23.03.2010

Becketts letzter Dienst II

John stemmte sich auf einen Ellenbogen und sah auf die Antikerin neben sich hinunter. Sacht legte er ihr einen Finger an die Stirn und begann, mit diesem ihr Gesicht nachzuzeichnen.

Vashtu öffnete die Augen halb und beobachtete ihn.

Er lächelte, ließ seinen Finger über ihr Kinn gleiten. Sie hob den Kopf in den Nacken, so daß er ihre Kehle streicheln konnte. Dann harkte er den Finger in die Kette ihrer Hundemarken und schob die beiden ID-Kärtchen unter ihrem Rücken hervor, um sie aufmerksam zu studieren. Dabei spürte er die ganze Zeit ihren Blick auf sich, einen inzwischen ziemlich zufriedenen Blick, nach dem ersten Schrecken am Morgen.

„Du bist immer noch nicht damit einverstanden", sagte sie plötzlich.

John schüttelte wortlos den Kopf, beugte sich ein wenig vor und ließ seine eigene Kette gegen ihre klimpern.

„Es ging nicht anders, glaube mir", fuhr sie fort.

John ließ die Hundemarken los und richtete seinen Blick wieder auf ihr Gesicht. „Wenn du meinst ..." Seine Hand lag locker auf ihrem Decoleté, knapp unter ihren Schlüsselbeinen. Ihre Haut war weich und noch ein wenig erhitzt von ihrem Liebesspiel.

Vashtu sah ihn wieder an, dann hob sie langsam ihren Arm und fuhr seine Wange entlang. Er hörte, wie seine Bartstoppeln an ihrer Handfläche kratzten. „Soll ich mich rasieren?"

Unwillig schüttelte sie den Kopf. „Das stört mich nicht."

Sie ließ ihre Hand wieder sinken, rollte sich statt dessen auf die Seite und kam in der gleichen Position zu liegen wie er, den Oberkörper auf einen Ellenbogen gestützt. „John, ich ... da ist etwas, was du wissen solltest", sagte sie.

Er legte ihr einen Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf. „Es gibt nichts, was ich nicht weiß, Vash", korrigierte er sie. „Es ist mir nicht entgangen, daß du ..." Den Rest des Satzes ließ er offen, zwinkerte ihr nur zu. „Ich kann nur hoffen, dir keine allzu großen Schmerzen bereitet zu haben. Ist schon eine Weile her bei mir."

„Schmerzen?" Sie küßte seinen Finger. In ihre Augen trat ein spitzbübisches Glitzern. Nachdenklich schürzte sie die Lippen. „Ich kann mich an gar nichts erinnern."

Er stieg sofort auf ihr Spiel ein und rückte näher. „Tatsächlich nicht?"

Vashtu beugte sich vor und küßte ihn liebevoll. „Tatsächlich nicht."

Blitzschnell zog er sie wieder an sich und rollte sich auf den Rücken. „Dann sollten wir, nur zur Sicherheit, das ganze noch einmal wiederholen. Oder was denkst du?" Ihre Brüste drückten sich gegen seinen Körper, er holte tief Luft, als ihre Hände über seine Seiten abwärts strichen. Ihre Daumen drückten sich in seine Beckenknochen, doch nicht wirklich schmerzhaft.

„Damit ich es nicht vergesse?" wisperte sie in seine Kehle, bedeckte seinen Hals mit kleinen Küssen.

„Ja ..."


***


John schlüpfte in seine Boxershorts, richtete sich dann auf und sah sich um. Stirnrunzelnd bemerkte er die Kerzen in der einen Ecke des Raumes. Vorher war ihm das schlicht entgangen, aber da ... war er auch anderweitig beschäftigt gewesen.

Viel gab es in Vashtus Schlafzimmer nicht zu entdecken. Das Bett stand unter einem Fenster, das in den Innenhof hinausging. Von hieraus hatte man wahrscheinlich einen relativen Blick auf mögliche Besucher. Dann in der Ecke ein breites Sitzkissen und einige Kerzen. Jetzt war es ihm auch, als könne er einen Hauch von Räucherstäbchenduft wahrnehmen. In der Ecke ein wuchtiger Kleiderschrank mit zwei Türen, an einer hing ihre Uniform. Vier Paar Schuhe standen neben dem Glaskasten, einem Terrarium, in dem sein Hemd halb hineinhing. Der Boden war mit einem dicken Teppich bedeckt, in dem seine Zehen zu versinken schienen.

John schürzte nachdenklich die Lippen, erhob sich dann aber und griff nach seinem Hemd.

„Autsch!"

Rasch zog er seine Finger wieder zurück und starrte irritiert auf eine kleine Schildkröte, die sich in seinen Mittelfinger verbissen hatte.

„Was ... ?"

„Was ist los?"

Er blickte leidend auf. „Wo hast du denn die Biester her?"

Vashtu starrte ihn einen Moment lang verblüfft an, dann begann sie zu glucksen und kam näher. Vorsichtig entfernte sie die kleine Schildkröte wieder von seinem Finger und ließ sie zurück in das Terrarium gleiten.

„Offensichtlich wissen sie sehr genau, wer sie zu Suppe verarbeiten wollte." Sie drehte sich wieder zu ihm um und nahm seine Hand. Sanft küßte sie seinen geröteten Finger.

„Hä?" John sah etwas hilflos auf das Terrarium. „Wer wollte die denn ... ?" Seine Augen wurden groß. „Oh!"

Vashtus Gesicht wurde ernst. „Es sind ... es waren Carsons Schildkröten."

Er starrte sie an. Dieses kleine Intermezzo hatte er inzwischen fast vergessen. Umso heftiger arbeitete es jetzt in ihm.

Vashtu sah ihn an, doch diesmal waren keine Tränen mehr in ihren Augen. Sie atmete tief ein, drängte sich dann an ihn. Unwillkürlich umarmte er sie wieder, legte seine Wange an ihr kurzes Haar. Gerade jetzt kam plötzlich alles wieder hoch in ihm. Und er wollte nicht daran denken. Der Tag war zu schön gewesen, einfach nur zu schön. Er wollte das jetzt nicht einfach so beiseite schieben.

„John, ich habe dich so vermißt." Vashtu preßte sich eng an ihn, hatte ihr Gesicht an seiner Brust vergraben.

Die Erinnerung verblaßte zu einem Bild: Carsons sanftes Gesicht, wie es wissend lächelte.

„Ich habe dich auch vermißt, Vash", wisperte er in ihr Haar. Ein trauriges Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus.

Ihm war gar nicht klar gewesen, wie sehr er sie vermißt hatte. So hatte er noch nie für irgendjemanden empfunden in seinem Leben. Als er sich im Streit von Vashtu getrennt hatte, war es ihm gewesen, als habe er sich ein Stück aus seinem Körper geschnitten. Ein scharfer Schmerz, heftiger als jeder, den er vorher bei jeder ihrer Trennungen erlebt hatte. Doch in den letzten Wochen hatte er diesen Schmerz vergraben, so tief in seinem Innern, daß er ihn beinahe hätte vergessen können. Wenn nicht ausgerechnet sie durch das Gate gekommen wäre, gerade als sie ...

Sein Magen knurrte.

Vashtu rückte ein bißchen von ihm ab, gerade weit genug, daß sie den Kopf heben konnte. Amüsiert betrachtete sie sein Gesicht. „Hattest du nicht schon genug?"

Er beugte sich über sie und küßte sie sanft. „Laß uns eine Kleinigkeit essen. Dann ..." Seine Lippen küßten ihre Stirn. „Wir haben noch viel Zeit, du und ich."

„Nimmersatt." Lachend löste sie sich von ihm, erntete einen liebevollen Klaps von ihm für dieses Sticheln.

„Wie wäre es mit ein paar Eiern? Die sind schnell gemacht." John trat an ihr vorbei, während sie begann, sein Hemd aus dem Terrarium zu retten, ehe die Schildkröten es für ein saftiges Salatblatt halten konnten. „Und ich müßte irgendwann ins SGC. Lorne wollte mir meine Tasche nachschicken."

Damit war er draußen auf dem Flur.

Auch hier sah er sich aufmerksam um.

Vashtus Apartment gefiel ihm, mußte er zugeben. Vielleicht etwas klein insgesamt, aber für eine Person mehr als genug Platz. Der Flur war ein bißchen eng, was vielleicht auch an dem etwas ausladendem Siteboard lag, daß neben der Schlafzimmertür stand. Eine alte Wandgarderobe barg neben seiner Uniformjacke noch drei andere: eine dünne Windjacke, eine dick gefütterte Winterjacke im sportlichen Schnitt, wie es aussah, und eine lederne Fliegerjacke.

John blieb stehen und musterte die letzte aufmerksam, nahm sie schließlich vom Haken und zog sie sich über. Sie paßte!

„Steht dir."

Er drehte sich zu der Antikerin um, die im Türrahmen lehnte und ihn amüsiert musterte.

„Deine?"

Vashtu nickte. „Ich muß allerdings die Ärmel umkrempeln. Kleiner kriegte ich sie nicht." Sie trat näher, stellte sich vor ihm auf und rückte die Jacke zurecht. „Doch, schick. Jetzt siehst du wirklich wie ein Pilot aus."

„Sagt Han Solo." Wieder umfing er sie, spürte ihre Hände, wie sie sich hinter seinem Rücken unter der Jacke verschränkten. „Wollten wir nicht etwas essen?"

Sie sah zu ihm hoch, dann kuschelte sie sich an seine nackte Brust. „Ich habe genug mit dir hier."

John war nun wirklich überrascht.

Gut, es war ihm nicht entgangen, daß sie nicht gerade viel Erfahrung besaß, am Anfang war sie viel zu passiv gewesen. Aber das jetzt ... ?

Er räusperte sich vernehmlich und machte sich wieder von ihr los. „Falls du sie irgendwann nicht mehr brauchst, weißt du, wem du sie vererben kannst." Damit schlüpfte er wieder aus der Jacke und hängte sie zurück an den Haken.

„Wie wäre es mit Pizza?" schlug Vashtu vor. „Dann könnten wir uns noch ein bißchen die Zeit vertreiben?"

„Wer ist hier der Nimmersatt?" Einen Moment überdachte er doch tatsächlich ihren Vorschlag. Doch irgendwie hatte er das sichere Gefühl, der arme Pizzabote würde vor einer sehr verschlossenen Tür stehen, wenn sie jetzt nicht irgendwann eine Pause einlegten. Außerdem, das mußte er zugeben, wollte er ihr etwas gutes tun. Und was gab es schon besseres als ein gutes Rührei, nach Möglichkeit mit Speck, zum Früh... okay, zum Abendessen, wenn er die Tageszeit bedachte?

Vashtu sah ihn erwartungsvoll an. Dann verzog sich ihr Gesicht ein bißchen. „Bin gleich wieder da", sagte sie, verschwand hinter der zweiten Tür.

John seufzte, doch er lächelte dabei.

Nie hätte er sich vorstellen können, was heute geschehen war. So weit waren seine Gedanken mit Vashtu wirklich nie gekommen. Gut, nach ihrem Aufenthalt in der Krankenstation hatte er eine gewisse Sehnsucht verspürt, hatte ihr nahe sein wollen. Vielleicht auch, weil er endlich zu seinen Gefühlen gestanden hatte. Aber dann war mit ihrer Entscheidung etwas in ihm ... Er hatte sich an seine eigene Entscheidung erinnert, damals, vor unendlich langer Zeit. Als Fehler hatte er seinen Eintritt in das Militär bis zu dem Zeitpunkt nie verstanden, als er Vashtus Brief erhielt. Danach war ihm allerdings der ein eine oder andere Gedanke gekommen, mußte er zugeben. Ihr gegenüber hatte er seinen Kopf durchsetzen wollen, obwohl er sehr genau wußte, daß sie selbst lernen mußte.

Er betrat wieder den Wohnraum, sah sich um. Auf dem Sofa lag noch ihre Jogginghose. Die Decke, unter der er gelegen hatte, war zerknüllt und halb auf den Boden geworfen. Der Fernseher lief immer noch.

Aufmerksam sah er sich um, betrachtete die Einbauküche hinter dem Tresen und nickte nachdenklich. Doch, so ähnlich könnte auch seine Wohnung aussehen, wenn er denn eine hätte. Der Stil gefiel ihm, wie Vashtu alles eingerichtet hatte. Man merkte deutlich, daß sie sich Zeit mit ihren Entscheidungen gelassen hatte, immerhin sollten die Möbel auch eine Weile halten.

John runzelte die Stirn.

Von seinen zehn waren noch neun Tage übrig. Viel zu kurz, wie es ihm im Moment erschien. Und niemand würde zulassen, daß sie mit ihm nach Atlantis kam, zumindest nicht für immer. Und er auf der Erde? Ehrlich gesagt, behagte ihm dieser Gedanke gar nicht mehr.

Er trat um den Tresen herum und öffnete den Kühlschrank.

Seine Augen wurden groß, als er in eine gähnende Leere blickte, nur unterbrochen von drei Dingen: eine große Sektflasche, einem Karton Eier und etwas, das entfernt an eine vollkommen durchweichte und inzwischen mit Schimmel überzogene Schachtel von einem asiatischen Imbiß erinnerte.

Mit spitzen Fingern fischte er letzteres aus dem Fach und suchte nach einem Mülleimer. Das Zeug da drin lebte ja wieder!

Unter der Spüle fand er endlich das gesuchte und entsorgte die Schachtel sofort mit einem angeekeltem Gesichtsausdruck.

Gut, zumindest Eier.

Er nahm die Schachtel heraus. Sein Blick blieb an dem Haltbarkeitsdatum hängen. Stirnrunzelnd sah er auf den großen Wandkalendar, den Vashtu an die Tür zum Wohnraum geheftet hatte, dann wieder auf das aufgedruckte Datum.

Viel Zeit schien sie in ihrer Wohnung wirklich nicht zu verbringen. Die Eier waren seit fünf Monaten abgelaufen. Ihn würde es nicht wundern, wenn inzwischen Küken geschlüpft wären.

John stellte die Schachtel auf die Arbeitsfläche neben dem Kühlschrank und betrachtete sinnend die vollkommene Leere. Irgendwie erinnerte ihn diese an etwas, besser an jemanden - an sich selbst.

Eilig schloß er die Kühlschranktür wieder.

Es konnte doch nicht sein, daß Vashtu nicht irgendetwas eßbares in ihrer Wohnung hatte. Der Reihe nach öffnete er eine Schranktür nach der anderen. Hier fielen ihm zusammengepappte Cornflakes in die Hände, dort ein Päckchen Pasta, über die sich schon die Motten hergemacht hatten.

Das gab es doch gar nicht! Wovon ernährte die Antikerin sich eigentlich?

„Und?"

Im nächsten Schrank fand er nichts als Teebeutel und einer Dose Instant-Kaffee. Resignierend drehte er sich zu ihr um. „Bist du sicher, daß du hier wohnst?" fragte er.

Vashtu hatte sich über den Tresen gebeugt, das Kinn auf ihre Unterarme gestützt, und blinzelte ihn verständnislos an. „Da sind doch noch Eier." Sie nickte zu dem Pappkarton hinüber.

John seufzte. „Die sind seit Monaten abgelaufen. Selbst mit einem Pferdemagen würde ich die nicht mehr runterbringen."

„Oh!" Vashtu richtete sich stirnrunzelnd wieder auf. „Ich dachte, ich hätte noch was im Schrank. Mh, kann sein. In der letzten Zeit bin ich nicht sehr viel zu Hause gewesen."

„Das merkt man", kommentierte John seufzend, ließ erst die Eier, dann die Cornflakes und die verseuchte Pasta im Mülleimer verschwinden.

„Pizza?"

„Oder wir gehen einkaufen."

Vashtu seufzte. „Ich bin wohl keine besonders gute Hausfrau, was?"

John beugte sich über den Tresen und sah ihr tief in die Augen. „Pizza", entschied er.


***


Vashtu war gerade im Schlafzimmer verschwunden, als es an der Tür klopfte.

„John, kannst du eben aufmachen?" rief sie ihm zu.

Er grinste und knöpfte sein Hemd zumindest ansatzweise zu. Dann schnappte er sich ihre Geldbörse vom Siteboard im Flur und drehte den Schlüssel um. Als aber die Tür aufschwang, erwartete ihn nicht der diensteifrige Pizzabote, sondern eine hochgewachsene, hagere Gestalt, die ihn mit großen Augen anstarrte.

John hob ein wenig den Kopf, um dem anderen in die Augen sehen zu können.

War das nicht ... ?

Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Doktor, was führt Sie denn her?" Der Name fiel ihm nicht ein, aber er erkannte ihn wieder. Das war einer der beiden Wissenschaftler aus SG-27, besser gesagt der, in den Vashtu gelaufen war, als sie gerade ...

„Colonel!" Der magere Riese riß die Augen noch mehr auf. Seine Kiefer klappten hörbar aufeinander. „Ich ... ich ..."

John nickte. „Guten Abend. Kann ich Ihnen helfen?" Plötzlich war er sich seiner relativen Blösse bewußt, er hatte noch immer keine Hosen an.

Der andere starrte ihn nur weiter groß an, schluckte dann sichtbar.

Hinter John öffnete sich die Schlafzimmertür.

„Das ... ist für Sie abgegeben ... durch das Gate ... Sergeant Dorn meinte ..."

„Wallace?"

John blickte auf eine schwarze Sporttasche, die sein Gegenüber ihm plötzlich wie einen Schutzschild entgegenstreckte. „Meine Tasche!" Er griff danach. Und in diesem Moment ließ der junge Wissenschaftler die Griffe los.

„Was tun Sie denn hier?"

Ein deutliches und durchdringendes Klirren, als die Tasche auf dem Boden aufschlug. John starrte auf seine Füße hinunter, hob dann entgeistert den Kopf wieder.

Wallace lief puterrot an. „Ich muß weg!"

„Was ... ?"

Ein durchdringender Geruch breitete sich im Flur aus.

„Oh nein!"

„Wallace?" Vashtu drängte sich halb an ihm vorbei, begann dann zu schnuppern und rümpfte die Nase. „Was ist das denn?"

Von der Außentreppe kam ein deutliches Poltern, dann ein Schmerzenslaut.

John und Vashtu wechselten einen vielsagenden Blick, dann trat die Antikerin auf den Außengang hinaus und joggte zur Treppe, um im Dämmerlicht nach unten zu sehen.

„Geht es Ihnen gut?" rief sie.

John starrte seine Tasche an. Undeutlich konnte er eine Pfütze wahrnehmen, die sich langsam über den Fließen ausbreitete. Und diese Pfütze stank penetrant nach Alkohol und Parfumstoffen.

Er seufzte und packte die Griffe. Angewidert rümpfte er die Nase. Daß After Shave so stinken konnte!

Vashtu kam wieder zurück, wedelte sich mit einer Hand Luft zu. „Was riecht hier so?" fragte sie angewidert.

John seufzte und schüttelte seine Tasche. Ein leises, aber deutliches Klirren war die Antwort auf seine Bemühungen. „Ich würde sagen, dein Wallace hat gerade meine letzte After Shave-Flasche zerbrochen."

„Oh." Vashtu schnupperte noch einmal. „An dir riecht es aber besser als so."

„Da hast du auch nicht die geballte Ladung in der Nase." John hielt die Tasche weit von sich und trug sie in den Flur hinein. Etwas hilflos sah er sich um. „Irgendwo ..."

„Ins Bad. Anderswo werden wir das wohl nicht aushalten können", erklärte die Antikerin, die jetzt die Tür wieder schloß.

John öffnete die zweite Tür im Flur und fand sich in einem geräumigen Bad wieder. Auch hier war ein Fenster, wenn auch deutlich kleiner und aus Milchglas. Zwei Maschinen standen in einer Ecke übereinander. Das Waschbecken war in einem dezenten Farbton gehalten, der die der Wände aufnahm. Eine große Eckbadewanne und eine geräumige Duschkabine vervollständigten die Einrichtung, neben einem hübschen, geflochtenen Wäschekorb, auf dem er jetzt seine Reisetasche abstellte und öffnete, um sich die Bescherung genauer anzusehen.

Unwillkürlich wich er von der geballten Duftwolke zurück, seufzte dann und begann, seine Sachen, eines nach dem anderen, aus der Tasche zu räumen.

Vashtu öffnete das Fenster, um etwas frische Luft hereinzulassen.

„Das muß man deinem Wallace lassen, wenn er etwas anrichtet, dann richtig." John starrte auf den Berg seiner Sachen, dann auf die leere Tasche, in der noch die Scherben der After Shave-Flasche lagen. „Sieht aus, als hätte ich keine Kleidung mehr, abgesehen von meiner Uniform." Er seufzte ergeben.

„Ich sagte doch, Wallace hat zwei linke Hände und Füße." Vashtu betrachtete das Debakel ebenfalls, sah dann auf. „Ab in die Waschmaschine mit den Sachen, dann in den Trockner. Morgen früh dürfte sich dieser Duftangriff erledigt haben."

John sah ihr belustigt in die Augen. „Immer eine Lösung parat, wie?"

Vashtu zuckte mit den Schultern. „Wenn du seit knapp einem halben Jahr mit Wallace zusammenarbeiten würdest, würdest du auch improvieren, glaube mir." Sie hockte sich hin und begann, die Wäsche zu sortieren.


***


Früh am nächsten Morgen wachte John auf. Noch herrschte ein blaßes Zwielicht um ihn her. Vashtu schien in diesem Dämmer geradezu zu leuchten.

Sein Arm kribbelte unangenehm von der Art, wie er auf ihm lag. Doch er wagte auch nicht, sich zu bewegen, den sie lag dicht neben ihm, den Kopf ebenfalls auf seinem ausgestrecktem Arm.

John lächelte und beschloß, sie sich wirklich genau anzusehen.

Diese Frau hatte ihn von Anfang an wahnsinnig gemacht. Sei es, wie alle vermuteten, daß es an ihrer Rasse lag, sei es irgendetwas anderes. Es hatte lange gedauert, bis er sich selbst seine Gefühle für sie eingestand, dafür ... Jetzt war es umso schöner.

Dabei mußte er auch zugeben, seine Gefühle hatten sich mehrmals geändert. Aus dieser absoluten Faszination, die er zu Anfang empfunden hatte, war damals, noch während ihres Aufenthaltes in Atlantis, etwas tieferes gewachsen, das an sich gesehen aber noch recht schwach war. Dennoch hatte es ausgereicht, ihr mitten in das Hive-Schiff nachzujagen, mit einer Wut im Bauch, die ihn beinahe das Leben gekostet hatte. Sie dann zu sehen, mit aktivierten Fremdzellen, wie sie ihm hinterher gebeichtet hatte, so tief in diesen fremden Genen, daß ihr Körper zu mutieren begann ... es hatte ihm nicht wirklich etwas ausgemacht.

War es damals bereits Liebe gewesen?

John wußte es nicht wirklich.

Vashtu bewegte sich leicht im Schlaf, kuschelte sich näher an ihn heran, so daß er nun doch endlich seinen Arm bewegen konnte. Er verzog ein wenig das Gesicht. Seine Finger kribbelten, als er sie bewegte, vorsichtig über ihren Rücken streichen ließ. Vashtu gab einen leisen, zufriedenen Laut von sich, kuschelte sich an seine Schulter. Mit der freien Hand zog er, so gut es ging, die Decke etwas höher.

Als sie fortging damals hatte er geglaubt, sein Herz müsse zerreißen, doch danach ... Sie war ihm die erste Zeit immer im Kopf herumgespukt, doch dann ließ das allmählich nach. Seine Briefe wurden kameradschaftlicher. Er wußte, wie sehr sie ihre Heimat liebte, also schrieb er ihr mehr vom Alltag, weniger von dem, was man vielleicht als seine Empfindungen bezeichnen konnte - obgleich er sich damals noch lange nicht eingestanden hatte, was er tatsächlich für sie empfand.

Doch dann ... Sie als Geisel seines ärgsten Feindes zu sehen, hilflos mitansehen zu müssen, wie sie schwächer und schwächer wurde, vergiftet durch eine teuflische Impfung, wie die fremden Gene in ihr versagten ... und sie schließlich besinnungslos zu finden, kaum mehr als einen noch gerade lebenden Leichnam, vertrocknet und überaltet - Er hatte sich nicht abgewandt damals, er war nicht einmal versucht gewesen, es zu tun. Für ihn war klar, wen er da vor sich hatte, auch wenn sie kaum noch zu erkennen war in diesem Moment. Zehntausend Jahre alt, wenn man ihn gefragt hätte, er hätte sie höchstens auf die Hälfte geschätzt, so unschön sich das auch anhörte.

Er war bei ihr niedergekniet, als sie wieder zu sich gekommen war. Er hatte den Haß auf Kolya in ihren Augen brennen sehen, er hatte das Funkgerät gehalten, als sie dem Genii seinen Tod vorhersagte. Und er hatte gewußt, wenn er nicht schneller war, würde sie ihm diesen Part abnehmen - und sie hätte Kolya wesentlich langsamer getötet als er.

Damals hatten seine Gefühle sich wieder gewandelt, zu dem, was er auch heute noch empfand. Und er hatte nicht lange gebraucht, um diese Gefühle zu benennen. Eine tiefe, dankbare Liebe, daß es da noch jemanden gab, jemanden, der war wie er. Jemanden, dem er absolut und aufrichtig vertrauen konnte. Jemanden, von dem er jetzt wußte, daß er ihn sein ganzes Leben lang gesucht und vor ihr nie gefunden hatte.

Wenn er sich nur vorstellte, sie durch irgendetwas für immer zu verlieren ... Nein! Das konnte und wollte er nicht! Wenn es nach ihm gegangen wäre, sie beide hätten sich für den Rest ihres Leben hier einschließen können, fern von der Welt, fern von allen Welten. Und wenn er sich vorstellte, sie in Zukunft wenigstens eine Woche lang im Monat bei sich zu haben ...

Sacht streichelte er ihre Wange und betrachtete sie zärtlich.

Auch wenn sie nicht viel Erfahrung gehabt hatte, und ihm das recht bald aufgefallen war bei ihrem ersten Mal, sie lernte schnell. Noch immer war es, als könnten sie gegenseitig ihre Gedanken lesen, als wüßte der eine sehr genau, was der andere mochte. Wenn er sich nur an ihr Intermezzo mit der Pizza erinnerte.

Ein Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht.

Eine Woche im Monat, wenn einer von ihnen Urlaub hatte, vielleicht ein bißchen mehr. Es war nicht der Rest ihrer beider Leben, wobei er nicht einmal sicher war, wie lange Vashtu überhaupt leben konnte, aber es war, zumindest zunächst, ausreichend.

Er kannte die Bedenken, die andere ihnen gegenüber hegten. Sie waren sich zu ähnlich, beide etwas chaotisch, beide Dickköpfe, beide wollten sie gern einmal mit dem Kopf durch die Wand. Aber es gab auch Unterschiede zwischen ihnen. Vielleicht waren sie tatsächlich in den eineinhalb Jahren entstanden, in denen sie voneinander getrennt gewesen waren, vielleicht hatte es sie aber auch schon immer gegeben. Er hatte Vashtus Büro im SGC gesehen, nun, seines sah ein wenig anders aus, mußte er zugeben.

„Zwei von meinem Schlag ..." wisperte er leise, sich an Elizabeth Weirs Worte erinnernd, damals, kurz bevor die Antikerin zur Erde gegangen war.

Das waren sie wirklich, hatte er sich inzwischen selbst eingestehen müssen. Sie beide waren sich ziemlich ähnlich, aber eben nicht in allem. Und diese kleinen Unterschiede würden eine Beziehung vielleicht auch gerade ermöglichen, wer konnte das schon sagen?

„Was?" Vashtu blinzelte, hob die Brauen, als könne sie auf diese Art auch ihre Lider besser heben, und sah ihn verschlafen an.

John lächelte wieder. „Guten Morgen, Schlafmütze", wisperte er ihr zärtlich zu.

Vashtu kuschelte sich mit einem schnurrenden Laut enger an ihn. „Guten Morgen", antwortete sie, sah dann wieder auf. In ihren Augen begann wieder ein gewisses Licht zu funkeln. Ihre Hände strichen über seinen Körper, ihre Linke umschlang ihn dann.

John küßte sie auf die Stirn. „Gut geschlafen?"

Sie nickte, reckte sich ihm entgegen und zog ihn in einen leidenschaftlichen Kuß.

Ein Schauer durchrieselte seinen Körper, als ihre Rechte über seine Lenden strich. „Du bist unersättlich, Vash!" stöhnte er auf und reckte den Kopf in den Nacken.

„Ich liebe dich, John."

John schloß zufrieden die Augen und drückte sie noch enger an seinen Körper. Mit ihr in seinen Armen fühlte er sich wie ein vollständiges Wesen, so, wie es eigentlich sein sollte, nicht, wie es wirklich war.


***


Einige Stunden später blinzelte Vashtu in das dämmrige Licht, das durch die Rolläden in ihr Schlafzimmer fiel. Noch immer an John gekuschelt, war sie wohl erneut eingeschlafen - und ihm schien es nicht anders gegangen zu sein.

Sie schmiegte sich an ihn und schloß die Augen, doch einzuschlafen wollte ihr nicht mehr gelingen. Und, wenn sie ehrlich war, hatte sie ein bißchen Hunger.

Vorsichtig stupste sie ihn mit dem Kopf an, um zu sehen, ob er inzwischen auch wach war.

„Mh?" machte er leise, lockerte seine Umarmung ein wenig.

Vashtu hob den Kopf und blinzelte ihn an. „Bist du auch wach?"

„Mhm." Er nickte mit geschlossenen Augen, blinzelte dann plötzlich. Ein zärtliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Und du?"

Sie küßte seine Nasenspitze und streckte sich in seinen Armen. „Ich habe Hunger. Du auch?"

Er nickte, drückte sie kurz an sich. „Ziemlich. Du hast mir ja fast die ganze Pizza weggegessen, du Vielfraß."

„Ich muß ja auch für Drei essen", kicherte sie, ließ sich wieder von ihm küssen, machte sich dann aber entschlossen los und setzte sich auf. Seine Hand lag locker auf ihrem Schoß, doch diesmal machte er keine Anstalten, sie wieder auf die Matratze zurückzuziehen.

„Wie wär's mit Frühstück?" schlug sie vor.

Er zog seine Hand zurück. „Gibt es auch irgendein Antikergerät, das für einen vollen Kühlschrank sorgen kann?" fragte er, vergrub sein Gesicht im Kissen und stöhnte. Dann richtete er sich auf, rieb sich mit einer Hand das Haar.

„Ja, die gab es. Aber zum Glück habe ich soetwas nicht hier." Grinsend sah sie ihn von der Seite an. „Wir könnten um die Ecke in den Coffee-Shop gehen. Die haben klasse Bagels."

„Dann sollten wir uns vielleicht erst einmal ... mh, fein machen?" Er schnupperte an sich. „Ich mag ja deinen Duft, aber ich weiß nicht, ob wir für andere so verführerisch riechen."

Vashtu hob eine Hand und zerzauste sein Haar. „Du hast recht." Sie schwang sich unternehmungslustig aus dem Bett. „Wer als erster unter der Dusche ist ..." Damit war sie auch schon aus dem Schlafzimmer heraus.

John sank stöhnend wieder ins Bett zurück. Doch als er das Wasser laufen hörte, öffnete er ein Auge. Ein verschmitztes Lächeln glitt auf sein Gesicht und er stand nun doch auf und verließ eiligen Schritts das Schlafzimmer.


TBC ...

2 Kommentare:

  1. ja ich weiß...lernen ist eigentlich wichtiger ^^ aber ab und zu braucht man auch mal eine ablenkung ;)
    super kapitel! und johns begegnung mit wallace :D soviel dazu, das es der pizza lieferant ist ^^
    hehe die schildkröten fand ich auch toll, wusste gar nicht, das die so "brutal" sein können :P
    so das wars auch schon für heute, meine schulsachen warten wieder auf mich...soviel zu osterferien...
    LG Sabrina

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  2. Kann ich noch gut verstehen mit dem Lernen, ging mir früher nicht anders. Wir Erwachsenen tun immer gern so, als hätten wir das besser geschafft, aber (kleines Geheimnis *zwinker*) wir waren in den allermeisten Fällen genauso - nur ohne Internet.
    Zu den Schildkröten, ja, die können durchaus auch schmerzhaft zubeißen. Einer meiner Brüder hatte früher mal welche, daher hatte ich auch die Idee für die Szene. Nebenbei bemerkt, Vashtu und John scheinen schon vor dem After-Shave-Unfall nicht mehr gut riechen zu können, so ein Schildkröten-Aquarium stinkt!
    Jaja, für Wallace dürfte ein persönlicher Alptraum wahr geworden sein, als er plötzlich John in Vashtus Apartment sieht, noch dazu ohne Hosen *grins*.
    Dann mach dich mal wieder ans Lernen, ich muß auch bald wieder zur Arbeit rüber. Viel Spaß noch und danke für dein Comment!

    Bis denne
    Ramona

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