01.05.2010

Erdgebunden IV

Mackenzie saß an seinem Schreibtisch und starrte auf seine Notizen.
Es war kaum zu glauben, was diese Antikerin ihm da gestern zu schlucken gegeben hatte. Auf der anderen Seite aber ergab es einen Sinn, wenn er ihre Psyche bedachte. Die Frage war nur ...
Er blätterte zurück und las an einer anderen Stelle etwas. Dann runzelte er die Stirn und lehnte sich zurück.
Wie hatte sie sich so heftig verbiegen können? Und warum diese schweren seelischen Ausfälle? Das alles deutete darauf hin, daß Vashtu Uruhk ... Aber konnte das sein? War das wirklich möglich?
Er nahm sich wieder die Akte vor, blätterte ganz zum Anfang zurück, zu dem ersten Bericht von Lt. Colonel Sheppard über sie und ihre Aussage ihm gegenüber. Aufmerksam las er sich diesen durch, blätterte dann weiter, überflog die medizinischen Daten von Dr. Beckett, kam zu den Berichten von Dr. Heightmeyer. Doch auch hier wurde er nicht fündig.
War das möglich? Konnte es sein?
Alles deutete darauf hin. Nur ein junger Geist konnte mit solchen Dingen umgehen, wie sie sie erlebt hatte. Nur ein junger Geist war fähig, sich dermaßen zu verbiegen, wie der ihre es getan hatte. Aber das würde bedeuten ...
Die Tür öffnete sich und eine sehr nachdenkliche und stille Vashtu Uruhk betrat sein Büro.
"Guten Morgen, Major", begrüßte McKenzie seine Patientin.
Sie sah ihn mit ausdrucksloser Miene an. Doch ein Teil der Anspannung fehlte, der gestern noch da gewesen war. Sie schien etwas ruhiger zu sein. Wortlos nickte sie ihm zu, ließ sich dann wieder auf dem Stuhl nieder. Dieses Mal setzte sie sich sogar richtig hin, die Hände im Schoß gefaltet, den Blick konzentriert auf das Namensschild auf seinem Schreibtisch gerichtet.
"Wie geht es Ihnen heute?" erkundigte Mackenzie sich.
Sie zuckte mit den Schultern, blickte dann auf. „Haben Sie Nachricht von Babbis?" Eine leise Hoffnung lag in ihren Augen.
Der Psychologe lehnte sich zurück, schüttelte dann den Kopf. „Tut mir leid, aber so schnell wird das nicht gehen, fürchte ich."
Sie nickte, ihre Brauen schoben sich zusammen und sie biß sich auf die Lippen. „Lassen Sie mich jetzt gehen?" fragte sie nach einer kleinen Weile.
Mackenzie seufzte. „Das kann ich nicht. Wir haben gerade an der Oberfläche gekratzt, Major. Das eigentliche Problem ist nicht einmal angesprochen worden. Wir werden wohl noch etwas ... tiefer graben müssen."
Sie verzog das Gesicht zu einer gequälten Grimasse, schwieg jetzt aber.
"Wie haben Sie geschlafen?"
"Gar nicht, wenn ich ehrlich sein soll", antwortete sie, hob eine Hand und rieb sich damit durch ihr kurzes Haar.
Mackenzie nickte mit zusammengepreßten Lippen. „Kann ich verstehen. War ein ziemlicher Brocken, den Sie da gestern losgeworden sind, Major", sagte er nach einigem Zögern.
Sie schüttelte nur stumm den Kopf.
Der Psychologe seufzte wieder. „Ich kann verstehen, daß Sie sich schuldig fühlen, Major. Jeder täte das, glauben Sie mir. Aber es war nicht Ihre Schuld, daß Ihr Bruder gestorben ist. Sie hatten Angst, und das ist auch durchaus nachvollziehbar. Jeder hätte in einer solchen Situation Angst gehabt. Wenn Sie jemandem die Schuld zuweisen wollen, sollten Sie die Verantwortlichen suchen: den Rat!"
Sie zuckte zusammen bei diesem Wort, schluckte dann. „Ich glaube, Sie verstehen nicht, Mackenzie", sagte sie dann leise. „Ich hätte die Wahl gehabt. Es ging nur darum, wer von uns beiden ... der erste war."
Mackenzie sog scharf Luft ein.
Sie starrte wieder auf sein Namensschild. „Enkil war immer ... genehmer als ich", begann sie schließlich. „Ich war ... aus der Art geschlagen. Ich wollte kämpfen, ich wollte die Wraith tot oder vertrieben sehen. Enkil ... Er wollte nur einen Weg aufzeigen, wie wir uns zur Wehr hätten setzen können." Jetzt bearbeitete sie ihr Haar mit beiden Händen. „Ich war von klein auf die Aktivere von uns beiden. Ich wollte fliegen, ich wollte den Stockkampf lernen, ich wollte ... vieles. Als unsere Mutter ... als sie starb, änderte mein Vater seine Ansicht, er wechselte auf meine Seite. Aber er ließ vieles ungesagt. Ich wußte lange Zeit nicht, woran wir wirklich arbeiteten, bis es ... bis es zu spät war." Ihre Stimme erstarb.
"Waren Sie dabei, als der Wraith sich an Ihrer Mutter nährte?"
Vashtu zögerte, dann nickte sie, schloß die Augen. „Ich wäre die nächste gewesen, wenn uns die Schiffsbesatzung nicht zu Hilfe gekommen wäre. Ein Leckerbissen für die Wraith, gerade einmal ... Es war mein erster Flug allein."
Mackenzie richtete sich gerade auf, sein Blick fiel wieder auf die Akte vor sich.
Elf! Sie war elf Jahre alt gewesen, als sie hatte mitansehen müssen, wie ihre Mutter starb! Sie selbst hatte mehrmals angegeben, daß sie in diesem Alter die ersten Flüge allein unternommen hatte. Sie war nicht einmal erwachsen gewesen!
Vashtu ließ die Hände wieder sinken, nachdem ihr Haar vollkommen durcheinander war, knetete sie ihre Finger jetzt in ihrem Schoß. Den Blick hielt sie noch immer starr auf sein Namensschild gerichtet, als könne dieses ihr irgendeinen Halt geben.
"Ich hatte das noch nie vorher gesehen. Ich wußte, daß die Wraith unsere Feinde waren, daß sie überall um uns herum waren, daß sie sich nahmen, was sie wollten und unsere Außenposten zerstörten. Als der Wraith sich ... Er sah mich an dabei, und es bereitete ihm sichtlich Vergnügen, den Schrecken in meinem Gesicht zu sehen."
"Wer war noch dabei?" fragte Mackenzie leise.
"Mein Vater, meine Mutter und zwei Gehilfen. Die beiden kehrten auch nicht zurück." Sie schloß die Augen und schüttelte den Kopf, als müsse sie diese Erinnerung mit aller Macht loswerden. „Ich hatte ... als wir gerettet wurden ... ich hätte dem Kapitän um den Hals fallen können. Und gleichzeitig ... Ich wollte Rache! Ich wollte, daß die Wraith ... daß sie das durchmachten, was meine Mutter hatte durchmachen müssen. Damals begann ich mit dem Training, nach unserer Rückkehr nach Atlantis. An Waffen ließ man mich nicht, aber es gab Stöcke, überall. Also bin ich mit Enkil durch die Gänge der Stadt gehetzt und habe gegen ihn gekämpft."
"Sie waren eine Kriegerin in Ihren Augen?"
Sie schüttelte den Kopf. „Ich war eine Rächerin." Ihre Stimme klang hohl bei diesen Worten.
"Und Ihr Vater?"
Vashtu atmete tief ein. „Er wollte, daß ich zur Armee ging. Er meinte, dort sei ich besser aufgehoben. Aber ..." Sie stockte, blickte nun das erste Mal seit über zehn Minuten auf. „Ich kam aus einer Wissenschaftler-Familie. Für uns war es einfacher, daß ich in die Fußstapfen meiner Ahnen trat als einen neuen Weg einzuschlagen. Außerdem ... mein Vater hatte schnell erkannt, wo meine Stärken lagen. Also bildete er mich aus."
"Zur Biotechnikerin." Mackenzie nickte.
"So würden Sie es heute nennen. Aber ich konnte mehr. Wo immer ich konnte, schnappte ich Wissen auf. Eigentlich wäre ich lieber mit irgendwelchen Maschinen umgegangen. Ich wollte fliegen, ich wollte durch das Gate. Ich wollte verstehen, wie die Dinge funktionierten, die wir tagtäglich benutzten ..."
Mackenzie nickte verstehend. „Ihre Talente liegen mehr im technischen Bereich, das weiß ich", sagte er, sich wieder an einige der Berichte über sie erinnernd. Offensichtlich hatte sie es inzwischen zu ihrem vorrangigen Hobby gemacht, vor allem irdische Geräte und Maschinen zu studieren. Laut seinen Unterlagen tat sie dies oft genug zusammen mit Babbis, wenn sie ihn auch nie allein in ihr Büro, ihre bevorzugte Werkstatt, ließ.
"Ich freundete mich mit anderen an, bekam so Zugang zu anderen Techniken und Möglichkeiten", fuhr sie leise fort. „So erfuhr ich auch die Adresse für das eine Ladegerät. Ich war unterwegs, um einige Pflanzen für meine Forschungen für den Rat zu sammeln, als Themmar an mich herantrat. Fliegen durften damals nicht alle, und die meisten Piloten gehörten dem Militär an. Nur durch den Stand meines Vaters war es mir möglich gewesen, die Erlaubnis zu erhalten."
Mackenzie nickte wieder. „Die Militärpiloten hatten nicht immer Zeit, ich verstehe."
Ein bitteres Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab. „Vor allem machten sie sich gern über die Wissenschaftler lustig, so wie es manchmal auch bei Ihrem Volk ist."
"Sie arbeiteten also nicht die ganze Zeit mit Ihrer Familie zusammen."
Vashtu nickte. „Sobald meine Ausbildung abgeschlossen war, erhielt ich eigene Forschungsbereiche vom Rat. Ich sollte die pflanzlichen Bestandteile des Meerwasssers anreichern und zu Nahrung umwandeln. Während ... der langen ... der zehntausend Jahre wandte ich dieses Wissen an, um nicht zu verhungern."
"Wann kehrten Sie in das Forschungsteam Ihres Vaters zurück?"
"Nie." Ihr Blick wurde hart. „Ich war nicht daran beteiligt, Doc. Nachdem meine Ausbildung abgeschlossen war, wurde ich versetzt und bekam meinen eigenen Forschungsauftrag. Die Daten meines Vaters holte ich mir selbst und kontrollierte seine Ergebnisse. Dabei fand ich den Fehler, dem Enkil ... zum Opfer gefallen war."
"Die Sache mit den weiblichen Zellen?"
Sie nickte und biß sich auf die Lippen. „Ich war gut darin, andere auf ihre Fehler aufmerksam zu machen und diese zu korrigieren. Das war ich schon immer gewesen, auch etwas, was nicht sehr häufig in meinem Volk passierte."
Mackenzie beugte sich interessiert vor. „Vashtu, verzeihen Sie mir diese vielleicht indiskrete Frage, aber wie alt waren Sie, als Sie sich der Therapie unterzogen?"
Sie blickte wieder auf und sah ihn an. In ihrem Gesicht zuckte ein Muskel. „Achtzehn", antwortete sie dann einfach.
Der Psychologe atmete wieder tief ein. „Und ... und als man Sie zurückließ?"
"Fünfundzwanzig."
Er schluckte. „Das bedeutet ..."
"Für Ihr Volk wäre ich hochbegabt gewesen, ja." Sie nickte, senkte den Blick wieder. „Und nicht nur für Ihr Volk ... Auch der Rat war sehr schnell auf mich aufmerksam geworden, nicht nur durch meine Eskapaden. Darum bekam ich sofort einen Forschungsauftrag, als meine Lehrzeit abgeschlossen war."
Also hatte er recht gehabt mit seiner Vermutung. Und sehr wahrscheinlich hatte sie sich auch gerade deshalb so auf Babbis versteift. Er war ebenfalls hochbegabt, intelligenter als viele andere. Aber im Gegensatz zu ihr bereitete ihm die Zusammenarbeit mit anderen Probleme.
"Nehmen Sie sich zurück, wenn Sie in Ihrem Team arbeiten?" erkundigte er sich.
"Manchmal, kommt auf die Situation an." Sie zuckte mit den Schultern.
"Und bei Dr. Babbis?"
Sie nickte. „Ja", antwortete sie. „Er kann einiges, doch manchmal traut er es sich selbst nicht zu. Er braucht dann einen Stoß in die richtige Richtung."
"Seine Umgangsformen stören Sie nicht? Bisher habe ich über ihn immer nur gehört, es sei schwer, mit ihm auszukommen."
Sie zuckte mit den Schultern. „Manchmal nervt er. Aber allmählich stellt er seine Hektik ein. Alles andere werde ich ihm wohl nicht mehr abgewöhnen können." Sie kniff kurz die Lippen aufeinander. „Er hat mich von Anfang an Dr. McKay erinnert, von anderen habe ich ähnliches gehört. Aber inzwischen ... zumindest mir gegenüber hält er sich meist zurück." Ein bitteres Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Wenn es ihm auch ziemlich zu schaffen macht, daß ich intelligenter bin als er."
"Darum nehmen Sie sich zurück?"
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Er kann einiges, das sagte ich schon. Wenn ich ihn sanft leite, wird er eines Tages noch sehr viel mehr können. Wenn nötig, übernehme ich die Führung, auch autoritär. Aber wenigstens einmal hat er mir das Leben gerettet mit einem Einfall. Das werde ich ihm nicht vergessen."
"Sie meinen Kolya?"
Ein kühler Glanz erschien in ihren Augen, als sie wieder aufblickte. „Ich denke, es reicht jetzt, Doc", wechselte sie das Thema. „Lassen Sie mich gehen?"
Wieder blockte sie ab, wenn sie sich auch ein Stück weit geöffnet hatte.
Was steckte noch in dieser Frau? Was verbarg sie?
Eine Menge, kam ihm in den Sinn. Sie hatten gerade an der Oberfläche gekratzt, mehr aber auch nicht. Sie waren einigen ihrer Geheimnisse auf der Spur. Schon allein die Tatsache, daß der Rat sie sofort mit eigenen Forschungen betraute, kaum daß sie ihre Ausbildung abgeschlossen hatte, sprach bereits Bände. Sie selbst hatte es einmal ausgesprochen. Sie hatte gesagt, daß Vertrauen sehr schnell verspielt war.
Aber, hatte der Rat ihr wirklich vertraut? Oder hatte er vielmehr Angst vor ihr gehabt von Anfang an? Eine ihres eigenen Volkes, die so begabt war, die lernte, sich selbst zu verteidigen, die intelligenter war als die meisten anderen, und diese Intelligenz auch einzusetzen wußte. Der Rat mußte Angst vor ihr gehabt haben! Angst vor dem, was sie noch leisten konnte. Und sie hatte es gezeigt.
Sie hatte recht, sie war aus der Art geschlagen. Für eine Antikerin vollkommen aus der Art geschlagen nach allem, was er über dieses Volk wußte. Statt passiv zu bleiben, war sie aktiv geworden. Ihren eigenen Worten zu folge war sie schon immer so gewesen und allein deshalb alles andere als eine gern gesehene Bewohnerin von Atlantis.
"Ich kann Sie nicht gehen lassen, Major, tut mir leid." Mackenzie schüttelte den Kopf. „Wir machen große Fortschritte, aber ich fürchte, es reicht noch nicht. Da ist noch mehr, was endlich ausgesprochen werden sollte."
Sie starrte ihn an, und wieder war da Wut in ihrem Blick, eine hilflose Wut.
Sie hütete ihre Geheimnisse jetzt schon so lange, viel zu lange, ging ihm auf. Es mußte für sie eine sehr große Anstrengung sein, ihm zu vertrauen.
Vertrauen - das war das Stichwort, ging ihm auf. Immer wieder lief es bei ihr darauf hinaus. Immer wieder scheiterte sie an ihrem mangelnden Vertrauen in andere. Immer wieder zeigte sich, daß sie nicht vertrauen konnte.
Sie erhob sich mit einem Ruck, starrte ihn immer noch an. In ihrem Gesicht arbeitete es. „Ich habe Ihnen bereits mehr gesagt als den meisten vor Ihnen, einschließlich Colonel Sheppard", sagte sie kalt. „Was wollen Sie denn noch?"
"Ich möchte, daß Sie mir vertrauen, Vashtu. Ich will Ihnen sicher nichts böses, glauben Sie mir."
Eine Sekunde lang starrte sie ihn noch an, dann drehte sie sich wortlos um und verließ sein Büro.
Mackenzie seufzte.

***

"Schon irgendetwas herausgefunden?" Storm reichte dem Ex-Polizisten einen Becher Kaffee, den der auch dankbar annahm.
"Was darf's sein?" erkundigte der sich, nahm einen Schluck.
Storm zuckte mit den Schultern. „Vielleicht irgendwas mit Feinden? Wer hatte einen Grund, den Prof zu töten?"
Hernan zog eine Grimasse, nahm noch einen Schluck. „Unser Name ist Legion, denn wir sind viele", zitierte er.
"Hä?" Storm, der gerade einen Schluck hatte trinken wollen, zog ein dummes Gesicht.
"Die Bibel, Jeff! Klassiker und Weltbestseller Nummer eins." Hernan grinste.
"Mag diese Bücher mit dem Zauberjungen lieber", brummte der MP leicht mißgestimmt. „Was willst du damit sagen?"
"Das es schwerer ist, jemanden zu finden, der Babbis wohl gesonnen war, als einen seiner Feinde aufzuspüren. Der Mann hat es sich so gründlich bei den meisten verscherzt, daß es wundert, daß er erst jetzt ins Gras gebissen hat."
Storm nickte und nippte noch einmal an seinem Kaffee. „Autsch! Verdammt!" Er wedelte sich Luft zu.
Hernan grinste noch breiter, wurde dann aber ernst. „Da ist aber etwas ... jemand, um genau zu sein. Der sticht etwas daraus hervor. Ist schon auffällig geworden."
Storm hielt in seiner Notfallbehandlung inne und blickte verdutzt auf. „Wer?" nuschelte er.
"Du wirst lachen, ein ehemaliger Klassenkamerad von unserem netten Doktor. Stephen Coin sein Name." Hernan scrollte den Bildschirm weiter runter. „Nette Sammlung, alles in allem. Hatte offensichtlich einiges vor in seinem Leben, schrieb sich nach der Schule in Harvard ein, Hauptfach Englische Literatur. Blieb aber nicht lange dabei. Schon während dieser Zeit ist er auffällig geworden durch den Verkauf von Amphitaminen. Dann verschwand er erst von der Bildfläche für etwa ein Jahr."
Storm beugte sich vor und stellte seinen Kaffeebecher auf das niedrige Tischchen neben dem Bett. „Und?"
"Wollte zu den Marines, als er wieder auftauchte. Die nahmen ihn aber nicht. Also wieder zurück nach Boston. Taschen- und Ladendiebstahl, dann wieder den Verschwindibus. Wieder ein Auftauchen, diesmal im Windschatten einer recht großen Drogenbande. Körperverletzung, Führen einer Waffe ohne Genehmigung. Ehe er festgenommen werden konnte, tauchte er erneut unter."
"Wohin?" Storm zog ein dummes Gesicht.
"Gute Frage. Weiß offensichtlich keiner. Gilt immer noch als unauffindbar."
Das Titelthema von StarWars ertönte.
Storm griff in seine Tasche und zog sein Handy hervor. Stirnrunzelnd las er die Anzeige, dann tippte er auf eine Taste und hielt sich das kleine Gerät ans Ohr.
Hernan beugte sich vor und wartete, die mageren Zwischenfragen igonierend.
Storm drückte eine andere Taste und legte das Handy zu seinem Kaffeebecher. „Es sind keine Drogen aufgetaucht beim Sceening", erläuterte er. „Aber die SpuSi hat Fasern gefunden, die sie nicht zuordnen konnte. Und Dreck auf der Fußmatte."
Hernan nickte.
"Wie sicher ist es, daß dieser Coin der Täter ist?"
"Nicht sicher, aber eine Möglichkeit."
Storm beugte sich vor und stützte sein Kinn auf eine geballte Faust. „Ich frage lieber nicht, wer noch auf der Liste steht."
"Wird besser sein." Hernan nickte wieder, betrachtete die Anzeige auf dem Laptop. „Könnte sich ziemlich hinziehen, wenn wir jedem einzelnen auf den Zahn fühlen wollen."
"Und das SGC hätte seinen Wissenschaftler gern so schnell wie möglich zurück. Major Uruhk liegt zwar noch im Krankenhaus, aber auch sie scharrt mit den Hufen. Besser, wir finden den richtigen Täter, ehe es ihr noch gelingt, von dort abzuhauen und selbst auf die Suche zu gehen. Könnte dann ziemlich ... blutig werden in ihrem jetzigen Zustand. Meint zumindest ihr Arzt."
Hernan runzelte die Stirn. „Mir kam sie eigentlich nicht gewalttätig vor."
"Du hast sie auch noch nicht in Aktion erlebt." Storm seufzte ergeben. „Also machen wir uns auf die Suche nach diesem Coin. Irgendeinen Ansatz?"
"Er hat, bevor er das erste Mal untergetaucht ist, in diesem Krankenhaus nebenbei gearbeitet, in dem auch Mrs. Babbis liegt. Das Brigham & Women's."
"Wollte sie mir ohnehin ansehen, bevor sie verlegt wird." Storm erhob sich ächzend, packte sein Handy wieder ein.

***

Vashtu betrat die Lobby des Krankenhauses, sah sich kurz um, dann schulterte sie entschlossen ihre Reisetasche wieder und marschierte auf die gläsernen Eingangstüren zu. So natürlich wie möglich versuchte sie sich zu geben, aber eben auch, als hätte sie noch einen wichtigen Termin, den sie nicht verpassen durfte.
Die zwei Marines, die zu beiden Seiten der Tür standen, ignorierte sie, obwohl sie sehr genau deren Blicke auf sich fühlte.
Sie hatte genug preis gegeben! Sie fühlte sich tatsächlich ein Stück weit erleichtert, mußte sie zugeben, wenn auch die Schuldfrage, die sie jetzt schon seit Jahrtausenden belastete, in ihren Augen noch immer ungeklärt war. Sie hatte Enkil auf dem Gewissen, auch wenn der Rat interveniert hatte. Es war ihre Entscheidung gewesen, ihn anzugreifen und halbtot zu schlagen.
Mackenzie mochte noch so viel wissen wollen, von ihr erfuhr er nichts mehr. Sie hatte ihm genug gegeben, womit er arbeiten konnte. Mehr brauchte er nicht, und wenn er sich das noch so gern anhören wollte.
Was wollte er mit diesem Wissen denn überhaupt? Und was sollte dieses Bekennen, er suche ihr Vertrauen? In ihren Augen nichts als eine hohle Phrase, der sie nicht weiter nachgeben mußte. Sie vertraute genügend Menschen, ihn brauchte sie da auch nicht noch. Er war ihr ohnehin unsympatisch, von Anfang an sogar schon.
"Mam?" Einer der beiden MP stellte sich ihr in den Weg, wenige Schritte vor der Tür zur Freiheit.
Vashtu wollte sich einen Moment lang wirklich an ihm vorbeidrängen, blieb dann aber stehen und funkelte ihn an. „Machen sie Platz, Lieutanent", sagte sie im befehlenden Ton. „Ich habe eine dringende Verabredung einzuhalten."
Der MP schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Major, aber Sie dürfen das Krankenhaus nicht verlassen. Begeben Sie sich bitte wieder zurück auf Ihr Zimmer."
Vashtu starrte ihren Gegenüber an. „Ich habe Ihnen einen Befehl gegeben, Lieutanent. Also machen Sie gefälligst Platz!" herrschte sie ihn an.
"Sie sind außer Dienst gestellt, Major", entgegnete der junge Mann und schüttelte wieder bedauernd den Kopf. „Gehen Sie wieder zurück, Mam."
Was sollte das? War sie eine Gefangene?
Vashtu kniff die Lippen fest aufeinander, wollte sich wieder an dem MP vorbeidrängen. Der schien ihre Bewegungen vorauszuahnen und verstellte ihr den Weg.
"Ich muß hier heraus, Lieutanent", sagte sie, nachdem sie einige Male tief eingeatmet hatte. „Also machen Sie endlich Platz!"
Wieder ein Kopfschütteln. „Ich bedaure, Major. Aber meine Order lautet, Sie nicht aus dieser Einrichtung herauszulassen. Und daran werde ich mich halten."
"Ich gebe Ihnen als eine vorgesetzte Offizierin den strikten Befehl, zur Seite zu treten, Lieutanent. Also machen Sie endlich Platz!" Ihre Stimme gewann wieder an Schärfe.
"Das kann ich nicht, Mam. Sie dürfen diese Einrichtung auf Befehl von General Landry nicht verlassen. Das ist meine Order, und an die halte ich mich. Tut mir leid, Major", entgegnete der MP ruhig.
Vashtu fühlte einige Blicke auf sich gerichtet, versteifte sich unwillkürlich. „Was soll das? Warum sollte der General einen so unsinnigen Befehl geben? Ich bin gesund, Lieutanent."
"Dann weisen Sie mir das bitte vor. Ansonsten kann ich Sie nicht aus dieser Anlage lassen, Mam", erklärte ihr Gegenüber.
Vashtu atmete tief ein.
Sie fühlte, wie die Wut in ihr wieder anstieg. Wenn er nicht bald Platz machte, würde sie sich nicht mehr beherrschen können. Und damit hätte Mackenzie dann wieder einmal die bessere Prognose abgegeben und einen Grund mehr, sie hier weiter zu quälen.
Das wollte sie nicht. Sie mußte hier heraus und Babbis helfen, ehe der noch tiefer in dem Schlamasel versinken konnte, der sich um ihn aufgetürmt hatte.
"Machen sie Platz, ich warne Sie zum letzten Mal. Wenn Sie meinen Befehlen nicht gehorchen, wird das Konsequenzen haben", zischte sie dem MP zu.
"Major Uruhk, könnten Sie bitte kurz zu mir kommen?"
Vashtu versteifte sich unwillkürlich noch mehr, als sie diese Stimme in ihrem Rücken hörte. Dann erst ging ihr auf, daß der zweite Militärpolizist ebenfalls nicht mehr auf seinem Posten war.
In ihrer Muttersprache fluchend drehte sie sich schließlich um, als sie begriff, funkelte Mackenzie wütend an.
Der Psychologe stand am Tresen, die Arme überkreuzt und eine ernste Miene aufgesetzt, und sah sie durchdringend an. „Major, kommen Sie bitte zu mir", wiederholte er.
Vashtus Kiefer mahlten. Sie warf dem MP noch einen giftigen Blick zu, dann trat sie den Rückweg an.
Mackenzie gab der jungen Frau hinter dem Tresen eine kurze Anweisung, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder ihr zu und sah sie an.
"Was wollen Sie denn noch? Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich zu sagen bereit bin. Jetzt lassen Sie mich endlich hier heraus, verdammt!" herrschte sie den Psychologen an.
Der sah sie immer noch an, dann streckte er die Hand aus und ließ sich von der Angestellten einen Telefonhörer reichen.
Vashtu ballte die Hände zu Fäusten. Liebendgern hätte sie ihn mit diesen Händen zerquetscht und mit diesen Fäusten bearbeitet. Aber sie beherrschte sich, auch wenn es ihr schwer fiel.
Mackenzie wechselte einige kurze Sätze, mit den denen sie nichts anzufangen wußte, mit seinem Gesprächspartner, dann streckte er ihr den Hörer hin. „Für Sie", kommentierte er nur, noch immer dieses ausdruckslose Gesicht zur Schau stellend.
Vashtu versuchte noch einmal, ihn niederzustarren, dann griff sie endlich nach dem Hörer. „Ja?" fragte sie knapp.
"Major Uruhk?" Landrys Stimme.
Vashtu richtete sich unbewußt auf. „Sir?"
Ein Seufzen am anderen Ende. „Dr. Mackenzie bat mich zur Verfügung zu stehen, er erwartete eine solche Szene. Ich dagegen dachte, es sei überflüssig" begann er, dann wurde seine Stimme wieder hart. „Wenn Sie noch einmal versuchen, aus dem Krankenhaus abzuhauen, Major, werden Sie mit Disziplinarmaßnahmen rechnen müssen, haben Sie das verstanden? Es hat seinen Grund, warum Sie im Eveins Army sind. Und Sie werden dort bleiben und Ihre Füße still halten, bis Mackenzie Sie als geheilt entlassen hat. Ansonsten werden Sie die Konsequenzen zu tragen haben. Und ich glaube nicht, daß Sie diese kennenlernen wollen."
Vashtu atmete scharf ein. „Sir, mir geht es gut!"
"Soweit ich informiert bin, sind Sie immer noch verwundet, weil ihre Fremdzellen Sie nicht heilen wollen", entgegnete Landry bestimmt.
Unwillkürlich tastete die Antikerin nach dem Verband um ihren Hals, kniff die Lippen wieder aufeinander.
"Außerdem wissen wir beide, was das letzte Mal geschehen ist, als Sie in einer ähnlichen Situation waren. Sie werden also so lange im Eveins bleiben, bis Mackenzie Sie entläßt. Er hat die absolute Entscheidungsgewalt über Sie, haben Sie das endlich verstanden?"
"Aber, Sir, Babbis braucht mich!" entfuhr es ihr.
"Dr. Babbis hat einen guten Anwalt und zwei ausgezeichnete Spürnasen auf seiner Seite. Und er weiß von Ihren Schwierigkeiten. Der Kristall wird Ihnen heute abend von Sergeant Dorn wieder zurückgegeben."
"Sir, ich bin soweit gesund. Die Wunde ist nicht schlimm", versuchte sie ihn umzustimmen.
"Nein, Major, darüber reden wir nicht. Dr. Mackenzie sieht das anders, ich sehe es anders. Sie haben schon viel zu viel in sich hineingefressen. Jetzt sollten Sie endlich einmal einen Hausputz in Ihrem Oberstübchen vornehmen. Und, vergessen Sie das ja nicht, sollten Sie soetwas noch einmal versuchen, werden Sie die Konsequenzen zu tragen haben. Sie werden solange in der Klinik bleiben, wie es erforderlich ist."
Vashtu starrte Mackenzie wieder an. „Aber nicht mit diesem ... diesem Kerl als Arzt, Sir. Bei allem Respekt, aber ..."
"Doch, genau mit diesem Kerl als Arzt, Major. Mackenzie ist der beste Psychologe, den Sie finden können. Und jetzt gehen Sie wieder auf Ihr Zimmer und verhalten sich kooperativ. Und wehe, wenn Sie auch nur an einen erneuten Versuch denken, Major Uruhk." Landry klang jetzt wirklich verärgert, doch gleichzeitig auch besorgt.
Vashtu warf Mackenzie den Hörer zu, dann drehte sie sich zum Treppenhaus um und marschierte zurück in ihr Zimmer.
Aber, das schwor sie sich, über diese Sache war noch nicht das letzte Wort gesprochen.

TBC ...

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