29.01.2010

Inhuman III

Dr. Peter Babbis bewegte gerade vorsichtig den Kiefer, als sich die dicke Stahltür zu dem Raum öffnete, in dem er sich befand. Erschrocken und auch ein wenig verängstigt erhob er sich, drückte sich gegen die Wand.
Zwei Männer in Uniform schleiften eine dritte Gestalt in den Raum, ließen sie dann einfach fallen. Der zweite sah ihn kurz an, während er eine kleine Kiste neben den am Boden liegenden Körper warf. Dann waren die beiden auch schon wieder verschwunden.
Babbis wagte endlich auszuatmen, trat vorsichtig näher.
Die Antikerin lag, sich halb ohnmächtig windend, mit auf dem Rücken gefesselten Händen am Boden, die Augen geschlossen. Blut rann aus einer Wunde an ihrem Schlüsselbein.
„Vashtu!" Babbis fiel auf die Knie, beugte sich über sie.
Mühsam öffnete sie die Augen, hob dann den Kopf. „Peter", flüsterte sie heiser. „Schön, daß Sie noch leben." Ihr Gesicht wirkte angespannt bei diesen Worten. „Aber gut sehen Sie nicht gerade aus."
„Sie auch nicht, wenn Sie mich fragen." Vorsichtig griff er zu und zog sie auf die Beine. „Was ist mit Ihnen passiert?"
Sich auf ihn stützend kämpfte Vashtu sich zur Wand, an der er gestanden hatte, ließ sich mit einem erleichterten Seufzen daran zu Boden sinken. Ihr Atem ging keuchend, wie er ihn noch nie gehört hatte.
„Ein bißchen Folter, würde ich behaupten", antwortete sie schließlich, streckte die Beine aus und lehnte den Hinterkopf an die Wand. Aus schmalen Augenschlitzen sah sie ihn wieder an. „Wie bei Ihnen wohl auch, was?"
Babbis betastete sein Gesicht. „Sie haben mich nur verprügelt. Aber Sie sehen ... sehen ..."
„Nicht gut aus, ich weiß." Sie schloß die Augen wieder und schluckte.
„Was ist mit Ihren Fremdzellen? Warum heilt die Wunde nicht?" Babbis ging plötzlich auf, daß er den Kasten vergessen hatte, den der Genii zurückgelassen hatte. „Moment." Er erhob sich und holte den metallenen Gegenstand. Als er ihn öffnete, fand er einiges an Verbandsmaterial darin. „Ein Erste-Hilfe-Kasten. Zumindest sind sie so human, ihn uns zu überlassen."
Vashtu warf dem Gegenstand nur einen schmalen Blick zu. „Damit ich nicht so schnell sterbe, schätze ich." Ihre Brauen zogen sich zusammen, kurz zuckte es in ihrem Gesicht. „Das hat er also gemeint."
„Wer?" Babbis fand ein paar Kompressen und einige Mullbinden, aber keine Schere. Überhaupt keinen scharfen Gegenstand.
„Kolya." Vashtu beobachtete ihn bei seinem Tun. „Verarzten Sie sich erst einmal selbst, Peter."
Unwillig sah er auf. „Ich will Ihnen helfen", entgegnete er, kroch näher. Etwas unsicher verhielt er und blickte sie etwas hilflos an. „Ich muß ... Ich meine ..."
„Tun Sie, was Sie müssen, Peter. So feinfühlig bin ich beileibe nicht." Sie versuchte sich an einem Lächeln, doch das mißlang gründlich.
„Vielleicht klappt es auch so." Vorsichtig griff er nach dem Kragen ihres T-Shirts und zerrte an ihm, damit er nachgab.
Vashtu sog hart Luft in die Lungen, als sich das Baumwollgewebe von der Schußwunde löste. Die Blutung mußte doch etwas zum Stillstand gekommen sein, damit der Stoff an der Wunde festklebte.
„Warum tragen Sie Handschellen?" Babbis zupfte weiter an dem Kleidungsstück, bis er endlich halbwegs an die Wunde gelangte.
„Woher soll ich das wissen? Ich bin Kolya nur einmal begegnet."
Er fühlte ihren Blick auf sich und versuchte sich zu konzentrieren auf das, was er tun mußte. „Ich kann kein Blut sehen", murmelte er nach einigem Zögern, während er die Kompressen auf die Wunde drückte.
Vashtu richtete sich unvermittelt wieder auf und erstarrte. „Verdammt! Peter!" quetschte sie zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Entschuldigung." Sofort nahm er seine Hand von der Wunde. „Die Kugel ..."
„Die Kugel steckt noch in der Wunde, ich weiß. Und wie es sich anfühlt, ist der Knochen gebrochen. Es wäre wirklich sehr nett von Ihnen, wenn Sie ein bißchen vorsichtiger wären, wenn Sie schon an mir herumdoktern müssen." Wieder kam ihr Atem keuchend.
„Und wer ist dieser Kolya?" Babbis bemühte sich, nicht allzu viel Druck auszuüben, während er jetzt vorsichtig begann, den Verband anzulegen.
„Meine Meinung oder das, was ich von ihm weiß?" fragte sie.
Babbis sah ihr ins Gesicht. Das war schweißnaß. In ihren Augen stand deutlich Schmerz und ihre Lippen wirkten verkniffen.
„Warum sollte dieser Kolya uns gefangennehmen?"
Vashtu beugte sich ein wenig vor, damit er sie besser verbinden konnte. „Weil er meinen Kristall haben will", antwortete sie. „Und, nebenbei als Zuschuß sozusagen, will er auch noch John und mich ein bißchen quälen."
„John?" Etwas hilflos sah Babbis sich nach etwas um, womit er den Verband befestigen konnte.
„Lt. Colonel John Sheppard von Atlantis", antwortete sie. „Eigentlich sind die beiden sich Spinnefeind. Aber schon beim letzten Mal bin ich in die Schußlinie geraten."
Babbis stutzte und richtete sich auf. „Sie kennen den Colonel?"
Vashtu nickte. Wieder verzog sich ihr Gesicht zu etwas, was man mit viel Geduld als ein Lächeln bezeichnen konnte. „Ja, ich kenne ihn. Ich kenne ihn sogar recht gut, zu gut für Kolya. Er denkt, ich bin seine Schwachstelle."
Babbis sah sie groß an. „Das ist also diese geheimnisvolle Bindung, über die Sie nicht reden wollen. Sie haben ein Verhältnis mit Sheppard."
Trotz der Schmerzen, die sie zu haben schien, wurde ihr Lächeln zu einem Grinsen. „Oh, Peter. Sind Sie etwa eifersüchtig?" Dann wurde sie wieder ernst. „Nein, ich habe kein Verhältnis mit ihm. Aber wir beide verstehen uns sehr gut, da kann der eine oder andere auf die falsche Idee kommen."
Babbis sah sie skeptisch an. Er konnte beinahe fühlen, daß sie ihn anlog, doch er sagte nichts. Vielleicht war es zwischen den beiden auch wirklich nie zu mehr gekommen, wer konnte das schon sagen?
Er wandte sich wieder dem Verbandskasten zu und kramte in ihm herum, auf der Suche nach etwas, mit dem er sich selbst verarzten konnte.
Vashtu lehnte sich wieder gegen die Wand und seufzte. Ihr Blick glitt ins Leere.
„Nicht einschlafen!" mahnte Babbis. „Ich könnte Ihren Grips gebrauchen."
„Diesmal nicht meinen überlegenen Intellekt? Sie steigern sich."
Eine Salbe. Vorsichtig schraubte er den Verschluß ab und roch daran. Konnte durchaus eine Eissalbe sein. Er gab ein bißchen auf seine Fingerspitze und tupfte damit an der Schwellung an seinem Wangenknochen herum.
„Warum will er diesen komischen Kristall?" fragte er nach einiger Zeit.
Vashtu sah ihm amüsiert zu. Im Moment schienen ihre Schmerzen nachgelassen zu haben. „Sie ahnen es nicht einmal, oder?"
Babbis runzelte die Stirn. „Was soll ich ahnen?"
„Dieser Kristall ist der Steuerkristall des Hauptrechners von Atlantis", erklärte sie nach einigem Zögern. „Er wurde mir sozusagen aus alter Zeit herübergereicht. Mit diesem Kristall hat man die absolute Befehlsgewalt über die Stadt."
Babbis starrte sie an. „Und Sie tragen das Ding die ganze Zeit mit sich herum?"
„Ich habe ihn damals mitgenommen, als ich auf die Erde kam. Es war ein Spiel mit dem Colonel, ein dummer Gedanke von uns beiden. Darum habe ich ihn immer bei mir getragen. Er ist zu wertvoll. Wenn der Trust erfahren würde ..."
„Wo ist er jetzt?" Babbis sah sie an. „Hat dieser Kolya ihn Ihnen abgenommen?"
Sie schüttelte leicht den Kopf. „Nein, hat er nicht. Ich weiß nicht, wo er ist, Peter. Ich weiß es wirklich nicht. Aber ich hoffe, daß er in Sicherheit ist."

***

John Sheppard beobachtete mit leeren Gesicht das Treiben auf dem Bildschirm vor sich. Ein Mann in der Militäruniform der Erd-SG-Teams versorgte Vashtu. Kurz schienen ihre Schmerzen zuzunehmen, als er ihre Schußwunde versorgte, dann sank sie wieder in sich zusammen.
Die Übertragung war in schlechter Qualität, und doch glaubte er sehen zu können, daß es ihr bereits schlechter ging.
Die Impfung der Hoffaner! Das Todesurteil für jeden Wraith, der auch nur einmal kurz an der Lebenskraft eines Menschen nippen wollte. Und dieses Todesurteil floß jetzt durch Vashtus Adern, wurde mit jedem Herzschlag mehr in ihrem Körper verteilt. In dem Körper, der zu einem Drittel aus Wraith-Zellen bestand!
„Sobald die Verbindung abbricht, wählen Sie auf der Stelle die Erde an", hörte er Weir befehlen.
Vashtu!
Er hatte geglaubt, allmählich über sie hinweggekommen zu sein. Doch als er sie vorhin wiedersah ...
Mit einem Ruck wandte er sich ab. Kalte, bittere Wut brodelte in ihm. Wenn er gekonnt hätte, er wäre sofort zu dem Planeten gegangen, auf dem Vashtu und ihr Begleiter sich befanden, und hätte Kolya eine ordentliche Ladung Blei verpaßt.
Dieser Mistkerl sollte zahlen! Er sollte für das zahlen, was er ihm angetan hatte. Er sollte für das bezahlen, was er Vashtu gerade antat. Und er würde irgendwann bezahlen, das schwor John Sheppard sich. Und wenn es das letzte wäre, was er in seinem Leben tun würde. Acastus Kolya würde sterben, und er würde sein Henker sein!
„John?" Weir drehte sich zu ihm um und sah ihn an. „Wir werden uns beim SGC erkundigen, ob Miss Uruhk tatsächlich verschwunden ist. Vielleicht ..."
Er sah sie nur an und sie verstummte. „Geben Sie mir Ihr Einverständnis, Elizabeth. Sobald wir wissen, wo sie sich aufhalten, holen wir sie da heraus." Seine Stimme klang beherrscht.
Elizabeth Weir sah ihn besorgt an. „Sie haben selbst gehört, was Vashtu gesagt hat. Wir sind der Pflicht entbunden, John. Die Erde ist für sie zuständig, nicht wir."
„Das ist mir egal."
Weir schüttelte den Kopf. „Ich kann das nicht zulassen, John. Es tut mir leid. Wir sind nicht zuständig."
„Das ist mir gleich! Vashtu hat mehr für Atlantis getan als manch ein anderer. Sie hätte vor einem Jahr mehr als einmal draufgehen können. Wir schulden ihr etwas!"
„Sie hat Sie aus der Pflicht entlassen, John. Noch deutlicher konnte sie nicht werden. Das müssen Sie akzeptieren", versuchte Weir ihn zu beschwichtigen.
Sheppard trat drohend einen Schritt näher. Seine Augen glühten beinahe vor Haß. „Ich werde sie nicht Kolya überlassen, Elizabeth! Es ist mir gleich, was sie gesagt oder nicht gesagt hat. Ich lasse niemanden zurück in den Händen des Feindes."
Weir wich nicht vor ihm zurück, sondern erwiderte seinen Blick. „Ich habe es auch gesehen, und ich bin entsetzt über das, was ich gesehen habe. Aber wir können nichts tun, John, gar nichts. Vashtu wußte, was sie sagte. Was, denken Sie, wird passieren, wenn ich Sie jetzt da hinauslasse, auf einen Planeten zusammen mit Kolya? Er will Sie provozieren, John. Sie sollen zu ihm kommen. Begreifen Sie das denn nicht? Vashtu hat die einzige Lösung gefunden, die Ihnen hilft."
„Ich werde nicht mitansehen, wie sie verreckt!" Wieder war seine Stimme hart und laut. Sein Gesicht war starr, doch seine Kiefer arbeiteten. Seine ganze Gestalt war angespannt.
„Wir wissen doch noch gar nicht, ob das eintritt", versuchte Weir ihn zu beschwichtigen. „Es kann doch auch sein, daß die Impfung nicht anschlägt."
„Dann holen Sie Beckett her, auf der Stelle! Er soll sie sich ansehen, solange wir noch ein Bild haben."
Weir sah ihn immer noch an, als könnten allein ihre Augen ihn vor einer Dummheit bewahren. Langsam nickte sie, aktivierte ihr Funkgerät. „Carson, kommen Sie bitte umgehend zur Kommandozentrale", sagte sie, schaltete den kleinen Apparat wieder ab. „Er kommt her und sieht sich an, was wir haben. Und Sie, Colonel Sheppard, werden ebenfalls hierbleiben. Haben Sie das verstanden?"

***

Vashtu war in eine Art Schlummer gefallen. Ihr Gesicht zuckte ab und an, dann öffnete sie kurz die Augen, doch sie schwieg.
Babbis beobachtete die Antikerin genau. Irgendetwas war mit ihr passiert, was sie ihm noch nicht gesagt hatte. Es ging ihr schlechter, und die Wunde an ihrem Schlüsselbein wollte nicht heilen. Nicht wie sonst.
Seine Finger trommelten leise auf dem Metallkasten herum.
„Lassen Sie das, Peter."
Er blinzelte. Vashtu hatte die Augen einen Spaltbreit geöffnet und sah ihn an. „Lassen Sie das, sonst breche ich Ihnen die Finger."
Ein kurzes Lächeln zuckte über sein Gesicht. „Hohles Geschwätz."
Sie atmete tief ein, ihr Gesicht wurde wieder starr. Die Wunde mußte ihr Schmerzen bereiten, wahrscheinlich der gebrochene Knochen, vielleicht aber auch die in ihm steckende Kugel.
„Wenn wir hier heraus sind, habe ich ein Wörtchen mit Ihnen zu reden, Peter", sagte sie. „Und dabei wird es auch um Ihre Angewohnheit gehen, auf allem herumzutrommeln oder mit den Fingern zu schnippen."
„Ich denke nach", entgegnete er.
„Das tue ich auch. Aber ich muß nicht um mich herum Lärm veranstalten." Sie schloß wieder die Augen.
Babbis setzte sich auf. „Warum geben Sie Kolya nicht irgendetwas und behaupten, es sei der Steuerkristall. Dann wird er uns sicher hier herauslassen. Danach können wir immer noch überlegen, wie es weitergeht."
„Er wird nicht darauf hereinfallen. Kolya ist klüger als Sie denken, Peter", antwortete sie und schüttelte leicht den Kopf.
Sie hatte schon selbst daran gedacht, wurde ihm klar. Doch sie hatte diesen Gedanken sehr schnell wieder verworfen.
Babbis senkte den Kopf.
„Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er uns hier herauslassen würde, wenn ich geben könnte, was er will", sagte sie plötzlich. „Ich glaube eher, es ist ... anders."
Geräusche von der Tür.
Babbis drehte sich um, Vashtu hob den Kopf. Aus den Augenwinkeln sah er, wie ihr Gesicht sich anspannte.
Die Tür öffnete sich, die zwei Bewaffneten traten ein. „Mitkommen!" befahl der eine und winkte ungeduldig mit seiner Waffe.
Vashtu nickte, preßte sich gegen die Wand und stemmte sich mühsam und ächzend auf die Beine. Ihre Schritte wirkten schleppend, als sie auf die beiden Wächter zuging.
Babbis sah jetzt das erste Mal ihren linken Arm. Der war gerötet und sehr angeschwollen. Die Haut glänzte ungesund. Er schluckte, als ihm klar wurde, daß da noch etwas vor sich ging, von dem er noch keine Ahnung hatte. Sie hatte es ihm nicht mitgeteilt.
Grob packte der andere Wächter die Antikerin, die sichtlich zusammenzuckte, und stieß sie vor sich her. Der mit der Waffe in der Hand folgte den beiden und schloß die Tür wieder.
Babbis blieb allein zurück. Und ihm ging auf, daß es wirklich nicht gut aussah für sie beide.

***

„Sie und Dr. Babbis sind nicht zurückgekommen, das ist wahr." General Landry schien besorgt. „Sergeant Dorn berichtete uns von einem Schußwechsel. Als wir ein Rettungsteam auf den Planeten schickten, fanden wir nicht eine Spur von den beiden."
„Weil sie in der Pegasus-Galaxie sind." Sheppards Stimme klang kalt und beherrscht.
„Und Sie sind sich sicher? Es kann keine Verwechslung gegeben haben?"
„Sir, bei allem Respekt, aber ich erkenne Vashtu, wenn ich sie sehe", gab Sheppard zurück.
„Sie sagte uns, wir sollten nicht handeln, da sie nicht zu Atlantis gehört", setzte Weir hinzu. „Wir handeln nach der Direktive. Kolya gilt auch in der Milchstraße als Terrorist."
„Ich habe die letzten Berichte über ihn gelesen." Landry klang wirklich beunruhigt. „Bleiben Sie dabei. Keine Verhandlungen mit Terroristen."
„Er wird sie umbringen!" entfuhr es Sheppard.
„Das wissen wir noch nicht. Er will etwas von ihr, Colonel, und er will etwas von Atlantis. Er wird seine Geisel nicht töten, solange die Chance besteht, daß er vielleicht doch bekommt, was er will."
Weir seufzte. „General, ich glaube, Sie kennen Acastus Kolya nicht wirklich. Er will sie töten, weil sie eine Antikerin ist und sich mit uns und nicht mit den Genii eingelassen hat."
„Keine Verhandlungen, Dr. Weir. Miss Uruhk hat Sie aus der Verantwortung entlassen und diese der Erde übertragen. Und wir werden nichts tun", entschied Landry.
„Wir lassen niemanden in den Händen des Feindes zurück, General, bei allem Respekt!" Sheppards Stimme klang gepreßt, seine Kiefer mahlten wieder.
„Colonel Sheppard, als höherrangiger Offizier gebe ich Ihnen den strikten Befehl nicht einzugreifen. Haben Sie das verstanden?" Landrys Stimme hatte bei diesen Worten an Autorität gewonnen. „Miss Uruhk hat einen erstaunlichen Überlebenswillen, das sollten Sie ebenfalls wissen. Und sie hat Ihnen die Anweisung gegeben, ihr nicht zu helfen. Sie werden sich daran halten, sonst werden Sie die Konsequenzen tragen."
Sheppard starrte auf den leeren Bildschirm, sagte jetzt aber nichts mehr.
Weir beobachtete ihren militärischen Leiter sehr genau. „Ich habe den Eindruck, Acastus Kolya will gerade provozieren, Colonel Sheppard auf diesen Planeten zu locken. Er würde sich zweier Feinde auf einem Schlag entledigen können."
„Und eben darum werden Sie nichts unternehmen, Colonel", stimmte der General zu. „Halten Sie uns auf dem laufenden, Dr. Weir. Erwarten sie eine weitere Übertragung?"
Sheppard hatte sich abgewandt und starrte den blauen Datenkristall in seiner Hand an.
„Wenn Kolya weiter so handelt ..." Weir stockte und atmete tief ein. „In wenigen Minuten, General. Dann laufen die ersten drei Stunden ab."
„Gut, senden Sie uns die Daten zu, sobald Sie sie haben und die Verbindung wieder abreißt", entschied Landry. „Und, Dr. Weir, wir alle sollten auch Dr. Babbis nicht unterschätzen. Er und Miss Uruhk haben schon Probleme gelöst, die wir alle für unlösbar gehalten haben. SGC Ende." Die Verbindung brach ab.

***

Vashtu atmete beherrscht aus. Ihr Hals kratzte. Sie schluckte ein wenig Speichel, doch das Kratzen verging nicht. „Was wollen Sie?" Ihre Stimme klang rauh.
Kolya, der aus der Dunkelheit aufgetaucht war und sich vor ihr aufgebaut hatte, zog eine Ampulle aus seiner Manteltasche und hielt sie ihr hin. „Informationen und Zusammenarbeit. Dann könnte ich mich dazu überreden lassen, Sie laufen zu lassen, Vashtu Uruhk."
„Noch eine Dosis?" Sie grinste gequält. „Sparen Sie es sich. Die erste Ladung reicht vollkommen aus."
„Ein Gegenmittel", entgegnete Kolya ruhig.
Vashtu starrte ihn an. „Was?"
Der Genii nickte, ließ die Ampulle wieder in seiner Manteltasche verschwinden. Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf sein Gesicht. „Sie haben richtig gehört. Es gibt ein Gegenmittel für die Impfung."
Die Antikerin atmete tief ein, hustete dann. „Halten Sie mich für käuflich?" krächzte sie schließlich. „Ich weiß, warum ich mich Ihrem Volk nicht angeschlossen habe, Kolya. Ich mag Ihre Art nicht!"
Eine schallende Ohrfeige traf sie, wirbelte ihren Kopf herum. Langsam sah sie wieder auf und starrte den Genii an. „Sie haben also endlich begriffen, daß der Kristall allein Ihnen nicht weiterhelfen würde, wie? Sie brauchen jemanden wie mich, oder jemanden, der das Gen der Vorfahren trägt. Aber unter Ihren Männern ist niemand. Ich weiß das, ich kann es spüren. Die Genii sind degeneriert, Kolya. Sie haben das Gen nicht mehr. Und damit können Sie nichts mit Atlantis anfangen, es sei denn, es gelingt Ihnen, jemanden wie mich auf Ihre Seite zu ziehen. Aber, und das schwöre ich Ihnen, mich kriegen Sie auf diese Weise nicht klein! Ich habe vor zehntausend Jahren gegen Leute wie Sie antreten müssen. Damals habe ich einmal zu oft den kürzeren ziehen müssen. Diesmal wird das nicht der Fall sein, das schwöre ich Ihnen!"
Diesmal traf die Ohrfeige die andere Wange.
Vashtu genoß den Schmerz geradezu. Viel zu verführerisch war bereits jetzt dieses Angebot gewesen. Sie spürte, wie ihrem Körper immer mehr Kraft entglitt.
Die Zeit lief ihr davon, und sie würde sie nicht aufhalten können, solange man sie gefangenhielt. Und bisher war ihr nichts eingefallen, wie sie und Babbis hier herauskommen konnten. Ein Gegenmittel gegen die Schmerzen, zurückkehrende Kraft und Gesundheit. Natürlich würde sie sich Kolya dann immer noch entledigen müssen. Doch sie glaubte nicht so recht daran, daß dieser Handel ein wirkliches Schlupfloch für sie bot. Kolya würde ihr nicht trauen, ebensowenig wie sie ihm traute. Und damit war das Angebot vom Tisch.
Der pockennarbige Genii packte sie am Kragen und riß sie so weit hoch, wie die Fesseln es zuließen. „Sie haben ja noch keine Ahnung, was noch auf Sie zukommen wird, Ahnin", zischte er sie an. In seinen Augen glitzerte kalte Wut. „Oh ja, ich werde es genießen, Sie sich winden und verrecken zu sehen. Und ich werde dafür sorgen, daß auch Sheppard Ihren Tod mitansehen muß. Ich werde sie beide zerstören, hören Sie? Sie beide werden sterben, elendig zu Grunde werden Sie gehen, das schwöre ich Ihnen! Nur schade, daß Sie das Ende von Sheppard nicht mehr miterleben werden. Aber ich werde ihm gern Grüße von Ihnen ausrichten, Vashtu Uruhk." Damit ließ er sie los und nickte ihren Wächtern zu.
Vashtu starrte auf seinen Rücken, als könne sie ihn nur mit ihren Blicken erdolchen.
Niemals würde sie auf dieses perverse Angebot eingehen, nie!
Vashtu war sich im klaren darüber, daß etwas in ihrem Körper vor sich ging. Es sah nicht gut für sie aus. Die Wunde am Schlüsselbein heilte nicht. Und noch immer war da diese Hitze, die sich allmählich auch immer tiefer in ihren Geist fraß.
Aber aufzugeben war für sie noch nie in Frage gekommen. Im Moment konzentrierte sie sich darauf, ihre zusätzlichen Fähigkeiten stillzulegen, um so vielleicht ein bißchen mehr Zeit zu gewinnen. Je weniger sie die Kräfte, die die fremden Gene ihr gaben, benutzte, desto höher war noch ihre Überlebenschance - hoffte sie zumindest.
Sie mußte Babbis und sich hier so schnell wie möglich herausholen. Ihr war klar, welche Rolle der Wissenschaftler für Kolya spielte. Solange Babbis lebte, hatte er einen billigen Sanitäter. Doch in dem Moment, in dem ihr nicht mehr zu helfen sein würde, in dem ihr Leben verlosch, würde auch Babbis keine Rolle mehr spielen. Er würde ebenfalls sterben, und das würde sie nicht zulassen.
„Vergessen Sie's!" zischte sie ihn an.
Kolya trat zurück, starrte auf sie nieder. Dann nickte er und drehte sich um, nachdem er seinen Männern ein kurzes Zeichen gegeben hatte.
Vashtu atmete noch einmal tief ein, ehe man sie knebelte. Ihr Blick bohrte sich in den Rücken des pockennarbigen Genii, der jetzt wieder vor der Kamera stand, die leise surrte.
„Es gibt nichts mehr zu sagen, Kolya." Weirs Stimme.
Vashtu hob den Kopf und konzentrierte sich darauf, nicht zu krank auszusehen. John Sheppard würde ganz sicher auch die Übertragung beobachten, und ihn wollte sie hier als allerletztes sehen.
„Ich denke doch, daß wir noch einiges zu besprechen haben, Dr. Weir", entgegnete Kolya. „Wir haben sogar sehr viel zu besprechen. Ist Colonel Sheppard auch anwesend?"
„Ich bin da."
Vashtu atmete so tief wie möglich ein.
Natürlich war er da, sie wäre auch da, wenn ihm etwas ähnliches geschehen würde. Es würde sie zwar fast um den Verstand bringen, aber sie wäre da. Nur allein um ihm zu zeigen, daß sie ihm helfen wollte.
„Gut." Kolya drehte sich wieder von der Kamera weg, so daß sie ins Bild kam. „Ich denke, damit Sie mir glauben, werde ich Ihnen eine Probe ihres Blutes zur Verfügung stellen. Vashtu Uruhk hat sicher nichts gegen eine zweite Meinung, nicht wahr?"
Voll kaltem Zorn fixierte sie den Genii, regte sich aber nicht.
Der Mann, der ihr das Mittel injiziert hatte, trat wieder aus dem Schatten und griff nach ihrem Arm. Sie sog scharf Luft in ihre Lungen und versteifte sich kurz.
Verdammt, das tat weh!
Wieder wurde ihr eine Nadel unter die Haut geschoben, doch diesmal, um ihr Blut abzunehmen. So ruhig wie möglich ließ sie es über sich ergehen, auch wenn sie glaubte, ihr Arm würde gleich explodieren.
Der Mann zog die Spritze wieder aus ihrem Gewebe und trat zu Kolya. Der hielt sie in die Kamera. „Ich werde Ihnen jetzt diese Probe durch das Tor senden, Dr. Weir. Dann können Ihre Mediziner sich das bisherige Ergebnis ansehen." Er reichte die Spritze zurück und nickte dem Mann zu, der daraufhin im Schatten verschwand.
Vashtu sah ihm nach, richtete dann ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorn.
„Colonel, möchten Sie mit der Ahnin reden? Jetzt wäre gerade ein wenig Zeit", sagte Kolya gerade.
Fast unmerklich nickte sie in die Kamera.
„Ja", kam die gepreßt wirkende Antwort. John schien sich nur mit Mühe unter Kontrolle zu haben.
Einer der beiden Wächter trat vor und nahm ihr wieder den Knebel ab. Sie atmete einige Male tief ein.
„John, geh weg. Hörst du? Geh weg! Du ... ich möchte nicht, daß du das mitansiehst", sagte sie dann.
Kolya hob den Kopf und starrte sie an.
Sie schluckte.
„Vashtu, hier ist Carson Beckett", ließ sich eine andere Stimme vernehmen. Eine Stimme, auf die sie gehofft hatte.
Erleichtert schloß sie die Augen. „Carson! Gut, Ihre Stimme zu hören."
„Ich wünschte, ich könnte das gleiche behaupten. Wäre netter gewesen unter anderen Umständen wieder aufeinanderzutreffen", entgegnete der Mediziner mit seiner akzentschweren Stimme.
Sie nickte. „Sie wollen sicherlich wissen, wie es mir geht."
„Sie sollten nicht jede Impfung mitnehmen, die Sie kostenlos bekommen können. Man weiß nie, was dabei herauskommen kann."
Der Scherz war lahm, aber sie lächelte trotzdem. „Mein Arm ist entzündet und angeschwollen. Ich habe leichte Schwierigkeiten mit der Atmung und die Wunden heilen nicht", sagte sie so präzise wie möglich.
„Fieber?"
Sie schüttelte den Kopf. „Noch nicht, aber ein leichtes Schwindelgefühl. Und, Carson, mein Schlüsselbein ist gebrochen. Die Kugel steckt noch. Es ist nicht gerade einfach, das zu ertragen."
„Schon klar." Becketts Stimme klang nachdenklich.
„Tun Sie mir noch einen Gefallen", fügte sie hinzu. „Setzen Sie Ihren anderen Patienten unter Narkose, damit er keine Dummheiten ..."
Der Schuß krachte und schleuderte sie wieder gegen den Stuhl. Eine Flammenzunge leckte an ihrem Hals. Benommen senkte sie den Kopf wieder, der ihr in den Nacken geflogen war. Ihr Atem kam hektisch.
Kolya trat vor die Kamera. „Eines sollten Sie noch wissen, Colonel Sheppard, Dr. Weir. Für jedes Gespräch, das Sie führen, werde ich der Ahnin eine Wunde beibringen. Nichts lebensgefährliches, aber sie wird immer schwächer werden."
Sie schloß die Augen.

TBC ...

2 Kommentare:

  1. huch? hab doch glatt vergessen das ich hier noch nicht geantwortet hab ;)
    na dann hol ich das jetzt mal nach und mach mich dann an den vierten teil.
    tja was soll ich großartig sagen...mal wieder super kapitel!
    die befinden sich dort echt in einer verzwickten situation und da vashtus wunden nicht wirklich von alleine heilen wollen wegen diesem blöden virus wird es sicher nicht einfach werden aus eigener kraft zu entkommen.
    auch john muss in atlantis ja fast wahnsinnig werden.
    er will ihr unbedingt helfen aber weder vashtu noch das sgc und dr. weir erlauben das -.-
    auch wenn ich mir vorstellen kann, das die mit der vermutung recht haben, dass kolya ihn nur herlocken will...ich hoffe john findet trotzdem noch eine möglichkeit vashtu zu helfen!!
    das sgc scheint ja im moment noch nichts unternehmen zu wollen.
    ooohhh...kolya...irgendwie ist er einem total unsympathisch aber andererseits war er immer mein lieblingsbösewicht :D
    zu schade, dass john ihn im späteren verlauf erschossen hat ^^ irgendwie hatten die folgen etwas an sich, wenn die beiden soch mal wieder gegenüberstanden :D
    so jetzt muss ich aber ersteinmal schnell weiterlesen.
    LG Sabrina

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  2. *lach* Als Fan des Kolya-Darstellers Robert Davi hatte mich sein Serien-Tod damals beinahe mehr getroffen als der von Carson. Ich hab auch sofort bei "Remnants" gemerkt, daß das unmöglich der alte Kolya sein konnte, auch wenn ich die ganze Zeit die Hoffnung hegte, er hätte doch irgendwie überlebt. Hach, Davi kann einfach herrlich Baddys spielen!
    Aber, was ich sagen wollte, du hast recht. Eine Fehlentscheidung von vielen, ausgerechnet Kolya rauszuschreiben aus der Serie. Die Genii waren danach nur noch bessere Witzfiguren, keine Bedrohung mehr für die Atlanter (speziell für John). Das lag nicht nur an Ladons Machtergreifung.

    Dank dir für das Comment - besser die Comments, Nr. 2 kommt sofort.

    Bis denne
    Ramona

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