17.02.2010

Tom II

Babbis stieg aus seinem Wagen und blickte sich kurz um.
Die Gegend war wirklich sehr ruhig. Kein Wunder, daß damals die Nachbarn ...
Er schüttelte den Kopf und schlug die Autotür zu, dann marschierte er den gepflasterten Weg hinauf zum Durchgang in den Innenhof.
Er mußte zugeben, er beneidete die Antikerin. In einer solchen Wohngegend würde er auch gern leben. Aber statt dessen hauste er inzwischen in einem kleinen Apartment am anderen Ende der Stadt und ... Naja, so schlimm wie seine vorhergehende Wohnung war es nicht mehr. Zumindest hatte er nicht ständig den Geruch der Mülltonnen in der Nase und der Verwalter kümmerte sich um einen guten Hausmeisterdienst.
Vashtu kam ihm gerade entgegen die Treppen hinunter, als er diese in Angriff nehmen wollte. Die Antikerin stockte kurz und runzelte die Stirn, ehe sie den Kopf senkte und zu ihm hinuntersah. Diese Reaktion kannte er zwar inzwischen, aber er konnte sie sich nicht erklären.
„Peter, schön, Sie zu sehen", sagte sie, doch ein Unterton in ihrer Stimme verriet, daß es ihr lieber gewesen wäre, wäre er nicht hier.
Was war denn nur los? Seit er sich die Gentherapie hatte geben lassen, angeblich mit ihrem Einverständnis, wie er Beckett angegeben hatte, verhielt sie sich ihm gegenüber sehr distanziert. Zunächst, solange sie noch auf Atlantis gewesen waren, glaubte er die Antwort in ihrem innigen, und nervtötenden!, Verhältnis zu Colonel Sheppard finden zu können. Doch auch nach ihrer Rückkehr zur Erde ging sie auf Abstand. Dabei hatte er vorher geglaubt, das Eis zwischen ihnen sei endgültig gebrochen.
„Ich wollte nach Ihnen sehen", sagte er und runzelte die Stirn. „Sollten Sie nicht zu Hause bleiben?"
„Ich habe mir den Arm gebrochen, nicht das Bein", entgegnete sie, drückte sich mit einer Grimasse an ihm vorbei.
„Und wo wollen Sie hin? Jetzt, um diese Uhrzeit?" Er folgte ihr wieder zurück zur Straße.
Vashtu blieb stehen und seufzte, dann drehte sie sich zu ihm um. „Das geht Sie nichts an, Peter. Aber wenn Sie es so unbedingt wissen wollen: Ich treffe mich mit jemandem."
Babbis stutzte. „Sie treffen sich mit jemandem?" Aufmerksam sah er sie von Kopf bis Fuß an. Sie trug normale Straßenkleidung, eine Windjacke hatte sie sich locker umgehängt, da der Abend doch etwas kühl geworden war.
Zumindest war der Colonel nicht hier. Also konnte es wohl nicht so ernst sein. Aber trotzdem. Warum und mit wem traf sie sich denn jetzt schon wieder?
„Es ist schön, daß Sie mich besuchen wollten, Peter, aber im Moment habe ich wirklich keine Zeit." Sie sah ihn streng an. „Wenn Sie an einem anderen Tag kommen würden ... Ich hätte da ohnehin noch eine Kleinigkeit mit Ihnen zu klären."
Babbis stutzte. „Und was?"
Ein Sportwagen hielt am Straßenrand und hupte einmal kurz.
Vashtu drehte sich um und winkte.
Babbis sah vom Fahrtwind zerzauste dunkle Haare und ein Gesicht, das ihn einen Moment lang stutzen ließ. War das nicht? Aber der befand sich doch auf ... ? Er schüttelte den Kopf.
„Ich muß los." Vashtu wandte sich ab.
Da fiel ihm etwas ein. „Warten Sie! Ich soll Ihnen noch etwas geben."
Widerstrebend blieb sie stehen und drehte sich wieder zu ihm um. „Ja?"
Er holte die Schriftrolle aus seiner Jackentasche und hielt sie ihr hin. „Teal'c hat sie für Sie abgegeben. Er sagte, es ginge um irgendeinen Wettkampf."
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Dann ziehen die Jaffa es tatsächlich durch! Hätte ich nicht gedacht. Richten Sie ihm meinen Dank aus und ... Ich melde mich bei ihm."
Babbis blinzelte. "Und was ziehen die Jaffa durch?"
Vashtu grinste, stopfte die Schriftrolle in ihre Jackentasche. "So eine Art Olympische Spiele", erklärte sie. "Nur eben für Jaffa und mit Sportarten und Techniken der Jaffa. Bis dann!" Damit joggte sie zu dem wartenden Wagen hinüber und stieg ein.
Babbis blieb stirnrunzelnd am Straßenrand stehen und sah ihr nach, bis der Wagen verschwunden war.
Woran lag das bloß? Warum nahm sie ihn einfach nicht wirklich wahr?
Er ging zu seinem Wagen zurück, blieb an der Fahrertür stehen und beugte sich über den Außenspiegel. Mit beiden Händen begann er, sein Haar zu bearbeiten, bis es verwuselt war und etwas von seinem Kopf abstand.
Nachdenklich betrachtete er sich einen Moment lang, dann zuckte er sichtlich zusammen, verzog das Gesicht und kämmte sich, ebenfalls beide Hände einsetzend, die Haare wieder in seine vormalige Frisur zurück.
Das fehlte noch!
Über sich selbst wütend stieg er in seinen Wagen und fuhr los.

***

Vashtu nippte an ihrem Rootbeer und stellte die Flasche wieder ab, während sie sich aufmerksam in dem Lokal umsah. „Mexikanisch essen war ich noch nie", gab sie dann zu und sah ihren Gegenüber lächelnd an. „Danke für die Einladung."
Tom nickte. Er schien sie nicht eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Sein Mienenspiel glitt zwischen Lächeln und Staunen hin und her. „Sie kommen wohl nicht aus den Staaten, oder?"
Vashtu senkte den Blick und betrachtete den knallbunten Platzteller vor sich. „Nicht richtig, nein", antwortete sie.
Wie sollte sie denn erklären, woher sie kam, wenn er fragte? Plötzlich ging ihr auf, daß sie keine Ahnung von seiner Sicherheitsstufe hatte. Es könnte peinlich werden, auf jeden Fall aber ziemlich unglaubwürdig, wenn sie ihm auch nur ansatzweise die Wahrheit erzählen wollte.
„Dachte ich mir. Ihr Name klingt irgendwie ... asiatisch?"
Asiatisch? Okay, sie mochte chinesisches Essen. Das war doch schon mal was.
„Ja, stimmt. Ich komme aus Asien. Gebürtig, versteht sich."
Jetzt sah er sie irritiert an, beugte sich vor. „Ich trete Ihnen doch nicht zu nahe, oder? Wenn es für Sie zu ... Lassen wir das Thema." Er machte eine kurze, wegwerfende Geste und richtete sich wieder auf.
„Wo kommen Sie denn her, Tom?" fragte sie.
„Atlanta. Das war zumindest eine der Stationen, wo ich länger hängengeblieben bin." Er verzog unwillig das Gesicht. „Mein Vater war bei der Army."
Sie nickte. „Aber Sie sind es nicht."
Auf Atlantis war das früher etwas anders gewesen. Wer in das Militär eintrat, schaute meist auf eine ziemliche Ahnenreihe zurück, ebenso wie es den Wissenschaftlern ergangen war. Wahrscheinlich hatte sie deshalb den bequemen Weg eingeschlagen ...
„Nein, ich bin es nicht. Sie haben ja meine Karte." Er beugte sich wieder vor, stützte die Ellenbogen auf den Tisch, faltete die Hände und legte sein Kinn darauf. Sinnend musterte er sie. „Bei Ihnen allerdings ... Was machen Sie beruflich?"
„Oh!" Vashtu lehnte sich zurück und knabberte an ihrer Unterlippe. „Ich ... ich bin in der Forschung."

***

„Können Sie das testen?" Dr. Caylep hielt ihr etwas hin.
Vashtu runzelte die Stirn. „Das ist ..."
„Bitte, nehmen Sie es in die Hand, ja? Können Sie es aktivieren?"
Der Wissenschaftler erntete einen verächtlichen Blick von ihr. Sie griff nach dem kleinen würfelförmigen Gerät, das auf der Stelle aufleuchtete, sobald sie es berührte.
„Und weiter?" fragte sie genervt.
„Was ist es?" Caylep beugte sich fasziniert vor.
Vashtu verzog das Gesicht, konzentrierte sich kurz und ließ das Gerät anspringen. Eine einlullende Melodie erklang und Lichtreflexe schimmerten auf den Wänden des Labors.
„Das ist ein Nachtlicht für Kinder."

***

„Forschung? Interessant. Ihre Visitenkarte gab ja leider nicht allzu viel her. Ich konnte gerade herausfinden, daß Sie wohl für eine Regierungsbehörde arbeiten. Was machen Sie denn genau?" Vashtu zögerte, nagte weiter an ihrer Unterlippe. „Oh, eigentlich bin ich im aktiven Bereich, Kundenrequirierung sozusagen."

***

„Jetzt reicht es!" Drohend hob sie die P-90 und hielt sie dem Warlord direkt vor die Nase. „Du pfeifst sofort deine Leute zurück, sonst kannst du dir ein neues Gehirn bestellen. Klar?"
Theorim nickte und sah sie flehend an, während er die Hände hob.
„Wir sind hergekommen, um mit dir zu verhandeln. Und du lockst uns in eine Falle? Ich dachte, wir seien Geschäftspartner."
„Das war die Anweisung von Rodirhc", wisperte er.
„Rodirhc?" Ihre Augen glänzten kalt. „Wer ist Rodirhc? Wieso kenne ich diesen Namen nicht?"
„Er ist der, dem ich mich angeschlossen habe." Theorim schien vor ihren Augen immer mehr zusammenzuschrumpfen.
„Dann wirst du jetzt diesen Rodirhc kontaktieren und ihm sagen, daß Vashtu Uruhk von der Erde ihm das nächste Mal sein verdammtes Mutterschiff unter seinem beschissenen Arsch wegschießt, wenn er das noch einmal versucht. Klar? SG-27 ist ein Handelspartner für die Lucian Alliance, ich lasse mir das von einem durchgeknallten Vollidioten nicht vermasseln! Bisher hat es doch zwischen uns gut geklappt, oder, Theorim?"
Er nickte nur mit großen, feuchten Augen.
„Alles verstanden?"
Wieder ein Nicken.
Durchdringender Uringeruch stieg Vashtu in die Nase. Sie richtete sich mit noch immer verhärtetem Gesicht auf, hielt die Waffe aber weiter im Anschlag.

***

„Also im Außendienst? Klingt interessant." Tom lächelte.
Vashtu zog eine Grimasse. „Naja, manchmal", antwortete sie. „Aber meist ... äh, doch eher Innendienst, sozusagen. Man schätzt meine ... Überredungskunst."

***

Sie krachte mit der Schulter gegen die Wand und mußte einen Schmerzenslaut unterdrücken. Ihre Schmerzschwelle war auf jeden Fall noch nicht wieder auf dem alten Standard, mußte sie zugeben. Als sie sich umdrehte, schmierte ihr Blut über die Wand.
„Jetzt hörst du mir zu!" Ihre Linke glitt um den Griff der Beretta. „Ich habe keine Ahnung, was das alles soll. Bis jetzt sind wir keine Feinde gewesen. Und ich, an deiner Stelle, würde das auch nicht wollen!"
Rodirhc starrte sie an. Sein kantiges Gesicht verdüsterte sich noch weiter. „Auf die Erdmenschen können wir getrost verzichten! Wir brauchen euch nicht!"
Die Sicherung klickte. „Noch einmal so ein Versuch, mein Lieber", knurrte sie und hob die Waffe. Ihr rechter Arm schmerzte noch immer.
Wo hatte dieser Kerl nur eine Handfeuerwaffe her? Und warum war sie auf diesen dämlichen alten Trick hereingefallen?
„Herr, mein Herr. Wir sollten auf Vashtu Uruhk hören. Sie hat bis jetzt noch keinen schlechten Handel mit uns geschlossen." Theorim, der immer noch auf den Knien kauerte, hatte flehendlich die Hände gehoben.
Die Antikerin nahm Rodirhc ins Visier. „Das willst du nicht wirklich, mein Lieber", zischte sie. Ihre Pupillen wurden groß.
Der Warlord zuckte zurück, als er in ihre Augen sah. Dann spuckte er vor ihr auf den Boden. „Verdammtes Weib. Es ist ein Kopfgeld auf solche wie dich ausgesetzt. Wir wollen nichts mehr mit euch zu tun haben. Packt euren Kram und macht, daß ihr verschwindet. Das nächste Mal ..."
„Das bestimme ich!" Ihre Stimme klirrte wie Eis. Noch immer zielte sie sehr sorgfältig auf einen Punkt zwischen seinen Augen. „Und du wirst mir zuhören, du kleiner Idiot. Für wen hälst du dich, hä? Du bist doch nur ein kleines Licht, noch dazu eines, das sich mit den falschen Leuten anlegen will." Sie trat näher, hob den anderen Arm, auch wenn das schmerzte. Sichernd legte sie ihre rechte Hand um das Handgelenk der Linken. „SG-1 ist es, die du willst. Ich leite SG-27. Kannst du überhaupt zählen? Dann benutz doch mal deine zehn Finger. Ich gebe dir einen Tip: Zweimal alle und dann noch sieben. Meinetwegen kannst du auch gern deine Zehen dazunehmen, Rodirhc."
Der knurrte. Irgendetwas mit ihm stimmte nicht. Er wirkte wie hochgeputscht. Und er hatte verdammt viel Kraft.
„Ich kann mich auch an deinen Boß wenden, mein Lieber. Der kann dir anhand deiner ausgeschlagenen Zähne vorzählen, um wieviel du dich verschätzt hast. Noch einmal, ich bin eine Handelspartnerin, und meine Männer ebenso. Wir sind eure Verbindung zur Erde. Was andere Teams machen, geht mich nichts an!"
„Das ist so, Herr!" heulte Theorim.
Rodirhc fixierte sie noch immer. „Wenn ich dich für deine Beleidigungen am Leben lasse, Weib, werde ich dich in Einzelteilen zurück zu deiner geliebten Erde schicken." Mit einem tiefen Wutgebrüll stürzte er unvermittelt auf sie zu.
Sie schoß, doch sie verriß die Beretta. Wieder knallte sie gegen die Wand. Sterne leuchteten kurz vor ihren Augen, als erneuter Schmerz durch ihren rechten Arm zuckte, dann ging sie zum Gegenangriff über und wuchtete dem Warlord den Lauf ihrer Waffe ins Gesicht.
Rodirhc ächzte, wich jedoch nicht zurück. Wie Windmühlenflügel ratterten seine Arme, seine Fäuste prasselten auf sie nieder. Vashtu blieb nichts anderes, als ihm ihren ohnehin verwundeten Arm hinzuhalten, um mit der stärkeren Linken zuschlagen zu können.
Sie ballte die Faust um die Beretta und aktivierte die Wraith-Zellen. Das fiel ihr immer noch schwer, aber es ging. Allerdings drückten die Schmerzen in ihrem Arm sie immer weiter nieder. Sie legte alle Kraft in ihren Verteidigungsschlag und wuchtete Waffe mit Faust nach oben an sein Kinn.
Rodirhc taumelte einen Schritt zurück. Vashtu setzte einen wuchtigen Tritt hinterher, traf seine edelsten Teile und sah, wie er vor ihr zusammensackte.
Breitbeinig stellte sie sich über ihn und starrte auf ihn nieder. „Noch so ein Versuch und du bist Geschichte, mein Bester", knurrte sie und entsicherte die Waffe wieder. Die Beretta bellte eine Kugel aus. Rodirhc heulte getroffen auf und schlug lang hin.
„Das ist jetzt ein Vorgeschmack dessen, was dich erwartet, solltest du dich noch einmal mit mir anlegen wollen", sagte sie, zielte auf die andere Schulter. „Typen wie dich habe ich in letzter Zeit mehr als genug gehabt, Rodirhc. Das solltest du dir merken. Ich gebe gern weiter, wenn du eine Nachricht für SG-1 hast. Aber verwechsle mich niemals wieder mit ihnen, klar? Hast du ein Problem damit?"
Sie sah den Schlag kommen, riß die Waffe hoch und drückte ab.
Der Leibwächter taumelte zurück und sank in sich zusammen. Ein blutiges Loch war in seine Brust gestanzt.
Sofort senkte sie die Waffe wieder. „Ich bin ein wenig ungeduldig, Rodirhc, und ich hätte gern sofort eine Antwort. Willst du weitermachen?"
Endlich schien er von seinem Trip herunterzukommen, starrte sie keuchend an. Dann schüttelte er den Kopf.
Vashtu sah ihn immer noch sehr genau an. Sie traute diesem Mann nicht, sie traute ihm ganz und gar nicht. Die nächste Kugel traf den Metallboden direkt neben seinem Ohr, dann stieg sie von ihm herunter, die Beretta noch immer im Anschlag.
„Und jetzt gibst du mir den Steuerkristall des Gates und wir gehen", befahl sie kalt.
Rodirhc ächzte und schob sich mühsam hoch bis in eine halbsitzende Position. Er murmelte irgendetwas.
Theorim eilte herbei und kramte in einer Kiste.
Vashtu sicherte den Warlord weiterhin. „Noch so ein Versuch, Rodirhc, und das nächste Mal sind es nicht nur deine Männer, für die du Gräber schaufeln kannst. Ich bin im Moment ein bißchen mißgestimmt und möchte nur noch nach Hause. Wenn du ein weiteres Problem hast, dann klär das mit deinen Mittelchen, nicht mit mir."
Theorim brachte ihr den Kristall. Katzbuckelnd wartete er auf weitere Anweisungen. Doch Vashtu wandte sich nur ab und ging, ihre P-90 wieder vom Boden aufsammelnd.

***

„Was ist passiert?" Tom klang plötzlich mitfühlend.
Vashtu schüttelte den Kopf. Gern hätte sie jetzt die Arme überkreuzt, aber das verhinderte der Gips. „Nichts weiter", sagte sie und lächelte ein wenig gequält. „Etwas, was ich nicht erwartet hatte. Aber es hat sich bereits geklärt."

***

Kaum war sie auf der anderen Seite des Wurmlochs angekommen, lag sie auch schon unter Beschuß. Fluchend warf sie sich zur Seite und eröffnete das Sperrfeuer, um ihrem Team die Möglichkeit zu geben, Deckung zu suchen.
Was war denn nur in Theorim gefahren?
Dorns Sturmgewehr knallte hart auf der anderen Seite des Tores.
„Rückzug zum Gate, SG-27", hörte sie Landrys Stimme. Und unvermittelt kochte kalter Zorn in ihr hoch.
„Negativ, Sir. Wir bleiben hier!"
„Miss Uruhk, Rückzug, sofort!"
Sie lächelte kalt. „Verzeihung, Sir, aber das wird nicht gehen. Wir liegen unter schwerem Beschuß."
Das Wurmloch fiel in sich zusammen.

***

„Sicher? Sie sehen nicht so aus, als wäre es für Sie wirklich vorbei." Tom schob seine Hand über den Tisch, als wolle er sie berühren.
Vashtu blickte auf, zögerte einen Moment, dann nickte sie. „Es ist vorbei. Es geht mir besser."

***

General Landry trat in das Labor, als sie gerade das Nachtlicht mit einem verächtlichen Blick wieder auf den Labortisch zurückstellte. Forschend sah er sie an, als sie sich zu ihm umdrehte.
„Miss Uruhk, wie geht es Ihnen?" fragte er.
Sie warf dem Wissenschaftler noch einen langen Blick zu, dann nickte sie. „Bereit, Sir. Ich kann mit meinem Team ausrücken, sobald Sie mir einen Einsatzbefehl geben."
„Dr. Beckett schrieb in seinem Bericht, daß Ihre Fremdgene vielleicht noch nicht ihre alte Stärke erreicht haben", wandte Landry ein.
„Ich denke, ich komme damit klar, Sir. Ich will ja nicht gleich in den Krieg ziehen." Sie lächelte gequält und schickte ihm gedanklich die flehentliche Bitte, sie aus diesem Irrenhaus herauszuholen.
„Ich weiß, eigentlich sollte ich die abschließenden Tests, vor allem die psychologischen, abwarten", fuhr Landry fort, „aber es hat sich da etwas ergeben. Einer Ihrer Kontaktmänner zur Lucian Alliance hat sich bei uns gemeldet und behauptet, er hätte da einen besonderen Handel für uns. Theorim, Warlord auf Sikema."
„Theorim?" Sie kreuzte die Arme vor der Brust. „Meines Wissens wollte er sich, als wir uns das letzte Mal sahen, einem höheren Lord anschließen, Sir. Es kann gut sein, daß man dort an einem Handel mit der Erde interessiert ist."
Landry winkte ihr mit einer Hand und trat hinter ihr aus dem Labor in den Gang hinaus. „Ja, Theorim. Er will nur mit Ihnen sprechen. Sie scheinen wieder einmal ein Händchen für Außenweltkontakte zu haben, Miss Uruhk", antwortete er. „Dennoch bleibt die Frage, ob Sie schon wieder einsatzfähig sind."
„Das bin ich, Sir." Sie wanderte neben ihm den Gang hinunter. „Ich denke, Dr. Heightmeyer wird das bestätigt haben. Was passiert ist, mag zwar ... hart sein für mich, aber je eher ich wieder durch das Gate gehe, desto besser. Das meinte sie auch."
„Ich habe den Bericht gelesen, Miss Uruhk." Landry seufzte, musterte sie von der Seite. „Trotzdem bin ich besorgt. Sie sind die einzige hier, die den Stuhl auf Antarktica vollständig bedienen kann. Und wer weiß, was Sie noch können, wovon Sie und wir noch keine Ahnung haben. Ich würde ungern auf Sie verzichten, Miss Uruhk."
„Danke, Sir." Sie lächelte. „Und ich hoffe, meine Nützlichkeit bezieht sich nicht nur auf den Kontrollstuhl."
Landry blieb stehen und öffnete die Tür zu einem Büro. Kurz blickte er hinein, um sicherzugehen, daß es leer war, dann winkte er sie herein und wartete. Noch einmal unterzog er sie einer kritischen Musterung. „Sie sind eine ausgezeichnete Pilotin, das gebe ich auch gern zu. Um ehrlich zu sein, der Kontakt nach Atlantis soll in den nächsten Monaten noch weiter ausgebaut werden. Sie haben doch sicher die Midway Station gesehen auf Ihrem Rückweg."
Sie nickte. Unwillkürlich tastete sie nach der Kette um ihren Hals. Die Kette, an der der Steuerkristall hing.
Landry hob die Brauen. „Ja, auch deshalb. Dr. McKay versicherte mir glaubwürdig, daß man Sie ab und an auf Atlantis braucht - ab und an, Miss Uruhk, nicht für immer." Er hob die Hand und sah sie eindringlich an. „Ihre Aufgaben werden sich also in den nächsten Monaten erweitern, wie es aussieht. Sobald ein regelmäßiger Verkehr über die Gatebridge eingerichtet wird, sind Sie mit dabei. Ihr Dienst wird sich dann wochenweise nach Atlantis verschieben."
Sie nickte strahlend. Ihr Herz tat einen Hüpfer.
„Wohl gemerkt wochenweise", wiederholte Landry. „SG-27 wird halb in den Innendienst verlegt, zur Auswertung und Katalogisierung der Fundstücke, und zwar solange, bis Sie jeweils wieder zurück hierher kommen." Er zögerte, sah sie noch einmal sehr genau und eindringlich an. „Außerdem besteht eine dringende Anfrage von General O'Neill, was Sie betrifft. Offensichtlich haben Sie Colonel Caldwell mit ihren Fähigkeiten in den F-302 sehr beeindruckt. Sie werden also ebenfalls ein Pilotentraining absolvieren." Wieder zögerte er, diesmal wurde sein Gesicht jedoch starr. „Es gibt nur eine Voraussetzung, Miss Uruhk, und auf die muß ich leider im Namen aller beteiligten Regierungen bestehen."
Vashtu sah den General fragend an. „Was?" Ihre Stimme klang tonlos.
So nahe an der Erfüllung ihrer Träume. Endlich ein richtiges Leben, und doch eine Chance für John und sie. Lange genug hatten sie gezögert, über ein Jahr lang hatten sie zwar um ihre Gefühle zueinander gewußt, sie jedoch immer wieder von sich geschoben. Und auch das SGC hatte es ihnen nicht einfach gemacht durch die Unterbindung des Kontaktes zwischen ihnen. Aber jetzt schien sich das plötzlich zu ändern.
„Sie müssen in die Streitkräfte eintreten, Miss Uruhk", antwortete Landry endlich. „Wenn Sie einwilligen, steigen Sie sofort in den Rang eines Majors bei der USAF auf, weit genug sind sie dafür. Aber mit Ihren Eskapaden wird es dann so nicht mehr weitergehen."
„In die Streitkräfte, Sir?" Ihre Augen weiteten sich. „Aber ... bisher bin ich Beraterin, und ich bin damit zufrieden."
„Sie vielleicht, aber nicht die Regierung." Landry seufzte. „Wir haben uns schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt, als es darum ging, Ihnen ein Team zu geben, Miss Uruhk. Das SGC ist eine militärische Einrichtung, das dürfte Ihnen auch klar sein. Was jetzt aber geschieht, geht weit über einige, entschuldigen Sie, aber relativ unbedeutende Einsätze hinaus. Natürlich weiß ich, daß Sie sich und Ihr Team zu etwas gemausert haben, was durchaus gegen bisher stärker eingeschätzte Teams Bestand hat. Aber sollten Sie wirklich, kommt es zu einem Krieg mit den Ori, an der Front kämpfen, können wir uns das rechtlich nicht mehr leisten. Wollen Sie fliegen, müssen Sie in die Air Force, so die Entscheidung. Es ist nicht die meine, das können Sie mir glauben."
Vashtu schluckte und senkte den Blick. „Was würde sich ändern, Sir?" fragte sie nach einer kleinen Weile.
Landry kniff kurz die Lippen zusammen. „Es dürfte Ihnen klar sein, daß dann gewisse Regeln für Sie gelten, die ich bislang ... sagen wir, sehr weit ausgelegt habe. Manche Dinge, die Sie sich geleistet haben, sind nicht vertretbar für das Militär. Auf der anderen Seite wissen wir durchaus zu schätzen, was Sie sind und was Sie leisten können. Sie behaupten zwar, keinerlei militärische Kenntnisse zu besitzen, Miss Uruhk, aber, ehrlich gesagt, glaube ich Ihnen das bis heute nicht."
Etwas hilflos zog sie die Schultern hoch, antwortete aber nicht.
„Überlegen Sie es sich, Miss Uruhk. Das Angebot ist nicht schlecht. Sie haben die richtigen Leute von Ihrem Können überzeugt. Aber niemand drängt Sie, sich jetzt und hier zu entscheiden."
Sie nickte nachdenklich und sah wieder auf. „Wann wird die Gatebridge letztendlich eröffnet?"
„Sobald die Midway Station fertig ist. Das wird noch ein paar Monate dauern."
Sie spannte die Kiefer an. „Bis dahin haben Sie meine Entscheidung ganz sicher, Sir."
Landry nickte. „Gut. Was jetzt Ihren Kontaktmann bei der Lucian Alliance angeht ..."
„Ich bin bereit, Sir. Sobald ich mein Team zusammengetrommelt habe, können wir abrücken." Ihre Stimme klang fest.
Landry sah sie wieder nachdenklich an, dann nickte er. „Meines Wissens sind Dr. Wallace und Dr. Babbis in der Einrichtung. Sergeant Dorn muß noch informiert werden. Bereiten Sie alles vor, Miss Uruhk. Sobald Ihr Team beieinander ist, rücken Sie aus."
„Ja, Sir." Sie lächelte.

***

Das Essen kam.
Vashtu gingen die Augen über, interessiert schnupperte sie, nahm dann ihren Löffel und tauchte ihn in die leicht supprige Masse. „Ich habe noch nie Chili gegessen", sagte sie.
Tom musterte sie wieder. Ein leichtes Schmunzeln lag auf seinem Gesicht.
Vashtu probierte. Es schmeckte scharf und würzig. Nachdenklich kaute sie darauf herum und fragte sich, woran der Geschmack sie erinnerte.
„Schmeckt es?"
Sie nickte und schob sich einen weiteren Löffel in den Mund. „Köstlich."
Tom beobachtete sie, während sie aß. Irgendwie irritierte sie das ein wenig und sie kontrollierte sich selbst plötzlich sehr genau. Schließlich richtete sie sich auf. „Was ist?" fragte sie.
„Es ist selten, daß eine Frau so ... Sie sind die erste Frau, die ... Sie haben Hunger", stammelte er schließlich.
Vashtu runzelte die Stirn, nippte wieder an ihrem Rootbeer. „Ja, und?"
„Das ist selten. Normalerweise bestellen Frauen sich Salate und knabbern ein wenig daran", versuchte er zu erklären. „Aber Sie ... sind anders."
Vashtu sah stirnrunzelnd auf ihren Teller hinunter, dann legte sie den Löffel zur Seite und griff sich die Gabel, um vorsichtig ein Salatblatt der Beilage aufzuspießen. „So besser?"
„Um Gottes Willen, essen Sie ruhig, wenn es Ihnen schmeckt!" Tom lachte plötzlich über ihr verdutztes Gesicht. „Es tut gut, einmal eine Frau in seiner Nähe zu haben, die nicht jede Kalorie zählt."
Vashtu war verwirrt und ließ die Gabel sinken. Das Salatblatt versank im Chili. „Scheinen merkwürdige Frauen zu sein, mit denen Sie sich sonst treffen", bemerkte sie.
Hilflos hob er die Schultern. In seinen Augen lag noch immer ein Lachen. „Oder Sie sind merkwürdig, Miss Uruhk. So genau kann ich das noch nicht sagen. Aber es ist mir gleich zu Anfang aufgefallen an Ihnen. Haben Sie nicht bemerkt, daß Sie so ziemlich die einzige Frau waren, die am Stadion einen Hotdog mit sämtlichen Beilagen gegessen hat?"
Sie runzelte die Stirn. „Dorn hat ihn mir ausgegeben, weil er der Meinung war, es sei der beste Hotdogstand im ganzen Land. Ich konnte ihm nur recht geben."
„Sie sind einfach köstlich, Vashtu, wenn ich Sie so nennen darf!" Wieder lachte er.
Sie zuckte mit den Schultern. „Warum sollte ich etwas dagegen haben." Sie bemerkte ihren Fauxpas mit dem Salatblatt und zog es aus dem Chili. Kritisch musterte sie es, steckte es sich dann in den Mund und kaute.
„Sie bewegen sich wohl sehr viel, daß Sie so zuschlagen können, wie? Outdoor-Fan?" erkundigte Tom sich.
Sie schluckte das Salatblatt mit dem Chili und sann dem Geschmack nach. „Könnte man sagen. Ich bewege mich zumindest viel."

TBC ...

2 Kommentare:

  1. hey =)
    hehe ^^ also das was vashtu über ihren beruf erzählt klingt ja doch recht hermlos im gegensatz zu den errinnerungen der letzten tage die vashtu dann im anschluss hat.
    sie soll im militär eintreten und darf ab und an atlantis einen besuch abstatten? so langsam merken die wohl doch das man vashtu braucht ;)
    aber ich fand babbis in dem kapitel lustig :D stellt sich vor den außenspiegel und verwuschelt erstmal seine haare ^^ ja genau mit der neuen "frisur" würde vashtu ihn auch gleich viel mehr wahrnehmen ;P
    LG Sabrina

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  2. *freu* Damit hast du mich jetzt echt nochmal wach gemacht und ein breites Grinsen in mein Gesicht gezaubert! *jubel* Du hast verstanden, daß es Erinnerungen sind, klasse! Also hat die Story doch funktioniert. Danke, danke, danke!

    Jetzt aber genug gejubelt. *grins* Ja, Vashtus Erklärungen und das, was tatsächlich passiert ist, klafft doch ziemlich auseinander. Aber was soll sie auch anderes erzählen? Tom hat ja nicht die nötige Geheimhaltungsstufe, er darf ja nicht wissen, was sie wirklich macht.
    Ja, Vashtu soll in die Air Force. Sagen wir, die richtigen Stellen haben gemerkt, daß es vermutlich besser ist, zumal nach der Sache mit Kolya, Vashtu irgendwie unter Kontrolle zu halten. Immerhin, sie hat mehr Zugriff auf den KOntrollstuhl als irgendjemand sonst.
    Okay, das Lob für die kurze Babbis'Szene gebührt nicht mir. Jemand bestimmtes meinte seinerzeit, daß seine Eifersucht dadurch deutlicher werden würde. Beim Überarbeiten überlegte ich, das kurze Intermezzo zu löschen, habs dann aber drin gelassen.

    Dank dir für dein Comment - und ich bin immer noch happy!

    Bis denne
    Ramona

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