn ab.
Mackenzie seufzte tonlos in sich hinein. Aber vielleicht ...
"Und wie war es, als Sie gefangen genommen wurden und der Wraith sich an ihr nährte? Wie war es für Sie?" bohrte er weiter.
"Schrecklich, wie sonst?" Sie zuckte mit den Schultern, als ginge das ganze sie nicht das mindeste an. Doch in ihren Augen konnte der Psychologe etwas anderes lesen. Einen tiefen Schmerz und einen nagenden Haß. Mehr Haß, als er bisher bei irgendjemandem gesehen hatte.
War das das Schlüsselerlebnis für sie gewesen? War das der Auslöser für ihre plötzlich und spontan ansteigenden Aggressionsschübe?
Sicher war er sich da nicht, aber möglicherweise handelte es sich um einen der Auslöser. Ein solches Erlebnis zeichnete jeden, und er hatte das mehr als einmal erleben dürfen.
"Als Sie dann auf Ihre Missionen gesandt wurden ... hat da jemals ein Wraith versucht, sich an Ihnen zu nähren?" fragte er.
Vashtu erstarrte, den Blick plötzlich vollkommen nach innen gerichtet. Dann erschauderte sie, schien sich mit aller Macht wieder aus den Erinnerungen herauszureißen. „Nein", sagte sie, doch wieder konnte er in ihren Augen die Wahrheit lesen. Mindestens einmal, doch es war nicht gelungen. Sie hatte keine Lebensjahre verloren.
Mackenzie nickte nachdenklich. „Diese Gentherapie, die Sie gemeinsam mit Ihrem Vater und Ihrem Bruder entwickelt haben ... Ihr Bruder hat sich ihr zuerst unterzogen, nicht wahr? Wie war es? Gelang es?"
"Zunächst ja. Dann begann er sich zu verändern - zu mutieren." Abrupt schloß sie den Mund, ihre Augen wurden starr.
Mackenzie hatte diese Reaktion zwar nicht erwartet, doch er war wenig überrascht. Aus den Akten wußte er, daß Vashtu offensichtlich auch auf der Suche nach einer Ersatzfamilie war, diese teilweise auch innerhalb ihres Teams gefunden zu haben glaubte. Die Art, wie sie mit Dorn umging, verriet viel über sie, ebenso ihre Anhänglichkeit, ja ihre Hartnäckigkeit gegenüber Dr. Babbis. Der einzige, der bei ihr wohl mehr oder weniger hinten überfiel war Wallace. Doch selbst das Verhältnis zu ihm hatte sich geändert seit der Geburt von SG-27.
"Inwiefern ist er mutiert?" Mackenzie beugte sich vor, nun absolut sicher, einen der Auslöser für ihr Verhalten gefunden zu haben.
Vashtu atmete einige Male tief ein, und eine Sekunde lang glaubte er wirklich, zu ihr durchgedrungen zu sein. Dann aber wechselte sie abrupt das Thema: „Wollen Sie nicht lieber ein paar nette Geschichten über die Wraith hören, Doc? Ist wesentlich unterhaltsamer als das."
Er war an einem wunden Punkt angelangt, dessen war er sich jetzt sicher. Er hatte etwas gefunden, sie selbst hatte ihn darauf gestoßen, vielleicht unabsichtlich, aber sie hatte es getan. Ihr Bruder, Enkil, war einer der Auslöser für ihr Verhalten. Irgendetwas war damals geschehen, was sie bisher entweder nicht ausgesprochen oder herunterspielt hatte. Irgendetwas, was für sie eine Welt hatte in Scherben gehen lassen.
"Wenn wir bei den Wraith sind ... Nun, ich hätte da selbst das eine oder andere anzubieten." Mackenzie faltete die Hände vor sich auf dem Schreibtisch. „Wußten Sie, was während der Belagerung von Atlantis geschehen ist?"
Ein tiefes Einatmen, ihr Blick irrte ab. „Nein, ich hatte keinen Zugriff auf den Rechner."
Eine glatte Lüge!
Mackenzie beugte sich vor. „Wenn Sie es gewußt hätten, was hätten Sie getan?"
Ihre Kiefer mahlten. „Ich hätte versucht zu helfen, das hätte ich getan!" Sie spie ihm diese Worte geradezu entgegen, doch noch immer war ihr Blick abgewandt.
"Und was hätten ausgerechnet Sie tun können? Sie waren eingesperrt in dieser Etage. Sie kamen nicht heraus und niemand kam herein."
Kurz, sehr kurz, vielleicht eine halbe Sekunde lang, sah sie ihn starr an, dann wandte sie mit einem Ruck den Kopf zum Fenster und sah hinaus. „Ich hätte gekämpft, wie ich es früher schon getan habe", antwortete sie.
Mackenzie ließ sich wieder in seinen Sessel zurücksinken, sah sie an.
Noch eine Lüge. Sie hätte nicht gekämpft, sie hatte gekämpft. Wie auch immer das untergegangen war, sie hatte Wraith getötet während der Belagerung. Die Frage war, was sie mit den Leichen angestellt hatte. Andererseits ... ihr Labor hatte an der Flutmarke gelegen. Sie kannte sehr wahrscheinlich Wege nach draußen, die sonst niemand kannte. Es mußte ein leichtes gewesen sein, die Leichen verschwinden zu lassen, damit es niemandem auffiel, daß da noch jemand in der Stadt war.
Warum hatte sie so lange gezögert? Warum hatte sie sich nicht schon viel früher gezeigt?
Mackenzie begriff, daß dieses Problem mit einigen anderen zusammenhing, auf deren Spur er sehr wahrscheinlich war. Aber solange sie sich noch immer nicht wirklich öffnete, hatte er keine Chance, diese auch nur anzukratzen.
"Es soll sehr schwer sein, einen Wraith zu töten, habe ich mir sagen lassen", tastete er sich vorsichtig voran. „Haben Sie eine effektive Methode?"
"Sie mit ihren Stunnern aufspießen oder das Genick brechen. Das sind die wirksamsten Methoden, die ich kenne." Ein bitteres Lächeln umspielte bei diesen Worten ihre Lippen. „Stangen, gleich aus welchem Material auch immer, solange es fest genug ist, sind ebenfalls sehr nützlich. Die Königin, die ich gemeinsam mit Colonel Sheppard mitsamt ihrem Schiff erledigte, habe ich mit einer Stange an die Wand ihres Schiffes genagelt."
"Ziemlich grausam, finden Sie nicht?"
"Warum? Was die Wraith mit meinem und Ihrem Volk tun, ist ebenfalls grausam. Wenn ich ihnen das Genick breche, geht es schnell." Ein Muskel in ihrer Wange zuckte. Noch immer starrte sie aus dem Fenster.
"Aber Sie müssen sehr nahe an sie heran, Sie müssen ihnen in die Augen sehen, sofern sie Augen haben", fuhr Mackenzie fort. „Das war zu Anfang sicher nicht ganz einfach."
"Einfach ist das Töten nie. Aber man gewöhnt sich daran." Wieder ein Zucken. Ihre Augen wirkten etwas verschleiert.
Der Psychologe beobachtete diese Reaktion sehr genau.
Wieder ein Punkt. Sie tötete wirklich nicht gern. Sie war keine einsame Killerin, die ihre Gefühle ausschalten konnte bei Bedarf. Sie hatte lernen müssen zu töten, um selbst zu überleben. Sie fühlte zwar kein Bedauern mit ihren Opfern, aber sie tat nicht gern, was man ihr zur Aufgabe gestellt hatte.
Mackenzie runzelte die Stirn.
Er war definitiv weiter gekommen als in den letzten Sitzungen. Dafür aber stellten sich ihm immer neue Fragen, die er nicht beantworten konnte. Und solange sie dermaßen dicht machte und ihn nur ansatzweise sehen ließ, was da an ihr nagte, würde er diese Probleme auch nicht wirklich ausmerzen können.
"Sie haben damals für den Rat gearbeitet, richtig?"
Nun senkte sie den Kopf und zog ein Bein an. Die Arme um den Schenkel geschlungen saß sie da und lehnte ihre Wange auf das Knie. Ihr Blick war wieder irgendwohin gerichtet, und wieder nahm er auch das Blocken wahr. Sie ließ nicht die ganzen Erinnerungen zu, nur soviel, wie sie selbst ertragen konnte. Aber die Probleme, die sie hatte, würden dadurch nicht verschwinden. Sie gährten weiter in ihr und schwollen zu etwas an, was irgendwann wirklich gefährlich für sie werden konnte.
"Nachdem ich mich selbst der Therapie unterzogen und beim Rat vorgesprochen hatte ja", antwortete sie endlich. „Man sandte mich auf die Wraith-Schiffe, um wichtige Personen meines Volkes dort herauszuholen oder um irgendeinem Hinweis nachzugehen. Manchmal versuchte man auch, die Blockade zu sprengen und wagte einen Ausfall, während ich auf irgendeinem Schiff war und dort für Unruhe sorgte."
"Und immer waren Sie allein?"
Ein tiefer Atemzug, dann schloß sie die Augen. „Ja, ich war allein auf diesen Schiffen", antwortete sie. Dann richtete sie sich plötzlich wieder auf und sah ihn an. „Hey, wie wäre es mit der Story, wie ich die junge Königin ins All gepustet habe? Das war witzig!" Doch in ihren Augen lag ein tiefer Schmerz.
Nein, es war nicht witzig gewesen, das sah Mackenzie sofort. Im Gegenteil, was auch immer damals geschehen war, Vashtu war von ihrem Volk bewußt isoliert worden. Wie hatte sie es selbst einmal gesagt? Sie war eine persona non grata gewesen für den Rat, ein nützliches Werkzeug, aber mehr auch nicht.
Der Psychologe begriff das eigentlich tragische an ihrer ganzen, unendlich langen Geschichte: Man hatte sie allein gelassen. Ihr eigenes Volk hatte sie allein gelassen mit einem Schmerz, den sie allein nicht bewältigen konnte. Mit der Zeit hatte sie sich daran gewöhnt, wahrscheinlich war sie selbst immer waghalsiger geworden während ihrer Aufträge. Ein Hilferuf von jemandem, dessen Stimme nicht gehört werden sollte. Sie hatte unbewußt ein Ende setzen wollen, und deshalb stieg ihre Gewaltbereitschaft immer mehr an, in der Hoffnung, daß irgendein Wraith irgendwann stark genug war, um sie zu töten.
Was hatten die Antiker einer der ihren angetan? Und warum?
Weil sie Angst vor ihr hatten wegen ihrer veränderten Gene? Weil sie etwas getan hatte, was man ihr vorher verbot? Oder spielte da noch mehr hinein?
Mackenzie zögerte, dann nickte er.
Er war weiter gekommen, sogar ein ziemliches Stück. Sehr wahrscheinlich würde er noch einiges mehr erfahren, aber für eine Sitzung reichte es erst einmal. Jede zusätzliche Information würde ihm noch mehr zu denken geben und sie noch tiefer in den Schlamasel hineinziehen, in den andere sie gestoßen hatten. Er wußte jetzt zumindest ansatzweise, warum sie manchmal so viel riskierte und so aggressiv wurde. Er kannte zwar noch immer nicht alle Antworten, aber es würde zunächst einmal reichen. Es mußte reichen. Er fühlte, daß sie selbst sich gerade in einem Netz aus ihren eigenen Erinnerungen und Erfahrungen fing. Und sie würde keinen anderen Ausweg finden, als wieder irgendetwas sehr gründlich zu zerlegen und Leichen zurückzulassen. Er konnte nicht weitermachen, ehe sie sich nicht wieder gefangen hatte. Sie beherrschte sich zwar, doch seine Fragen setzten ihr bereits zu, selbst wenn sie ihn nicht weit vordringen ließ.
Er atmete tief ein und klappte ihre Akte zu. „Ich denke, das reicht für heute, Major. Es wäre sehr nett von Ihnen, wenn Sie morgen wieder um die gleiche Uhrzeit erscheinen würden."
Die Anspannung löste sich aus ihren Gliedern. Erleichtert nickte sie und erhob sich.
"Und, Major, kommen Sie bitte pünktlich."
Wieder ein Nicken, dann verließ sie sein Büro, ließ ihn sehr nachdenklich zurück.

***

Peter wachte von dem Lärm von Schritten und vieler verschiedener Stimmen auf. Verschlafen rieb er sich das Gesicht und gähnte herzhaft, dann setzte er sich auf.
Was war denn da unten los? Seit wann bevorzugte sein Vater denn ... ?
Die Tür zu seinem Zimmer öffnete sich.
Peter sah auf, der Meinung, einer der Bediensteten wolle ihn wecken und sich entschuldigen für den Lärm. Doch statt in ein dienstbefließenes, nichts sagendes Gesicht sah er den bemützten Kopf eines Polizisten zur Tür hereinlugen.
Irritiert blinzelte er, setzte sich unwillkürlich aufrecht hin. „Ja?"
Der Polizist starrte ihn an, dann zog er kurz den Kopf zurück, um dann, mit einer Waffe in den Händen, die Tür ganz aufzustoßen und auf ihn zu zielen.
Peter starrte blinzelnd in den Lauf der Waffe. „Was soll das denn?" fragte er irritiert.
"Keine Bewegung! Hände hoch!" Der Polizist drehte den Kopf und bellte über die Schulter zurück: „Ich habe ihn! Hier ist er!"
Peter war verwirrt, hob aber die Hände, nur zur Sicherheit.
Was ging denn hier vor?
Da erschien schon ein Mann in einem grauen, schon bessere Zeiten erlebten, Anzug in der Tür, sah ihn an. „Sind Sie Dr. Peter Horacio Babbis?" fragte er.
Der junge Wissenschaftler nickte verblüfft.
"Sie sind verhaftet." Der Mann wandte sich ab.
Peter fiel das Kinn herunter.

TBC ...

25.04.2010

1.17 Erdgebunden

TV-Serie: Stargate general
Reihe: SG-V (SG-27)
Genre: crime, drama
Rating: PG


Dr. Peter Babbis betrat den Raum und sah sich aufmerksam um. Er fühlte sich etwas unwohl, aber das konnte auch an der Tatsache liegen, daß er mehr oder weniger gegen seinen Willen in Boston war. Was er jetzt zu tun gedachte, nun, das war eine kleine Rache. Rache für etwas, was sein Vater ihm wieder einmal angetan hatte.
„Kann ich Ihnen behilflich sein?" Ein älterer Mann war hinter dem Tresen erschienen, lächelte ihn dienstbefließen an.
Babbis zögerte, holte dann tief Atem und nickte. „Ja,können Sie", antwortete er und trat näher. „Ich brauche ... eine Brille."
Der ältere Mann lächelte. „Haben Sie ein Augenleiden?"
„Schon seit einigen Monaten, ja. Mein Arzt ... Moment." Babbis griff in die Innentasche seiner Jacke und holte seine Brieftasche hervor, um einen zusammengefalteten Zettel daraus zu ziehen. „Hier."
Der ältere Mann nahm den Zettel mit einem Lächeln entgegen und entfaltete ihn. Dann aber verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht, statt dessen runzelte er die Stirn.
Babbis trommelte ungeduldig mit seinen Fingern einen Takt auf den Tresen, rief sich dann plötzlich zur Ordnung, schob seine Hand in eine Tasche seines Mantels und holte einen Schokoladenriegel hervor.
„Das ist ... Sie hätten schon sehr viel eher kommen sollen, mein Herr", wandte der Optiker sich wieder an ihn und blickte auf. „Eine solche Fehlleistung ... Sie haben ..."
„Verkaufen Sie mir jetzt eine Brille oder nicht?" brauste der junge Wissenschaftler auf.
Sein Gegenüber schürzte kurz die Lippen, dann nickte er. „Natürlich. Aber ... Sie haben da ..." Er schloß den Mund schüttelte den Kopf. „Kommen Sie bitte nach hinten durch, Mr. Babbis." Er machte eine einladende Geste.
Babbis nickte und ließ sich in ein Hinterzimmer führen, in dem allerlei Geräte und Maschinen herumstanden. Aufmerksam sah er sich wieder um, konnte aber mit den Dingen hier nichts anfangen.
„Setzen Sie sich." Der Optiker trat an ihm vorbei an ein Gerät, das Babbis zumindest vom Aussehen her kannte. Auch Dr. Lam verfügte über soetwas.
Er ließ sich dem Älteren gegenüber nieder und beugte sich brav vor, als es ihm befohlen wurde. Ein bläuliches Licht strahlte in seine Augen und ließ ihn mit verkniffener Miene blinzeln.
„Sie reagieren bereits sehr empfindlich auf Licht", stellte der Optiker fest.
„Das weiß ich. Daran ist es mir ja zuerst aufgefallen."
Der Optiker runzelte die Stirn, beugte sich jetzt selbst vor und blickte durch das Gerät dem jungen Mann in die Augen. Dann lehnte er sich wieder zurück und seufzte. Er zog das Rezept und einen Stift hervor und begann sich etwas zu notieren.
„Kriege ich jetzt meine Brille oder nicht?" Babbis hatte sich auch zurückgelehnt, beobachtete seinen Gegenüber mit scheelem Blick.
„Sie hätten schon sehr viel eher kommen sollen, Mr. Babbis", sagte der Optiker. „Das sieht nicht gut aus. Sie hätten Ihren Stolz herunterschlucken und bereits in Colorado einen Optiker aufsuchen sollen. So ist es schlimmer geworden."
„Davon weiß ich nichts. Geben Sie mir jetzt eine Brille?" Babbis runzelte unwillig die Stirn.
Der ältere Mann seufzte und sah auf. „Natürlich bekommen Sie Ihre Brille. Ich wollte Ihnen das nur noch einmal abschließend sagen."
„Das haben Sie hiermit getan." Babbis kreuzte die Arme vor der Brust.
Der Optiker seufzte wieder. „Sie haben Ihr Augenlicht riskiert, Mr. Babbis. Sie hätten erblinden können."
In Babbis' Gesicht zuckte kein Muskel bei diesen Worten. Er sah seinen Gegenüber nur starr an.


***

Vashtu Uruhk saß auf ihrem Krankenhausbett im Schneidersitz und hatte den Nacken tief über einen Laptop gebeugt. Leise, piepende Töne drangen aus dem Rechner, bildeten eine eigenartige Melodie.
Dr. Mackenzie stand an den Türrahmen gelehnt und seufzte. Er stand jetzt schon eine ganze Weile hier, doch die Antikerin hatte ihm keinerlei Beachtung geschenkt. Seine Anwesenheit aber hatte sie durchaus wahrgenommen, das wußte er. Sie war zu mehr als nur dazu in der Lage, einen Rechner zu bedienen und gleichzeitig mit einem möglichen Gast zu sprechen. Diese völlige Ignoranz war für ihn ein mehr als deutliches Zeichen ihrer Ablehnung. Doch er hatte schon schwerere Fälle gehabt als sie - zumindest hoffte er das.
Mit einem Ruck betrat er das Krankenzimmer, schloß die Tür und trat an das Bett heran, um den Laptop mit einer entschlossenen Bewegung zusammenzuklappen. Von der Antikerin erntete er einen vernichtenden Blick, aber ansonsten eisiges Schweigen.
„Sie sind nicht zu unserem Termin erschienen", sagte er, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich, die Krankenakte vor sich auf dem Schoß aufschlagend.
Vashtu wandte sich von ihm ab und klappte das Gehäuse des Rechners wieder auf.
„Hören Sie, Major, entweder Sie arbeiten mit mir zusammen oder Sie werden eine sehr lange Zeit hier verbringen." Mackenzie beugte sich vor und zog das Stromkabel aus dem Anschluß, was ihm wieder einen verächtlichen Blick einbrachte, dieses Mal allerdings mit einem leisen Triumph gepaart.
Der Psychologe seufzte, legte die Akte auf das Bett und erhob sich wieder.
„Wagen Sie es auch nur in die Nähe des Rechners, können Sie mit einer gebrochenen Hand rechnen!" Die Stimme war dunkel, wenn auch weiblich, und klirrte wie Eis.
Mackenzie ließ sich nicht beirren. Mit einer entschlossenen Bewegung griff er nach dem Laptop und nahm ihn an sich.
Vashtu starrte ihn mit kalten Augen an, die Lippen zusammengekniffen.
Mackenzie lächelte. „Geht doch auch ohne Gewalt", sagte er, legte den Rechner auf den Tisch, der vor dem Fenster stand. Dann setzte er sich wieder und seufzte erneut.
Vashtu lehnte sich in die Kissen zurück und kreuzte demonstrativ die Arme vor der Brust. „Was wollen Sie?" knurrte sie.
„Sie reden ja mit mir, erstaunlich!" Mackenzie griff sich wieder die Akte und begann in ihr zu blättern. „Wie gesagt, Sie haben den Termin verpaßt. Es steht zu hoffen, daß es sich dabei nur um ein Versehen Ihrerseits handelte, Major. Wer auch immer Ihnen den Rechner gebracht hat, wußte offensichtlich nicht, daß Sie hier auch noch andere Verpflichtungen haben."
Vashtu streckte die Beine aus, überkreuzte auch diese. Noch immer starrte sie brütend den Psychologen an.
Mackenzie sah wieder auf. „Hat sich einiges zusammengesammelt in den eineinhalb Jahren, seit Sie hergekommen sind. Es wurde Zeit, daß wir beide uns einmal unterhalten, schätze ich."
Die Antikerin schnaubte. „Es geht mir gut!" Sie spie ihm diese Worte geradezu entgegen.
Mackenzie hob die Brauen, schob seine Brille wieder zurück auf ihren eigentlichen Platz direkt vor seinen Augen. „Diese Antwort höre ich immer wieder, und in den meisten Fällen stimmt es nicht", entgegnete er, deutete auf die Akte. „Was hier steht, würde jeden Menschen an den Rande des Wahnsinns treiben, Major. Sie mögen vielleicht mehr verkraften können als wir, aber gefeit sind Sie trotzdem nicht vor psychologischen Ausfällen, das haben Sie bereits einmal bewiesen."
„Ein Ausrutscher, mehr nicht." Vashtu beugte sich vor, noch immer starrte sie ihren Gast an. „Geben Sie mir den Passierschein, dann ist es gut. Ich muß sehen, daß ich Babbis wiederfinde, ehe er noch Unsinn anrichtet."
„An dem Verschwinden von Dr. Babbis arbeiten bereits einige Leute, Major", entgegnete Mackenzie mit ruhiger Stimme. „Sie brauchen sich diesbezüglich keine Sorgen zu machen."
„Die gleichen Leute, die auch mich gesucht haben?" Ein kühles Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Danke, das nehme ich besser selbst in die Hand!"
„Das ist Ihre Passion, nicht wahr? Alles selbst zu tun?"
„Und wenn schon! Was geht Sie das an?"
„Eine Menge, solange Sie meine Patientin sind, Major Uruhk", antwortete Mackenzie. Unwillkürlich wurde sein Ton schärfer. „Und Sie werden meine Patientin bleiben, bis ich Sie als zumindest therapiert entlasse. Wenn Sie weiter blocken, wird Ihr Aufenthalt hier nur umso länger werden."
Ihr Interesse richtete sich wieder auf den Laptop, der noch immer unschuldig auf dem Tisch lag.
„Und Sie werden die Zeit hier nicht damit verbringen, irgendwelche Spielchen zu spielen, Major, das garantiere ich Ihnen. Noch lasse ich Ihnen das Gerät, aber machen Sie so weiter, werde ich es konfiszieren lassen." Mackenzies Stimme wurde noch kälter bei diesen Worten. „Sie haben einiges hinter sich. Es wird Zeit, daß Sie es sich endlich von der Seele reden, denken Sie nicht?"
„Ich habe es mir von der Seele geredet, Doktor Mackenzie!" Flammender Haß stand in ihren Augen. „Sie ärgert es doch nur, daß ich das nicht bei Ihnen getan habe, sondern mir jemand anderen suchte, dem ich mich freiwillig öffnen konnte."
„Dr. Finnigan, ich weiß." Mackenzie schloß die Akte mit einem dumpfen Laut und sah wieder hoch. „Und er ist tot, nachdem er Sie an den Trust verraten und in eine Falle gelockt hat. Für mich keine wirklich befriedigende Arzt-Patienten-Beziehung, Major Uruhk. Einmal abgesehen davon, daß Dr. Finnigan kein Geheimnisträger gewesen ist und Sie ihm, soweit wir es feststellen konnten, auch nichts weiter als Märchen erzählt haben. Wie sollte er Sie denn therapieren, wenn Sie ihm Lügen auftischen?"
„Tom hat mich nicht verraten!" Ihre Kiefer mahlten vor unterdrückter Wut. „Er wurde unter Druck gesetzt und wußte sich nicht anders zu helfen, als ... als ..." Sie holte tief Atem, schwieg dann aber.
Mackenzie nickte. „Ganz genau, er wußte sich nicht anders zu helfen", wiederholte er. „Sie denken, Sie haben ihn in diese Lage gebracht, nicht wahr? Sie denken, Sie sind schuld an seinem Tod, wie Sie sich schuldig an manch anderem Tod fühlen. Ganz zu schweigen davon, daß Sie mittlerweile mindestens einmal an die Grenzen ihrer eigenen Existenz gebracht worden sind, ohne etwas dagegen tun zu können. Oder sprechen wir beide doch von der Tatsache, daß ein anderer Ihres Volkes sich an Ihnen vergangen und Sie dabei beinahe getötet hätte. Was ich dann noch zur Auswahl hätte, zumindest soweit ich es weiß, ist die Tatsache, daß ein Goa'uld Sie übernehmen wollte, ihr letztes Abenteuer, an dem Dr. Finnigan nicht ganz unschuldig gewesen ist. Und ich spreche jetzt nicht einmal von der Tatsache, daß Ihr eigenes Volk Sie verraten und eingesperrt hat - für zehntausend Jahre, wahrscheinlich sogar noch einige mehr! Oder daß Sie, nach Ihren eigenen Angaben, dabei zusehen mußten, wie Ihre Mutter von einem Wraith getötet wurde, und wer weiß, wie oft Sie das haben noch miterleben dürfen während Ihrer Einsätze in Wraith-Schiffen! Reden wir doch von dem, was Sie über Antarktica verschweigen, was Sie über Ihre Familie, vor allem Ihren Bruder, zurückhalten. Oder über Ihre Trennung von Lt. Colonel Sheppard, mit dem Sie eine Beziehung führen wollen, es aber lange Zeit nicht durften. Sprechen wir davon, wie Sie zwei hohe Lords der Lucian Alliance getötet haben, Major. All das, und sicher noch einiges mehr, ist es, was General Landry, was allen Beteiligten am SG-Projekt, Magenschmerzen bereitet! All das ist der Grund, aus dem Sie hier sind und ich Sie nicht entlassen kann, solange Sie weiter gegen mich blocken."
„Dann geben Sie mir doch einen anderen Psychologen!" herrschte Vashtu ihn plötzlich an. „Mit Ihnen werde ich nicht reden, niemals! Sie sind ... Sie sind einfach nur ein arroganter Mistkerl in meinen Augen!"
Mackenzie lehnte sich zurück und nickte. Ein zufriedenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Das ist doch zumindest schon einmal ein Ansatz", sagte er, nun wieder mit ruhiger Stimme. „Sie halten mich also für einen arroganten Mistkerl. Darauf können wir doch aufbauen, Major. Das ist gut, wirklich gut."
Die Antikerin starrte ihn verblüfft an, dann runzelte sie wieder wütend die Stirn. „Ich will einen anderen Arzt!" entschied sie.
„Den Sie nicht bekommen werden, Major", entgegnete Mackenzie ruhig. „Schon allein der Sicherheit wegen nicht. Wir können Ihnen nicht einfach irgendeinen Fachidioten zugestehen, den Sie in weniger als fünf Minuten um den Finger wickeln können. Und mit dem Sie nicht über alles sprechen können. Aus diesem Grund werden Sie sich wohl oder übel mit mir abfinden müssen, Major. Einen anderen wird es nicht geben."
Wieder atmete sie tief ein, ihr Blick ging jetzt aber ins Leere. Sie starrte einfach an ihm vorbei, statt ihn, wie bisher, zornig anzublitzen.
„Fragen Sie sich denn nicht, warum Ihre Fremdzellen zum Beispiel nicht die Wunde an Ihrem Hals heilen wollen, Major?" erkundigte der Psychologe sich nun und nickte zu ihr hinüber. „Oder denken Sie, wir würden nicht wissen, daß eine solche Wunde bei Ihnen binnen kürzester Zeit verheilt ist?"
„Die neuen Zellen arbeiten noch nicht so effizient", knurrte sie.
Mackenzie nickte, blätterte wieder in seinen Unterlagen. „Oder Ihr Unterbewußtsein blockt die Heilung ab. Die Situation, in der Sie sich befanden, hatte schließlich ... eine gewisse Ähnlichkeit mit einer anderen, die Sie miterleben durften, nicht wahr?"
„Nein!"
Der Psychologe sah überrascht auf. „Tatsächlich nicht? Sie wurden gefoltert und hatten das Ende Ihres bisherigen Daseins vor Augen. Also, mich hätte das schon an das eine oder andere erinnert, wenn ich mir Ihre Akte ansehe."
„Nisroch hatte nichts, aber auch absolut gar nichts mit Kolya gemein. Der Genii wollte mich aus Rachedurst töten und John damit bestrafen. Nisroch wollte seine Partnerin wieder zurück." Jetzt sah sie ihn doch an. Jede Wut war im Moment aus ihrem Blick getilgt, dafür sah sie sehr nachdenklich aus.
Mackenzie erwiderte ihren Blick stirnrunzelnd. „Hatten Sie sich in Bezug auf den Genii Acastus Kolya nicht anders geäußert? Wollte er nicht etwas von Ihnen, schlug Ihnen sogar ein Bündnis vor?"
„Kolya wollte mich tot sehen, das war alles, was er wollte. Selbstverständlich hätte er gern meine Hilfe bei dem einen oder anderen mißbraucht, aber er wußte sehr genau, daß ich sie ihm nicht geben würde."<
Mackenzie lehnte sich zurück. Nun kreuzte auch er die Arme vor der Brust. „Und warum haben Sie dann Dr. Heightmeyer etwas anderes erzählt? Soweit ich weiß, vertrauen Sie ihr doch."
„Weil Dr. Heightmeyer auf Atlantis lebt, darum habe ich ihr nicht die ganze Wahrheit erzählt. Kolya hätte nie an eine zweite Gentherapie gelangen können, es sei denn, er wäre in Atlantis eingebrochen und hätte sie dort gestohlen. Dr. Beckett hielt sie unter Verschluß und arbeitete an ihr nach meinem Fortgang. Er hat sie sogar verfeinert." In ihre Augen trat jetzt eine gewisse Traurigkeit, doch keine Trauer. Eher ein Bedauern.
Der Psychologe runzelte nachdenklich die Stirn. „Also wollten Sie Atlantis vor der Wahrheit schützen, ebenso wie Sie die Erde vor einer anderen Wahrheit schützen wollen, nicht wahr? Aber dennoch arbeitet Kolyas Werk noch immer in Ihnen. Sie sind es nie ganz losgeworden."
Vashtu erstarrte wieder. Mackenzie konnte dabei zusehen, wie sich die Tür, die er einen winzigen Spaltbreit aufgestoßen hatte, wieder schloß. Seufzend erhob er sich und nahm die Akte an sich.
„Wir sehen uns morgen. Und ich möchte Sie noch einmal bitten, in mein Büro zu kommen. Sie sind beileibe nicht mehr bettlägerig, und ein bißchen Bewegung wird Ihnen guttun." Doch noch während er diese Worte aussprach wußte er, daß sie wieder nicht erscheinen würde.

***

Babbis betrat das abgedunkelte Zimmer zögernd. Abwartend blieb er an der geschlossenen Tür stehen und ließ seinen Blick schweifen.
Ein Einzelzimmer, wie immer. Er hätte sich auch nichts anderes vorstellen können. Der Raum wirkte trist und leer auf ihn, keine Blumen, nichts, was irgendwie ein bißchen Heimeligkeit erzeugt hätte. Auch das war wie immer, wie im Haus seiner Eltern, das wie ein Hochglanzbeispiel für eine Besser-Wohnen-Zeitschrift herausgeputzt war.
„David?" fragte eine leise Stimme vom Bett her. „Bist du es?"
Babbis biß sich auf die Lippen, trat endlich vor. „Nein, Mom, ich bins, Peter", sagte er, nahm die ausgezerrt wirkende Hand in seine und drückte sie vorsichtig, als sei sie aus Glas.
„Peter ..." Ein sprödes Lächeln erschien auf den dünnen Lippen, verstärkte den bitteren Zug um den Mund noch.
Babbis zwang sich zu lächeln, ließ sich auf der Bettkante nieder. „Wie geht es dir, Mom?" fragte er leise.
Die dürre Frau im Bett bewegte sich unruhig. Ein Lichtstrahl traf ihre Augen und ließ den milchigen Schimmer, der auf der Iris lag, deutlich aufblitzen.
Babbis schluckte hart, drückte die Hand seiner Mutter fester. „Ich habe gehört, du hättest wieder einen Unfall gehabt, Mom", sagte er leise. „Und du hättest ..."
„Ich war wieder betrunken, ja." Die Stimme war sehr klar bei diesen Worten.
Er kannte sie anders, sowohl was den Klang als auch die Sätze betraf. Er wußte, seine Mutter war eine Alkoholikerin, und er kannte den Grund dafür. Den kannte er nur zu gut - und er haßte ihn!
„Wie geht es David?" fragte er leise.
Die blinden Augen irrten umher, das Lächeln verschwand. „Weißt du es nicht?"
Babbis runzelte die Stirn. „Was soll ich wissen?" Er beugte sich vor, betrachtete das Gesicht der Frau in dem großen Krankenhausbett. „Ist David etwas passiert?"
Unwillkürlich schlug sein Herz schneller, doch er rief sich zur Ordnung.
David war sein Zwillingsbruder, der mehr technisch begabte in der Familie Babbis, während er selbst von klein auf als eher intellektuell galt. Umso mehr wunderte es wohl alle, daß gerade er sein Studium als erstes mit dem Maschinenbau abgeschlossen hatte schon vor mehr als einem Jahr. Eigentlich wäre das eher etwas für David gewesen.
„Er ist gegangen", antwortete seine Mutter, ein leiser Schluchzer bahnte sich den Weg aus ihrer Kehle.
Babbis nickte verstehend, schwieg jetzt aber.
Natürlich. Er war als erster gegangen, hatte endgültig die Nase voll von seinem Vater gehabt, der ihn auf einen Weg zwingen wollte, den er nicht zu gehen bereit war. Er hatte sich vom Militär abwerben lassen, bereits auf der Privatschule für Hochbegabte, die er damals besuchte. Sein Vater hatte getobt, als er davon erfuhr.
David dagegen ... Nun, die Intelligenz hatte ganz offensichtlich nicht er geerbt. Eher durchschnittlich begabt, quälte David sich durch die Schule, schaffte mit Mühe das College. Was dann geschah ... Peter Babbis hatte keine Ahnung, damals hatte er bereits mit seiner Familie gebrochen.
„Er hat studiert, weißt du? Medizin. Im ersten Jahr hat er sich den 'Ärzten ohne Grenzen' angeschlossen", berichtete seine Mutter. In ihrer Stimme schwang ein gewisser Stolz mit. „Er ist jetzt in Afrika, in irgendeinem Krisengebiet."
Babbis nickte und begann zu lächeln. So hatten sich also beide Söhne des großen Professor Babbis komplett von dessen Universitätskarriere ferngehalten und waren andere Wege gegangen. Einer arbeitete für die Army, der andere für eine gemeinnützige Vereinigung.
„Wie geht es dir, Peter? Von dir haben wir so lange nichts mehr gehört."
Er zögerte, kniff die Lippen aufeinander.
Bevor er das Krankenzimmer betreten hatte, hatte er mit dem behandelnden Arzt gesprochen. Und allmählich begann diese erneute Einmischung seines Vaters einen Sinn für ihn zu ergeben. Seine Mutter hatte mehr als nur einen einfachen Unfall gehabt. Natürlich hatte es den gegeben, und natürlich war sie betrunken gewesen, als sie auf die Straße und in das fremde Auto lief. Aber durch den Unfall ... Sie hatte Krebs im letzten Stadium. Niemand konnte ihr mehr helfen, und niemand wußte zu sagen, wie sie die Schmerzen bis jetzt so lange hatte verbergen können.
Sie konnte nichts mehr ausplaudern von dem, was er tat. Ihr blieb kaum noch Zeit, einige Tagen oder Wochen, sicher war der Arzt sich da nicht.
„Ich arbeite ... für das Militär in einer streng geheimen Einrichtung", antwortete er. „Leider ... ich kann dir nicht allzu viel erzählen, Mom. Aber inzwischen bin ich wichtig, weißt du? Meine Leaderin, meine Chefin ... sie und ich arbeiten sehr gut zusammen. Um ehrlich zu sein, ist sie die einzige, mit der ich wirklich zusammenarbeiten kann. Und ich glaube, sie vertraut mir ein bißchen."
„Das freut mich für dich, Peter." Wieder lächelte sie. „Ich wußte, du würdest deinen Weg machen. Ich wußte es immer."
Babbis runzelte die Stirn. „Mom, Vater hat ... Er hat dem Senator mitgeteilt, daß ich ..." Er schloß den Mund. Nein, er würde seine Mutter jetzt nicht damit belasten. Das war sein Problem, und er würde sich darum selbst kümmern!
„Euer Vater war nicht immer so, Peter. Früher einmal ..." Sie seufzte schwer.
Babbis zögerte wieder, dann beschloß er, das Thema wieder auf das erstere zurückzuführen. „Meine Leaderin, Major Vashtu Uruhk, Mom, sie ist etwas besonderes, etwas ganz besonderes!" Ein leises Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Sie kommt nicht von hier, Mom."
Die Frau im Bett schien ihn anzusehen, stumm und starr und erwartete seine nächsten Worte.
Babbis atmete tief ein. Er war dabei, ein Geheimnis zu verraten. Zwar an eine Sterbenskranke, die wahrscheinlich nie etwas ausplaudern würde, aber er würde und wollte es tun.
„Meine Leaderin ist ... sehr alt. Älter als du dir vorstellen kannst, Mom. Und sie ... sie kommt aus Atlantis."
Im Gesicht seiner Mutter zuckte es, doch noch immer schwieg sie und lauschte aufmerksam.
„Sie gehört einem Volk an, das es so nicht mehr gibt auf der Erde. Wir nennen sie Antiker. Sie sind uns sehr ähnlich, aber ... Sie sind besonders. Sie waren vor uns auf der Erde, Mom, sehr viel früher als wir. Vielleicht haben sie uns sogar auf den Weg geholfen ... naja, zumindest einige von ihnen haben das vielleicht getan. Major Uruhk ... Vashtu ... sie gehört zu dieser Kategorie. Und sie ... Sie ist eine hervorragende Wissenschaftlerin."
„Peter ..." Sie lächelte und drückte schwach seine Hand. „Noch immer soviel Phantasie! An dir ist wirklich ein Autor verloren gegangen."
„Nein, Mom, das stimmt."
Doch sie war weggesackt, ganz plötzlich hatte sie die Besinnung verloren.
Babbis hielt weiter die Hand seiner Mutter und starrte auf ihr ausgezerrtes Gesicht hinunter.

***

Als Dr. Mackenzie wieder das Zimmer seiner widerstrebenden Patientin betrat, staunte er nicht schlecht über das Bild, das sich ihm bot.
Vashtu saß auf dem Bett, in ihren Augen ein kleines Lächeln. Leicht neigte sie den Kopf, als der Pfleger sich über sie beugte, um den Verband zu wechseln. Sie blinzelte ihm zu, ein Mundwinkel zog sich nach oben.
Diese Frau flirtete ja, was das Zeug hielt!
Und der Pfleger ging darauf ein. Er erwiderte ihr Lächeln, während er den Verband befestigte. Die Antikerin sandte ihm einen verführerischen Blick, zwinkerte ihm zu. Und er schüttelte sehr entschieden ihr Kissen auf. Ein erneutes Lächeln Vashtus, ein weiterer Blick, dann ließ sie sich wieder in ihr Bett sinken, mit einer Grazie, als habe man es hier mit ihr nicht mit einer Militärangehörigen, sondern mit einer Diva zu tun. Der Pfleger wandte sich ab, und als er den Psychologen in der Tür stehen sah, stieg ihm sichtlich das Blut ins Gesicht.
Mackenzie nickte dem jungen Mann zu, dann ließ er ihn passieren, ehe er wieder die Tür schloß und sich seiner Patientin zuwandte. „Major Uruhk, Sie sind wieder nicht zu unserem Termin erschienen."
Vollkommen unschuldig lehnte sie sich in ihr Kissen zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Dabei hob sie fragend die Brauen. „Ich wußte nicht, daß wir verabredet waren, Doktor." Wieder dieser schneidende Unterton in ihrer Stimme.
Mackenzie seufzte ergeben. Also auf zur zweiten Runde mit dieser Widerspenstigen.
Hatte er sich das gerade nur eingebildet?
Nein, rief er sich zur Ordnung, sich an jemand anderen erinnernd, den er mindestens einmal in einer ähnlichen Situation angetroffen hatte während seines Aufenthaltes in diesem Krankenhaus.
„Ich habe auch noch andere Patienten, Major, und darum wäre ich sehr dankbar, wenn Sie sich an die vereinbarten Termine halten würden. Ich habe wenig Zeit."
Vashtu kreuzte wieder ihre langen Beine, sah ihn desinteressiert an. „Dann kümmern Sie sich doch um Ihre Patienten, Doc. Ich brauche Ihre Hilfe nicht. Mir geht es gut."
„An diesem Punkt waren wir gestern bereits, Major. Schon vergessen?" Er zog sich wieder einen der Besucherstühle heran, merkwürdigerweise waren es mittlerweile vier, war es gestern nicht nur einer gewesen?, und ließ sich, erneut in ihrer Akte blätternd, nieder.
Vashtu beobachtete ihn sehr aufmerksam. Sie wirkte angespannt, war auf der Hut. Er würde es wieder nicht einfach mit ihr haben, das wußte er.
„Wo waren wir gestern stehen geblieben?" erkundigte er sich.
„An dem Punkt, an dem Sie mir einen Passierschein geben wollten, damit ich endlich Babbis suchen kann", antwortete sie.
Mackenzie erinnerte sich und nickte. „Und ich sagte Ihnen, ich werde Sie nicht gehen lassen, ehe Sie nicht endlich sprechen - mit mir sprechen."
Vashtu wandte ihr Interesse ab.
Auch das hatten sie schon gehabt. Wenn sie sich nicht etwas neues einfallen ließ, würde er sie früher oder später weichgeklopft haben.
Mackenzie seufzte, las einen Abschnitt in einem der Berichte und schürzte die Lippen. Dabei hoffte er, daß er sie inzwischen zumindest etwas einschätzen konnte. Auf keinen Fall wollte er die Zeitbombe Vashtu Uruhk zünden, wenn es auch anders ging.
„Wir können uns gegenseitig anschweigen oder miteinander reden, Major", sagte er, beugte sich vor. „Oder Sie erzählen mir endlich, was in Ihrem Kopf so vorgeht. Je eher Sie das tun, desto eher sind Sie hier wieder heraus. Was macht die Wunde?"
„Ist noch da, danke der Nachfrage."
Mackenzie nickte. „Bereitet sie Ihnen Schmerzen?"
„Habe schon mehr ausgehalten."
„Also ja. Ich könnte Ihnen ein leichtes Schmerzmittel verabreichen lassen, wenn Sie möchten", schlug er vor, blätterte, scheinbar desinteressiert, weiter.
„Danke nein."
Er klappte die Akte zu und blickte wieder auf. „Wie wäre es mit einem Schlafmittel? Die Nachtschwester schreibt, Sie wären beinahe ständig auf den Beinen."
„Ich brauche nichts." Sie lag noch immer in dieser leicht angespannten Haltung da, starrte geradeaus auf die Wand, als gäbe es dort etwas sehr interessantes zu sehen.
Mackenzie richtete sich wieder auf und legte die Akte ans Fußende des Bettes. „Wissen Sie, Major, ich kann verstehen, wenn Sie unter Alpträumen leiden. Das geht vielen so, die wesentlich weniger als Sie erlebt haben."
„Ich habe keine Alpträume."
„Dann geistern Sie also zum Spaß nachts durch die Gänge?" Er schob seine Brille wieder auf die Nasenwurzel.
Vashtu schwieg.
Mackenzie kreuzte die Arme vor der Brust und betrachtete seine Patientin nachdenklich.
Auf ihre Art war sie hübsch, manche Männer würden sie sicher als schön bezeichnen. Lange Beine, schlank, beinahe zierlich, ein schmales Gesicht mit dunklen Augen und den tintenschwarzen, strubbeligen, kurzen Haaren, die ihr etwas spitzbübisches verliehen. Ihre Proportionen waren gut gesetzt. Alles an ihr stimmte eigentlich, wäre da nicht etwas in ihren Augen gewesen. Diese Augen, die ihr ein leicht asiatisches Aussehen verliehen, ganz ihrem Namen entsprechend.
Doch, wenn sie jemandes Typ war, würde der sie sicherlich zu einem Date bitten. Ob sie es annehmen würde, stand allerdings auf einem anderen Blatt. Soweit er wußte, fühlte sie sich sehr eng mit Colonel Sheppard verbunden.
Mackenzie kam ein Gedanke.
„Sie sind nicht die einzige, die unter Kolya hat leiden müssen, Major", begann er ein neues Gespräch.
Vashtu hob eine Braue, ließ sich sonst aber nichts anmerken.
„Colonel Sheppard hat tatsächlich zu Anfang ebenso wie Sie gegen mich geblockt nach seiner Entführung durch Kolya."
Ihre Augen weiteten sich etwas, in ihrem Gesicht zuckte ein Muskel.
„Aber irgendwann gelang es mir, zu ihm durchzudringen und ich konnte mit ihm zusammenarbeiten", fuhr Mackenzie mit ruhiger Stimme fort.
Sie kniff kurz die Lippen aufeinander, regte sich sonst aber noch immer nicht. Aber sie hatte, wie manche es nannten, „geblinzelt". Sheppard war tatsächlich ein schwacher Punkt an ihr, vielleicht sogar der Punkt, der zu ihrem zentralen Problem führen würde.
„Viermal hatte der Wraith sich an ihm genährt und ihn dabei beinahe getötet. Er hatte ziemlich darunter zu leiden."
„Dann hat er noch ein langes Leben vor sich. Das ist gut." Sie nickte.
„Und was sagt Ihnen das?"
Vashtus Augen wanderten kurz zu ihm hinüber. „Daß er vielleicht glücklich werden könnte, das sagt es mir. Niemand wird wirklich alt, wenn er kein erfülltes Leben hatte."
„Hatten Sie denn eines?"
Ein ironisches Lächeln. „Ich führe es gerade - oder werde es wieder tun, sobald Sie mich hier herauslassen."
Mackenzie nickte sinnend. „Das liegt nicht an mir, Major. Dafür sind allein Sie verantwortlich. Wenn Sie mit mir zusammenarbeiten, werden Sie auch bald hier herauskommen. Gehen Sie mir dagegen weiter aus dem Weg und verpassen Ihre Sitzungen ... Nun, dann könnte sich das ganze noch Monate hinziehen."
Mit einem Ruck saß sie aufrecht. „Das ist nicht fair! Ich habe nichts getan, verdammt! Sie können mich hier nicht einfach einsperren. Ich werde einmal im Monat auf Atlantis gebraucht."
Der Psychologe hob in einer hilflosen Geste die Hände. „Nicht, solange Sie sich nicht kooperativ verhalten, Major. Solange wird der Colonel wohl auf Sie verzichten müssen - und Sie auf ihn."
In ihren Augen loderte wieder dieser kalte Haß auf. „Sie sind ..." Sie fluchte in einer fremden Sprache und ballte die Hände zu Fäusten.
„... ein arroganter Mistkerl, wenn ich das jetzt frei übersetzen darf." Mackenzie beugte sich wieder vor. „Auch das hatten wir gestern schon, Major. Entweder Sie lernen einige neue Kraftausdrücke, oder Sie erzählen mir endlich, was Sie bedrückt."
„Mich bedrückt gar nichts, verdammt!" herrschte sie ihn an. „Ich will hier heraus, Babbis ins SGC schleppen und meine Arbeit wieder aufnehmen. Das ist es, was mich belastet!"
Er zog eine mitfühlende Miene. „Tut mir leid, aber das wird wohl erst einmal nicht möglich sein." Er stützte die Hände auf die Oberschenkel und erhob sich ächzend. Dann griff er nach seiner Akte und schlenderte Richtung Tür. Dort angekommen, drehte er sich noch einmal um und sah sie an.
„Morgen um zehn, Major. Entweder ich sehe Sie in meinem Büro, oder ich sorge dafür, daß Sie sich noch sehr lange nach dem Colonel sehnen werden." Damit verließ er das Krankenzimmer. Und diesmal, da war er sich sehr sicher, würden seine Anstrengungen nicht umsonst sein. Sie würde kommen!

***

Babbis stieg aus dem Aufzug, orientierte sich den Gang hinunter und erstarrte, als er die Gestalt sah, die aus dem Zimmer seiner Mutter kam. Plötzlich blitzte eiskalte Wut in seinen Augen auf. Er ballte die Hände zu Fäusten und marschierte auf den anderen zu.
„Was tust du denn hier?" Professor Babbis blieb stehen, als er seinen Sprößling auf sich zukommen sah. „Du solltest doch an der Uni sein."
„Ich habe studiert, was ich wollte, Vater", knirschte Peter Babbis. „Was machst du hier? Ihr noch mehr Vorwürfe?"
Sein Vater drehte sich halb herum, dann blitzte Verstehen in seinem Gesicht auf. „Ich wüßte nicht, was dich das angeht. Sie ist immer noch meine Frau."
Peter baute sich vor dem anderen auf. „Deine Frau, deine Söhne, deine Karriere. Wann kommen wir eigentlich bei dir? Was gehört dir eigentlich nicht?"
Das Gesicht seines Vaters wurde starr. „Ich wüßte nicht ..."
„Es geht hier aber nicht um dich!" bellte der junge Wissenschaftler ihn an. „Mom liegt im Sterben, darum geht es! Es geht darum, was du ihr angetan hast die ganzen Jahre über, verdammt! Du bist doch der Grund, aus dem sie mit dem Trinken angefangen hat und ich weggegangen bin. Du hast unsere Familie auf dem Gewissen! Du und dein verdammtes Ego!"
„Peter, du vergißt dich!" warnte der Professor.
„Das tue ich nicht!" brüllte Babbis los. „Ich war noch nie in meinem Leben so klar wie jetzt! Du hast Mom in den Alkohol getrieben, genau so wie du sie damals in die Blindheit getrieben hast! Du wußtest ganz genau, was geschehen würde, würde sie sich nicht behandeln lassen, aber du hast es nicht zugelassen! Immer mußte alles nach deiner Nase tanzen, immer mußte alles so passieren, wie du es wolltest, Vater! Mom liegt im Sterben, ist dir das eigentlich klar? Sie wird bald nicht mehr da sein! Und mich wirst du dann auch nicht wiedersehen!"
Einige Besucher und auch zwei Schwestern wurden auf die beiden Streitenden aufmerksam.
„Senk sofort deine Lautstärke, Peter Horacio Babbis!" In den Augen des Professors funkelte Wut. „Willst du mich denn hier komplett zum Narren machen?"
Peter trat näher. „Das ist mir egal, Vater!" zischte er und hob drohend die Faust. „Mir ist das alles egal hier. Du kannst dir dein verdammtes Harvard sonstwohin stecken, hast du das verstanden? Ich werde mich dort nicht einschreiben! Ich bin wegen Mum mit dir gekommen, nicht um mein gesamtes Leben von dir auf den Kopf stellen zu lassen!"
„Dafür ist es zu spät. Diese Jarheads dürften deine Kündigung inzwischen erhalten und auch verstanden haben." In den Augen des Professors blitzte Triumph auf.
Babbis beugte sich vor, bis sich fast ihre Nasenspitzen berührten. „Das ist mir egal, Vater!" zischte er.
„Meine Herren, ich muß Sie bitten ..."
Peter drehte sich betont kontrolliert herum und starrte den Arzt, der herangetreten war an sie beide, zornig an. Dann wandte er sich der Tür zum Krankenzimmer seiner Mutter zu und trat ein.
„Professor Babbis ..." Der Arzt wirkte etwas hilflos, als ihn nun auch dieser stehenließ und zum Aufzug marschierte.

***

Ein Augenpaar folgte Professor Babbis, bis die Lifttüren sich hinter ihm schlossen. Eine Faust wurde geballt.
„Du verdammtes Stück Scheiße!" zischte eine Stimme.

TBC ...

21.04.2010

Die Falle IV

Vashtu erwachte, als sie Schritte sich ihr nähern hörte. Sie hielt die Augen weiter geschlossen und hoffte, auf diese Weise noch ein wenig Zeit zu gewinnen.
Was sollte sie nur tun? Ihr Körper war inzwischen vollkommen von der unnatürlichen Haltung verkrampft, so daß sie bezweifelte, ob es überhaupt etwas bringen würde, sollte sie die Fremdzellen einsetzen. Zudem bestand immer noch die Gefahr, daß sie sich selbst eine Hand oder einen Fuß abtrennte, sollte sie versuchen, die Handschellen zu zerreißen.
"Guten Morgen, Itar", sagte eine Stimme sanft.
Vashtu fühlte, wie ihr Atem sich unwillkürlich beschleunigte.
Verdammt! Was sollte sie nur tun?
Niemand wußte, wo sie war, und sie selbst hatte dafür gesorgt, daß auch die, die es wissen könnten, in die Irre geführt worden waren. Wenn es so weiterging, würde sie sehr bald nähere Bekanntschaft mit einem Goa'uld machen, als ihr lieb war. Selbst wenn sie nicht wußte, ob es möglich war, daß einer dieser Parasiten sie übernehmen konnte, die Gefahr bestand weiterhin.
Ihr Peiniger beugte sich über sie. „Dein Körper wird bald bereit sein, Itar", wandte er sich wieder mit dieser eigenartig tiefen Stimme an das schlangenartige Wesen in dem durchsichtigen Kessel.
Vashtu wußte nicht, ob sie erleichtert oder nun erst recht besorgt sein sollte. Der Goa'uld nannte sie zumindest nicht mehr bei dem Namen seines Artgenossen. Dafür aber degradierte er sie offensichtlich zu einem Ding, einem mehr oder weniger nützlichen Gegenstand.
Hände packten sie bei den Schultern, schüttelten sie kurz und unsanft, bis sie die Augen öffnete. Dann drückte der Goa'uld sie wieder in die knieende Haltung zurück, die sie auch schon vor der Pause hatte einnehmen müssen.
Vashtu fühlte, wie seine Hände noch einmal den festen Sitz von Fesseln und Knebel kontrollierte, dann hockte er sich wieder neben sie und musterte sie.
"Du bist stark, das ist gut", wandte er sich an sie.
Vashtu sah ihn an und schluckte. Ihr Mund war trocken und sie hatte Hunger und Durst. Aber offensichtlich dachte er entweder nicht daran, ihr etwas zu geben, oder er wollte auf diese Weise ihren Widerstand noch gründlicher brechen.
"Itar hat noch nie Körper gemocht, die schwach im Geist sind. Mit dir wird sie sehr einverstanden sein, vor allem mit deinem Wissen."
Er zog etwas aus seiner Jackentasche.
Vashtus Atem beschleunigte sich wieder. Unwillkürlich wich sie leicht zurück, als sie den Handschmuck wiedersah.
Dieses Gerät flößte ihr eine heiden Angst ein, mehr Angst als jede Wraith-Königin es bis jetzt vermocht hatte.
Nicht daran denken! Sie durfte nicht noch mehr verraten.
Er streifte sich den Schmuck wieder über die Hand.
Vashtu stöhnte hinter dem Knebel auf. Beinahe verlor sie wieder das Gleichgewicht, als sie noch weiter zurückweichen wollte.
"Nicht doch!" Er legte ihr den freien Arm um die Schultern, richtete sie wieder auf. „Ganz ruhig. Wir beide unterhalten uns jetzt weiter und du zeigst mir mehr von deiner Vergangenheit. Diese Stadt ... Ich will mehr über dieses Atlantis wissen."
Vashtus Augen weiteten sich, als er die Hand mit dem Schmuck hob. Der Kristall leuchtete auf. Ein erster Schmerz traf sie und Johns lächelndes Gesicht tauchte vor ihrem inneren Auge auf.

***

Dorn umrundete mit gerunzelter Stirn das ausgebrannte Autowrack.
"Eine verfluchte Verschwendung!" Der Mann von der Forstverwaltung kniff die Lippen zusammen. „Noch dazu ausgerechnet hier. Wir haben riesiges Glück gehabt, daß es so spät im Jahr und relativ feucht und kühl ist. Das hätte einen Flächenbrand auslösen können."
Dorn beugte sich über die rusige Motorhaube und wischte mit einem Finger über das Logo. BMW. Und, soweit er feststellen konnte, war es der, mit dem dieser Finnigan immer unterwegs gewesen war. Er richtete sich wieder auf und wechselte einen Blick mit Hernan.
Der Polizist nickte, wandte sich dann an den Forstbeamten: „Wann habt ihr das Wrack entdeckt?"
"Heute morgen, kurz bevor Sie uns angerufen haben, Detective. Sieht aus, als wäre der Wagen noch recht neu gewesen. Warum sollte man so eine Karre abfackeln?"
"Entführung", kommentierte Dorn nur.
Der Forstbeamte, ein junger Mann mit blondem Haar, riß die Augen auf. „Was?" Entgeistert wandte er sich wieder dem Polizisten zu. „Ist das wahr?"
Hernan nickte nachdenklich. „Dem Militär ist eine Geheimnisträgerin abhanden gekommen. Und sie soll mit einem solchen Wagen unterwegs gewesen sein, als sie verschwand."
Dorn betrachtete wieder das Wrack.
Es gab keinerlei Anzeichen für eine Gewalteinwirkung, einmal abgesehen von der Hitze des Feuers.
"Und diese Entführung soll hier im Wald stattgefunden haben?" fragte der Forstbeamte.
"Es deutet alles darauf hin." Hernan nickte. „Es ist keinem gestern zwischen elf und zwölf Uhr etwas aufgefallen?"
Der junge Mann schüttelte den Kopf. „Nein, gestern nicht", antwortete er. „Aber seit einigen Wochen treibt sich hier des öfteren ein merkwürdiger Kerl herum, gekleidet wie einer dieser Juppies. Er streunt immer um die alte Trapperhütte herum, hat sie sogar reparieren lassen."
Dorn und Hernan wechselten einen elektrisierten Blick.
"Wo befindet sich diese Hütte?" fragte der Polizist, drehte sich wieder zu dem Forstbeamten um.
Der zuckte mit den Schultern. „Der Typ ist durchgeknallt aber harmlos", beeilte er sich zu versichern.
"Durchgeknallt?" Dorn hob die Brauen.
"Der traf sich des öfteren mit anderen, irgendwelche Anzugtypen. Und ständig redete er mit jemandem, der gar nicht da war. Muß wohl seine Frau gewesen sein, die irgendwie ... gestorben ist", erklärte der junge Mann. „Aber Entführung? Das traue ich ihm nicht zu!"
"Wo ist diese Hütte?" wiederholte Hernan seine Frage.
"Ich kann Sie hinführen. Aber, zumindest gestern, war er nicht da."
"Lassen Sie das unsere Sorge sein. Dorn?"
Der Marine nickte, zog sein Handy aus der Tasche. Kurz betrachtete er die Anzeige, dann begann er zu tasten.
Der Forstbeamte starrte irritiert von einem zum anderen. „Was soll das jetzt wieder bedeuten? Ich sagte doch, der Typ ist verrückt, aber harmlos."
"Sprach er von einer Itar?" bohrte Hernan weiter.
Ungläubig sah der junge Mann ihn an. „Woher wußten Sie das?"
"Storm ist unterwegs, bringt ein Einsatzkommando mit." Dorn verstaute sein Handy wieder in der Jackentasche.

***

Mit einem weiteren Schmerz löste der Goa'uld wieder die Verbindung. Vashtu ächzte und sank nach hinten. Kalter Schweiß glänzte auf ihrer Stirn.
"Warum denkst du an ihn, wenn du mir die Stadt zeigen sollst?" Er packte sie hart.
Vashtu sah auf. Ihr Blick war noch immer schmerzverschleiert, doch eine mörderische Wut blitzte durch diesen hindurch.
"Wer ist er? Was verbindet ihn mit diesem Atlantis?" Der Goa'uld beugte sich vor. Seine Augen leuchteten wieder auf.
Wenn sie ihn zu fassen kriegen würde ...
"Dieser John war bei dir, das weiß ich." Sein Griff wurde allmählich schmerzhaft.
Vashtu hob den Kopf, entschlossen den Kampf von neuem aufzunehmen. Die Erinnerungen an John Sheppard hatten in ihr den Kampfgeist geweckt, der vorher dabei war abzusterben. Noch immer wisperte seine Stimme in ihrem Kopf. Noch immer glaubte sie, seine Berührungen spüren zu können.
Er war es, wegen dem sie aufgewacht war. Er war da, wenn sie ihn brauchte. Er brachte fertig, was Enkil nicht gelungen war.
Drei kleine Wörter hallten in ihr, drei Wörter, die Zauberkraft für sie besaßen.
"Wer ist er?"
Wieder strahlte der Stein auf.
Vashtu wappnete sich, ließ Johns Gesicht hinter sich.
Es war Zeit, diesem Kerl zu zeigen, was ihn erwartete.
Den Stunner im Anschlag hastete sie durch die Gänge eines Wraith-Zerstörers. Sie würde keine Gefangenen machen - die machte sie nie!

***

Dorn hatte die Augen auf den Boden gerichtet, stieß Hernan jetzt an und wies nach unten. „Reifenspuren", sagte er nur.
Der Polizist ging in die Knie, betrachtete die Spur, die sich hinter einigen Büschen verlor. „Das könnte der BMW gewesen sein. Dann wollten sie nicht gesehen werden und parkten deshalb etwas von der Hütte entfernt", mutmaßte er, sah wieder auf. „Sie haben wohl einen Hang zur SpuSi, was?" Ein bitteres Lächeln erschien auf seinen Lippen.
"Halte die Augen offen, das reicht." Dorn drehte sich wieder um und betrachtete forschend den dunklen Schatten, der sich zwischen den Bäumen erhob.
Da war die Hütte. Die Frage war nur, ob sich der Major auch noch hier befand. Daß sie hier gewesen war, daran dürfte wohl wenig Zweifel bestehen.
"Sind in Position", meldete Storm über das Funkgerät.
Dorn nickte, drehte die Lautstärke herunter. Dann griff er in seine Jacke und holte eine ZAT hervor, die er dem Polizisten reichte.
"Was ist das?" Hernan sah sich das Ding etwas ratlos an.
Dorn aktivierte die ZAT. „Goa'uld-Waffe", antwortete er. „Den Knopf drücken, dann wird sie aktiviert. Einmal schießen - betäuben, zweimal schießen - töten, dreimal schießen - Leiche entsorgen."
Hernan starrte ihn an. „Was?"
Dorn sah ihn ungeduldig an. „Weiter!"
Der Polizist warf der fremdartigen Waffe in seiner Hand einen skeptischen Blick zu, nickte dann aber. „Also gut. Machen wir uns auf."

***

Die Verbindung riß so plötzlich ab, daß Vashtu einen Moment lang nicht zwischen Realität und Erinnerung unterscheiden konnte. Hart kippte sie zur Seite. Ihr Atem kam wieder keuchend.
Verdammt, der Schmerz wurde immer schlimmer! Wie lange würde sie noch durchhalten können? Sie wußte es nicht. Aber sie wußte, allmählich wurde ihre Zeit knapp.
Der Goa'uld packte sie hart und drückte sie an sich. „Keinen Ton, verstanden?"
Verständnislos blinzelte sie, fühlte dann, wie sich die Mündung einer Waffe in ihren Rücken bohrte. Unwillkürlich erstarrte sie.
Er streifte hektisch den Schmuck ab und legte seine Hand noch zusätzlich über den Knebel. „Ganz ruhig, dann sind sie gleich wieder weg."
Vashtu lauschte. Dann hörte sie es: Die vordere Tür wurde geöffnet. So tief wie möglich holte sie Atem.

***

"Hier ist nichts, Sir." Der MP drehte sich etwas ratlos um und zuckte mit den Schultern.
Dorn sah sich aufmerksam in der Hütte um. Sie schien tatsächlich verlassen zu sein. Doch ihm waren auch nicht das neue Fenster und das ebenfalls gerade eingebaute Türschloß entgangen. Als er einmal kurz den Kopf hob, sah er, daß auch Hernan sehr aufmerksam geworden war.
Dann blieb der Polizist plötzlich stehen und sah zu Boden. „Hier war jemand." Er wies auf den Dreck und das verrottende Laub auf dem Boden. „Eine Schleifspur, sehr deutlich."
Dorn trat näher, leuchtete mit seiner Taschenlampe. „Eine Tür", sagte er dann mit ruhiger Stimme, hob das Zak'Ni'Tel.

***

Die Holzbohlen knarrten unter den Schritten im vorderen Raum.
Vashtu starrte aus den Augenwinkeln zur Tür hinüber.
Waren es Leute vom SGC, die sich in der Hütte umsahen? Waren es irgendwelche andere? Hatte sie unverhofft doch eine Chance erhalten?
Sie wußte es nicht. Aber ...
Ihr Blick glitt zu dem Glaskessel und sie erstarrte.
Der Goa'uld regte sich wieder. Er regte sich nicht nur, er hatte seinen Kopf aus dem Kessel gestreckt und schien sie jetzt zu mustern.
Vashtu bäumte sich unwillkürlich auf, soweit ihre Fesseln es zuließen.
"Ich sagte ruhig!" zischte ihr Peiniger ihr zu. „Itar, sie ist noch nicht bereit. Noch ist zuviel Widerstand in ihr. Sie ist stärker ..."
Mit einem gewaltigen Knall zerbarst die Tür.

***

Hernan hielt sich im Hintergrund, als die MPs die hintere Tür aufbrachen. Gleich darauf herrschte plötzlich Schweigen. Eine tiefe, unmenschlich wirkende Stimme bellte einen Befehl.
Hernan und Dorn tauschten einen Blick, dann drückten sie sich beide in Deckung.
"Zurück!" Storm, der in der vordersten Reihe der Stürmenden gewesen war, trat einige Schritte rückwärts, die Waffe immer noch im Anschlag.
Hernan beugte sich etwas vor. Kurz erhaschte er einen Blick auf einen eigenartig erleuchteten Raum mit einem gläsernen Ding in der Mitte. Und in diesem Ding ...
Ein Mann trat in sein Sichtfeld. Ein Mann mit gelb leuchtenden Augen.
Hernan erschauderte.
Er hatte eine Frau bei sich, der er eine Waffe an die Schläfe hielt. Und diese Frau ... das war der weibliche Major, der damals während des Banküberfalls für soviel Aufsehen gesorgt hatte. Major Vashtu Uruhk.
Ihre Blicke trafen sich. Ihre dunklen Augen bohrten sich in seine.
Sie sah erschöpft aus, doch eine eigenartige Entschlossenheit lag in ihrem Blick. Etwas, was er bisher bei den wenigsten Menschen gesehen hatte. Und er verstand, warum die Army sie bei sich aufgenommen hatte.
"Zurück, ihr Jämmerlichen! Seht die Auferstehung von Itar, der großen Göttin!" Der Kerl mit den leuchtenden Augen griff in das leuchtende Glas.
Hernan legte an. Er hatte zwar kein freies Schußfeld, aber ...
Der Major sah ihn. Und sie nickte unmerklich.
Wie war das mit den Schüssen aus dieser komischen Waffe?
Hernan wußte es nicht mehr. Er zielte und hoffte, er würde den Major nicht treffen, als er abdrückte.
Der Mann mit den leuchtenden Augen taumelte zurück, ließ seine Geisel los.
Der Major warf sich sofort nach vorn, platt auf den Bauch. Doch da war noch etwas. Und dieses Etwas bewegte sich.
Hernan starrte einfach nur, während die MP wieder vorrückte. Schüsse hallten durch die kleine Hütte, teils aus Projektilwaffen, teils aus diesen eigenartigen Energiedingern, wie auch er eines in der Hand hielt.
Und dann herrschte Totenstille ...

***

Vashtu warf sich auf den Bauch, sobald sie frei war. Ihren Fehler aber bemerkte sie viel zu spät: Sie hatte nicht an den Goa'uld gedacht, den ihr Peiniger aus dem Kessel geholt hatte!
Die schlangenähnliche Kreatur kroch unaufhaltsam auf sie zu, kam immer näher.
Vashtu stellten sich die Nackenhaare auf, während vor ihr Tumult ausbrach.
Nein! Nicht so kurz vor der Rettung. Das konnte doch nicht wahr sein!
Der Goa'uld berührte sie. Sie erschauderte darunter. Und dann kam der nächste, unmenschliche Schmerz, bohrte sich direkt in ihren Nacken.
Vashtu bäumte sich auf, dann verlor sie das Bewußtsein.

***

"Oh mein Gott!" Storm hatte den Kopf gesenkt und starrte auf den weiblichen Major hinunter.
Dorn wartete bis Hernan aufgeschlossen hatte. Dann nickte der alternde Marine anerkennend. „Guter Schuß."
Der Detective schüttelte nur unwillig den Kopf und trat an der Seite des Soldaten in den hinteren Raum.
Der Mann mit den leuchtenden Augen, Nisroch, lag verkrümmt an der hinteren Wand. Drei MPs hielten noch immer ihre Waffen auf ihn gerichtet. Aber er regte sich nicht mehr. Auf seinem gesamten Oberkörper war Blut, der Anzug wies über ein Dutzend Einschüsse auf.
Doch das war es nicht, worauf die Anwesenden sich konzentrierten.
Hernan und Dorn stoppten gleichzeitig und starrten auf die Gestalt, die vor Storms Füßen lag.
Major Vashtu Uruhk hatte offensichtlich das Bewußtsein verloren. Und das war auch kein Wunder: Eine blutende Wunde war in ihrem Nacken. Und in dieser Wunde regte sich etwas.
"Wir brauchen einen Arzt." Storm krächzte nur noch.
Hernan atmete tief ein, dann wandte er sich ab und verließ die Hütte.

***

Vashtu öffnete mühsam die Augen, hob die Brauen, als könnten diese ihre Lider offen halten.
Ihr Hals kratzte, einen feinen Schmerz bescherrte ihr das erste Schlucken. Sie verzog unwillig das Gesicht, blinzelte dann noch einmal und sah stirnrunzelnd zu einem Fenster hinüber, hinter dem sich sanft bewaldete Berghänge in den Himmel schraubten.
Was?
Wieder das Gesicht verziehend rappelte sie sich auf die Ellenbogen, starrte aus dem Fenster.
Wo war sie?
Das letzte, woran sie sich erinnerte ...
Die Tür öffnete sich.
Vashtu fuhr herum und erleichterte. „Dorn!" Sie sank in die Kissen zurück.
Der Marine trat näher, nahm ihre Hand und hielt sie. „Du hast viel Glück gehabt, Mädchen", sagte er lächelnd.
Vashtu runzelte wieder die Stirn. „Was?"
"Der Goa'uld Itar hatte sich noch nicht festsetzen können. Es war relativ einfach, ihn zu entfernen."
Jetzt wurde sie auf die zweite Gestalt aufmerksam, die noch in der Türöffnung stand. Ihr Gesicht verfinsterte sich. „Mackenzie!"
Der Psychologe kam herein, schloß die Tür hinter sich. „Ganz recht." Er nickte, trat ans Fußende ihres Bettes. „Sie wurden von Nisroch und Itar gemeinsam ausgewählt, ein neuer Wirt zu werden, Major", begann er mit seiner Erklärung.
Vashtus Augen blitzten kalt. „Das weiß ich selbst." Sie hustete und verzog wieder das Gesicht. Vorsichtig tastete sie nach ihrem Hals und fand einen dicken Verband. Fragend sah sie zu Dorn.
Der zuckte mit den Schultern. „Der Goa'uld", sagte er nur.
"Er bohrte sich von außen in Ihre Haut", fuhr Mackenzie mit seiner Erklärung fort. „Den Chirugen gelang es, Itar wieder zu entfernen, ehe sie sich festsetzen konnte."
Vashtus Kiefer mahlten. „Danke", brachte sie irgendwie hervor, setzte sich wieder auf. „Dann kann ich ja jetzt hoffentlich meinen Dienst wieder antreten."
Der leicht übergewichtige Psychologe hob die Hand. „Ich weiß, daß Sie mich nicht mögen, Major. Aber Sie werden nicht eher aus dieser Klinik entlassen, als daß ich es sage. Was da passiert ist ... Sie müssen endlich eine Therapie aufnehmen, ehe Sie wieder auf einem fremden Planeten ausflippen und sich selbst und Ihr Team in Gefahr bringen."
"Ich schaffe das auch so."
"SG-27 ist zur Zeit außer Dienst, da unterbesetzt. Sie haben also alle Zeit der Welt." Mackenzie stützte beide Hände auf den Metallrahmen des Bettes und beugte sich vor. „Tun Sie nicht so hart, Major Uruhk. Sie sind es nämlich nicht."
"Unterbesetzt?" Wieder warf sie Dorn einen Blick zu. „Wieso unterbesetzt?"
"Babbis ist weg", antwortete der Marine nur.
Vashtus Augen wurden groß. „Was? Seit wann?"
"Sie und er verschwanden in etwa zeitgleich", antwortete Mackenzie. „Storm und Hernan sind bereits auf der Suche nach ihm. Und Sie werden endlich die Rekonvaleszenz nutzen, die Sie bisher immer so weit von sich geschoben haben. Da ist eine Menge aufgelaufen für Sie, Major. Das will irgendwann verarbeitet werden."
"Aber nicht, wenn ein Mitglied meines Teams in Schwierigkeiten steckt!"
Dorn drückte sie auf das Bett zurück. „Sei vernünftig." Seine Stimme klang eindringlich.
Vashtu funkelte den Marine an. „Ich bin vernünftig. Laß mich hier raus, George!"
"Sie bleiben wo Sie sind, bis die Verletzungen alle geheilt sind, Major Uruhk. So lange und nicht eine Sekunde eher werden Sie dieses Krankenhaus verlassen."
"Ich rede nicht mit Ihnen. Sie können sich das ganze also sparen. Ich will ..."
"Sie reden mit mir oder gar nicht. Aber Sie werden endlich bewältigen, was Ihnen zugestoßen ist, seit Sie ihr Team leiten, Major. Gerade das letzte Ereignis ... Gehe ich recht in der Annahme, daß Ihr Bekannter das nicht überlebt hat?"
Vashtu starrte den Psychologen plötzlich groß an und schluckte. Ihr Blick wurde plötzlich stumpf und leer.
Tom war tot - und sie wäre es vielleicht auch fast gewesen.
Mackenzie nickte befriedigt. Endlich begann seine Patientin zu begreifen.