29.04.2012
Klimawandel VI
Es war später Abend geworden, als Anne endlich aus ihrem Büro herauskam. Im Kontrollraum tat ein Techniker Dienst, aber eher, um eine mögliche Einwahl von außen zu kontrollieren als irgendetwas anderes zu tun. Etwas überrascht war sie allerdings, als sie auch einen sich träge bewegenden Schatten im Gateroom selbst ausmachen konnte. Ein Marine schien offensichtlich neuerdings auch zur Nachtschicht zu gehören - zumindest seit die Antikerin die Leitung von Dorn übernommen hatte. Ein überraschender, aber auch beruhigender Zug an ihr.
Anne nickte dem Techniker zu und wollte den Kontrollraum gerade verlassen, als sie auf einen weiteren Schatten aufmerksam wurde, der sich draußen auf dem Balkon befand. Die Wissenschaftlerin stockte mitten im Schritt und beobachtete die inzwischen recht vertraut wirkenden Bewegungen. Es war Vashtu Uruhk. Aber was tat sie da draußen?
Kurzentschlossen trat Anne an die Tür und dann auf den Balkon nach draußen.
Das leichte, bläuliche Schimmern des Schildes, der sich über Nacht zurückzudimmen schien, wirkte beruhigend und hatte irgendetwas von einem Nachthimmel auf der Erde, wenn sie auch nicht sagen konnte was.
Leise trat Anne um die Kurve, blieb dann stehen.
Die Antikerin blickte zur Höhlendecke hinauf, wie sie es schon des öfteren getan hatte. Das sanfte Glühen des Schildes zeichnete die Konturen ihres Gesichtes nach und ließ das Weiß ihrer Augen sanft leuchten. Sie schien voll konzentriert auf etwas zu lauschen, schüttelte dann plötzlich den Kopf.
„Schön, wenn McKay denkt, er hätte vielleicht die Adresse gefunden. Er soll trotzdem seine Finger davon lassen", wisperte sie in die Luft als spräche sie mit sich selbst. Und - Anne sah sich um, entdeckte aber außer sich niemanden - war sie das nicht auch?
„John, ihr bleibt, wo ihr seid, hast du verstanden? Ich komme hier auch allein klar. Es wird gehen", wisperte die Antikerin eindringlich.
Anne hatte plötzlich das Gefühl, als sei sie eine ungeliebte Zeugin bei einem sehr privaten Gespräch, selbst wenn es für sie eher ein Monolog war.
Was war mit der Antikerin los? Waren das noch Nachwirkungen der Drogen? Oder hatte sie den Verstand verloren?
Anne wußte nicht so recht, was sie jetzt tun sollte, blieb einfach stehen und beobachtete und lauschte, während sie immer deutlicher fühlte, daß sie hier Zeuge von etwas wurde, das es sonst nicht mehr gab.
„Ich weiß, ich vermisse dich auch", flüsterte Vashtu leise mit bebender Stimme. „Aber ... Nein, es kann nicht die Adresse sein. Ich bin in einer anderen Galaxis, John, schon vergessen? Es müssen acht Symbole sein, nicht sieben. Weiß sonstwer, wo Rodney diesen Einfall her hat." Sie schien zu lauschen, richtete sich dann langsam auf. „Ja, das ist mir klar geworden, als ich nachrechnete. Aber ich hoffe, ich kann das Problem irgendwann lösen ... Nein, es sollte besser noch niemand wissen, John ... Es ist ziemlich viel hier passiert, ich erzähle es dir irgendwann, aber dazu sollten wir das jetzt nicht nutzen, es ... Hör mir zu, Colonel! Hör mir einmal zu! ... Ja, das weiß ich, aber daran werden wir nichts ändern können ... Was heißt, die Apollo ist in Atlantis? ... Ellis hat ... ? ... Ja, ich erinnere mich. Schön, daß er es auch tut. Ich ... John? John?" Unvermittelt schloß Vashtu den Mund, ihre Schultern sanken mutlos herab. Noch immer starrte sie zu einem bestimmten Punkt an der Höhlendecke hinauf, dann aber ließ sie den Kopf sinken, ihre Schultern hoben sich wieder, aber höher als normal.
Anne biß sich auf die Lippen.
Was sie da gerade belauscht hatte, hatte etwas von einem sehr privaten Telefongespräch gehabt. Aber irgendwie ... Wo sollte denn hier ein Telefon sein? Und welcher John? Wer war Ellis? Und hatte die Antikerin nicht auch den Namen McKay erwähnt?
„Vashtu?" fragte sie leise, allen Mut zusammennehmend, den sie irgendwie aufbringen konnte.
Die zuckte sichtlich zusammen, ihre Schultern schienen sich noch etwas zu heben, sanken dann langsam wieder herab. „Anne", sagte sie. Ihre Stimme klang belegt.
„Ich ... Es sollte nicht ... Es tut mir leid." Anne trat zögernd näher.
Vashtu drehte sich unvermittelt zu ihr um und sah sie an. Ihr Gesicht lag nun im Schatten des Gebäudes, doch das Weiß ihrer Augen glitzerte immer noch im wenigen Licht, das von drinnen zu ihnen hinaus schimmerte.
„Sie haben es gehört", stellte die Antikerin fest. Keine Frage, nein, sie stellte es wirklich fest.
„Ich dachte, Sie hätten hier irgendetwas ..." Anne schloß den Mund, lehnte sich jetzt ihrerseits gegen das Geländer und blickte auf die Stadt hinunter.
„Wir sind in meiner Dimension. Ich weiß es schon länger", sagte Vashtu an ihrer Seite, nahm jetzt auch wieder ihre vormalige Position ein.
Anne nickte. „Das dachte ich mir bereits. Sie schienen eigentlich immer recht sicher zu sein, was das angeht."
Vashtu atmete tief ein. „Was Sie da gerade gehört haben ist ... Es besteht ein Band zwischen mir und jemanden in Atlantis. Eine Art geistiges Band. Eigentlich müßte ich nicht sprechen, wenn ich in ... Kontakt mit ihm trete, aber es fällt mir dann leichter, mich zu konzentrieren."
„Lt. Colonel Sheppard, ich weiß. Wir redeten einmal darüber." Ein entschuldigendes Lächeln erschien auf Annes Lippen als sie jetzt aufsah.
Vashtu nickte ernst. „Es geht nicht oft, aber ab und an. Dann scheinen wir Pegasus näher zu sein als sonst. Dann können wir ... kommunizieren, wenn auch nie für lange", fuhr sie fort.
„Er sucht nach Ihnen. Das ist ein sehr großer Liebesbeweis."
Vashtu stützte die Unterarme auf das Geländer und faltete die Hände. „Wir sind auf der Erde für tot erklärt worden", sagte sie nach einer kleinen Weile. „Er ... John war mein Erbe. Ich habe ja keine Angehörigen mehr. Also erhielt er einen Brief vom Ministerium. Ich habe sogar einen Orden bekommen." Bei dem letzten Satz klang ihre Stimme sarkastisch.
„Sie haben die Milchstraße gerettet, so wie Sergeant Dorn das erzählte. Sie haben ein Supergate zerstört", entgegnete Anne.
Vashtu nickte nachdenklich, hob den Kopf wieder Richtung Höhlendecke. „Was Peter da angestellt hat ..."
„Lassen Sie es gut sein, Vashtu. Die Sache ist geklärt. Ich hoffe nur, Sie halten nicht noch mehr zurück, was letztendlich gefährlich für uns werden würde", fiel Anne ihr ins Wort.
Die Antikerin an ihrer Seite seufzte schwer. „Nicht wirklich", sagte sie nach einer Weile.
Anne nickte nachdenklich. „Dieses Band ... kann es uns vielleicht etwas nutzen? Können wir irgendwie unseren Standort auf diese Weise ermitteln?"
Vashtu schüttelte den Kopf. „Nein, nichts", antwortete sie. „Es ist eher ... es sind Gefühle und Gedanken, die nicht von mir kommen. Manchmal ist es so stark, daß ... Manchmal ist es, als würde John neben mir stehen in diesen Nächten. Deshalb möchte ich dann lieber allein sein."
Anne kniff kurz die Lippen aufeinander, richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Stadt unter ihnen beiden. „Würden Sie zurück wollen?" fragte sie nach einer Weile. „Sie haben einen Partner, sind verliebt. Sie arbeiten für das SGC, haben sicher einige Freunde im Cheyenne-Mountain."
„Ich weiß es nicht", antwortete Vashtu zögernd und schüttelte den Kopf. „Zu John würde ich sicher wollen, wenn ich könnte. Aber ... Wir beide sind uns zu ähnlich, wir sind zu starke Persönlichkeiten. Lange würden wir es wahrscheinlich nicht miteinander aushalten. Und was das SGC angeht ... Cheyenne-Mountain gab es schon, ehe ich in Atlantis aufwachte. Ich denke, man kommt dort auch ganz gut ohne mich zurecht. Zur Erde allerdings ... Ja, zumindest für ein paar Tage um ... einige Dinge zu erledigen. Unangenehme Dinge."
„Ihr viertes Mitglied." Anne hob den Kopf wieder und blickte sie von der Seite an. Sie sah, wie die Antikerin die Lippen aufeinanderkniff, dann aber nickte.
„Wallace hatte eine Familie, eine gute Familie, wenn Sie mich fragen", antwortete sie. „Sie hätten eine Erklärung verdient." Jetzt drehte auch sie den Kopf. „Und Sie? Würden Sie 'meine' Erde besuchen wollen? Dort ein neues Leben aufbauen?"
Anne lächelte. „Vielleicht, ich weiß es nicht. Ich weiß ja nicht einmal, ob es dort eine Anne Stross gibt oder gegeben hat", antwortete sie. „Wir stehen hier am Anfang, und diese Stadt ist faszinierend und beängstigend zugleich. Wenn ich den Räten vorsprechen könnte ..."
„Den Räten?" Vashtu sah sie wieder an, fragend dieses Mal. „Meinen Sie das IOA?"
„Diese Internationale Gemeinschaft, von der Sie gesprochen haben?" Anne schüttelte den Kopf. „Das ist in meiner Dimension anders. Ich denke, es würde eine ziemliche Umgewöhnung sein. Und ich weiß nicht, ob ich Vineta aufgeben möchte."
Vashtu nickte nachdenklich, ließ jetzt ihren Blick ebenfalls über die Stadt wandern. „Ich kann verstehen, was Sie sagen wollen", sagte sie nach einer kleinen Weile.
„Sie wollten doch erst gar nicht hierher." Anne lächelte, richtete sich wieder auf und drehte sich zum Zentralturm um. Sie steckte die Hände in ihre Hosentaschen. Dann gab sie einen überraschten Laut von sich, bis ihr etwas einfiel und sie den kleinen Gegenstand aus der Tasche zog.
„Was ist?" Die Antikerin hatte sich sofort aufgerichtet bei ihrem Ausruf.
Anne lächelte und hielt hoch, was Markham ihr von einem seiner Flüge mitgebracht hatte. „Die hat der Lieutenant gefunden", sagte sie und hielt das kleine Schmuckstück Vashtu hin.
Die schien kurz zu stutzen, sich dann zu konzentrieren. Ein feiner, indirekter Lichtstrahl begann sie beide zu umfloren, umspielte schließlich den ganzen Balkon.
Anne war verblüfft. „Das ist wie in ..."
„Atlantis?" beendete die Antikerin den Satz, grinste und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Schmuck. „Eine Brosche. Hat wohl jemand verloren, oder?"
„Keine Ahnung. Auf P1V-125 hat Sullivans Team nur Tote gefunden. Die Devi scheinen kurz vor uns da gewesen zu sein", antwortete Anne mit einer leisen Trauer in der Stimme.
„Wir kommen ihnen näher." Vashtu griff nach dem Schmuck und betrachtete ihn sorgsam, während sie ihn in ihren Händen drehte. „Ein schönes Schmuckstück. Markham hält viel von Ihnen." Sie gab die Brosche zurück.
Anne lächelte bitter. „Jetzt, wo Elizabeth tot ist ..." Sie schloß den Mund.
Vashtu nickte mitfühlend. „Ich verstehe. Markham war wohl auch in Atlantis ziemlich einsam."
Anne nickte und fühlte noch immer diesen Kloß in ihrem Hals. Mühsam schluckte sie ihn herunter, steckte die Brosche wieder ein und blickte auf. „Jede von uns scheint ihr Päckchen zu tragen haben, oder?"
Die Antikerin nickte mit niedergeschlagenen Lidern. „Aber irgendwie schaffen wir das schon", fügte sie hinzu.
Anne lehnte sich wieder mit dem Rücken gegen das Geländer und musterte das Metall des Turms, das matt im indirekten Licht schimmerte. „Mir ist bei der Auflistung der Außenwelteinsätze aufgefallen, daß Sie zwar fliegen, aber nicht selbst hinaus gehen mit Ihrem Team."
Vashtu seufzte. „Danea fragte mich heute das gleiche. Und Ihnen gebe ich die gleiche Antwort. Ich habe noch keinen vierten Mann."
„Dann gehen Sie zu Dritt. Das letzte Mal hat es ja auch geklappt. Nur sollten Sie sich nicht darauf versteifen, Vashtu", entgegnete Anne. „Wenn Sie hinaus wollen, dann gehen Sie. Aber wenn ein vierter Mann auftaucht, dann sollten Sie ihm auch eine Chance geben."
Ein überraschter Blick traf sie, dann begann Vashtu zu lächeln. „Danke."
Anne nickte nur stumm.
TBC ...
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Schöööööööön :) *_*
AntwortenLöschenAuch wenn man immer nur die Antwort von Vashtu hören bzw. eher lesen konnte, war es doch schön, mal wieder etwas in Richtung Atlantis zu hören.
McKay sucht dort also Fieberhaft nach der richtigen Adresse die einen nach Vineta bringt. Bisher aber scheinbar Erfolglos. Das muss wirklich merkwürdig für John sein. Auf der einen Seite ist es ihm hin und wieder möglich mit Vashtu zu kommunizieren, aber auf der anderen Seite ist sie für tot erklärt worden. Aber gut, dass er immerhin weiß, dass dem nicht so ist und sie irgendwo da draußen ist.
Schade, dass das Gespräch so plötzlich abgebrochen ist. Ich hätte zu gern gewusst, aus welchem Grund die Sprache auf die Apollo und Ellis gefallen ist.
Und Anne nimmt die Erkenntnis, dass sie sich nun tatsächlich in Vashtus Dimension befinden ja doch relativ gelassen. Aber wenn sie es schon geahnt hat, dann hatte sie ja schon ein wenig Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen.
Ich wäre ja auf ihre Reaktion (und auch auf die der anderen) gespannt, wenn sie dann wirklich vielleicht irgendwann auf die Erde gelangen. Das muss total merkwürdig und fremd für die sein, wenn das bei denen so anders ist.
Aber das ist vermutlich noch in weiter ferne ... jetzt müssen die erst einmal damit klar kommen, dass sich die Umlaufbahn des Planeten verändert.
Und schön übrigens, dass Vashtu mit ihrem Team dann wohl auch bald auf Reisen gehen wird. Der Nachteil dabei ist nur, dass dann nur noch ein Pilot da ist, der die anderen fliegen kann. Noch ein Grund, warum die Gentherapie sinnvoll wäre ;)
Und mit den Gedanken an John und Vashtu verschwinde ich jetzt in mein Bett ^^
LG Sabrina
Ich muß gestehen, ich hatte diese Szene schon ewig im Kopf, ehe ich sie aufschrieb. Manchmal, wenn ich Musik höre und dabei die Augen schließe, sehe ich Bilder, manchmal ganze Szenen, vor meinem inneren Auge ablaufen. Diese Szene, eben Vashtu auf dem Balkon und (in meinem Kopf eben immer wieder der Kamerawechsel auf John, der ebenfalls auf einem Balkon in Atlantis steht und antwortet). Übrigens sehr original, die Szene kam mir beim Hören des OST zu SGA in den Sinn - traumhafte Musik! *seurz*
AntwortenLöschenAnne nimmt es gelassen hin, daß sie die Dimension gewechselt haben, weil sie sich a) das selbst schon gedacht hat und b) sie wenig hat, was sie "drüben" gehalten hätte. Sagen wir mal so, es ist nicht das endgültige Wort über diese andere Dimension gesprochen worden - und auch nicht darüber, daß die Akzeptanz bei allen so groß sein wird.
Dann hoffe ich, du hattest einen gute Schlaf. Und nochmal sorry, daß du so lange warten mußtest mit der Fortsetzung.
Bis denne
Ramona