13.11.2011
Aus dem Tagebuch eines Genies IV
Was tatsächlich geschah:
Anne blieb vor dem kleinen, dunklen Gebäude stehen und sah die Fassade hoch, die Lippen verärgert zusammengekniffen.
Sobald Major Uruhk wieder auf dem Planeten sein würde, sollte die sich Babbis auch noch einmal zur Brust nehmen. Die Antikerin hatte offensichtlich einen besseren Draht zu dem Wissenschaftler. Selbst Spitzbart fiel es deutlich schwerer, als er zunächst angenommen hatte, den jungen Mann zu bremsen. Jetzt ging Babbis ja sogar soweit und klinkte sich eigenmächtig aus den Forschungen aus, was auch immer das zu bedeuten haben sollte.
Anne atmete einige Male tief ein und straffte die Schultern.
Seit mehr als zwei Stunden hatte sie bereits versucht, Babbis zu erreichen. Aber der erwies sich als ebenso flüchtig wie ein Schatten. Nur durch Zufall hatte sie von einem der wenigen Militärangehöringen gehört, daß der Gesuchte sich oft in eben diesem Gebäude, das früher wohl einmal als Lagerraum genutzt worden war, aufhielt. Was auch immer Babbis hier tat, er tat es offensichtlich allein und vollkommen auf sich selbst gestellt. Noch dazu in einem der abgeschirmten Gebäude der Stadt, zu dem es noch immer keinen Funkkontakt gab - einer der Fehler, die Major Uruhk noch zu beheben gedachte, sobald sie irgendwann wieder in der Stadt war.
Anne trat an die Tür heran, berührte kurz den Öffnungsmechanismus und wappnete sich.
Es konnte einfach nicht angehen, daß Babbis tat, was ihm paßte. Immerhin war er bei der Unterredung ebenfalls anwesend gewesen, auf der der jetzige Status beschlossen worden war. Natürlich waren sie alle davon ausgegangen, daß die Antikerin ebenfalls hier sein würde, sobald die Expedition zum Mond startete, aber Babbis hatte ja sogar darauf bestanden, daß Markham flog.
Die Tür öffnete sich und enthüllte einen kleinen, sanft beleuchteten Vorraum.
Anne betrat das Gebäude und sah sich stirnrunzelnd um. Das hier sollte ein Lager gewesen sein? Irgendwie fiel es ihr schwer, das zu glauben, es sei denn, die Antiker hier waren vollkommen anders geartet gewesen wie die, die Atlantis bewohnt hatten.
Kurz orientierte sie sich neu, dann marschierte sie zu der einzelnen, gegenüberliegenden Tür und öffnete diese ebenfalls. Helles Licht brandete ihr entgegen, und ein einziger, gewaltiger Raum, der das gesamte Gebäudeinnere einzunehmen schien, öffnete sich vor ihren ungläubigen Augen.
Was war denn das hier? Irgendwie wirkte es auf sie nicht gerade wie ein Lager. Sie sollte darüber wirklich noch einmal mit Major Uruhk reden - sofern die jemals wieder von der Prometheus zurückkehren würde.
Anne trat ein und sah sich staunend um.
Nein, ein solches Gebäude kannte sie von Atlantis her nicht. Allerdings hatte ihre Arbeit dort sie oftmals an den Kontrollraum gefesselt, so daß sie selbst nach knapp zwei Jahren dort wenig mehr als den Zentralturm und den Anleger kennengelernt hatte. Irgendwie hatte sie das immer bedauert, aber einfach keine Zeit gefunden, sich die anderen Bereiche anzusehen, von denen die Expeditionsmitglieder sprachen. Hier würde das vielleicht anders sein, zumindest tat sie das ihrige, um Vineta besser kennenzulernen.
Der vermißte Wissenschaftler befand sich ungefähr in der Mitte des Raumes und stand über einen Tisch gebeugt, offensichtlich gerade mit irgendetwas beschäftigt.
Anne trat stirnrunzelnd näher.
Er mußte wirklich sehr beschäftigt sein, daß er ihr Eintreten bisher nicht wahrgenommen hatte. Aber das würde sie schnell zu ändern wissen.
„Dr. Babbis!" sagte sie im strengen Tonfall.
Der junge Wissenschaftler zuckte sichtlich zusammen und fuhr herum.
Anne kreuzte die Arme vor der Brust und sah ihn verärgert an. „Was fällt Ihnen ein, nicht zum Briefing zu erscheinen? Es ist wichtig, solange Sie der einzige verfügbare Pilot sind, daß Sie an den morgendlichen Besprechungen der Einsätze teilnehmen."
Babbis blinzelte hinter seiner Brille, schob sich die Sehhilfe wieder auf die Nasenwurzel. „Ich ... oh!" entfuhr es ihm. Er blickte auf seine Armbanduhr und staunte sichtlich. „Ich dachte, ich hätte noch Zeit", gestand er ihr dann zu wissen.
„Dann sollten Sie diese vielleicht jetzt verwenden und zumindest mir zuhören", schlug sie, weiterhin mit strenger Miene, vor. „Immerhin werden Sie wohl noch einige Tage einiges an Mehrstunden leisten müssen, solange Lieutenant Markham nicht vom Mond zurückgekehrt ist."
„Er ist immer noch nicht zurück?" Babbis schien wirklich verblüfft.
Anne stutzte, schüttelte dann unwillig den Kopf. „Was denken Sie denn, wie lange die Erkundung eines Himmelskörpers dauert, zumal, wenn wir diesen nutzen wollen?" fragte sie.
Babbis zuckte mit den Schultern, drehte sich wieder zum Tisch um und hantierte dort mit irgendetwas, was er mit seinem Körper verdeckte.
„Dr. Babbis!" Allmählich reichte es ihr. Irgendwann war auch ihr Geduldsfaden überspannt.
„Sekunde", murmelte er.
Anne atmete wieder tief ein. „Keine Sekunde, nicht einmal eine halbe", widersprach sie. „Sie haben noch genau zehn Minuten, ehe Sie zu Ihrem ersten Einsatz aufbrechen. Sie sollten sich besser bereit machen."
Babbis nickte, doch sie merkte ihm deutlich an, daß er ihr nicht wirklich zuhörte.
Mit schnellen Schritten war sie neben ihm und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. Der junge Mann schrak sichtlich zusammen.
„Hören Sie mir gefälligst zu, wenn ich mit Ihnen rede!" fuhr sie ihn an.
Babbis blinzelte wieder, richtete sich dann auf. „Ich arbeite hier an PKs, Dr. Stross", wandte er ein und wies auf das, was sich da vor ihm auf dem Tisch ausbreitete. „Bei allem Respekt, aber ich habe keine Zeit, Ihnen zuzuhören. Sie wollen doch, daß Major Uruhk hierbleibt, oder nicht?"
Anne funkelte ihn wütend an. „Major Uruhk will hier bleiben, und ich kann ihre Entscheidung nur begrüßen", sagte sie betont ruhig. „Aber, und hier sind Sie in der Pflicht, Sie haben sich bereit erklärt, Markhams Dienst mit zu übernehmen, solange er nicht hier ist. Irre ich mich, oder haben Sie ihn fast genötigt, zu dieser Expedition aufzubrechen, obwohl er warten wollte, bis Major Uruhk von der Prometheus zurück ist?"
Babbis kniff die Lippen fest aufeinander, wandte sich erneut seiner Arbeit zu. „Ich habe keine Zeit, zumal mir ja nur zehn Minuten bleiben."
„Dr. Spitzbart hat Sie beurlaubt, damit Sie sich voll und ganz auf die Flüge konzentrieren können", fuhr Anne wütend fort, „und nicht, damit Sie weiterhin an den Planetenkillern herumbasteln. Also sollten Sie auch genau das tun, haben Sie das jetzt endlich verstanden?"
„Jaja", murmelte er, doch ihm war deutlich anzumerken, daß er wieder nicht hingehört hatte.
Allmählich platzte ihr der Kragen, mußte Anne zugeben. So einen sturen Esel wie Babbis hatte sie noch nie erlebt! Viele waren ja davon überzeugt gewesen, daß Dr. McKay egozentrisch war, aber dieser junge Mann stellte den Spitzenwissenschaftler bei weitem in den Schatten.
Anne griff zu und zerrte ungeduldig das Gehäuse, an dem Babbis gearbeitet hatte, zu sich hin. „Zwingen Sie mich nicht zu Maßnahmen, die Sie bereuen würden", drohte sie dabei. „Ich warne Sie ein letztes Mal, Dr. Babbis. Und sollte so eine Schlappe wie gestern noch einmal vorkommen, werden Sie sich wünschen, noch auf der Erde zu sein. Ich bin gern bereit, Ihnen Zeit zuzugestehen, in der Sie an den Planetenkillern arbeiten können. Aber der Moment könnte gar nicht ungünstiger gewählt sein als jetzt. Also tun Sie sich selbst einen Gefallen und konzentrieren Sie sich auf die Flüge durch das Tor, sonst könnten Sie sehr schnell bereuen, nicht auf der Prometheus geblieben zu sein!"
Babbis starrte sie groß an, dann hoben sich seine Schultern, seine Lippen wurden wieder schmal.
„Und jetzt werden Sie so schnell wie möglich zur Base gehen und das erste Team durch das Gate befördern", befahl Anne hart. „Haben Sie das jetzt endlich verstanden?"
„Ich bin nicht Ihr Sklave, Dr. Stross!" Babbis starrte sie noch einen Moment lang an, dann drehte er sich auf dem Absatz um und marschierte aus dem gewaltigen Raum.
Anne sah ihm kopfschüttelnd nach.
Was mochte da noch auf sie zukommen?
***
Andrea Walsh fuhr gerade einige Subroutinen in den Nebenprogrammen des Stargates durch. Nebenprogramme, mit denen niemand von ihnen etwas anfangen konnte.
Irgendwie schien Vineta an sich bereits ein einziges Experiment zu sein, zumindest konnte sie kaum etwas anderes sagen nach den ersten Wochen in dieser Stadt auf ihrem Posten. Sie konnte nur hoffen, daß Major Uruhk, sofern sie noch einmal hier herunter kommen würde, mehr dazu sagen konnte als sie, denn soetwas hatte sie noch nie gesehen.
Das Jumper-Schott fuhr ein, gerade als sie wieder etwas gefunden hatte, mit dem sie rein gar nichts anzufangen wußte.
Andrea blickte auf, aktivierte dann den Schild, als sie begann, Stimmen zu hören. Irritiert blinzelte sie einen Moment lang, dann breitete sich ein Grinsen über ihr Gesicht aus, als sie erkannte, wer da sprach.
Offensichtlich hatten sowohl Dr. Babbis als auch Captain Claine vergessen, ihre Funkgeräte aufeinander abzustimmen.
Einige ratlose Blicke trafen ihre Kehrseite. Andrea zuckte nur gutgelaunt mit den Schultern und beobachtete, wie der Jumper sacht im engen Gateroom auf das Tor einschwang, dann hinuntersank, bis er direkt vor dem Ereignishorizont schwebte. Ein erhebender Anblick, wie sie immer wieder fand.
Gern würde auch sie selbst einmal durch das Tor gehen, um Abenteuer zu erleben. Auf der anderen Seite war sie froh, daß man sie auf ihrem jetzigen Posten, sozusagen als Verantwortliche für Torbetrieb und den aktivierten technischen Einrichtungen der Stadt, akzeptierte. Auf Atlantis hatte sie meist zurückstecken müssen in dieser Beziehung. Da war es Chuck gewesen, der sich oft genug die Haare gerauft hatte. Hier war es bisher eher ruhig, und sie hoffte, so würde es auch bleiben, auch wenn das wahrscheinlich ein frommer Wunsch sein würde.
„Das Tor befindet sich unter Wasser, Doc. Ich hoffe, Sie denken daran", hörte sie die Stimme des Captains gerade sagen.
Das allerdings war auch etwas, an das sie sich erst einmal gewöhnen mußte. Tore auf Planeten und im Orbit ließ sie sich ja noch gefallen, aber in tiefen Schächten und auf dem Meeresgrund? Das war schon eine etwas andere Geschichte. Und sie fragte sich wirklich, wie die Antiker auf diese Positionen gekommen waren. Denn die Teams, die bisher auf eben solche Stargates getroffen waren, berichteten einhellig, was bisher nur ein Verdacht gewesen war: Die Tore waren tatsächlich ursprünglich bereits an diesen Stellen aufgestellt worden.
„Ich weiß!" knurrte Babbis' Stimme gereizt.
Wo der sich wohl herumgetrieben hatte? Stross war jetzt schon mehr als angespannt, sobald auch nur andeutungsweise der Name des jungen Wissenschaftlers fiel. Und Markham würde sich erst wieder gegen Abend melden. Die Frage war, ob die Leiterin ihn dann zurückbeordern würde. Obwohl die Erforschung des Mondes mindestens so dringend sein würde wie jeder Fremdweltkontakt, den sie herstellen konnten.
„Und denken Sie bitte auch daran, daß wir nicht einwählen können. Es gibt kein DHD. Insofern ist die Terminierung hier sehr wichtig. Ich habe keine Lust, auf diese Devi zu treffen und ... Naja, Sie wissen wahrscheinlich besser, was dann geschieht als ich", fuhr der Captain fort.
„Nein, weiß ich nicht."
„Jumper 14, Sie können einwählen. DHD ist freigegeben", meldete Andrea jetzt im geschäftsmässigem Ton.
Würde Babbis auffallen, daß seine Leitung offen war?
Sie beobachtete, wie die Symbole begannen zu tanzen und ein Chevron nach dem anderen einrastete. Dann allerdings ... Der Knall war fast ohrenbetäubend.
Andrea verzog unwillig das Gesicht, schaltete den Schutzschild manuell aus und beobachtete den Jumper, der in das Feld des Autopiloten glitt, dann im Tor verschwand.
Irgendwas mußten sie gegen diese Lautstärke unternehmen. Das wurde mit jeder Einwahl schlimmer!
Das Wurmloch erlosch, nachdem der Gleiter verschwunden war. Dafür beobachtete Andrea, wie etwas zu Boden fiel. Mit großen Augen beugte sie sich vor.
„Was war das?" hörte sie die Stimme von Dr. Stross schräg neben sich.
„Ich schätze, das war das Loch im Chevron", antwortete sie, musterte nun das Tor sehr interessiert. Doch von ihrem Standpunkt aus war das Einschußloch nicht auszumachen.
„Was? Aber Major Uruhk meinte, es sollte ein wenig halten."
Andrea zuckte ratlos mit den Schultern, gerade als die Einwahl erfolgte. Sofort richtete sie sich wieder auf und schaltete beide Schilde zu.
„Keine Ahnung. Es fiel etwas runter, nachdem das Wurmloch zusammenbrach", erklärte sie. „Ich schätze, Dr. Babbis bekommt noch ein wenig Arbeit nach ..." Die nächste Etablierung ließ ihre Kaffeetasse tanzen. Eilig griff sie danach und konzentrierte sich auf den, mit dem Tor verbundenen Laptop. „... seiner Rückkehr. Wann ist der nächste Gang geplant?"
„In einer halben Stunde." Stross seufzte, beugte sich jetzt ebenfalls nach vorn und musterte den Ereignishorizont.
„Dr. Babbis' Kennung." Andrea ließ den ersten Energieschild fallen, der zweite aber blieb aktiviert. Darauf hatten sie sich geeinigt, sofern nicht Major Uruhk durch das Tor wollte. Sie glaubten, deren Fremdzellen würden den zweiten Schild vielleicht nicht unbeschadet durchqueren können.
Der Puddlejumper tauchte wieder auf, das Wurmloch erlosch.
Andrea schaltete nun auch den zweiten Schild ab.
„Was denken die sich eigentlich? Ich bin doch nicht der Lakai für alle!" meckerte es in ihrem Ohr.
Sie wechselte einen Blick mit Stross und grinste wieder in sich hinein.
Die blonde Leiterin von Vineta aktivierte ihr Funkgerät. „Dr. Babbis, schön daß Sie so schnell zurück sind. Sie haben eine halbe Stunde vor dem nächsten Flug. Danach könnten Sie sich bitte noch einmal das Tor ansehen. Das Einschußloch, das geschweißt wurde, ist offensichtlich wieder offen. Bei diesem Lärm brauchen wir den Devi gar nicht unter die Augen zu treten, die werden schon allein davon hergelockt."
Andrea kicherte, kümmerte sich wieder um die Subroutinen und überflog die Unterprogramme.
Das konnte wirklich noch heiter werden mit Babbis als einzigem Piloten. Gestern hätte er beinahe das Schott zerlegt, heute fiel das Tor auseinander. Sie fragte sich, was als nächstes geschehen würde.
***
Peter knurrte einige unwillige Flüche in sich hinein, während er die Leiter plazierte und sich dann das Stargate noch einmal von unten ansah.
Was würde er jetzt um Vashtus Fremdzellen geben, die es ihm ermöglichen würden, einfach so das Tor hinaufzuklettern. Aber statt dessen hatten er und einer der Erethianer diese Leiter herschleppen müssen, natürlich durch das Treppenhaus, da die Lifte für etwas so langes nicht ausgelegt waren.
„Ich schalte den Schild zu, für alle Fälle", meldete sich Walshs Stimme im Gateroom. Das Programm für die Aktivierung der Lautsprecher hatten sie also auch ohne seine Hilfe gefunden. Mutig, diese beiden Damen.
Peter brodelte leise vor sich hin, während er jetzt die Leiter hinaufstieg, um sich das Einschußloch noch einmal von nahem anzusehen.
Was hatten diese Idioten im Kontrollraum eigentlich angestellt, daß das Stahlteil wieder herausgefallen war aus dem Tor? Er wußte es nicht, und sehr wahrscheinlich würde er es auch nicht herausfinden können. Tatsache war, sie hatten hier ein Sternentor mit einem Loch in einem der Schlüsselelemente. Es funktionierte zwar, aber bei dem Krach bei einer Etablierung konnte es durchaus zu Gehörschäden führen.
Vashtu hatte das Loch zwar, wie gesagt, bereits einmal verschweißt, doch irgendwie hatte sich der Metallklumpen wieder vom Naquadah gelöst. Und da sie hier bis jetzt keine Ersatzteile gefunden hatten ...
Peter runzelte die Stirn. „Schild abschalten!" befahl er dann, beugte sich gefährlich weit über, um sich das Loch besser ansehen zu können.
Wie war es nur irgendjemandem gelungen, in dieses Material ein Loch zu schießen? Ihm war eigentlich noch nichts untergekommen, das ein Sternentor wirklich dermaßen dauerhaft beschädigen konnte.
Peter tastete mit der Hand nach dem Loch, steckte zwei Finger hinein.
Irrte er sich, oder war es größer geworden, seit sie es sich das letzte Mal angesehen hatten? Sicher war er sich da nicht, immerhin hatte er da unten gestanden, und von unten sah es immer noch gleich groß aus. Andererseits schien der Krach, der bei einer Etablierung entstand, zuzunehmen, und das sprach schon dafür, daß dieses Tor bald dem Weg alles Irdischen folgen würde.
„Und?"
Peter richtete sich wieder auf und drehte sich herum. Andrea Walsh stand oben an der Treppe und sah ihn auffordernd an.
„Das Tor ist hin", antwortete er schulterzuckend. „Ich kann es noch einmal schweißen, aber das wird das ganze nicht wirklich aufhalten. Wir brauchen ein neues Sternentor, denn sonst können wir bald wieder aus dem Netzwerk herausfallen."
Walsh nickte sinnend. „Keine Chance, daran irgendetwas zu ändern?" erkundigte sie sich und kreuzte die Arme vor der Brust.
Peter sandte ihr einen verächtlichen Blick, drehte sich wieder um. In diesem Moment bemerkte er, wie die Symbole und Shevrons begannen aufzuleuchten. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen.
Oh nein! Wer wählte sich denn da von außen ein? Und warum ... ?
So schnell wie möglich machte er sich an den Abstieg, doch er wußte, er würde es nicht schaffen. Nicht vor der Etablierung. Er würde elendig draufgehen, das war absolut sicher. Doch wenigstens würde er versuchen, dem Tod noch zu entkommen. Er mußte!
Mit einem gewaltigen Donnerschlag formte sich das Wurmloch.
Peter kniff die Augen zusammen und erwartete, mit hochgezogenen Schultern und eingezogenem Kopf, sein Ende. Würde es wenigstens schnell gehen? Würde er überhaupt etwas spüren? Würde ... ?
„Schild aktiviert. Kennung von Captain Sanchez", meldete sich Walshs Stimme wieder im Gateroom.
Peter atmete einige Male tief ein, dann öffnete er vorsichtig ein Auge, dann das zweite.
Er lebte noch! Und er lebte, weil ...
Sein Kopf ruckte herum und er starrte auf den schimmernden Energieschild, der das Wurmloch verbarg. Erleichtert seufzend lehnte er sich gegen die Sprossen.
Zumindest eine in diesem Laden war schnell genug, um wenigstens den Schild zu aktivieren, ehe er, zur Zeit wohl der wichtigste Mann in Vineta, draufgehen konnte.
„Doc, Sanchez und sein Team haben ein Problem", meldete Walsh mit besorgter Stimme. „Sie stehen unter feindlichem Feuer. Die Devi sind auf dem Planeten."
Gut, keine kleine Erholungspause, auch wenn er sie dringend gebrauchen konnte.
Peter nickte und kletterte die restlichen Sprossen der Leiter hinunter. Das hörte sich ja zumindest nach einem schnellen Einsatz an. Dann konnte er vielleicht doch noch etwas tun, ehe er Claines Team wieder abholen mußte.
Peter schob die Leiter zur Seite. Das Wurmloch fiel in sich zusammen, doch der Schild blieb aktiviert.
„Schaffen Sie das so schnell wie möglich? Hörte sich nicht gerade gut an", fuhr Walsh fort.
Peter warf der Verglasung der Kontrollzentrale einen verächtlichen Blick zu. „Der Jumper steht draußen vor der Tür. In ein oder zwei Minuten bin ich wieder da."
Sofern er den Gleiter auf dem engen Platz in die Luft kriegen würde, ohne auch noch eines der benachbarten Gebäude zu beschädigen, rief er sich in Gedanken zur Ordnung. Aber schließlich war er ja, laut Vashtu, ein Naturtalent im Fliegen eines Puddlejumpers.
Peter eilte aus dem Raum und nahm den Lift nach unten. Dann hetzte er aus dem Turm heraus und schwang sich in seinen Jumper.
Zumindest der unangenehme Teil dieses Tages schien schnell vorbei zu sein ...
***
„Sergeant? Tut mir leid, daß ich Sie störe."
Dorn blickte interessiert auf und begann zu schmunzeln, als er die blonde Frau erkannte, die gerade sein Büro betreten hatte. Auffordernd nickte er und lehnte sich in seinem Rollstuhl zurück.
Stross seufzte, packte mit beiden Händen die Lehne des Stuhles auf der anderen Seite des Schreibtisches und begann diese mit ihren Fingern zu kneten. „Ich weiß mir allerdings keinen anderen Rat mehr, solange Major Uruhk auf der Prometheus ist."
Dorns Schmunzeln wurde zu einem Grinsen. „Macht der Kleine Ärger?" fragte er.
Stross' Miene war ihm Antwort genug. Leise gluckste er in sich hinein.
„Ärger? Er macht, was er will, nicht was er soll!" knurrte die Leiterin der Stadt. „Ich habe jetzt mehrmals versucht, mit ihm zu reden, aber er läßt sich einfach nichts von mir sagen. Statt seine Arbeit zu tun, versteckt er sich hier im militärischen Sektor in einem abgeschirmten Gebäude und bastelt an den Planetenkillern herum. Und seine Dienste als Pilot für andere Teams lassen deutlich zu wünschen übrig. Williams Teams kann sich auf P1V-121 nicht mehr sehen lassen, Claine und seine Männer saßen über Stunden auf P1V-119 fest und Sanchez hatte auf P1V-122 alle Hände voll zu tun, damit Babbis sie durch das Tor flog, nachdem er erst einmal durch war. Offensichtlich hat er die Devi direkt auf die Spur des Teams gesetzt und sämtliche Drohnen verschossen. Als sie zurückkehren wollten, hatte man das Tor gesperrt und Babbis weigerte sich schlichtweg, das DHD des Jumpers zu benutzen. Ganz davon zu schweigen, was er bisher in der Stadt angerichtet hat. Ich habe bereits mit Markham gesprochen, doch der möchte wenigstens noch zwei Tage auf dem Mond bleiben, um dort etwas zu überprüfen. Wir können nicht auf Fremdwelteinsätze verzichten, und es scheint immer dringlicher zu werden, daß wir Handelsbeziehungen aufnehmen."
Dorn nickte sinnend, faltete die Hände in seinem Schoß. „Der Doc ist ein bißchen schwierig. Selbst Vash hatte da ihre Schwierigkeiten zu Anfang", gab er zu bedenken.
Stross seufzte und ließ den Kopf hängen. „So geht es nicht mehr weiter. Wir kommen von und hinten nicht voran, weil er sich durchsetzen will. Es ist absolut gar nichts gegen seine Forschungen zu sagen, ganz im Gegenteil wäre ich froh, wenn wir mehr Energie zur Verfügung hätten. Aber so, wie es im Moment läuft ..."
Dorn schürzte nachdenklich die Lippen und sog die Wangen ein. „Ich rede mit ihm", entschied er nach einer kleinen Weile. „Habe da sowieso noch etwas zu klären."
Stross lächelte dankbar, als sie aufblickte. „Ich würde das normalerweise nicht von Ihnen verlangen, Sergeant, aber ... ich weiß mir selbst keinen Rat mehr."
Dorn löste die Bremsen seines Rollstuhls und dirigierte diesen um seinen Schreibtisch herum. „Machen Sie sich mal keine Sorgen. Wenn Vash wieder unten ist, werden sich seine Dummheiten schon einrenken."
Stross nickte mit verkniffener Miene. „Aber solange ... Wir haben noch immer keinen Kontakt zur Prometheus. Allmählich beginne ich, das schlimmste zu befürchten. Wie es aussieht, basteln die Techniker wohl wieder am Antrieb. Wenn Pendergast den Major wieder in die Brick gesperrt hat ..."
„Sie hat versprochen, daß sie wiederkommt. Vash hält ihre Versprechen, Doc." Mit einer entschlossenen Bewegung rollte er den Stuhl an ihr vorbei zur Tür. „Vashtu Uruhk ist verläßlich wie ein Uhrwerk."
„Aber es ist nicht nur sie, die dort oben festsitzt. Dr. Grodin gehört eigentlich ebenfalls zu meinem Stab. Im Moment haben wir nicht einen Arzt, nur eine Handvoll Pfleger." Stross folgte ihm aus dem Büro heraus und schlug an seiner Seite den Weg Richtung Lift ein. „Ganz zu schweigen von Heimdahl, der sich uns anschließen wollte, und dann einige der höherstehenden Offiziere und ein paar Marines, die gern hier bleiben würden. Die beiden anderen Majors Barnes und Dethman wären eine deutliche Ergänzung zu unserem Team hier unten. Und Sie wären doch sicher auch mehr als froh, wenn Sie ein paar Leute mehr für Ihren Sicherheitsdienst hätten, oder?"
Dorn nickte wieder sinnend, rollte in den Lift hinein und drehte sich zu ihr um. „Weiß sie davon?" fragte er nachdenklich.
„Mittlerweile sicherlich", antwortete Stross zögernd. „Barnes hat an der Rettungsmission teilgenommen, Grodin es ihr sogar selbst gesagt, weil ... Die Sache mit ihrem Blut, Sie verstehen, oder?"
Dorn nickte, wendete den Rollstuhl, als die Wissenschaftlerin den Lift wieder verließ und rollte ihr hinterher. „Wird schon", sagte er dabei.
„Hoffentlich!" Stross seufzte schwer, blieb dann stehen. „Soll ich Sie begleiten, Sergeant?"
Dorn schüttelte den Kopf und sah sich kurz auf dem neuen Flur um, auf dem sie angekommen waren. „Nicht nötig", sagte er dann und rollte weiter, bis zu einer Tür an der Seite, die sich vor ihm öffnete.
Der Raum dahinter war erfüllt von Gesprächen und dem leisen Gelächter verschiedener Menschen. Tee- und Kaffeeduft lag in der Luft, und der nicht ganz so angenehme Gestank aus dem Bereiter, der die Breie, von denen die Vineter sich inzwischen größtenteils ernährten, herstellte aus den Resten von allerlei, das sie innerhalb und außerhalb der Stadt fanden.
Dorn rollte in die Kantine hinein und sah sich aufmerksam um. Dann grinste er wieder, als er die einsame Gestalt erkannte, die allein an einem der Tische saß und mit wenig Enthusiasmus, dafür aber der Miene eines leidenden Märtyrers Löffel für Löffel verspeißte.
Der Marine fuhr seinen Rollstuhl zwischen den anderen Menschen hindurch, die sich für abendliche Gespräche versammelt hatten. Irgendwo lief leise Musik, wurde jedoch von den vielen Stimmen fast übertönt.
„N'abend, Doc", sagte Dorn, als er sich bis zu Babbis vorgearbeitet hatte.
Der blickte irritiert auf und blinzelte, schob sich dann mit der freien Hand die Brille wieder auf die Nasenwurzel zurück. „Dorn." Er nickte grüßend, beugte sich wieder über das Datenpad, in dessen Dateien er offensichtlich las, während er seinen Brei löffelte.
„Hab gehört, es läuft nicht ganz rund." Dorn lehnte sich zurück und sah sich um.
Was er sah, beruhigte ihn. Die Menschen, die hier zusammengekommen waren, waren ein recht gemischter Haufen aus Wissenschaftlern, Technikern, Militär und einigen Erethianern. Offensichtlich war die Zeit der Isolation gerade letzterer vorbei, und das stimmte ihn froh. Er hatte schon die Befürchtung gehabt, die Einwohner dieses Planeten würden sich irgendwann komplett abkapseln und ihre neuen Mitbewohner links liegen lassen. Daß dem aber offensichtlich doch nicht so war, beruhigte ihn ein wenig, machte ihn gleichzeitig aber auch etwas stolz. Immerhin war er wohl nicht ganz daran unbeteiligt gewesen, nachdem er, bei einem abendlichen Treffen dieses kleinen Völkchens, um die Hilfe gebeten hatte, die die Erethianer der Expedition geben konnten. Und auch Vashtus Entscheidung, ausgerechnet Danea, den Sohn eines der Ältesten, in ihr SG-Team aufzunehmen, schien nicht ganz unschuldig daran, daß die Erethianer inzwischen doch wieder Vertrauen zu fassen schienen in die neuen Bewohner der verbotenen Stadt.
„Kann ich irgendetwas für Sie tun?"
Dorn wandte sich wieder Babbis zu und sah ihn auffordernd an. „Wollte fragen, wie weit meine Prothese ist", sagte er. Dabei ging es ihm um den künstlichen Beinersatz nicht so wirklich.
Der junge Wissenschaftler schluckte sichtlich. „Ich ... äh ..." Er schloß den Mund und straffte die Schultern. „Im Moment bin ich ein bißchen ausgelastet. Wenn Vashtu wiederkommt, soll alles bereit sein, damit sie die Prometheus nicht mehr fürchten muß."
Dorn hob eine Braue. „Wußte gar nicht, daß sie das Schiff fürchtet", entgegnete er.
Babbis wurde rot. Verlegen senkte er den Blick auf seinen Teller. „Ich ... naja ..."
Dorn nickte. „Soll nicht ganz rund laufen für Sie, sagt man", wiederholte er seine Eingangsworte.
Babbis spielte mit dem Löffel, malte Muster in den unansehnlichen Brei, schwieg jetzt aber mit zusammengekniffenen Lippen.
Dorn nickte und beugte sich vor. „Lassen Sie die Bomben erst einmal. Vashtu wird Ihnen dabei wahrscheinlich helfen können", sagte er eindringlich und leise. „Konzentrieren Sie sich auf die Flüge und die Arbeit für Spitzbart, Doc. Das ist erst einmal wichtiger. Wir wissen nicht, wann Vashtu wieder zurückkommt. Dann ist immer noch genug Zeit. Markham braucht noch ein paar Tage."
Babbis' Brauen schoben sich unwillig zusammen, doch er nickte.
Dorn lehnte sich entspannt wieder zurück.
Zumindest war seine Botschaft angekommen.
TBC ...
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Kommentare zum Post (Atom)
Da geht es ja drunter und drüber dank dem lieben Peter, der alles macht, nur nicht das was er soll (um es mal mit Annes Worten mal frei wiederzugeben) :D
AntwortenLöschenDas die aber auch immer noch keinen Kontakt zur Prometheus haben ... verschanzt der Kerl sich da etwa? Der soll Vashtu gefälligst wieder herausrücken :P
Aber jetzt hat Dorn erst mal ein Wörtchen mit Babbis geredet, vielleicht hilft es ja. Aber besser isses, wenn Vashtu ihm mal langsam wieder ins Gewissen redet.
Und dann noch die Sache mit dem Tor ... wo bekommen die ein neues her und vor allem ... wie wollen die das dort hin schaffen? Ich bezweifle, dass man ein Stargate durch das Stargate transportieren kann :D Es sei denn man kann die neuerdings zusammen falten *g*
Ich bin gespannt, was du dir da ausgedacht hast, denn das aktuelle Tor scheint es ja tatsächlich nicht mehr allzu lange mit zu machen. Oder vielleicht vollbringt Vashtu ein Wunder und schafft es doch noch zu reparieren (dafür muss sie wiederum zuerst irgendwie von dem Schiff herunter). Ich bin neugierig, wie dieses Kunststück, Vashtu anschließend in der Stadt zu behalten vollführt werden soll ;)
Viele Grüße Sabrina
LOL Klasse Idee mit den zusammenfaltbaren Toren! Ich erinnere mich da noch an die "Drohung" einer Fanfic, in der die Stargates ähnlich sein sollten. Herrlich, auf welche Ideen manche kommen!
AntwortenLöschenJaja, Peter liebt das Chaos - nur sieht er es eben nicht so. Und ob Dorns Gespräch wirklich was geholfen hat ... lassen wir uns überraschen.
Was Pendergast da auf der Prometheus macht? Mh, lassen wir uns überraschen, was da noch so kommt. Sagen wir, das letzte Kapitel über ihn ist noch nicht geschrieben.
Dank dir für das comment! Und ich hoffe, es wird dir auch weiterhin gefallen.
Bis denne
Ramona