10.06.2012
2.09 Die undichte Stelle
„In den Jumper, schnell!"
Major Vashtu Uruhk wirbelte im Lauf herum und ließ ihre P-90 eine Garbe Kugeln in den lockeren Waldboden graben. Hinter ihr hetzten ihre beiden anderen Teammitglieder in Richtung des getarnten Puddlejumpers, Dr. Peter Babbis schwer auf den Erethianer Danea Il'Eskanar gestützt.
Vashtu fuhr wieder herum, raste den beiden nach und fummelte die Fernbedienung aus ihrer Überlebensweste.
Energiesalven zuckten zwischen den Bäumen hervor und schlugen dicht bei ihr ein. Blind richtete sie die Waffe nach hinten und gab eine weitere Salve ab, während sie mit der ungeliebten Rechten die Fernbedienung drückte.
„Danea, da rüber!" rief sie, als der Puddlejumper wie aus dem Nichts auf der kleinen Lichtung auftauchte.
Der Erethianer fand keine Zeit zu sprechen, drückte Peter weiter nach links und verlängerte seine Schritte.
Vashtu zog den Kopf ein, als ein weiterer Energiestrahl direkt über ihren Kopf einen Ast ansengte. „Verdammte Mistkerle! Wollt ihr uns lebend oder lieber tot?" schrie sie über die Schulter zurück, während sie schon wieder in ihrer Überlebensweste kramte. Mit einem befriedigten Lächeln zog sie schließlich eine Granate hervor. Mit den Zähnen entfernte sie den Draht, hielt die Waffe aber weiterhin fest und raste weiter. Erst kurz vor dem Jumper, in dem ihre beiden Begleiter gerade verschwunden waren, wirbelte sie noch einmal herum und warf die Granate zwischen die Bäume, ehe sie sich mit einem Hechtsprung in Sicherheit brachte.
Danea drückte die Verriegelung, während die Antikerin sich schon wieder auf die Beine kämpfte und nach vorn ins Cockpit hetzte. Trotzdem war sie nicht schnell genug. Erdbrocken wurden gegen das Heck des Jumpers geworfen, als die Granate hochging.
Vashtu startete ungeduldig die Triebwerke und zog den Gleiter hoch, um sofort wieder auf Tarnung zu gehen und eine Steilkurve zu fliegen, als ein Devi-Rochen direkt in ihrer Flugbahn auftauchte.
„Wo kam der denn her?" keuchte sie.
Beinahe ohne ihr Zutun schoß eine Antiker-Drohne nach hinten und raste dem Jäger hinterher, während sie in der entgegengesetzten Richtung gen Ozean verschwand.
Danea kam endlich nach vorn, hockte sich auf den Copilotensitz und starrte nach draußen. „Schon wieder", murmelte er dabei.
Vashtu nickte mit verkniffener Miene.
Auf den letzten Planeten war es überall das gleiche gewesen. Und diese Seuche hing nicht nur ihr an, auch Lieutenant David Markham konnte kaum einen Planeten aufsuchen, auf dem es nicht von Devi wimmelte.
„Tor anwählen", befahl sie, ließ den Jumper in das Wasser tauchen und behielt dabei weiter die Anzeigen im Auge.
Danea drückte die Symbole und wartete. Dann zog er ein kleines Gerät aus seiner Überlebensweste und drückte dort einen bestimmten Knopf.
„Vineta, könnte etwas unsanft werden. Uns hängt ein Rochen direkt am Hintern", meldete Vashtu über Funk, beschleunigte noch etwas.
Doch das würde ihr wenig bis gar keine Zeit erkaufen. Immerhin mußte sie noch in das Autopilot-Feld des Tores. Und der Rochen war verdammt nahe an ihr dran. Ein Glück, daß das Stargate auf diesem Planeten fast auf dem Grund des Ozeans lag, so daß er seine Energiewaffen nicht einsetzen konnte.
Vashtu startete eine weitere Drohne in der mageren Hoffnung, den Rochen diesmal zu erwischen. Doch der wich geschickt aus.
Irgendeine Möglichkeit mußte es doch geben, diese Jäger auszuschalten, verdammt!
Das Tor tauchte vor ihr auf. Vashtu ließ die Tarnung fallen.
„Achtung, wird holprig!" rief sie ihren beiden Begleitern zu. „Festhalten!"
Sie gab noch einmal vollen Schub und raste in den Schutzschild hinein, um fast aus ihrem Sitz gerissen zu werden, als der Autopilot übernahm und den Jumper in das Tor hineinzog.
Auf der anderen Seite materialisierte er sich wieder und blieb kurz vor dem Gate in der Luft stehen.
Andrea Walsh, die zuständige Technikerin für den Torbetrieb, schaltete sofort die beiden Schilde zu. Keine Sekunde zu früh, wie das kurze Aufleuchten ihr verriet.
„Notfallteam in den Gateroom, sofort!" befahl die Stimme der Antikerin, die den Jumper jetzt so sanft wie möglich auf dem Boden des Torraumes absetzte.
Das Wurmloch fiel in sich zusammen, gerade als sich die Heckluke des klatschnassen Gleiters sich wieder öffnete.
Dr. Anne Stross, die gerade im Eilschritt aus ihrem Büro gekommen war, raste durch den Kontrollraum nach draußen, Walsh im Schlepptau.
Vashtu und Danea stützten zusammen den halb betäubten Peter und schleppten ihn aus dem Jumper heraus.
„Einer dieser Energiestäbe hat ihn getroffen", meldete die Antikerin über das schmerzerfüllte Stöhnen hinweg.
Sorgsam setzten sie und Danea den Halbbetäubten auf der Treppe ab. Vashtu beugte sich über ihn, hob sein Gesicht. „Alles in Ordnung, Peter. Wir sind zu Hause", sagte sie, doch sie war sich nicht sicher, ob er sie überhaupt verstehen konnte.
„Was ist passiert?" verlangte Anne aufgeregt zu wissen.
Vashtu richtete sich wieder auf, ließ eine Hand auf der Schulter des jungen Wissenschaftlers liegen. „Was wohl. Wir waren kaum da, als Devi auf P1V-139 auftauchten. Weit sind wir nicht gekommen. Das Dorf war noch mindestens eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt."
Anne sah sie stirnrunzelnd an. „Das wäre dann der ..."
„Siebte Planet diese Woche, ja, ich weiß", knurrte die Antikerin. „Und allmählich nehme ich es persönlich, das können Sie mir glauben."
Marc Boyer und zwei andere Pfleger der Krankenstation stürzten durch die obere Tür.
Vashtu blickte auf und nickte Anne dann zu. „Ich fliege den Jumper hier heraus, ehe Markham zurückkommt. Hoffentlich hat zumindest er ein bißchen mehr Glück diesmal."
Anne beobachtete, wie Babbis auf eine Trage gebettet und dann fortgetragen wurde, während der Jumper wieder vom Boden abhob und langsam Richtung Schott schwebte. Dann wandte sie sich Danea zu.
„Was denken Sie?"
Der Erethianer zuckte mit den Schultern. „Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich sagen, wir haben einen Verräter", antwortete er, folgte dann den Pflegern aus dem Gateroom hinaus.
Anne sah nun auch ihm nach, Walsh an ihrer Seite. Und ihrer beider Gesichter waren sehr ernst.
***
Als Vashtu kurz darauf die Krankenstation betrat, war Boyer gerade damit beschäftigt, Peter, der inzwischen ohnmächtig geworden war, Blut abzunehmen.
„Wie geht es ihm?" Die Antikerin beugte sich besorgt über das Bett, was bei dem Pfleger einen unwilligen Blick auslöste.
„Er wird wohl einen ziemlichen Brummschädel haben, wenn er wieder zu sich kommt", gab Boyer zu. „Ansonsten ist er aber unversehrt." Er richtete sich auf und funkelte die Antikerin an. „Und er sollte die Betäubung auch erst einmal ausschlafen, Major. Also lassen Sie das auch zu!"
Danea, der neben dem Bett auf einem eilig herbeigeschafften Stuhl saß, sah den Pfleger groß an, schwieg aber.
Vashtu richtete sich wieder auf. In ihren Augen stand Sorge. „Es ist das erste Mal, daß er von so einer Waffe getroffen wurde", erklärte sie. „Sind Sie sich sicher, daß alles glatt gehen wird?"
Boyer runzelte die Stirn. „Ich weiß, was ich tue, Major. Oder sind Sie neuerdings Ärztin?"
„Ich mache mir nur Sorgen", entgegnete sie.
„Dann geben Sie Ihre Sorgen besser an der Tür ab. Dr. Babbis wird es bald wieder gut gehen. Sie sollten sich besser um Ihre Arbeit kümmern. Immerhin sind Sie doch zuständig für die Torflüge, oder nicht?" Boyer funkelte sie gereizt an. „Dann sollten Sie die vielleicht neu ordnen. Immerhin ist Ihnen jetzt ein Pilot ausgefallen."
„Vielleicht sollten wir alle uns erst einmal wieder beruhigen?" schlug Danea beschwichtigend vor.
„Ich habe in den letzten Tagen mehr als genug Leute hier gehabt, die von diesen Waffen getroffen wurden. Ich weiß, was ich tue!" brauste Boyer gereizt auf.
Vashtu hob beschwichtigend die Hände. „Schon gut. Ich wollte nur sehen, wie es meinem Teammitglied geht."
„Er wird es überleben. Es war nur ein Streifschuß. Fliegen wird er die nächsten Tage allerdings nicht können. Bis die Betäubung ganz abgeklungen ist, kann er die Schulter und den Arm nicht bewegen." Schnaubend drehte Boyer sich um und marschierte in den angrenzenden Raum hinein, in dem sich das Labor verbarg.
Vashtu sah ihm mit langem Hals nach und runzelte die Stirn. „Diese Stabwaffen sind alles andere als leicht zu nehmen", murmelte sie dem Pfleger nach, doch so leise, daß dieser es sicher nicht hören konnte. Sie kreuzte die Arme vor der Brust und sah wieder zu dem bewußtlosen Peter hinunter.
„Machen Sie sich keine Sorgen. Es tut nicht wirklich lange weh", sagte Danea mit einem zerknirschten Lächeln.
Vashtu hob die Brauen. „Bei Peter wird es sich anhören, als würde er gleich sterben müssen, fürchte ich", seufzte sie ergeben, sah sich dann ihrerseits nach einem Sitzplatz um, um neben dem jungen Wissenschaftler warten zu können, bis dieser wieder zu sich kam.
Danea betrachtete sie nachdenklich. „Wird ein bißchen viel, oder?" fragte er schließlich.
Vashtu blinzelte. „Was?" Sie blickte hoch.
„Die Devi. In letzter Zeit ist der einzige, der bis jetzt nicht betroffen war, Dr. Babbis." Danea nickte zu dem Bewußtlosen hinunter.
Vashtus Brauen schoben sich wieder zusammen. „Ein dummer Zufall, mehr nicht", entgegnete sie. Dann beobachtete sie, wie Leben in die Krankenstation kam.
Boyer raste aus dem Labor heraus, zwei Pfleger, die gleichen, die auch Peter auf die Bahre gelegt hatten, folgten ihm aus einem anderen Raum.
„Markham also auch", seufzte sie ergeben.
Welche Seuche hatten sie sich da denn nur eingefangen? Es war ja schon beinahe unheimlich, wieviele Übergriffe von Seiten der Devi sie in den letzten Tagen zu verzeichnen hatten. Es wirkte wirklich, als hätten sie einen Verräter unter sich, mußte sie zugeben. Aber wer sollte sie an die Hybridwesen verraten? Und warum? Es war niemand zu ihnen gestoßen, und auch niemand irgendwie aufgetaucht, der vielleicht etwas hätte herausfinden können.
Vashtu dachte nach.
Das ganze war unheimlich und hatte bereits vor einer Woche begonnen, war mit der Zeit aber immer öfter geschehen. Ein oder zweimal, das ließ sie sich ja noch gefallen. Aber die Häufigkeit, mit der die Angriffe nur allein in dieser einen Woche bisher erfolgt waren, sprachen da eine ganz eigene Sprache. Und irgendwie wollte sie das Gefühl nicht loswerden, daß das ganze vielleicht sogar noch schlimmer werden konnte, je nachdem.
„Major?" meldete sich ihr Funkgerät.
Vashtu warf Peter einen langen Blick zu, dann aktivierte sie das kleine Gerät in ihrem Ohr. „Ja?"
„Würden Sie bitte umgehend im Konferenzraum erscheinen? Und bringen Sie bitte Danea mit", hörte sie Walshs Stimme, wechselte einen ratlosen Blick mit dem Erethianer.
„Aber ... Dr. Babbis ist noch ..."
„Kommen Sie bitte sofort, Major", wiederholte Walsh mit eindringlicher Stimme.
Vashtu zögerte noch einen Moment, dann zuckte sie etwas hilflos mit den Schultern. „Gut, wir sind unterwegs. Uruhk Ende." Sie deaktivierte das kleine Gerät und nickte Danea zu. „Stross will uns sprechen."
TBC ...
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