01.04.2012
Klimawandel II
Vashtu sortierte noch die Unterlagen über die möglichen Expeditionen der nächsten Woche, als die Tür sich öffnete und der junge Lieutenant David Markham das große Büro betrat. Wie immer staunend sah er sich um, ehe er sich ihr zuwandte.
„Mam?"
„Setzen Sie sich." Die Antikerin hatte kaum zugehört, legte gerade die letzten Anfragen auf einen der beiden Stapel und lehnte sich seufzend zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Ausgiebig streckte sie sich, blinzelte dem Lieutenant dann zu. „Sie wollen selbst auch einmal wieder raus?" Ein spitzbübisches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
Markham ließ sich jetzt doch nieder und nickte. „Dr. Jameson würde sich gern die Flora auf P1V-129 ansehen, inwieweit sie sich in den letzten zehntausend Jahren entwickelt hat. Ich hielt das für eine gute Idee, mal wieder rauszukommen, Mam."
Vashtu nickte, richtete sich auf und betrachtete stirnrunzelnd die beiden Stapel vor sich. „Ist genehmigt. Aber über den Zeitpunkt müssen wir uns noch ein bißchen unterhalten", sagte sie. „Es steht auch noch immer die Abschlußbesprechung Ihrer Expedition aus. Dr. Stross trat an mich heran mit der dringenden Bitte, sie so schnell wie möglich einberufen zu können."
„Schon klar." Markham beugte sich vor. „Danea meinte, wir sollten vielleicht jetzt schon anfangen damit, Felder anzulegen, ehe der Winter kommt. Der Frost könnte uns helfen."
Vashtu nickte.
„Verzeihen Sie die Frage, aber ist das hier jetzt Ihr Büro?" erkundigte Markham sich überraschend.
Die Antikerin schmunzelte und sah sich in dem großen Raum um. „Bis jetzt hat mich hier noch keiner herausgejagt und Dorn gefällt sein kleines unter diesem besser", gestand sie ihm mit einem verschwörerischen Blinzeln zu wissen. „Allerdings denke ich, sobald der Rest endlich unten ist, werden die Karten wohl neu gemischt werden."
Das allerdings machte ihr Sorgen. Sie hielten inzwischen zwar einen regelmäßigen Funkkontakt zu denen, die sich Vineta noch anschließen wollten oder gar von vorn herein zur Expedition gehört aber nicht von Bord der Prometheus gelassen worden waren. Offensichtlich ging es ihnen gut, und dank ihren Erfahrungen ... wußten sie zumindest, worauf sie achten mußten. Dennoch konnte das Blatt sich immer noch wenden. Vor allem, da Vashtu einen alten Satelliten ihres Volkes wieder in Gang gebracht und auf die Prometheus ausgerichtet hatte. Pendergast arbeitete mit allen Mitteln daran, die Umlaufbahn so schnell wie möglich zu verlassen. Vielleicht war es ihm selbst endlich in den Sinn gekommen, daß er sich mit seiner Methode, sie endlich in den Griff zu kriegen, einen Feind geschaffen hatte. Zumindest hoffte sie, die Leute dort oben irgendwie herauszuholen, ehe Pendergast starten konnte.
Die Tür zum Büro öffnete sich wieder und ein sehr abgehetzter Peter Babbis trat ein.
Vashtu warf ihm einen amüsierten Blick zu. „Wieder da?" erkundigte sie sich überflüssigerweise.
Peter warf ihr einen bösen Blick zu, ließ sich dann auf der gegenüberliegenden Seite zu Markham nieder, wischte sich mit einer entschiedenen Geste das Haar aus dem Gesicht.
„Gut, dann können wir ..." Vashtu zog den kleineren Stapel mit Anfragen an sich heran. „Der Serge ist im Moment noch in der Krankenstation. Ich weiß nicht, ob Sie beide informiert sind, daß ich solange den militärischen Sektor leite." Sie blickte hoch, in zwei erwartungsvolle Gesichter, nun ja, Peters weniger erwartungsvoll als vielmehr neidisch. Aber zumindest schien das keine große Neuigkeit für beide zu sein, immerhin.
„Okay, es geht um verschiedene Anfragen der SG-Teams und auch der Wissenschaftler", fuhr sie fort. „Wir drei sind die einzigen Piloten, die zur Zeit in der Lage sind, die Puddlejumper zu fliegen. Auch das ist bekannt."
Markham nickte stumm, hob die Brauen, um einen langen Blick auf den Stapel zu werfen, den sie direkt vor sich hatte.
Vashtu schmunzelte, wandte sich dann an ihr Teammitglied: „Peter, das soll keine Schmälerung Ihrer Leistungen sein, aber ich möchte, daß Sie im Moment noch die Flüge über den Planeten übernehmen. Da gibt es einige Anfragen. Und Sie sind schon etwas vertrauter damit."
Der junge Wissenschaftler blinzelte überrascht. „Ich komme doch gerade ..." Er unterbrach sich, zuckte dann mit den Schultern. „Wird mir wohl mehr Zeit für meine Forschungen bleiben."
„Genau." Vashtu schob ihm den Stapel zu. „Und außerdem werde ich vielleicht ein bißchen Zeit finden, Ihnen die Kontrollen endlich einmal richtig zu erklären. Solange wir uns innerhalb des Schildes bewegen, besteht keine Gefahr für mich." Befriedigt sah sie, wie seine Augen sich weiteten angesichts des Packens Papier, den sie ihm gerade gegeben hatte. „Und ich würde nachher noch gern mit Ihnen über etwas reden, Peter", sagte sie abschließend.
Sie wußte selbst, den Berg Arbeit, den sie ihm gerade überlassen hatte, sah gewaltiger aus, als er in Wirklichkeit war. Im Endeffekt ging es um irgendwelche kurzen Flüge, die kaum mehr als ein oder zwei Stunden in Anspruch nehmen würden, zudem hatte sie sie bereits über die Tage verteilt, so daß ihm noch genug Zeit bleiben würde, um zu tun, was auch immer ihm wieder im Kopf herumspukte.
„Das ist eine Menge." Peter blickte unschlüssig auf.
„Meist Kurzflüge. Sie werden sich schon nicht überanstrengen", entgegnete sie, wandte sich dann Markham zu. „Was Ihr Gesuch angeht, wie gesagt, es ist genehmigt", sagte sie. „Allerdings steht bis jetzt immer noch die Suche nach Nahrung und Saatgut ganz oben auf unserer Liste. Wenn Sie nichts dagegen haben und Dr. Jameson sich so lange bezähmen kann, würde ich Sie bitten, das ganze an einem ruhigen Tag durchzuführen und sich auf die Umgebung des Tores zu beschränken. Einen Piloten muß ich Ihnen ja glücklicherweise nicht mitgeben."
Markham nickte verstehend. „Wann paßt es am besten?"
„In fünf Tagen. Reicht Ihnen das? Ich wollte die Torreisen an diesem Tag ohnehin drosseln, da Dr. Stross mit einer dringenden Bitte an mich herangetreten ist."
Markham schürzte nachdenklich die Lippen und lehnte sich zurück. Dann nickte er. „Geht klar. Und wieviele Einsätze haben wir bis dahin?" Er warf dem zweiten Stapel einen langen Blick zu.
Vashtu zog die Papiere jetzt zu sich heran. „Wenn wir es gut koordinieren, jeder drei pro Tag. Geht das klar für Sie?"
„Wann ziehen wir denn wieder los, Vashtu?" warf Peter in diesem Moment ein.
Die Antikerin schob unwillig die Brauen zusammen.
Es juckte sie, wieder selbst ein Team zu leiten, zumal Anne Stross ihr auch eines zugestanden hatte. Allerdings waren sie beide sich nicht so ganz einig, was die Größe dieses Teams anbelangte. Darum verzichtete sie im Moment bewußt auf eigene Torreisen. Zudem wollte sie die Zeit nutzen, die ihr möglicherweise blieb, um noch ein bißchen am DHD zu basteln und es vielleicht für das achte Shevron zugänglich zu machen. Dann könnte sie ganz schnell von hier verschwinden und mit Verstärkung aus Atlantis zurückkommen.
Sie stellte sich das Gesicht von McKay vor, wenn sie plötzlich aus dem Gate trat. Nach so langer Zeit rechnete, außer John, wahrscheinlich niemand mehr mit ihrem Auftauchen. Vielleicht waren sie auf der Erde sogar schon längst für vermißt oder tot erklärt worden.
Nun ja, in zumindest einem Fall stimmte das ja auch.
Vashtu riß sich aus ihren Gedanken. „Wenn Sie Zeit erübrigen können, Peter, könnten Sie mir vielleicht am DHD helfen", wechselte sie das Thema. „Außerdem steht da noch immer die Fehlfunktion der Sekundärwaffe im Raum ..." Sie warf ihm einen bezeichnenden Blick zu.
Peter kreuzte die Arme vor der Brust und begann, vor sich hinzubrüten.
Markham betrachtete dieses Zusammenspiel zwischen ihnen mit einem breiten Grinsen, dann wurde er wieder ernst. „Drei Flüge pro Tag sind eine Menge. Sind Sie sicher, daß Sie tatsächlich diesen einen Tag Ruhe einschieben wollen?"
Vashtu nickte, griff jetzt in den Stapel vor sich und verteilte die ersten, bereits geordneten Anfragen vor sich. „Es wird eine Sache der Koordination, wie gesagt. Aber es müßte machbar sein. Vielleicht müssen wir das eine oder andere Team nur aussetzen, andere ... Williams will noch einmal nach P1V-121, um das Saatgut zu holen. Das dürfte nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen." Sie schob ihm das Blatt zu.
Markham überflog es, nickte dann und legte es zur Seite.
Vashtu nahm ein neues Papier.
Verdammt, es juckte sie sogar ganz gewaltig, endlich wieder das Tor zu betreten. Andererseits aber war sie im Moment für die Sicherheit der Stadt zuständig, und hier lag einiges im Argen, was sie beheben wollte. Außerdem ...
Vashtu hob den Kopf und fixierte Peter von der Seite, bis dieser nervös aufblickte.
Er starrte sie an, dann schüttelte er entschieden den Kopf. „Sie wissen doch genau, wie es bis jetzt immer hieß. Sie selbst haben es doch ..."
„Es geht darum, mehr Piloten zu bekommen", entgegnete sie bestimmt.
„Ohne mich!"
„Ich brauche aber Ihr Blut, um einen neuen Fehler vermeiden zu können."
„Warum sollte ich?"
„Wollen Sie forschen?"
„Das hat damit nichts zu tun!"
„Wer ist gegen das Tor geknallt, Sie oder ich?"
„Ich war übermüdet!"
„Das könnte zu einem Dauerzustand werden, ist Ihnen das klar?"
„Wie lange hat Beckett dafür gebraucht? Mehrere Jahre, wenn ich das richtig verstanden habe."
„Aber wir haben Sie, zudem mit der richtigen Frequenz."
„Ich bin kein Freak!"
„Bin ich einer?"
Markham sah sie beide scheel an. „Was ... ist ... los?" fragte er leise.
Vashtu löste den Blickkontakt zu dem jungen Wissenschaftler, drehte sich wieder zu ihm um. „Es geht um die Gefahr, wenn wieder jemand von uns ausfallen sollte", antwortete sie. „In unserer Dimension besteht die Möglichkeit, sich das ATA-Gen auf künstliche Weise zu beschaffen. Peter ist ein solcher Träger." Sie nickte zu Babbis hinüber, aus dessen Gesicht alles Blut wich.
Markham starrte sie groß an. „Sie meinen ... ?"
„Ich meine, wir sollten jede Chance nutzen. Wir alle wollen durch das Tor, und ich will auch noch die Stadt vor den Devi schützen. Das wird mir aber schwerlich gelingen, wenn wir nur drei ATA-Träger haben."
Markham warf Peter einen weiteren, diesmal deutlich entsetzten Blick zu. „Aber ..."
„Im Moment geht es nur um die Idee, Lieutenant. Was halten Sie persönlich davon?" Vashtu beugte sich vor und starrte ihn durchdringend an. „Sie und ich sind natürliche Träger des Gens, Peter, bei aller Begabung, die er bisher für die Geräte meines Volkes gezeigt hat, ist es nicht. Wenn ich Dr. Becketts Therapie verwende und dessen Fehler vermeide, würden wir alle entlastet werden. Nicht nur mit den Flügen, sondern auch mit der Aktivierung der verschiedenen Gerätschaften."
„Aber Sie wissen doch auch, daß die meisten Völker uns ohnehin schon ... nicht sonderlich positiv eingestellt sind."
„Dann sollten wir an unserem Auftritt ihnen gegenüber feilen."
Markham lehnte sich nervös zurück, starrte auf das einsame Blatt Papier vor sich. „Ich kann das nicht entscheiden", sagte er schließlich.
„Aber Sie könnten Ihre Meinung sagen, wenn ich zu Dr. Stross gehe", wandte Vashtu ein.
Die Idee gefiel ihr, zugegeben, immer besser. Sie könnte vielleicht sogar versuchen, Carsons Fehlerrate zu beheben und von diesen verdammten fünfzig Prozent Mißerfolg fortzukommen. Zudem hatte sie mit Peter das perfekte Versuchskaninchen zu Hand, sollte erneut irgendetwas mit den Frequenzen nicht stimmen. Sie würde wieder in ihrem eigentlichen Beruf arbeiten, was definitiv auch noch ein Vorteil war.
„Was sagen Sie?" Erwartungsvoll sah sie Markham an.
Der junge Lieutenant erwiderte ihren Blick nervös. „Und was, wenn ... wenn etwas wie bei Ihnen geschieht, Mam?" fragte er schließlich.
Vashtu blinzelte, dann schoben sich ihre Brauen wieder zusammen. „Wir reden hier davon, ein Hilfsmittel zu erstellen, zudem eines, was nicht auf anderen Spezies beruht, sondern auf der Zellebene des Menschen."
„Das ist nicht richtig. Beckett nahm Mäuse", korrigierte Peter, duckte sich, als sie ihm einen mörderischen Blick zuwarf.
„Ich weiß nicht, wer dieser Beckett ist, von dem Sie immer sprechen", fuhr Markham fort. „Ich kenne niemandem dieses Namens. Ich kann mir nicht vorstellen, was ..." Er verstummte und kniff die Lippen aufeinander.
„Dr. Carson Beckett wäre auch in Ihrer Dimension beinahe mit nach Atlantis gegangen, fragen Sie Dr. Stross", wandte Vashtu ein. „Seine Forschungen waren ihm bei Ihnen allerdings wichtiger als die Möglichkeit, etwas neues zu erleben. Wenn er aber zugesagt hätte, hätte er den Posten von Dr. Grodin."
Markham starrte sie an. „Vom Doc?" Er schien jetzt wirklich zu überlegen.
Vashtu lehnte sich zurück und kreuzte die Arme vor der Brust.
Diese Idee war einfach nur genial! Warum war sie ihr nicht schon eher gekommen? Sie hätte schon längst mit den Forschungen beginnen können. Und wenn sie die Fehlerquote tatsächlich senken könnte ...
Ein schmales Lächeln begann ihren rechten Mundwinkel zu umspielen, als sie daran dachte, daß sie sowieso noch mit Stross über einen möglichen Wechsel im Auftritt der Außenteams reden wollte. Wenn sie Teams hatte, in denen mehr als einer das Gen trug, dann würden die anderen Völker vielleicht wirklich unter Druck geraten. Das passende Auftreten und sie würden sicher Verhandlungspartner finden, davon war sie überzeugt.
„Ich ..." Markham schloß den Mund wieder, sah erneut zu Peter. Dann zuckte er mit den Schultern. „Es wäre eine Möglichkeit, selbst mehr Zeit mit anderen Dingen verbringen zu können", gab er dann zu. „Ich verstehe nichts von Genetik und diesem ganzen Kram, Mam, aber wenn Sie meinen, es würde nicht gefährlich sein, uns sogar helfen ... Warum nicht?"
Vashtu lächelte, sehr zufrieden mit sich selbst, und setzte sich wieder auf. „Gut, dann sollten wir jetzt noch die restlichen Flüge unter uns aufteilen."
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Hallo :)
AntwortenLöschenHat dieses Mal ein wenig gedauert, bis ich Zeit zum lesen hatte, aber habe jetzt gleich beide Kapitel in einem Rutsch gelesen.
Die Interaktion von Peter und der AI des Jumpers fand ich wirklich gut :D Da muss der Gute wohl mal anfangen Antikisch zu lernen, damit er auch versteht, was die AI ihm sagnen will, wenn sie so hilfsbereit auf seine fragenden Gedanken reagiert *g*
Und die Gen Therapie ... interessant! Vashtu überlegt also nach Beckett ebenfalls ein künstliches Gen zuentwickeln und das sogar zu verbessern.
Wäre gar nicht mal so blöd, wo die doch so wenig Gen-Träger haben. Mal sehen was Anne dazu sagen wird.
Was war das eigentlich noch einmal genau mit diesem Fehler in Carsons Therapie? Hatte Vashtu nicht irgendwie die Gedanken von den künstlichen Gen-Trägern gehört oder so??
LG Sabrina (fortan nicht mehr anonym ^^)
Macht nix. Wenn du keine Zeit hast, hast du keine Zeit, Punkt. Kann mir ja auch so gehen - und letzte Woche war arbeitstechnisch ... *augenroll*!
AntwortenLöschenHihi, ja, Babbis und die vinetischen Puddlejumper ... überhaupt die Jumper dort sind meine kleinen Lieblinge. Weiß nicht obs die noch gibt, aber es gab mal eine Fanfic über die atlantischen Jumper und wie die "fühlten" und "dachten" während ihrer Einsätze, das war einfach süß zu lesen - und irgendwie die Inspiration für die in Vineta.
Ja, Vashtu will die Gentherapie von Carson wieder ausgraben und ja, sie hatte Probleme damit und konnte Babbis' Gedanken lesen. Aaaber sie hat ja damals das Problem auch gelöst. Und, nicht zu vergessen, Vash ist ja von Hause aus Genetikerin.
Freut mich, daß du jetzt bei LJ bist :). Mal ein Grund, ein bißchen deutsch zu schreiben ;)
Bis denne
Ramona