13.10.2011

Aus dem Tagebuch eines Genies III

Tag 2:
Danea wanderte an Markhams Seite über die sonnenbeschienene Oberfläche des Mondes. Hüfthohes Steppengras beschwerte ihrer beider Gang ein wenig, wenn auch nicht viel. Die Sonne schien angenehm warm vom Himmel.
Was haltet ihr bis jetzt von diesem Mond?" erkundigte der Lieutenant sich unversehens.
Danea nickte nachdenklich. „Bis jetzt ... ?" echote er, riß sich dann aus seinen Gedanken. „Es sieht gut aus hier. Es ist angenehm, die Erde offensichtlich recht fruchtbar. Allerdings wird es harte Arbeit werden, Felder anzulegen."
Markham an seiner Seite zog etwas aus einer der Taschen seiner Überlebensweste und riß es in der Mitte entzwei. Ein Stück hielt er ihm hin. Danea griff stirnrunzelnd danach und drehte es zwischen seinen Fingern. Glänzendes, metallfarbenes Papier verhüllte, was auch immer sich in diesem Ding verbergen mochte. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie der Lieutenant seine Hälfte von der Umhüllung befreite und einen schmalen, hellen Streifen von irgendetwas ans Licht brachte, den er sich in den Mund steckte und darauf herumkaute.
Probieren Sie nur. Ist nicht giftig. Nur Kaugummi", sagte der junge Militär schließlich. „Hatte ich mir bei der letzten Versorgung mitbringen lassen. Aber inzwischen habe ich leider nicht mehr allzu viel." Ein bitteres Lächeln erschien auf seinen Lippen.
Danea betrachtete wieder, was man ihm gereicht hatte. „Kaugummi?" fragte er, wickelte sein Stück schließlich aus und steckte es sich in den Mund. Ein herber, frischer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus, und er roch noch einen Rest von etwas, was er noch nie wahrgenommen hatte.
Markham nickte. „Einfach nur kauen, solange es Geschmack hat. Naja, auch noch ein bißchen länger. Je nachdem ob man es mag oder nicht."
Danea nickte.
Der Streifen wurde in seinem Mund zu einen kleinen Klumpen, auf dem er herumkaute, noch immer diesem eigenartigen Geschmack nachsinnend. „Ich muß sehr dumm auf euch wirken", sagte er nach einer Weile.
Markham schüttelte den Kopf, stützte die Arme auf seine Waffe. „Blödsinn!" entgegnete er. „Ich finde, ganz im Gegenteil, Sie scheinen sehr intelligent zu sein. Sie nehmen die ganzen Neuerungen klaglos hin. Ihr ganzes Volk tut das."
Danea nickte mit einem verschämten Lächeln. „Für euch ist so vieles selbstverständlich, was wir nie getan haben ... oder schon lange verloren." Er sah sich wieder um.
Er kannte die Überlieferungen seines Volkes wahrscheinlich ebenso gut wie jeder andere. Die Goldenen Zeiten, als die Erethianer Städte errichteten, in den Weltraum aufbrachen und ein reiches Volk waren. All das war von den Devi sehr schnell zerstört worden, hieß es. Selbst Ruinen waren von den Städten nicht geblieben. Gar nichts, abgesehen von einigen tiefen Kratern, die er früher oft aufgesucht hatte. Dort sollten die Städte gestanden haben, die die Devi bereits bei ihrem ersten Angriff in Schutt und Asche legten.
War vielleicht auch dieser Mond damals bewohnt gewesen? Hatte es auch hier Erethianer gegeben, die diesen Himmelkörper bewohnbar machten, hier vielleicht sogar das eine oder andere anpflanzten?
Er wußte es nicht, doch irgendwo tief in sich hoffte er, daß sie vielleicht noch etwas finden würden, irgendwo. Ein winziger Beweis, daß es dieses Goldene Zeitalter wirklich gegeben hatte.
Markham blieb stehen, fummelte an einer anderen Tasche herum und zog schließlich dieses Ding hervor, daß er auch schon von seiner Wanderung nach Vineta bei Major Uruhk gesehen hatte.
Da vorn ist der Puddlejumper, mit dem SG-27 hier strandete", murmelte der Lieutenant nachdenklich.
Was ist das für ein Gerät?" fragte Danea, nachdem er seinen Stolz wieder heruntergeschluckt hatte.
Markham warf ihm einen kurzen Blick zu, dann hielt er es ihm hin.
Danea hob abwehrend die Hände. „Ich bin kein Erbe der Schöpfer."
Markham begann zu grinsen. „Dafür muß man das Gen nicht tragen. Es ist ein Fernglas, mehr nicht." Auffordernd hielt er es ihm immer noch hin.
Danea griff jetzt doch zögernd danach und hielt es sich vor die Augen, wie er es vorher bei dem Lieutenant gesehen hatte. Ungläubig staunte er. „Das ist ... Die Bäume sind auf einmal so nahe!"
Ein Fernglas ist so beschaffen, daß man Dinge wie von nahem sehen kann, die doch recht weit entfernt sind", erklärte Markham.
Danea staunte, senkte das Fernglas und blinzelte. „Das ist wirklich erstaunlich!" Er wechselte einen Blick mit dem Militär.
Markham nickte. „Stimmt. Wir aus der Milchstraße haben die eine oder andere Lösung parat, das gebe ich zu. Wenn wir auch längst nicht so weit entwickelt sind wie die Antiker, eure Schöpfer, es gewesen sind."
Danea reichte ihm das Fernglas zurück. „Wir haben auch das eine oder andere. Bei uns heißt es Nahe-Kristall", erklärte er. „Ein durchsichtiger Stein, der so geschliffen worden ist, daß man Dinge heranholen kann."
Also, so rückständig könnt ihr demnach nicht sein." Markham verstaute das Fernglas wieder in seiner Überlebensweste. „Kommen Sie, sehen wir uns den Jumper etwas näher an."
Danea nickte, sah sich noch einmal um. „Das hier sieht wirklich sehr gut aus. Schade, daß es schon so spät im Jahr ist. So werden wir mit der Aussaat bis nach dem Winter warten müssen."
Markham blinzelte. „Winter?"
Ja, Winter. Ich schätze, daß hier ist ein Spätsommer, so wie das Gras aussieht", fuhr der Erethianer fort. „Hätten wir irgendetwas, was man über Winter ziehen kann, könnten wir vielleicht schon im Frühjahr ernten. Aber so?" Er zuckte etwas hilflos mit den Schultern. „Aber wir können Felder anlegen für das nächste Jahr. Dann haben wir vielleicht auch etwas mehr Saatgut."
Ihr habt hier Jahreszeiten?" fragte Markham.
Danea nickte. „Natürlich. Kennt ihr die etwa nicht?"
Von der Erde her schon." Markham sah sich jetzt nachdenklich um. „Aber in Atlantis gab es keine, zumindest keine spürbaren. Und auch von vielen anderen Welten aus der Milchstraße sind Jahreszeiten so gut wie unbekannt. Wie sieht ein Winter denn in Ihrer Heimatwelt aus?"
Es ist kalt und beginnt zu schneien. Meist nicht sehr angenehm. Wir haben immer gesehen, daß wir Vorräte anlegen konnten. Aber die sind nun ja ... äh, nicht mehr da."
Das müssen wir unbedingt Dr. Stross bei unserem nächsten Bericht weitergeben. Das könnte wichtig für uns sein." Markham sah sich mit neuerwachtem Interesse um.

***

86. Tag
Wenn diese Zeilen irgendwann einmal jemand finden sollte, sollte er auch wissen, mit wem er es zu tun hatte: Mein Name ist Peter Babbis, Doktor Peter Babbis, Dipl. Ing. Meine Fachgebiete sind eigentlich Maschinenbau, Mathematik und Astrophysik. Früher einmal war ich Mitglied, und Stellverteter des Leaders, in dem Erd-SG-Team Nummer 27. Wir strandeten hier, wie bereits an früherer Stelle geschrieben, mit einem Puddlejumper, nachdem wir in ein aktiviertes Supergate gestürzt waren.

Wir, das bedeutet natürlich ich selbst und meine Leaderin Major Vashtu Uruhk. Außerdem waren noch Sergeant George Dorn und mein, leider früh verstorbener Kollege James-Robert Wallace mit dabei. Gemeinsam hatten wir uns vielen Aufgaben und Feinden gestellt und zumeist gewonnen. Major Uruhk dankt mir heute noch für meine, ihr Leben rettende Idee während ihrer Geiselhaft in der Pegasus-Galaxie. Ihr haben die restlichen Mitglieder von SG-27 viel zu verdanken gehabt, bzw. tun es immer noch, so daß wir mit der Zeit immer enger zusammenwuchsen. Ich denke, unsere Treffen in unserem Stammlokal in Colorado Springs dürften noch immer legendär sein.

Wenn jemand diese Aufzeichnungen nach meinem Tod durch die Devi oder andere Feinde finden sollte, möchte ich denjenigen bitten, sie an das SGC auf der Erde weiterzuleiten, da es sicherlich sehr wertvolle Erkenntnisse enthält, vor allem über Dimensionsstürze und auch über unsere neuen Feinde, die Devi. Sollte es uns nicht gelingen, sie irgendwie aufzuhalten, könnten diese Hybridwesen vielleicht eines Tages Pegasus und auch Milchstraße überrennen. Ich bin sicher, bis dahin werde ich noch einige Erkenntnisse über sie gesammelt haben. Nicht zu vergessen sei hier auch der Kontrollstuhl auf Antarktica zu erwähnen. In externen Speichern werden Aufzeichungen aus der Stadt Vineta, in der wir uns zur Zeit befinden, aufbewahrt, wie mir Major Uruhk vertraulich mitteilte.

Aber genug davon, kommen wir zum heutigen Tag:

Stross fühlte sich wieder befleißigt, mich von meiner, unser aller Überleben sichernder Arbeit abzuhalten mit allerlei dummen Geschwätz. Wie die meisten Frauen eben so sind, macht sie sich um ungelegte Eier Sorgen. Dabei dürfte es doch wohl allzu klar sein, wem sie so viel in dieser Stadt zu verdanken hat. Aber Frauen sollte man am besten reden lassen, wenn sie ihre Emotionen ausleben müssen.

Dabei, und das muß ich zugeben, macht sie ihre Sache als Leiterin hier nicht einmal schlecht. Nun gut, das eine oder andere ist durchaus noch verbesserungswürdig, aber zumindest scheint sie zu wissen, was sie tut. Als Assistentin der, in dieser Dimension früh verstorbenen Dr. Weir hatte sie allerdings auch eine sehr gute Lehrerin. Ich selbst war ja für einige Zeit auf Atlantis nach der Geiselhaft, um mich von der rüden Behandlung durch den Genii-Terroristen Kolya zu erholen. Dabei lernte ich die Dr. Elizabeth Weir meiner Dimension kennen. Und ich beneide sie nicht um Teile ihres Stabes. Lt. Colonel Sheppard mag ja noch ... Nun, er strengt sich zumindest an, und das sollte man als Wissenschaftler auch respektieren. Aber jemanden wie Dr. Rodney McKay zum führenden Wissenschaftler zu machen ist in meinen Augen eine glatte Fehlentscheidung und stärkt ihn nur noch in seiner Vernarrtheit in sein Ego. Da bin ich etwas versöhnlicher, zugegeben.

Nun, wie dem auch sei. Stross kam zu mir und weinte sich aus. Ich gebe zu, ich hörte ihr nicht wirklich zu. Die PK-Forschung erfordert mein ganzes Können. Immerhin sind diese eigentlichen Waffen sehr kompliziert aufgebaut und hochexplosiv. Darum habe ich mich auch zur näheren Erforschung in ein leerstehendes Gebäude des militärischen Komplexes zurückgezogen. Ich will schließlich nicht die ganze Stadt in die Luft sprengen, sollte etwas schiefgehen. Stross jedenfalls scheint mir im Moment etwas überfordert mit der Situation. Markham noch immer auf diesem Mond, ich weiß nicht, was er da so lange treibt mit Danea und den beiden anderen Erethianern, Major Uruhk immer noch auf der Prometheus, die sich weiterhin in Schweigen hüllt.

Wie nicht anders zu erwarten, ging es natürlich wieder um meine Dienste als Jumper-Pilot für ein SG-Team. Besser gesagt, um deren zwei. Zwei Einsätze, die heute noch sehr dringend geflogen werden mußten. „Wenn es sonst nichts ist", meinte ich nur dazu. Was hätte ich denn auch anderes sagen sollen? Major Uruhk hat mich ja bereits mehrmals als Naturtalent im Fliegen bezeichnet, und inzwischen machen mir die AIs auch nicht mehr die Probleme, wie ich sie zu Anfang dieser zweifelhaften Karriere hatte. Ich flog also Claines Teams als erstes durch das Tor, kehrte hierher zurück und setzte kurz darauf Sanchez' Team ab. Kein großes Problem, zumal Stross mir die Warterei ersparte, die nichts als pure Zeitverschwendung ist.

Kaum an meine Forschungen zurückgekehrt, wurde ich allerdings schon wieder ausgerufen und sollte Sanchez' Team abholen, da diese auf einige Devi gestoßen sind. Nun, muß ich erwähnen, daß der Captain mir sein Leben zu verdanken hat? Selbstverständlich nicht. Es war ja abzusehen. Claine dagegen ließ sich wirklich Zeit mit seiner Rückkehr. Und da es, wieder einmal, eine kleine Störung am Tor gab, sah ich mich zudem befleißigt, mir das ganze noch einmal anzusehen. Ich muß zugeben, Major Uruhk hat durchaus recht mit ihrer Einschätzung. Dieses Stargate ist alles andere als vertrauenserweckend. Wir sollten so bald wie möglich sehen, wie wir es austauschen können.

Dorn lief mir dann auch noch über den Weg, natürlich, während ich mein Abendessen einnahm. Diesen unverdaulichen Nährungsbrei, dem wir im Moment alle ausgeliefert sind - ein schreckliches, kaum herunterzubringendes Zeug. Wer auch immer diese Maschinen erfunden hat, man sollte ihn, selbst nach mehr als zehntausend Jahren, noch im All aussetzen.

Nun, Dorn kam auf jeden Fall zu mir an den Tisch und sprach mich auf die Prothese an, die er von mir haben will. Und natürlich habe ich bisher leider nicht die Zeit gefunden, diese Prothese anzufertigen. Wie soll ich es sagen, dieser Planet verfügt zwar über einen Tagesrhythmus von 28 Stunden, aber selbst ich muß auch irgendwann einmal schlafen. Und solange wir keinen Arzt in Vineta haben, wobei angemerkt sein sollte, daß ich wirklich nicht weiß, woher wir einen solchen Quaksalber nehmen sollten, werde ich wohl auch weiterhin auf Schlaf angewiesen sein, gerade in einer solchen Situation.

Nun ja, ich versprach Dorn, seine Prothese so bald wie möglich in Angriff zu nehmen. Solange Major Uruhk auf der Prometheus sitzt, können wir sowieso nichts weiter tun als abwarten. Natürlich wäre es von Nutzen, sie so bald wie möglich wieder in der Stadt zu wissen. Aber, wie gesagt, Pendergast hüllt sich in Schweigen. Wollen wir hoffen, daß sich dieses Problem irgendwann einmal lösen wird.

Meine Wohnungssuche verlief weiter erfolglos. Ich habe zwar ein bestimmtes Objekt im Auge, allerdings bin ich mir ziemlich sicher, daß es nicht genehmigt werden wird, wenn ich mich in der Kommandozentrale des militärischen Sektors einmiete. Was wirklich schade ist. Einen solchen Platz findet man sonst nicht in dieser Stadt. Irgendwie wirkt alles recht eng und klein. Möglicherweise liegt es schlicht an der Tatsache, daß Vineta in einer gewaltigen Höhle erbaut wurde und das Szenario wirklich etwas bedrückend wirkt.

TBC ...

2 Kommentare:

  1. So und jetzt direkt das nächste Kapitel gelesen.
    Aha, die werden dort also bald Winter haben. Aber dann haben die ja auch genug Zeit alles für die Aussaat vorzubereiten, wenn da sowieso noch einiges an Arbeit rein gesteckt werden muss.
    Schön, dass sich der Mond überhaupt dafür eignet. Auf Dauer wäre diese Maschine die essen zubereitet sicher nicht das Wahre gewesen. Vor allem wenn das wirklich so grausig schmeckt.
    Interessant fand ich, dass die Erethianer auch etwas ähnliches wie ein Fernglas besitzen.

    Bei dem Part aus Babbis Sicht musste ich wieder das ein oder andere mal schmunzeln :D Das hört sich ja geradewegs so an, als würde er sich total für alle anderen Aufopfern (Jumper-Flüge durch das Tor, Tor überprüfen, sich die Sorgen von Dr. Stross anhören ...) obwohl er ja eigentlich überhaupt keine Zeit hat.
    Aber einfach anzweifeln, dass Rodney der Richtige für den Posten des Chefwissenschaftlers auf Atlantis wäre. Also wirklich! Und die Beschreibung von John xD "Er strengt sich zumindest an" *g*
    Und ein interessanter Ort, den Peter am Liebsten zu seiner Wohnung ernennen will :D

    LG Sabrina

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  2. Ja, die Erethiander sind nicht die "Steinzeitler", für die man sie auf den ersten Blick halten könnte. Und freut mich, daß es soweit klappt, sie glaubhaft darzustellen. Ich hatte so leise Befürchtungen, daß Danea ein bißchen zu unsicher daherkommt.

    LOL Jaja, Peter wird wohl nie ein Fan von Shep werden. Den Ort, den Babbis gern beziehen würde, wiedererkannt? Vorgekommen ist er schon.

    Dank dir für den Kommentar!

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