19.12.2010

Unsauberer Handel II

Anne sah schnell wieder auf ihre Unterlagen hinunter, konnte ein leises Lächeln dabei nur mit Mühe unterdrücken.
Sie hatte sich also doch endlich entschieden, sie hatte es sich beinahe schon gedacht. Zumindest aber hatte sie es gehofft.
Anne räusperte sich vernehmlich und konzentrierte sich wieder auf ihre Unterlagen. „Wie war der Test?" fragte sie schließlich, sah wieder auf.
Die Antikerin und der junge Wissenschaftler wechselten einen langen Blick. „Katastrophal", antwortete sie dann.
„Ich habe irgendetwas übersehen," entgegnete Babbis sofort mit schneidender Stimme. „Aber eine Katastrophe war das nicht. Nur ein kleiner ... Rückschlag."
Major Uruhk sah ihn mit großen Augen an, setzte sich auf. „Rückschlag?" fragte sie. „Ich wäre in dem Ding fast gebraten worden!"
„Dann darf ich davon ausgehen, daß die Sekundärwaffe noch nicht einsatzbereit ist." Anne warf beiden strenge Blicke zu.
Babbis kreuzte schmollend die Arme vor der Brust und brummte etwas Unverständliches vor sich hin. Die Antikerin grinste breit und war offensichtlich sehr mit sich zufrieden.
Anne schüttelte den Kopf. Diese kleinen Sticheleien zwischen den beiden wirkten mindestens ebenso irritierend wie ihr sonstiges Verhalten. Andererseits aber lockerte es offensichtlich mögliche Spannungen auf, sie wußte es nicht genau. Für sie persönlich war dieses Verhältnis zwischen den beiden noch immer ein Quell der Überraschungen.
„Wenn wir noch Zeit finden, ehe Sie wieder zur Prometheus zurück müssen, können Sie Dr. Babbis gern zur Hand gehen. Im Moment ist er wohl etwas ... ausgelastet und konnte den Jumpern nicht recht die Aufmerksamkeit schenken, die sie sicherlich verdient hätten", sagte Anne noch immer beschwichtigend. „Ich bin sicher, gemeinsam wird Ihnen schon eine Lösung einfallen."
Beide warfen sich leicht skeptische Blicke zu, richteten ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf sie.
Anne seufzte. Dieses Zusammenspiel würde sie eines Tages entweder akzeptieren oder wahnsinnig machen.
„Also gut." Wieder konzentrierte sie sich kurz auf ihre Papiere, sah dann auf. „Major, ich habe Sie hier herunterholen lassen unter dem Vorwand, wir hätten irgendein Gerät entdeckt, das wir nicht ganz unter Kontrolle haben. Ich hoffe, Sie können damit leben."
Die Antikerin nickte. „Solange Sie sich nicht im wissenschaftlichen Sektor herumtreiben ..." Sie hob die Schultern, ließ sie dann langsam wieder sinken.
Anne lächelte. „Tatsächlich aber möchte ich mein Wort Ihnen gegenüber einlösen, Major Uruhk. Sie haben uns die Stadt zugänglich gemacht, haben mitgeholfen, wo und wie Sie konnten, Sie haben das Gate repariert."
Die Antikerin nickte wieder, hob jetzt aber fragend eine Braue. In ihren Augen lag leichte Skepsis.
Anne beugte sich etwas vor. „Ich habe Ihnen versprochen, daß Sie als erste durch das Sternentor gehen dürfen. Und dieses Versprechen möchte ich jetzt einlösen. Ich möchte, daß Sie Ihr Team zusammenrufen und Kontakt zu einem anderen Volk als möglichen Handelspartnern aufnehmen."
Unvermittelt setzte die Antikerin sich auf. „Ich soll was?" fragte sie. „Aber ... ich bin kein Mitglied von Vineta."
„Aber möglicherweise finden Sie Hinweise darauf, wie Sie in eine bekannte Galaxie zurückkehren und Pendergast damit entkommen können", wandte Anne ein. „Außerdem sehe ich Sie durchaus als ein Mitglied dieser Stadt. Wenn Sie nicht gewesen wären, wüßten wir nichts von Vineta, und wir hätten es auch nie für uns einnehmen können."
Die Antikerin blinzelte, wechselte dann einen Blick mit Babbis, ehe sie sie wieder anstarrte.
„Wenn Sie nicht wollen ... ?" Anne hob die Hände.
„Und ob ich will!" entfuhr es Major Uruhk. Und tatsächlich schien es sie nur mit Mühe auf ihren Platz zu halten. „Aber ... unser netter Colonel über unseren Köpfen. Wenn der erfährt, daß ich nicht auf diesem Planeten bin ..." Wieder zuckte sie etwas hilflos mit den Schultern.
Anne sah sie an. „Dafür finden wir eine Lösung. Es gibt, und das wissen Sie, abgeschirmte Gebäude in der Stadt. Ihr Ausflug darf eben zunächst einmal nicht zu lange dauern."
Stirnrunzelnd lehnte die Antikerin sich wieder zurück und begann, an ihrer Unterlippe zu nagen.
„Wie steht es mit Ihrem Kontakt zu Heimdahl?" wagte Anne sich etwas weiter vor.
Major Uruhk blickte wieder auf. „Er steht unter Bewachung. Ist nicht ganz einfach. Bisher kommunizieren wir ausschließlich über Dritte."
„Und wenn er den Transporter noch einmal manipuliert?"
„Pendergast ist hinter unsere kleine Plünderung gekommen, dafür saß ich gut die Hälfte meiner Zeit dort oben in der Brick." Ein verschämtes Lächeln folgte. „Ich bin mir nicht sicher, ob er herausgefunden hat, daß Heimdahl die Waffen herunterbeamte. Was war eigentlich in den Kisten?"
„Hauptsächlich Munition." Anne schüttelte amüsiert den Kopf und las kurz von einer Liste den neuen Inhalt der Waffenkammer ab.
Major Uruhk nickte beeindruckt, ein spöttisches Licht in den Augen. „Dann haben die siebzehn Tage sich ja gelohnt", meinte sie mit einem zufriedenen Grinsen.
Anne nickte beifällig, schloß die Liste wieder. „Ich weiß nicht, ob Sergeant Dorn bereits an Sie herangetreten ist, Major", fuhr sie dann mit dem nächsten Punkt ihrer persönlichen Hoffnungen fort, nachdem die andere bis jetzt alles wie erwartet, akzeptierte. „Wir wollen SG-Teams zusammenstellen. Aber er ... nun durch seinen Dienst und der Rehabilitation, die er gerade vornimmt, ist er etwas überlastet. Er wollte Sie fragen, ob Sie eventuell bei der Zusammenstellung behilflich sein könnten."
Die Antikerin nickte. „Kein Problem. Es sei denn ..." Sie hob den Kopf. „War da nicht etwas mit den anderen Sternentoren in dieser Galaxie?"
„Ich habe Danea und Cornyr zu dieser Sitzung geladen. Ich denke, selbst wenn sie nie von diesem Planeten fortgekommen sind, können die Erethianer uns immer noch am besten helfen."
„Sie wissen eine Menge, ich erinnere mich. Es muß doch wohl ein wenig Kontakt zu anderen Planeten geherrscht haben." Major Uruhk begann wieder, an ihrer Unterlippe zu knabbern.
„Wir hoffen auch, daß uns selbst etwas wegen der Beschaffung oder vielleicht sogar Herstellung von Nahrung einfällt. Cornyr wollte sich mit den anderen Ältesten beraten", fuhr Anne fort.
„Eine gute Idee." Major Uruhk blinzelte, hob dann den Kopf. „Vielleicht der Mond? Solange hier unten noch nichts wächst, könnte er benutzt werden. Genug Platz wäre da oben auf alle Fälle."
Anne lächelte wieder. „Soweit waren wir mit unseren Vorschlägen noch nicht gekommen. Aber eine interessante Idee, Major."
Die Wände öffneten sich wieder.
Major Uruhk sah über die Schulter, nickte den Ankommenden freundlich zu. Ein kurzes Lächeln glitt über ihr Gesicht, als die beiden Erethianer den Raum betraten. Als letzter rollte der alternde Marine und jetzige militärische Leiter Vinetas in den Raum hinein, hinter ihm glitten die Wände wieder in ihre vormalige Stellung.
Dorn warf der Antikerin einen warmen Blick zu, als er seinen Platz am Tisch einnahm, sah dann kurz zu Anne und hob die Brauen.
Die Leiterin nickte unmerklich und erntete ein amüsiertes Grinsen.
Sie hatte sich vornehmlich mit Dorn über das eigentliche Problem ausgetauscht, das sie hatte, nämlich Major Uruhk für Vineta zu gewinnen. Er hatte ihr den Vorschlag unterbreitet, den sie jetzt aufgenommen hatte, wohl mit, zumindest bisher, mehr als gutem Ergebnis. Major Uruhk brachte sich, wie sie es bereits vor ihrer Rückkehr auf die Prometheus getan hatte, wieder voll ein und arbeitete mit. Dabei schien ihr nicht klar zu sein, daß sie bereits erneut in die Leitung der Stadt eingebunden wurde. Die Sache mit der Aufteilung der Teams gehörte definitiv nicht zu den Aufgaben einer Helferin.
Anne war auch sehr zufrieden mit dem Ergebnis von Babbis' Basteleien. Genau die Stimmung, die die Majorin beim Eintritt in diesen Raum gezeigt hatte, wollte sie nutzen. Und als erstes bei dem Umgang mit dieser so eigenartigen Frau hatte sie gelernt, sie am besten machen und ihre eigenen Gedanken schweifen zu lassen.
Dr. Walter Spitzbart lächelte Anne kurz an, nachdem er die Antikerin einen Moment lang aufmerksam gemustert hatte. Er nickte ihr zu, und sie wußte, er war von Anfang an mit ihrer Wahl einverstanden gewesen, wie so gut wie jeder in der Stadt.
Cornyr und Danea ließen sich neben dem Major nieder, die den Kopf zu Dorn hinübergebeugt hatte und leise auf ihn einsprach.
Sie sollte doch nicht ... ?
Dorn schüttelte den Kopf, und Anne ging auf, daß die Antikerin tatsächlich versuchte, ihr altes Erd-Team SG-27 wieder zu reaktivieren, als sie sich etwas frustriert zurücklehnte und vor sich hinzubrüten begann.
Die Leiterin schüttelte amüsiert den Kopf.
Das war es also gewesen, was Major Uruhk so zugesetzt hatte am Tag der Wahl, als sie beide sich im Kontrollraum trafen. Sie hätte es sich denken können. SG-27 schien eine eingeschworene Gemeinschaft gewesen zu sein, ehe sie irgendwie in dieser Galaxie strandeten. Und Anne war mehr als froh, daß sie hier gestrandet waren, in welcher Dimension auch immer.
Jetzt richtete sie sich wieder auf. Kurz glitt ihr Blick hinüber zu dem leeren Platz, den eigentlich Dr. Peter Grodin einnehmen sollte. Doch der Arzt befand sich noch immer auf der Prometheus, und einen Stellvertreter für ihn gab es nicht.
Noch ein Problem, das sie irgendwie lösen mußte. Bisher hatten sie sehr viel Glück gehabt, vor allem auch, da Dr. Babbis sich wohl etwas auf Antiker-Geräte verstand. In der ehemaligen Krankenstation von Vineta hatte er etwas entdeckt, das Wunden schneller heilen ließ. Seitdem hatten Markham und er noch einen weiteren Nebenjob, neben ihrer eigentlichen Arbeit und der Aktivierung verschiedenster Geräte, die die neuen Einwohner der Stadt vielleicht brauchen konnten.
Die Wände glitten noch einmal auf ihren Schienen zu Seite und machten der letzten Person Platz, die zu dieser Unterredung geladen war: Andrea Walsh, der jungen Technikerin, die bereits die Leitung über den Kontrollraum an sich gebracht hatte, ehe überhaupt die Rechner, geschweige denn das Stargate aktiviert waren. Auch sie machte ihre Sache bisher ausgesprochen gut. Wie sie sich schlagen würde, wenn sie wirklich durch das Tor treten und mit anderen Völkern Kontakt aufnehmen würden, würde sich zeigen, doch Anne war sich sicher, auch hier eine gute Wahl getroffen zu haben.
Walsh ließ sich ebenfalls auf ihrem Platz nieder, ordnete noch schnell die letzten Ausdrucke, die sie offensichtlich vorgenommen hatte, ehe sie der Leiterin leicht gehetzt zunickte.
„Gut", begann Anne nun zu sprechen. „Ich freue mich, das alle erschienen sind."
Sofort hatte sie das Interesse der Antikerin wieder zurück. Major Uruhk saß, wieder mit überkreuzten Armen da, und musterte sie aufmerksam.
Anne räusperte sich. „Wie wir alle bemerkt haben in den letzten Wochen, haben wir ein dringendes Nahrungsproblem. Die Bereiter sind zwar einsatzbereit und wir nutzen sie auch, aber die sonstigen Vorräte schwinden im erschreckenden Maße. Außerdem, und das dürfte ebenfalls allen klar sein, können wir nicht den Rest unseres Lebens Nährungsbreie zu uns nehmen."
Ein triumphierendes Lächeln erschien auf Major Uruhks Gesicht bei diesen Worten. Und Anne erinnerte sich noch sehr genau an die Diskussionen, die sie beide vor der Aktivierung der Geräte geführt hatten zu diesem Thema.
„Cornyr hat für die Erethianer gesprochen und hofft, bald etwas anbauen zu können. Die Frage dabei allerdings ist, wo", fuhr sie fort.
„Auf dem Mond", wandte die Antikerin wie aus der Pistole geschossen ein und erntete dafür einige überraschte Blicke. Nur Babbis ignorierte sie im Moment.
„Das ist der Vorschlag von Major Uruhk", baute Anne die Worte sofort ein. „Ein sehr guter Vorschlag, wie ich finde. Ein Gutteil von uns kennt diesen Mond, wir wissen, er ist bewohnbar und verfügt über ein gutes Klima. Wahrscheinlich ist er, solange hier unten noch keine Vegetation wiederhergestellt ist, die beste Lösung. Was meinen Sie, Cornyr?"
Der ältere Erethianer, der seinem Sohn, der neben ihm saß, auffallend ähnlich sah, blickte nachdenklich auf. „Wir kennen den Mond nicht. Aber wenn ihr meint, werden wir ihn uns gern einmal ansehen, Dr. Stross."
Anne fühlte, wie ein triumphierendes Lächeln sich auf ihre Lippen stahl.
Vier Wochen hatten sie um dieses Problem herumgeredet, aber auf diesen Gedanken war niemand gekommen. Erst die Antikerin hatte zurückkehren müssen, damit sie den Mond über Erethia überhaupt in Betracht zogen.
„Allerdings ändert das nichts daran, daß wir über kein Saatgut verfügen, da dieses mit dem Planeten in der Feuersbrunst zerstört wurde", fuhr Cornyr fort.
„Dazu kommen wir als nächstes, Ältester." Anne nickte dem Mann freundlich zu. „Und zwar mit dem, was schon lange für uns aussteht: Den Gang durch das Stargate. Wir sollten Handelsbeziehungen zu anderen Völkern suchen, vielleicht Verbündete gegen die Devi."
Einhelliges Nicken, bis auf das Warten der beiden Erethianer.
Das allerdings könnte ein Problem werden. Die ursprünglichen Einwohner dieses Planeten standen Vineta und, vor allem, dem Sternentor mehr als skeptisch gegenüber. Es war schon harte Arbeit gewesen, sie von dem Einzug in die Stadt zu überreden. Anne wollte sich gar nicht denken, was da möglicherweise noch auf sie zukommen konnte. Dabei, auch das mußte sie zugeben, ein Stückweit konnte sie die Erethianer auch verstehen. Die Geschichte dieser Stadt der Antiker war alles andere als angenehm.
„Allerdings, so sagten Sie mir, Cornyr, und auch Sie, Danea, seien die Stargates dieser Galaxie an vielen verschiedenen Orten."
„Das ist richtig", antwortete der junge Danea, erntete einen vorwurfsvollen Blick seines Vaters, ehe der sich wieder umdrehte und fortfuhr: „Soweit wir wissen, befinden sich die Runde der Schöpfer an vielen unterschiedlichen Stellen auf verschiedensten Planeten. Wir haben das unsere nicht benutzt, da wir auch wissen, daß die Devi durch sie kommen können. Außerdem war es unbrauchbar."
Major Uruhk drehte sich um und sah den Alten aufmerksam an. „Was heißt, an unterschiedlichen Stellen?" fragte sie.
Cornyr sah sie einen Moment lang an. „Ihr solltet zunächst einmal sehr genau überlegen, ob ihr das tatsächlich wagen wollt. Hier ist mindestens eine Schöpferin unter euch, verzeih, Major Uruhk. Und ich kenne kein Volk, das die Schöpfer sonderlich schätzt. Sie haben uns vor langer Zeit zurückgelassen und den Devi ausgeliefert. Wenn ihr jetzt das Rund benutzt, könnte das die Devi anlocken."
„Sie werden ohnehin kommen, nach allem, was Sie uns mitgeteilt haben", wandte Major Uruhk wieder ein. Ihr Gesicht war plötzlich sehr hart geworden, jede Spur Humor aus ihren Augen getilgt. „Uns geht es im Moment darum, etwas zu essen zu bekommen und mit anderen Bündnisse zu schließen, damit wir gemeinsam gegen die Bedrohung antreten können."
Cornyr sah sie wieder an. „Ihnen glaube ich, Major Uruhk, Sie sind ehrlich gewesen und haben uns geholfen", entgegnete er. „Aber andere werden Ihnen nicht glauben, wenn sie erfahren, was Sie sind."
„Muß ich es ihnen auf die Nase binden?"
„Viele können spüren, daß Sie eine Schöpferin sind, Major Uruhk", wandte Danea ein. „Nabuck zum Beispiel wußte sofort, wer Sie sind, noch ehe wir hergekommen waren."
Anne tauschte mit der Antikerin einen langen Blick. „Was soll das heißen?" fragte sie dann.
Danea beugte sich vor, um sie besser mustern zu können. „Es gibt, soweit wir wissen, in verschiedenen Welten Menschen, die die Schöpfer wahrnehmen können, ebenso wie die Devi sie wahrnehmen. Bei uns Erethianern ist es der alte Nabuck. Er konnte das schon immer."
Anne nickte nachdenklich, warf der Antikerin wieder einen Blick zu.
Die hatte sich nachdenklich zurückgelehnt und die Stirn gerunzelt.
„Trauen Sie es sich trotzdem zu, Major?" erkundigte die Leiterin sich.
Major Uruhk blickte auf. „Ja", sagte sie dann einfach nur. „Ich wollte sowieso, daß Danea mit in mein Team kommt. Sollte es Probleme geben, kann er vielleicht klärend und beschwichtigend auf die jeweiligen Bewohner einwirken."
Anne starrte die andere einen Moment lang groß an. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Aber ... warum eigentlich nicht? Sie wollten ohnehin mehr als nur eine reine Zweckgemeinschaft mit den Erethianern aufbauen.
„Ich soll durch das Rund der Schöpfer gehen?" rief Danea entsetzt aus.
„Sie sollen nicht. Es ist ein Angebot." Die Antikerin zwinkerte. „Macht Spaß - hoffe ich zumindest."
„Aber ..."
„Erst einmal würde ich gern wissen, was das bedeutet, die Tore wären an unterschiedlichen Stellen", fiel Major Uruhk dem jungen Erethianer ins Wort.
„Soweit wir wissen, gibt es Runde wie dieses hier auf vielen Planeten", antwortete Cornyr endlich, fixierte die Antikerin aus schmalen Augen. „Einige befinden sich wohl auf der Oberfläche, einige aber auch darunter. Und einige sind über den Planeten."
Anne atmete tief ein. „Unter der Oberfläche?" fragte sie.
„In Stollen oder auf dem Meeresgrund", antwortete jetzt wieder Danea. „Wir können nicht durch den Teich gehen. Nicht, wenn wir auf der anderen Seite nicht atmen können."
Anne warf der Antikerin einen langen Blick zu.
Die nickte sinnend, schien wenig überrascht. Aber möglicherweise war ihr diese Information auch schon bekannt, wenn auch entfallen gewesen. „Wozu haben wir die Jumper?" fragte sie nach einer kleinen Weile.
„Wir haben aber nur drei, die die Puddlejumper auch fliegen können, Major. Und zumindest Sie wollen ein eigenes Team, das ich Ihnen auch sehr gern zugestehe", wandte Anne ein.
„Dann müssen wir eben Chauffeur spielen für die anderen. Kein Problem. Durchs Tor, abladen, warten, wieder einsammeln und zurück. Allerdings dürften dann nie mehr als drei Teams draußen sein." Major Uruhk hob die Hände in einer unschuldigen Geste. „Viel wichtiger ist es, herauszufinden, was wir anbieten können. Denn bisher sehe ich herzlich wenig, womit wir tauschen können, es sei denn Technologie. Und die ... Dazu müßten wir erst einmal wissen, was genau uns erwartet da draußen. Was wir aber auch erst herausfinden, wenn wir durch das Gate gehen."
„Sie können es wieder kaum erwarten, was?" höhnte Babbis plötzlich los.
Die Antikerin warf ihm einen kurzen Blick zu. „Vorsicht, Peter. Ich soll mir ein neues Team zusammenstellen." Ein breites Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. „Vielleicht entscheide ich mich ja für einen anderen, weniger anstrengenden Wissenschaftler." Sie zwinkerte. Dann drehte sie sich wieder zu Anne um. „Haben wir keine MALPs?"
„Die MALPs waren auf der Daedalus", antwortete Walsh für die Leiterin und schüttelte bedauernd den Kopf. „Wir haben nichts, Major. Und da haben Sie verdammt recht."
Wieder ein nachdenklicher Blick aus den großen Augen.
„Major Uruhk hat recht, wir müssen durch das Tor, ob wir wollen oder nicht", wandte Anne mit sanfter Stimme ein.
„Moment!" Spitzbart hob die Hand, drehte sich zu den beiden Erethianern um. „Woher wißt ihr soviel von anderen Planeten, wenn ihr doch nie dort gewesen seid?"
„Es gibt Handel zwischen den Welten", antwortete Danea. „Oder ... es gab ihn. In den letzten Jahren wurden es immer weniger. Die Devi ... sie vermehren sich überall. Und sie brauchen mehr Nahrung."
„Ein Grund mehr, sie endlich auszutilgen!" knurrte Major Uruhk kalt.
„Darüber reden wir, denke ich, ein anderes Mal", wandte Anne sofort ein, wandte sich dann ebenfalls den Erethianern zu. „Und wie wurde dieser Handel mit diesem Planeten betrieben, wenn das Sternentor doch defekt war?"
„Früher waren wir Erethianer weiter entwickelt. Wir hatten selbst Schiffe, die das All durchfliegen konnten. Dann kehrten die Devi zurück und ... zerstörten unsere Städte und auch unsere Schiffe. Aber einige haben die ihren retten können, zumindest zu einem Teil. Einige verloren ihre Planeten und wurden Wanderer im Weltraum", berichtete Cornyr. „Aber, wie gesagt, diese Wanderer und auch die Händler werden in den letzten Jahren immer seltener. Es gibt auch Berichte von anderen Welten, in denen die Bewohner eine wesentlich höhere Technik entwickelt haben und die auch wieder durch das All fliegen. Aber davon wissen wir nichts genaues."
Major Uruhk hob wieder den Kopf, wechselte einen Blick mit Anne. Und die fühlte das erste Mal etwas anderes als Verwirrung, als sie in diese sprechenden Augen sah. Genau konnte sie das Gefühl noch nicht benennen, aber ihr ging auf, wie eng die Beziehung zu Babbis sein mußte, daß sie beide über diese Blicke kommunizieren konnten.
„Die Devi kamen zurück?" Major Uruhk drehte sich mit ihrem Stuhl wieder um und sah Cornyr groß an.
„Sagte ich dir doch, Kleines", brummte Dorn, doch die Antikerin reagierte nicht darauf.
Cornyr nickte. „Sie leben eine lange Zeit auf den Planeten, die sie sich zur Heimat gesucht haben. Dann aber, eines Tages, wird das Volk immer größer. Eine neue Königin wächst heran. Wenn diese bereit ist, übernimmt sie einen Teil des Volkes und zieht mit ihnen zu einem anderen Planeten", erklärte er. „Aber, in unseren Legenden heißt es, es gäbe auch ein anderes Verhalten. Wenn nämlich zuviele Königinnen geboren und die Völker zu groß werden, ziehen sie in Schwärmen aus auf der Suche nach neuen Heimatwelten. Das passiert aber nur alle paar tausend Jahre. Die Menschen in der verlassenen Region können sich erholen und vergessen die Bedrohung, bis die Devi eines Tages zurückkehren und gute Auftriebe haben."
Die Antikerin holte scharf Atem, wechselte mit Babbis einen Blick. Der junge Wissenschaftler war blaß geworden bei dem Bericht des alten Erethianers. Jetzt schluckte er sichtlich.
„Sie schwärmen?" fragte Anne beunruhigt.
Major Uruhk drehte sich zu ihr herum. „Dr. Babbis und ich meinten bei der Durchsuchung der Ruinen, daß wir die dritte Komponente möglicherweise gefunden haben, die nötig war, um die Devi zu schaffen. In den Berichten auf Antarktica dagegen war nichts davon zu lesen."
„Dritte Komponente?" Spitzbart beugte sich vor. „Major, ich weiß, daß mit Ihnen irgendetwas nicht stimmt und daß das mit den Devi zusammenhängt. Aber ... was meinen Sie?"
„Sie trägt Fremdzellen in sich", murmelte Babbis. „Sie ist zu einem Drittel Wraith, zu einem anderen irgendein Käfer. Nur das letzte gehört noch den Lantianern."
Anne beobachtete die Antikerin, die bei diesen Worten sichtlich zusammenzuckte, aufmerksam. Jetzt war das Geheimnis heraus, das sie hütete, seit sie auf der Prometheus aufgetaucht war.
Spitzbart starrte sie an.
„Was ist ein Wraith?" fragte Danea verwirrt.
Major Uruhk sank auf ihren Stuhl zurück und atmete einige Male tief ein. „Ein Wraith ist ein Wesen, das sich von der Lebenskraft anderer ernährt", antwortete sie. „Sie waren die Feinde meines Volkes, deretwegen die Devi ... geschaffen wurden." Sie schloß die Augen und senkte den Kopf.
Dorn drehte sich zu ihr herum und legte ihr eine Hand auf den Arm.
Ein bitteres Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Die Forschung, durch die ich zu dem wurde, was ich heute bin", fuhr sie fort, „wurde hierher weitergeleitet und verwendet. Aber es braucht drei aufeinander abgestimmte Komponenten, die gemeinsam das neue Wesen bilden. Die Devi sind, zumindest zu einem Drittel, menschlich, vielleicht von meinem Volk, ich weiß es nicht. Die anderen beiden Teile wurden von Insekten oder etwas insektenähnlichem genommen." Die großen Augen öffneten sich wieder, starrten aber ins Leere. „Der Vermutung von Dr. Babbis und mir nach müßte es sich bei der vermißten zweiten Komponente um etwas termitenartiges handeln. Der dritte Teil von ihnen kommt von spinnenähnlichen Wesen, die früher hier heimisch waren, es vielleicht auch immer noch sind."
Spitzbart starrte zu Anne hinüber, pures Entsetzen im Gesicht. Die Leiterin nickte nur stumm. Der Wissenschaftler atmete hektisch ein und ließ sich ächzend zurück auf seinen Stuhl sinken.
Major Uruhks Gesicht war hart, als sie wieder aufblickte, Anne unverwandt anstarrte. „Pendergast weiß davon noch immer nichts. Und ich möchte, daß das so bleibt", sagte sie, richtete sich unvermittelt wieder auf. „Und darum geht es jetzt nicht. Wir müssen irgendwoher Nahrung beschaffen, ebenfalls Saatgut und was wir sonst noch benötigen. Wir brauchen Kontakt zu anderen Völkern. Und wir wissen nicht, wie wir anders Kontakt herstellen sollen als über das Stargate. Wir können uns nicht darauf verlassen, daß ein Planet der näheren Umgebung bewohnt ist und wir dort alles finden, was wir brauchen."
Anne nickte.
Schweigen breitete sich über den Raum.

TBC ...

2 Kommentare:

  1. *vorsichtig hereinschleich*
    mich gibts auch noch *wink*
    Du glaubst gar nicht, wie lange ich mir schon vorgenommen habe, "so, jetzt ließt du da weiter" und plötzlich, war der Tag dann irgendwie doch schon wieder rum und ich bin da wieder nicht zu gekommen.
    Aber nun habe ich es ja geschafft, und es hat mir mal wieder gefallen!
    Dann geht es bald also auf die erste Reise durchs Sternentor *freu*
    Und Vashtu wird fleißig in die Leitung der Stadt mit eingebunden, ohne das sie es wirklich merkt *g*
    Nahrung auf dem Mond aufbauen klingt auch interessant...ist der Boden denn dafür geeignet, haben die das schon mal getestet? ^^
    Aber gut, ersteinmal brauchen die ja sowieso Saatgut und das werden die Hoffentlich auf ihrer Reise finden. Ob Danea wohl tatsächlich mitkommen wird?
    Und es gibt also Leute, die die Antiker spüren können? Kann man sich das so ähnlich vorstellen wie bei Teyla, die ja die Wraith spüren kann?
    Ich bin gespannt, was die auf ihrer reise auf einen anderen Planeten so vorfinden werden. Und Pandergast wird wieder an der Nase herumgeführt *g*
    LG Sabrina

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  2. Hey du! Na, so schlimm ist das nicht. Siehst ja selbst, daß ich irgendwie auch nicht weitermache. Liegt nicht (nur) an dir, hatte irgendwie keine Lust, keine Zeit, bin anderweitig beschäftigt, war lange krank ... blablabla. Die üblichen Ausreden also ;). Mit anderen Worten, mir gings nicht anders als dir, wollte weiterposten, habs dann aber doch nicht getan. Naja, du hast mir zumindest einen Grund gegeben, mal wieder reinzugucken und zu entstauben - und den nächsten Part reinzusetzen.
    Freut mich, daß es dir immer noch gefällt. Ob der Mond geeignet ist, wird sich im Laufe der nächsten Story herausstellen. Und was das Saatgut angeht, bzw. überhaupt Handelspartner zu bekommen ... laß dich überraschen.*und setzt dann doch das nächste Kapitel endlich rein*.
    Dank dir jedenfalls für dein Review! Ich gelobe Besserung. (Ob ich dieses Gelöbnis halte ist eine andere Sache ... *Scherz*)

    Bis denne
    Ramona

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