Am Morgen, einige Stunden später
Weir betrat die Kommandozentrale, um sich auf den neuesten Stand zu bringen. Bowman war bereits anwesend und hantierte am DHD herum. Er blickte auf, als er sie kommen hörte.
„Guten Morgen, Dr. Weir. Wie ich sehe, sind Sie auch früh aufgestanden", begrüßte er sie.
Weir lächelte, doch in ihren Augen stand Sorge. „Wie weit sind wir?" fragte sie.
Bowman richtete sich auf und nickte nach draußen in den Gateraum. „Dank ihr, hoffe ich, schon ein gutes Stück weiter", antwortete er. „Die rudimänteren Programme laufen wieder, das Stargate könnte sich öffnen. Ein paar kleine Beschädigungen richtet sie gerade."
Weir trat ans Fenster und blickte hinaus.
Im Torraum hockte die Antikerin und hantierte mit irgendwelchen Geräten herum, die sie noch nie gesehen hatte. Weir stutzte.
„Seit wann ist sie hier?" Sie drehte sich zu Bowman um.
Der zuckte mit den Schultern. „Die Spätschicht sagte, sie sei irgendwann mitten in der Nacht aufgetaucht. Wenn Sie mich fragen, kann sie ebensowenig schlafen wie einer von uns."
Weir runzelte die Stirn. Sie selbst hatte Vashtu gestern auf der Krankenstation gesagt, sie solle sich hinlegen. Aber sie hatte auch gewußt, daß, wenn sie Sheppard wirklich so ähnlich war, sie keine Ruhe finden würde. Daß sie allerdings statt dessen damit begann, die von ihr angerichteten Schäden zu reparieren ...
„Ich rede mit ihr." Sie nickte Bowman kurz zu und verließ den Raum wieder.
Vashtu blickte auf, als sie die Treppe hinunterkam.
„Guten Morgen, Dr. Weir", begrüßte sie sie.
Weir blieb stehen, sah sich um.
Die Antikerin schien schon recht weit mit ihrer Reparatur gekommen zu sein. Eine der zerstörten Fliesen lag bereits wieder auf ihrem Platz, und auch die herausgerissenen Kabel boten keinen so scheußlichen Anblick wie gestern mehr.
„Wie ich sehe, haben Sie sich nützlich gemacht, Vashtu", sagte sie statt einer Begrüßung, musterte jetzt die fremdartigen Geräte, die die andere um sich gesammelt hatte.
Vashtu sah sich um.
Auf Weir machte sie keinen besonderes fitten Eindruck. Dunkle Schatten hatten sich unter ihren Augen gesammelt, ihre helle Haut wirkte noch blaßer, und in ihren Augen stand Sorge und eine gewisse Verzweiflung. Und noch etwas, was die Expeditionsleiterin zunächst nicht wirklich lesen konnte. Dann aber begriff sie. Es war eine Art von Wissen. Etwas, was sie auch manchmal in Sheppards Augen lesen konnte.
„Ich muß in den Lagerräumen nachsehen, ob ich dort noch etwas finden kann, was die fehlende Fliese ersetzt." Vashtus Blick irrte wieder ab. Hilflos ließ sie die Schultern sinken. „Die Verbindung steht jetzt fast wieder. Ich fürchte aber, ich habe etwas mehr Schaden angerichtet, als ich wollte. Wenn John ... Wir werden das Gate sehr genau testen müssen, wenn diese ... diese Sache ausgestanden ist."
Weir kreuzte die Arme vor der Brust und nickte. „Das werden wir auch tun. Aber vorher sollten Sie sich etwas ausruhen, denken Sie nicht?"
Vashtu warf ihr einen leidenden Blick zu, schüttelte dann den Kopf. „Wenn ich die Augen schließe ... Nein. Ich will helfen. Wenn ich die Kontrollen überbrücke, können wir das Gate vielleicht jetzt schon prüfen, ohne den Speicher ..." Mutlos seufzte sie.
Weir trat näher, sah zu Boden und betrachtete die fremdartigen Gegenstände, die die Antikerin um sich verteilt hatte. „Sind das Werkzeuge Ihres Volkes?"
Vashtu schien einen Moment lang zu taumeln, riß ihre Augen weit auf und nickte dann. „Ja, ich habe mir Ihre Werkzeuge angesehen, aber ich konnte nicht damit umgehen. Also ... Ich wußte, wo ein Geräteraum ist." Sie drehte sich um und deutete auf eine Wand unter der Kommandozentrale. „Sehen Sie?"
Weir sah nichts als eine Wand, doch sie nickte.
Warum schien Vashtu plötzlich so kraftlos zu sein? Bisher hatte sie eigentlich immer wach auf sie gewirkt, selbst wenn andere eigentlich längst ins Bett gehört hätten. Jetzt aber ... Irgendetwas war da vorgegangen.
„Wenn ich den Boden repariert habe ..." Vashtu stockte, sah plötzlich mit weit aufgerissenen Augen auf. „Haben Sie schon etwas von Dr. McKay gehört?"
Weir schüttelte den Kopf. „Nein, meines Wissens gibt es noch keine Veränderung an seinem Zustand", antwortete sie, beobachtete, wie die Antikerin zu einem Häufchen Elend zusammensank und fühlte Mitleid in sich wachsen. „Aber ich werde Sie sofort informieren, wenn ..."
Vashtu hob plötzlich ruckartig den Kopf, starrte mit glasigen Augen durch sie hindurch. Dann sank sie mit einem leisen Stöhnen bewußtlos zu Boden.
Weir atmete tief ein, beugte sich über sie und fühlte nach ihrem Puls. Dann aktivierte sie ihr Funkgerät. „Ein Notfallteam in den Gateraum, schnell!"
Kurz darauf
Weir war Beckett und seinem Team dicht auf gefolgt. Sie machte sich Sorgen um die Antikerin. Vor allem, warum sie plötzlich vor ihren Augen zusammengebrochen war, den Grund hätte sie gern herausgefunden.
Vashtus Herz schlug unregelmäßig, ihre Haut war inzwischen weiß wie ein Laken und Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. Über einen Monitor konnte Weir die Lebensdaten der Antikerin lesen, wenn auch nicht unbedingt verstehen. Der EEG-Bildschirm, den Beckett gerade anschloß, da er keinen anderen Grund für ihre Bewußtlosigkeit finden konnte, schlug augenblicklich Alarm. Sämtliche meßbaren Gehirnwellen führten, so schien es, einen irren Tanz auf, stoppten kurzfristig, um dann, mit leichter Verzögerung, wieder in beinahe unmeßbare Höhen auszuschlagen.
Beckett trat vom Bett zurück mit einer Miene, als erwarte er, daß Vashtu jeden Moment explodierte.
„Was ist los mit ihr?" verlangte Weir zu wissen. „Carson, Sie haben mir doch gestern zugesichert, daß sie gesund ist."
Vashtus Körper zuckte kurz, lag dann wieder still.
Beckett schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung. Alle ihre Tests sahen gut aus. Sie müßte eigentlich kerngesund sein." Leichte Panik schwang in seiner Stimme mit.
Wenn Vashtu nun stürbe ...
Weir mußte zugeben, sie hatte sich in den letzten Wochen an die so untypische Antikerin gewöhnt. Sie würde ihr fehlen. Aber, vor allem, wäre ihr Wissen für immer verloren. Sie würden sie wieder mühsam voranarbeiten müssen statt, wie seit Vashtu ihnen sämtliche Daten des Hauptrechners zur Verfügung gestellt hatte, aus dem Vollen schöpfen zu können. In der letzten Woche hatten sie mehr Erkenntnisse gewonnen als in einem Jahr zuvor. Und sie kamen an Daten heran, deren Existenz sie nicht einmal geahnt hatten.
Aber vor allem wäre es schade um die Person. Vashtu brachte einen gewissen frischen Wind nach Atlantis. Zwar hatte Weir weiterhin Bedenken, was ihre Beziehung zu John Sheppard betraf, aber sie konnte nicht leugnen, daß ihr die Antikerin inzwischen sympatisch geworden war, trotz ihres doch sehr an den Colonel erinnernden Auftretens.
Weir hätte Vashtus Schicksal nicht teilen wollen. Nachdem sie die Berichte Sheppards, die Aussagen der Antikerin selbst und alles andere gelesen und sich ein eigenes Bild gemacht, war sie Willens, ihrem unverhofften Gast aus der Vergangenheit ein Heim zu bieten. Wahrscheinlich würde Atlantis das im jetzigen Zustand zwar nicht überleben, aber ...
„Wo bin ich? Carson, Dr. Beckett ... Mir ist schlecht!"
Weirs Augen wurden groß. Mit einem Ruck fuhr sie herum und starrte hinüber zu dem Bett, in dem McKay bis jetzt bewußtlos gelegen hatte. Nur war der Wissenschaftler jetzt wach, hatte eine leidende Miene aufgesetzt und hielt sich den Magen.
Beckett sah hilflos zwischen den beiden Patienten hin und her, dann rief er nach einer Schwester, die sich erst einmal um McKay kümmern sollte.
Weir war einfach nur überrascht. Hatte sie nicht heute morgen noch mit Beckett gesprochen und er ihr versichert, das Koma würde sehr wahrscheinlich noch ein paar Tage anhalten?
„Rodney! Wie geht es Ihnen?" Nach einem letzten hilflosen Blick auf die Antikerin trat sie an das Bett ihres Chefwissenschaftlers.
McKay sah leidend zu ihr auf. „Wie soll es mir schon gehen, nachdem ich dem Tod von der Schippe gesprungen bin. Ich habe Schmerzen!" Theatralisch wälzte er sich kurz im Bett und stöhnte.
Weir konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Sie kommen gerade zur rechten Zeit wieder zu sich, Rodney. Wir brauchen Ihre Hilfe. Ich hoffe, Sie werden es überleben."
Wieder ein Alarm hinter ihr.
„Ach, Elizabeth, Sie kennen doch meine Devise: Ich werde arbeiten, bis ich meinen letzten, meinen allerletzten Atemzug tue. Ich bin zu wichtig für Atlantis." McKay rappelte sich auf die Ellenbogen und lugte hinüber zu dem Bett schräg gegenüber. „Ist das diese Vashtu?"
Weir vertrat ihm die Sicht. „Rodney, vielleicht haben wir wenig Zeit. Deshalb möchte ich Sie bitten, uns zu helfen. Colonel Sheppard ist im Speicher des Stargate gefangen und wir wissen nicht, wie wir ihn wieder herausholen können."
McKays Augen weiteten sich. „Der Colonel ist ... ? Ich bin ..." Er unterbrach sich. „Wie lange ist das her?"
Weir neigte den Kopf ein wenig. „Sie wissen doch von unserem Versuch gestern nachmittag. Sie haben es wahrscheinlich nicht gesehen, aber er wurde in das Tor gezogen, ehe Vashtu die Verbindung mit dem Wurmloch trennen konnte."
McKays Augen zuckten, als läse er innere Listen. „Ich bin unterwegs. Wir haben nicht viel Zeit." Stöhnend richtete er sich auf, sank dann wieder auf das Bett zurück. Erst im zweiten Anlauf gelang es ihm, sich zu erheben.
Weir sah ihm nach, wie er mühsam den Gang hinunter humpelte.
„Sie hat ihn geweckt", ließ Teyla sich plötzlich vernehmen. „Sie hat ihm von ihrer Kraft gegeben. Ich habe es gesehen."
Weir sah einen Moment lang wie betäubt zu der Athosianerin hinüber, dann drehte sie sich zu dem Bett um, in dem Vashtu lag.
Beckett fühlte gerade ihren Puls, richtete sich dann auf und lächelte ihr zu. „Wie es aussieht, geht es ihr besser. Sie schläft."
Weir betrachtete die Gestalt in dem Bett sorgenvoll.
Einige Stunden später
Das Erwachen war schwer. Die Bewußtlosigkeit klebte wie ein Spinnennetz an ihr und wollte sie wieder zurückreißen in ihren Abgrund. Doch noch schlimmer waren die Schmerzen. Ihr ganzer Körper brannte.
Mit einem leisen Stöhnen öffnete Vashtu ihre Augen einen Spaltweit, während sie immer noch darum kämpfte, bei Bewußtsein zu bleiben. Irgendetwas aber zerrte an ihr, befahl ihr geradezu aufzuwachen.
Mehrere Geräte um sie herum piepten leise und sie fühlte Elektroden, die auf ihrer Haut festgemacht waren.
Stöhnend und noch immer benommen versuchte sie sich aufzurichten, sank aber in das Kissen zurück und blieb tief einatmend liegen, um neue Kraft zu schöpfen.
„Da ist ja unser Sorgenkind", begrüßte sie plötzlich eine Stimme. Eine Hand umschloß ihr Handgelenk, gekonnt fühlten Finger nach ihrem Puls.
Vashtu öffnete die Augen wieder etwas und sah Beckett an ihrem Bett stehen. Sie mußte in der Krankenstation sein.Sie fühlte sich, als wäre sie unter einem Jumper eingequetscht worden. Ihr Inneres und ihr Äußeres schmerzten einfach nur.
Sie schluckte schwer. „Was ... was ist passiert?" flüsterte sie schließlich.
„Sie hatten einen Schwächeanfall", erklärte Dr. Beckett ihr. „Sie sollten sich noch ein wenig ausruhen, dann geht es Ihnen sicher bald wieder besser."
Sie schloß die Augen wieder. In ihrem Geist sah sie John Sheppard, der, von einem gewaltigen Sog gepackt, in Richtung Stargate gezogen wurde.
Sofort wurde sie unruhig, versuchte sich wieder aufzusetzen. „Ich muß helfen! Sie haben keine Ahnung ... Die Verbindungen. Ich glaube ..."
Beckett drückte sie mit sanfter Gewalt auf das Bett zurück. „Sie haben genug getan, Vashtu. Sie sollten liegenbleiben und sich ausruhen", sagte er bestimmt.
Sie runzelte vor Anstrengung die Stirn. Endlich gelang es ihr, sich wenigstens auf die Ellenbogen hochzurappeln. Vor Schmerz verzog sich ihr Gesicht. „Sie verstehen nicht. Dr. McKay ..."
„Arbeitet bereits mit den anderen an einer Lösung. Vielleicht hat er sie sogar schon", fiel Beckett ihr ins Wort.
Verblüfft gab sie seinen Versuchen nach und rutschte in das Kissen zurück.
Dann hatte es also geklappt? Sie hatte ihn wieder aufgeweckt?
Sie atmete tief ein, als sie verstand. Wieder zerrte der Schmerz an ihr, doch nun begriff sie ihn.
Offenbar reagierten die fremden Zellen in ihrem Inneren auf das Einsetzen ihrer Antiker-Fähigkeiten. Sie hatte sich selbst geschwächt, als sie McKay einen Teil ihrer Kraft gab. Und nun wüteten Wraith- und Iratus-Zellen in ihr, während ihr normales Genom dagegen ankämpfte.
Unwillig ballte sie die Fäuste und rammte ihren Hinterkopf in das Kissen.
Ausgerechnet jetzt mußte sie ausfallen. Vielleicht brauchte man trotz allem ihr Wissen. Vielleicht konnte sie noch weiterhelfen. Sie mußte zur Kommandozentrale!
Beckett beobachtete sie genau, die Hände immer noch auf ihren Schultern, um sie sofort wieder zurückdrücken zu können. Und im Moment war sie zu schwach, um sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Sie kam ja nicht einmal aus diesem Bett heraus.
Aber sie brauchte die Informationen!
„Haben Sie ein Funkgerät für mich?" fragte sie.
Beckett stutzte verblüfft.
Sie sah ihn bittend an. „Ich möchte wissen, was passiert ist, seit ich ... Vielleicht kann ich noch etwas tun." Hoffnung und Furcht schwangen in ihrer Stimme mit.
Beckett zögerte, dann aktivierte er sein eigenes Gerät. „Elizabeth? Sie ist wieder wach, aber noch sehr schwach." Er wandte sich ab und ging ein paar Schritte, während er leise redete.
Vashtu konzentrierte sich auf ihren Körper, horchte in ihn hinein. Vor Ungeduld hätte sie schreien können. Die Schmerzen hatten jetzt, da sie still lag, etwas nachgelassen, waren aber immer noch vorhanden. Dafür schlich sich ein neues Gefühl in ihr ein: Sie hatte Hunger.
Ein gutes Zeichen? Sie wußte es nicht, aber zumindest konnte sie es hoffen.
Mühsam hob sie die Hände und zupfte sich das Pflaster von der Innenfläche der Rechten. Der tiefe Schnitt war verheilt. Zumindest schien ihr Körper, auch wenn er im Moment einen Kampf mit sich selbst austrug, noch zu funktionieren.
Beckett kehrte kurz darauf zurück, drückte ihr eines der kleinen Funkgeräte in die Hand, wie sie es auch während ihrer Mission getragen hatte. „Dr. Weir dankt Ihnen für Ihre Mithilfe", sagte der Mediziner dabei, klopfte ihr auf den Arm.
Vashtu lächelte gequält, steckte sich das vorgesehene Teil ins Ohr und aktivierte es. „Dr. Weir?"
„Ich bin froh, Ihre Stimme zu hören, Vashtu", hörte sie die Antwort der Expeditionsleiterin. Irgendwie fühlte sie sich gleich besser und schloß erleichtert die Augen.
Beckett hielt wieder ihr Handgelenk und studierte aufmerksam ihre Werte auf den verschiedenen Bildschirmen, die an ihrem Kopfende aufgestellt waren.
„Hat Dr. McKay inzwischen eine Lösung gefunden?" fragte die Antikerin.
„Ja, das hat er. Im Moment arbeiten hier alle an der Umsetzung", antwortete Weir. „Sie haben sehr gute Arbeit geleistet, Vashtu, und dafür möchten wir Ihnen danken. Aber jetzt sollten Sie sich ausruhen und wieder zu Kräften kommen. Ich bin sicher, wenn Sie wieder auf den Beinen sind, wird sich alles bereits gefügt haben."
Unwillig schüttelte Vashtu den Kopf. „Ich will ... Ich möchte wissen, was Dr. McKay für die beste Lösung hält. Vielleicht kann ich helfen."
Ein Knacken ging durch die Leitung. „Hier McKay. Wir sind gerade sehr beschäftigt. Also, wenn Sie keine bessere Lösung finden ..."
„Was ist die Lösung, Dr. McKay?" unterbrach Vashtu ihn.
Sie hörte ein genervtes Seufzen, konnte ein Grinsen kaum unterdrücken, auch wenn sie glaubte, dadurch Stromstöße in ihren Gesichtsmuskeln auszulösen.
„Nun, die Sache ist die, daß der Colonel zwar im Tor ist, aber noch nicht abgestrahlt wurde. Soweit kannten Sie das Problem ja bereits. Auf der Erde hatten wir vor einigen Jahren einen ähnlichen Fall. Ich werde Sie jetzt nicht mit Einzelheiten langweilen, Vashtu, jedoch sollten Sie wissen, daß Zeit eine gewisse Rolle dabei zu spielen scheint. Und diese Zeit tickt gerade etwas gegen uns."
Vashtu runzelte die Stirn. „Und was war auf der Erde die Lösung?" fragte sie.
„Die eingegangenen Daten aus einem nicht mehr intakten Wurmloch zu ziehen ist etwas schwierig. Es besteht für uns die Möglichkeit, daß wir uns selbst in die Luft jagen, wenn wir versuchen, den Colonel wieder herauszuholen. Wir müssen den Steuerkristall aus dem DHD entfernen, und das kann zu einer eklatanten Überlastung des Stargates führen. Mit anderen Worten: Es kann explodieren."
Vashtu riß die Augen auf und sank ins Kissen zurück. Ein Stöhnen entrang sich ihrer Kehle.
„Sie sehen, wir haben im Moment einige Probleme hier. Irgendwie müssen wir sicherstellen, daß unser DHD intakt bleibt und auch das Sternentor funktioniert. Ihre Art, das Problem mit dem Wurmloch zu lösen, hat nicht gerade zur Sicherheit einer Rückkehr beigetragen", fuhr McKay fort.
Vashtu dachte nach, kniff die Lippen aufeinander. „Was wird auf alle Fälle in die Luft fliegen, das Tor oder das DHD?" fragte sie schließlich.
„Was?"
Unwillig runzelte sie die Stirn. Zumindest ihr Hirn arbeitete noch einwandfrei, hoffte sie wenigstens. „Was wird explodieren, Dr. McKay? Tor oder DHD?" wiederholte sie. Das war ein Problem, das sie möglicherweise mithelfen könnte zu lösen.
„Nun, die Energieschwankungen zwischen beiden sind enorm", begann McKay zu dozieren. „Die Kräfte, die bei einem solchen Vorgang freigesetzt werden, könnten den gesamten Zentralturm in die Luft jagen und uns alle atomisieren. Die Wurmlochphysik hat noch keinen endgültigen ..."
„Tor oder DHD, Dr. McKay?" donnerte Vashtu plötzlich los, bereute ihren Ausbruch aber gleich wieder und stöhnte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf.
„Auf der Erde explodierte das DHD", antwortete McKay endlich.
Vashtu seufzte und schluckte einige Male. Dann öffnete sie sehr konzentriert die Augen wieder. „Können alle mich hören?" fragte sie schließlich.
Ein Zögern, dann kam ein kurzes „Ja" von Weir.
Beckett betrachtete sie sorgenvoll, hielt noch immer ihr Handgelenk. Sie warf ihm einen aufmunternden Blick zu, war sich allerdings ziemlich sicher, daß dieser mißlang.
„Wenn Sie das DHD in der Kommandozentrale nehmen, wird wahrscheinlich auch ein Schaden am Hauptcomputer entstehen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, kommt es auf alle Fälle zu einer Überladung."
„Das erwähnte ich bereits." McKays Stimme klang alles andere als begeistert.
„Dann würde ich vorschlagen, Sie nehmen ein DHD aus einem Jumper."
„Damit uns ein ganzes Fluggerät um die Ohren fliegt? Vashtu, ich bitte Sie!"
„Nein, Sie müssen es ausbauen und durch eine externe Energiequelle mit dem Tor verbinden. Damit wird der Schaden so gering wie möglich gehalten. Die Stadt läuft im Moment über meine Befehle, Dr. McKay. Wenn sie erkennt, was da in ihr geschieht, könnte sie Sicherheitsmaßnahmen ergreifen. Bauen Sie ein DHD aus einem Jumper aus, verbinden Sie es mit dem Stargate und aktivieren Sie es, wie auch immer Sie das schaffen wollen. Wenn eine solche Kraft auf die Stadt einwirkt, wird sie reagieren."
Sie hörte eine andere Stimme etwas in einer ihr fremden Sprache sagen. „Das könnte die Lösung sein. Ich werde sofort in die Base hinaufgehen." Das mußte Dr. Zelenka sein.
Vashtu lächelte müde.
„Geht es Ihnen gut?"
„Warum sollte die Stadt auf ein Jumper-DHD reagieren?"
Sie stöhnte auf. „Lassen Sie das meine Sorge sein, Dr. McKay. Ich sagte doch, die Stadt reagiert im Moment auf mich. Wenn ich ihr befehle ... Wieviel Energie ist noch im ZPM?"
„Sie sprechen gerade von einem Schutzschild? Dafür wird es sicher nicht reichen."
Vashtu spannte die Kiefer an. Sie mußte aus diesem Bett heraus!
„Ich habe noch nicht alle Leitungen wieder schalten können. Das könnten wir nutzen, um das DHD des Jumpers anzuschließen", schlug sie vor. „Ich werde kommen."
„Das werden Sie schön bleiben lassen", entgegnete Beckett mit fester Stimme. „Sie sind noch nicht soweit."
Vashtu funkelte den Mediziner gereizt an.
„Was soll das jetzt werden? Wieder so eine Sheppard-Sache?" fragte McKay.
„Eine was?" Sie nahm all ihre Kraft zusammen und versuchte wieder, aufzustehen. Dieses Mal gelang es ihr zumindest, sich aufzurichten. Doch ein starkes Schwindelgefühl nagte an ihr.
„Vashtu, bleiben Sie, wo Sie sind. Dr. Beckett sagt, Sie haben unglaublich viel Kraft verloren", mischte Weir sich ein. „Ruhen Sie sich aus. Dr. Zelenka wird es auch allein gelingen, ein DHD auszubauen."
Warum wollte denn niemand verstehen?
Frustriert mußte Vashtu einsehen, daß ihre Kraft tatsächlich noch nicht ausreichen würde, um irgendetwas zu tun. Aber ...
„Die Kontrollen zu überbrücken, dürfte vielleicht etwas schwierig sein", entgegnete sie. „Wenn ich helfe, wird es möglicherweise einfacher. Immerhin kenne ich die entsprechenden Schaltkreise."
Weir zögerte, sie konnte es spüren.
„Carson? Was sagen Sie?" fragte sie dann schließlich.
Beckett musterte seine Patientin sehr konzentriert, schüttelte schließlich den Kopf. „Ich sage nein. Sie müssen sich ausruhen. Sie können im Moment doch gar nicht aufstehen."
„Es wird gehen", entgegnete Vashtu entschlossen, auch wenn sie sich nicht so sicher war. „Ich muß zum Hauptrechner und gegebenenfalls an das ZPM."
„Das würde die Schleife zwischen Tor und DHD nur zusätzlich aufstocken", entgegnete McKay sofort. „Fummeln Sie am ZPM herum, könnten Sie es entladen, und wir haben nur das eine."
„Nicht wenn ich den Bereich eingrenze", widersprach sie sofort.
Ein kleines Lachen drang durch den winzigen Lautsprecher. „Kommen Sie, so gut sind Sie nun auch wieder nicht."
Vashtu knirschte mit den Zähnen. „Ich muß den Bereich sehen können, um ihn abzuschirmen, Dr. McKay, und genau das ist im Moment das Problem. Ich muß an den Hauptrechner!"
„Also gut." Weir schien sich entschieden zu haben. „Sie werden per Funkkonferenz mit Dr. Zelenka zusammenarbeiten, um das DHD aus einem Jumper auszubauen und an das Gate anzuschließen. Sollten Sie anschließend kräftig genug sein, kommen Sie hierher und übernehmen den Hauptcomputer."
„Aber ..."
„Vashtu, ich muß Rodney recht geben. Sie benehmen sich im Moment wie ein zweiter John Sheppard. Aber selbst er hätte wohl in dieser Situation genug Verstand, um einzusehen, daß er nicht weiterhelfen könnte. Also werden Sie tun, was ich Ihnen sage. Sie bleiben im Bett, unter der ständigen Überwachung von Dr. Beckett. Sollten Sie sich bis zum Ende der Vorbereitungen soweit erholt haben, daß er Sie gehen läßt, kommen Sie her. Ansonsten bleiben Sie, wo Sie sind. Weir Ende."
Damit brach der Funkkontakt ab.
Vashtu starrte brütend vor sich hin und verfluchte sich selbst für ihre Schwäche.
Ihr Magen knurrte laut und vernehmlich.
„Nun, das ist zumindest ein gutes Zeichen", sagte Beckett.
Stunden später
Vashtu saß mit blassem Gesicht am Panel, arbeitete konzentriert mit den Kristallen. Ab und an mußte sie innehalten, weil ihr immer noch schwindlig war. Doch sie hatte Beckett nach dieser Nacht zumindest soweit überzeugen können, daß er sie unter Vorbehalt laufen ließ. Hoch und heilig hatte sie ihm versprechen müssen, sich nach diesem Rettungsversuch sofort wieder ins Bett zu legen, denn sonderlich viel Schlaf hatte sie nicht bekommen.
Sie war überrascht, wie gut sie mit Zelenka zusammengearbeitet hatte. Beide waren sie, kurz nach ersten frustrierenden Fehlversuchen, auf den Gedanken gekommen, daß sie ihn per Videobild genau beobachten konnte, während sie ihm erklärte, was er tun sollte. Auf diese Weise war es ihnen schließlich gelungen, das DHD aus dem lädierten Jumper 13 aus- und im Torraum aufzubauen.
Anders war die Sache allerdings zwischen ihr und McKay gelagert. Er gab zwar zähneknirschend zu, daß sie vielleicht den richtigen Gedanken gehabt hatte, aber freien Zugriff auf das ZPM gewährte er ihr trotzdem nicht. Statt also in der Versorgung kurzzeitig die Energie zu manipulieren, mußte sie ihr Vorhaben nun vom Hauptrechner aus steuern.Der Haken an der Sache war, daß sie nur eine ungefähre Vorstellung von dem hatte, was sie tun wollte. Der Speicher des Rechners, der ihre persönliche ID als die eines unumschränkten Herrschers über die Stadt anerkannte und auf ihre gedanklichen Fragen und Bilder unmittelbar reagierte, war einfach nur übervoll. Allein die Daten für den Schutzschild mußten Dimensionen erreicht haben, die sie sich kaum vorstellen konnte. Und nach zehntausend Jahren konnte sie sich eine Menge vorstellen.
Zudem mußte sie die Lebenserhaltung und alle anderen benötigten Programme laufen lassen, was sie teilweise von ihrem Vorhaben ablenkte.
„Wir sind bereit, falls Sie es sind."
Vashtu konzentrierte sich noch einmal auf ihre Anfrage. Über die Anzeigen huschten tausende von Unterpfaden. Stur blieb sie bei ihrer Anfrage, statt sich wieder ablenken zu lassen. Und dann ...Sie atmete tief ein. „Bereit."
Sie blickte auf.
Sie hatte zwar nicht den besten Blick auf den Torraum, aber es war besser als gar nichts. McKay, der am DHD stand und auf ihr Einverständnis wartete, konnte sie allerdings hervorragend sehen, was sie auch mußte.
Der Wissenschaftler sah jetzt hoch, sein Blick schien sich in ihrem zu verfangen und sie anklagen zu wollen.
„Sobald Sie das Tor geöffnet haben, sehen Sie zu, daß Sie verschwinden. Ich werde das DHD abschirmen. Wenn Sie dann noch in seiner Nähe sind ..." Den Rest des Satzes ließ sie offen.
Weir warf ihr einen kurzen Blick zu, nickte dann stumm und kreuzte die Arme vor der Brust.
„Falls Sie es schaffen, das DHD abzuschirmen, meinen Sie", antwortete McKay.
„Ich werde es abschirmen und hoffen, daß nicht das Tor überlädt", entgegnete sie.
Wieder ein kurzes humorloses Lachen.
„Rodney, Sie sagten, wir hätten nur eine bestimmte Zeitspanne. Wir sollten unser Glück nicht zu sehr herausfordern", sagte Weir jetzt.
„Ja ja, schon gut. Also gut, versuchen Sie bitte, nicht die ganze Stadt in die Luft zu jagen. Und es ist möglich, daß es einige Sekunden dauert."
Vashtu nickte stumm, machte sich innerlich bereit und zog einen Kristall aus seinem Fach, um ihn gegen einen anderen auszutauschen.
„Ich gebe jetzt die Adresse ein", sagte McKay.
Vashtu sah wieder auf, den Kristall halb in die leere Bucht geschoben. Sie wollte den Schild manuell hochfahren und auf ihr Blickfeld ausrichten. Sie konnte nur hoffen, daß der Computer schnell genug reagierte und sie nicht zufällig die falschen Befehle gegeben hatte.
Das Gate reagierte, die Chevrons rasteten eines nach dem anderen ein.
Vashtu atmete tief ein. Sie mußte sich zwingen, nicht auf das Tor zu starren, sondern McKay und das DHD im Auge zu behalten. Der Wissenschaftler drückte fleißig Tasten.
Spannung lag in der Luft, man hätte sie beinahe greifen können. McKay gab das letzte Symbol ein und ...
Ein Keuchen ging durch den Raum. Ein geisterhaftes Licht begann innerhalb des Tores zu tanzen. Es wirkte vollkommen anders als ein Wurmloch, durchsichtig und ätherisch.
Vashtu riß sich mit Gewalt von diesem Anblick los. McKay hatte immer noch das DHD in den Händen und starrte auf das, was da vor ihm passierte.
„Oh mein Gott!" hörte sie Weir flüstern.
Kurz schielte sie zu den Energieanzeigen hinüber, die sie sich mittels eines irdischen Laptops neben die Steuerkonsole geholt hatte. Noch waren keine ... Eine Spitze!
Vashtus Kopf ruckte hoch. „McKay, weg da! Sofort!" rief sie in ihr Mikro.
Der Wissenschaftler reagierte einen Moment lang nicht, starrte weiter auf die geisterhafte Erscheinung im Tor.
Vashtu sah wieder auf die Energieanzeigen, zuckte dann zusammen, als sie das Krachen einer Entladung hörte. Die Werte stiegen immer weiter an, sprunghaft und unberechenbar. Doch es fand zwischen Tor und DHD statt, nirgends sonst.
„McKay!"
Endlich reagierte der Wissenschaftler, wenn auch langsam wie ein Schlafwandler. Er legte das DHD auf den Boden vor dem Tor und ging weg, nachdem er sich aufgerichtet hatte.
„Wow!"
Bowman, der am eigentlichen DHD saß, hob die Hände. Ein kleiner Blitz zuckte über die Tasten, verschwand dann innerhalb des Gerätes. Hatten sie irgendeine Verbindung übersehen?
Vashtu erhob sich halb, um das DHD weiter im Auge zu behalten. Mit einem Ruck schob sie den Kristall in seine Bucht und konzentrierte sich.
„Es funktioniert!" rief Weir in diesem Moment.
Vashtu gab die Position des Schutzschildes ein. Sie durfte ihm nicht zuviel Energie zuführen, sonst könnten die Überladungen des Tores und des DHDs Schaden am ZPM anrichten. Das hatte sie eigentlich verhindern wollen mithilfe eines zwischengeschalteten Naquadah-Generators, aber McKay hatte sich ja permanent dagegen gesperrt.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie eine Gestalt aus dem Ereignishorizont robbte und erleichterte. Und dann erkannte sie die Schwäche in ihrem Plan.
„Was, zum Teufel, ist hier los?" hörte sie eine bekannte Stimme in ihrem Ohr, hätte aufheulen können vor Freude und Erleichterung. Dann aber fiel ihr Blick wieder auf die Anzeigen.
„Überladung! John, mach, daß du da wegkommst!" rief sie.
Sie konnten das Tor nicht abschalten! Wenn es jetzt nicht von selbst reagierte, hatten sie ein großes Problem. Sie konnte den Schutzschild zwar auf den ganzen Torraum erweitern, aber nicht, solange McKay und Sheppard dort unten waren.
Die Symbole des Tores leuchteten auf, das DHD unter seiner energetischen Schutzkappe sprühte Funken.
„Es schaltet sich nicht ab", stellte Bowman fest.
Vashtus Kopf ruckte zwischen Bildschirm und Torraum hin und her, während sie fieberhaft überlegte, was sie tun konnte.
Die Energiespitzen nahmen immer mehr zu. Und das Tor ...
Vashtu begriff und begann fieberhaft zu überlegen.
„Was ist hier los?" rief Sheppards Stimme von der Tür her.
„Willkommen zurück, Colonel", sagte Weir.
Energie. Sie mußte dem DHD mehr Energie zuführen. Aber wie?
„Bowman." Sie sah auf, nahm am Rande wahr, daß Sheppard sich neben sie gestellt hatte und aufmerksam beobachtete. „Wir haben eine Verbindung, irgendein Kabel übersehen. Sie müssen das ... das, was auch immer es ist, jetzt unterbrechen."
Der Techniker drehte sich mit ratlosem Gesicht zu ihr um.
„Wir haben nicht nur Colonel Sheppard im Speicher gehabt. Was auch immer von der anderen Seite kam, ist auch drin und versucht jetzt, den Speicher zu verlassen." fügte sie hinzu.
In diesem Moment donnerte eine gewaltige Explosion gegen den Schild. Das DHD des Jumpers existierte nicht mehr.
TBC ...
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