24.06.2012
Die undichte Stelle III
„Tut mir leid, Major", sagte Barnes' Stimme durch das Rauschen und Knacken hindurch.
Vashtu nickte. „Schon in Ordnung, Major", erwiderte sie. „Wir hoffen immer noch, Sie da irgendwie herauszukriegen."
„Wird schon, Major." Die Stimme des Offiziers klang amüsiert. Und die Antikerin konnte sich denken warum.
Es war auch schon eine merkwürdige Art von Gespräch, die sie immer führten, wenn die Gruppe der Eingeschlossenen sich meldete. Sie beide, sowie Major Dethman, standen im gleichen militärischen Rang und machten sich ihre eigene kleine Art von Scherz daraus, indem sie sich öfter als normal eben mit diesen Rang ansprachen.
„Wir müssen jetzt unterbrechen. Bis morgen, Major." In Barnes' verzerrter Stimme hörte sie tatsächlich Bedauern, und sie konnte sich diesem Gefühl wirklich nur anschließen.
„Bis morgen. Und paßt weiter auf. Wer weiß, was Pendergast sich noch einfallen lassen wird. Uruhk Ende."
„Barnes Ende und Aus."
Es knackte in der Leitung, und schlagartig wurde Vashtu wieder ernst. Sie lehnte sich gegen das Panel und kreuzte die Arme vor der Brust, während sie brütend vor sich hinstarrte.
„Uns wird schon etwas einfallen", wandte Anne sich an sie.
Vashtu blickte unter ihren Ponyfransen auf und musterte die andere. Dann hob sie unvermittelt den Kopf. „Warum wurde mir nicht mitgeteilt, daß Peter wieder aus der Krankenstation entlassen wurde?" fragte sie.
Anne drehte sich wieder zu ihr um und sah sie einen Moment lang verblüfft an. Dann hob sie die Schultern. „Weil ich es selbst noch nicht wußte, Major", antwortete sie.
Vashtu nickte, doch sie glaubte es nicht so recht. Ihr Mißtrauen war jäh wieder aufgeflammt, nachdem Anne Stross über ihren Kopf hinweg entschieden hatte und Peter damit mehr oder weniger den Hyänen zum Fraß vorwarf. Wer würde der nächste sein, sollte der junge Wissenschaftler entlastet werden, was sicher der Fall sein würde? Sie? Dorn? Die Erethianer?
Anne musterte sie noch immer, dann nickte sie stumm. „Kommen Sie bitte in mein Büro", sagte sie und drehte sich um.
Vashtu zögerte noch einen Moment, dann folgte sie der zivilen Leiterin aus dem Kontrollraum hinaus zu deren Büro, das wie ein Schwalbennest hoch über dem Torraum an der Wand zu kleben schien. Ein gläserner Kasten von der halben Größe des Kontrollraums oder ihres eigenen Büros, mußte Vashtu zugeben. Dennoch ein einmaliger Ausblick auf den Torraum, und direkt unter dem Jumperschott gelegen.
Anne wartete, bis sie eingetreten war, dann schloß sie die Tür und lehnte sich dagegen.
„Ich weiß, daß Sie es immer noch nicht glauben", begann sie mit mitfühlender Stimme. „Aber die Tatsachen sprechen nun einmal für sich. Denken Sie, ich wollte, daß irgendjemand hier ein Verräter ist? Und gerade in Dr. Babbis habe ich großes Vertrauen gesetzt."
Vashtu lehnte sich gegen den Schreibtisch, kreuzte wieder die Arme vor der Brust. „Dann hätten Sie warten sollen, bis Peter wieder zu sich kam und ihn dann befragen sollen", entgegnete sie. „Ich bleibe dabei, ich lege meine Hand für ihn ins Feuer. Ich weiß, er ist anstrengend und nervtötend, aber er ist und bleibt ein verdammt guter Wissenschaftler und ist ziemlich begabt für jemanden, der das ATA-Gen nicht von Geburt an trägt."
Anne seufzte, zog die Schultern hoch. „Dorn hat bisher nichts gefunden", sagte sie dann.
Vashtu witterte Morgenluft. „Das spricht doch für ihn!"
„Oder für seine Klevernis", widersprach die Leiterin sofort. „Major ... Vashtu, ich kann sehr gut nachvollziehen, wie es Ihnen geht, glauben Sie mir. Aber ich kann nicht riskieren, Markham oder Sie zu verlieren bei einem Außenwelteinsatz. Gerade Sie beide sind zu wichtig!"
„Und Peter? Ist er plötzlich nicht mehr wichtig?" Vashtu neigte fragend den Kopf.
Anne hob beschwichtigend die Hände. „Er ist sehr wichtig. Aber, wie gesagt, die Tatsachen sprechen für sich."
Vashtu richtete sich unvermittelt auf, in ihren Augen flammte Wut auf. „Dann lassen Sie mich durch das Tor gehen, jetzt! Wählen Sie irgendeine Adresse an und lassen Sie mich durch. Peter weiß nichts von diesem Gang, er kann ihn nicht verraten! Werde ich angegriffen, ist das die Bestätigung, daß er unschuldig ist."
„Und wenn Ruhe herrscht?" wandte Anne sofort ein.
Vashtu schwieg, nur ihre Kiefer begannen wieder leise vor sich hinzumahlen.
Die Leiterin Vinetas nickte. „Genau, das wäre dann, nach Ihrer Beweisführung, der Schuldspruch für Dr. Babbis. Und gerade das möchte ich vermeiden. Verstehen Sie? Ich möchte ebensowenig wie Sie, daß er schuldig ist, glauben Sie mir. Aber im Moment deutet alles auf ihn hin. Sergeant Dorn hat recht, er ist von Ihnen dreien am meisten allein da draußen. Er hat die Planetenflüge übernommen ..."
„Ich habe sie ihm gegeben", wandte Vashtu ein.
Anne sah sie kurz an, dann nickte sie. „Gut, dann haben Sie sie ihm gegeben. Tatsache ist, er fliegt sie."
„Weil er noch ein Anfänger ist und noch nicht sonderlich geübt im Umgang mit Puddlejumpern. Beim letzten Mal hatte selbst ich fast Schwierigkeiten, verdammt! Dieser Rochen klebte an meinem Heck und ich wurde ihn nicht los."
„Irgendetwas ist passiert, Major", entgegnete Anne mit ruhiger Stimme. „Irgendetwas hat dafür gesorgt, daß die Devi sehr genau über unsere Pläne informiert sind. Das müssen auch Sie zugeben. Das hat nichts mehr mit Pech zu tun. Acht Übergriffe in drei Tagen sind alles andere als Pech."
Vashtu atmete tief ein, lehnte sich wieder gegen den Schreibtisch und senkte den Kopf.
Sie wußte, daß Anne recht hatte. Sie wußte es sogar sehr genau. Aber sie kannte auch Peter. Sie hatte gesehen, wie er, vor Schreck erstarrt, dastand, als die Königin ... Wallace getötet hatte. Sie hatte gesehen, mit welcher Kaltblütigkeit er zu Werke ging, ging es um irgendetwas, was die Devi zurückwerfen oder töten konnte. Peter Babbis haßte die Hybridwesen ebenso wie sie. Selbst sein übersteigertes Ego würde ihn nicht so weit treiben, sich mit ihnen einzulassen, davon war sie überzeugt. Sie kannte ihn gut genug, um das sagen zu können.
„Dorn wird noch sein Quartier untersuchen, nachdem sein Büro und das Labor, sowie das Lager, in dem er sich eine Zeitlang verschanzte, nichts ergeben haben", fuhr Anne fort. „Sollten wir dort auch nichts finden, ist der Verdacht zwar nicht von ihm genommen, aber nicht mehr so akut wie jetzt. Dann werde ich auch weitere Gate-Reisen wieder genehmigen - ohne Dr. Babbis, bis sich letztendlich geklärt hat, was hier eigentlich los ist."
Vashtu nagte an ihrer Unterlippe, nickte dann aber.
„Und ich möchte, daß er nichts von irgendwelchen Unternehmungen erfährt, Major. Weder von Torreisen noch von irgendetwas anderem, wobei wenigstens ein Pilot gefährdet werden könnte. Wir können es uns nicht leisten, auch nur einen ATA-Träger zu verlieren, solange Sie die Gentherapie nicht beendet haben. Und ich möchte, wenn möglich, Opfer jedweder Art verhindern. Ich hoffe, Sie verstehen das."
Vashtu kniff kurz die Lippen aufeinander, sah wieder auf. „Sie irren sich", sagte sie einfach. „Sie irren sich ganz gewaltig."
„Das hoffe ich", antwortete Anne wie auf eine Frage. „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich das hoffe."
„Sie sind gerade dabei, nicht nur Peters Vertrauen zu untergraben, Dr. Stross", fuhr Vashtu mit kalter Stimme fort. „Ich werde das nicht so schnell vergessen. Und sollte ich den Schuldigen vor Dorn finden, können Sie sich darauf verlassen, daß ich ihn so schnell wie möglich zu Ihnen schleifen werde. Und Sie werden sich bei Peter entschuldigen, wenn es soweit ist!"
„Das werde ich dann sehr gern tun, Major. Wirklich sehr gern, das können Sie mir glauben."
Vashtu richtete sich wieder auf. „Dann dürfte das ja jetzt wohl geklärt sein." Sie bedachte die Leiterin mit einem weiteren kalten Blick.
„Eine Sache noch, Major", wandte Anne sich an sie. „Es geht um Ihre Expedition, um das Wasser zu finden: Sie hatten Babbis auf Ihrer Liste."
Vashtu nickte. „Ja, das hatte ich. Und genau darum habe ich auch solange gewartet, bis wir losziehen."
„Das kann ich nicht zulassen, tut mir leid." Anne trat an ihr vorbei hinter den Schreibtisch. „Ihre andere Wahl, Dr. Gerard, ist für mich vollkommen in Ordnung. Aber Sie wollen auch Lieutenant Markham mitnehmen, und damit wären alle drei Träger des Gens irgendwo in den Eingeweiden der Stadt verschwunden. Ob wir nun eine undichte Stelle haben oder nicht, ich kann das nicht zulassen. Babbis bleibt hier. Ich würde ohnehin gern noch einmal mit ihm sprechen."
Vashtus Gesicht erstarrte zu dem Anlitz einer Eiskönigin. Mit zusammengekniffenen Lippen nickte sie, drehte sich um und verließ das Büro. Draußen auf der Treppe blieb sie in angespannter Haltung stehen und mußte den dringenden Wunsch unterdrücken, mit der Faust auf irgendetwas einzuschlagen.
***
„Sie wollten mich sprechen, Dr. Stross?" Peter stand etwas unsicher in der einen geöffneten Wand des Konferenzraumes, schielte um die Ecke.
Die Leiterin Vinetas blickte von ihren allgegenwärtigen Unterlagen auf und nickte. „Kommen Sie bitte herein, Dr. Babbis."
Peter zögerte noch einen Moment, sah kurz zu dem Marine hinüber, der bei der geöffneten Wand Wache hielt. Dann überschritt er doch die Schwelle und blieb etwas unschlüssig stehen, nicht so recht wissend, wohin er sich begeben sollte. Auf seinen Platz oder sollte er doch lieber stehenbleiben? Am besten, dachte er schließlich, wartete er erst einmal ab.
Diese Blicke, die ihm immer wieder zugeworfen wurden, irritierten ihn immer mehr, ebenso das offensichtliche Aus-dem-Wege-gehen von Vashtu. Selbst Dorn, den er einmal kurz auf dem Weg in sein Büro gesehen hatte, schien ihm gegenüber etwas frostig aufzutreten. Und er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was hier eigentlich in nur zwei Tagen vor sich gegangen war.
Stross blickte wieder auf, machte eine einladende Geste. „Setzen Sie sich", forderte sie ihn mit geschäftsmäßiger Stimme auf.
Peter zögerte wieder etwas, dann aber kniff er entschlossen die Lippen aufeinander und marschierte zu seinem üblichen Sitzplatz, ließ sich dort nieder und wartete, sich nervös am Ohrläppchen zupfend.
Stross legte das Datenpad endlich zur Seite, faltete die Hände vor sich auf dem Tisch und sah ihn an. „Nun", begann sie, „Sie sind ja von Anfang an mit hier. Was sagen Sie zu unserer Stadt?"
Peter wußte nicht so ganz, was er darauf antworten sollte. Er zuckte mit den Schultern. „Ganz nett", gestand er schließlich, wenn das in seinen Augen auch eine vollkommene Untertreibung war.
Stross musterte ihn. „Nett?"
Wieder ein hilfloses Schulterzucken. „Naja, was soll ich sagen? Immerhin ... äh, sind noch einige Bereiche gesperrt, die vielleicht ... ich meine, Vashtu hält einiges zurück und wir könnten ... die Forschungsanlage ist doch ... naja, ich denke, wenn die Prometheus erst einmal weg ist, wird hier auch einiges leichter werden." Er brachte ein unsicheres Lächeln zustande bei diesen Worten.
Stross nickte nachdenklich. „Es ärgert Sie, daß Major Uruhk den wissenschaftlichen Bereich bis auf weiteres gesperrt hat, richtig?"
Peter atmete tief aus. „Naja, was soll ich sagen? Es könnten dort einige wichtige Erkenntnisse auf uns warten."
Stross nickte wieder, sah ihn forschend an. „Und Ihr Dienst als Pilot? Empfinden Sie ihn als belastend?"
Peter blinzelte verständnislos. „Belastend?" echote er.
Stross neigte den Kopf leicht, musterte ihn weiter.
Peter schüttelte den Kopf. „Nein", antwortete er dann fest. „Im Gegenteil. Ich denke, ich bin der erste Pilot, der den Planeten ganz erforschen kann. Vashtu ... Major Uruhk will mich langsam an wichtigere Aufgaben heranführen."
„Sie gibt Ihnen Flugstunden im Puddlejumper, richtig?"
Er nickte, wußte nicht so recht, was diese ganzen Fragen sollten. „Ja, das tut sie ... und ein bißchen mehr." Wieder ein hilfloses Lächeln und ein Schulterzucken. „Sie ... äh ... hilft mir etwas bei antikisch."
„Sie bringt es Ihnen bei", stellte Stross fest.
Peter fühlte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. „Ich weiß nicht ... ich meine ..."
„Daß Sie die Sprache nicht lesen oder verstehen können, ist uns allen klar, Dr. Babbis. In der letzten Zeit aber haben Sie da den einen oder anderen Fortschritt gemacht, wie ich hörte", fuhr die Leiterin fort, strich sich den Pony aus dem Gesicht.
„Naja, auf der Erde hatten wir nie so recht Zeit, wenn Sie verstehen, was ich meine." Er versuchte, etwas zerknirscht auszusehen. „Nicht, daß ich nicht wollte, es war nur ..."
„Ich verstehe", fiel Stross ihm ins Wort. Sie beugte sich vor, sah ihn dabei immer noch forschend an. „Wie steht es mit Ihrer Arbeit für Dr. Spitzbart? Er gesteht Ihnen inzwischen ein eigenes Forschungsfeld zu, soweit ich weiß."
Peter nickte eifrig. „Es macht mir Spaß, ja. Ich bin für die Verwendung und Erforschung der PKs verantwortlich. Da läßt Dr. Spitzbart mir vollkommen freie Hand. Und das ist ... er scheint mir zu vertrauen."
„Es macht Ihnen also Spaß?" Stross hob die Brauen.
„Klar!" Er winkte ab.
Irgendwie beschlich ihn allmählich das Gefühl, mit ihrer ganzen Fragerei zielte sie auf etwas ganz bestimmtes ab. Aber er kam nicht dahinter, was sie eigentlich von ihm wollte. Er war sich sicher gewesen, daß sie ihn, ebenso wie die Mehrzahl der anderen Bewohner Vinetas, irgendeines Vergehens beschuldigte. Aber er wußte nicht, was er denn getan haben sollte. Diesmal war er wirklich unschuldig. Und er hatte nicht die blaßeste Ahnung, woran es liegen mochte, daß alle ihm auf so eigenartige Weise begegneten.
Stross allerdings schien ihm weder auf dem Weg zu gehen, noch ihn zu beschuldigen. Er hatte sie schon wütend erlebt, und das war sie jetzt definitiv nicht. Auch wenn dieses Gespräch einige eigenartige Züge hatte, die er sich nicht so recht erklären konnte.
Es erinnerte ihn irgendwie an ... das Verhör, dem er unterzogen worden war, nachdem sein Vater ermordet worden war. Aber seines Wissens war hier niemand verletzt oder getötet worden, oder? Zumindest war er definitiv nicht daran beteiligt.
Möglicherweise aber hatte es einen Unfall gegeben, den Stross jetzt untersuchte und zu dessen Aufklärung er irgendwie beitragen konnte. Zumindest war das jetzt seine Erklärung und seine Hoffnung.
Die Leiterin lehnte sich wieder zurück, warf ihrem Datenpad einen kurzen Blick zu. „Wie sieht es mit den Torflügen aus, die Sie in den letzten Tagen unternommen haben?" erkundigte sie sich.
Peter atmete auf.
Na, daran konnte es wirklich nicht liegen. Er hatte ganze fünf Flüge gehabt, einschließlich dessen, bei dem er von dieser Devi-Waffe getroffen worden war. Wahrscheinlich ging es um den Angriff auf Vashtus Team. Und da konnte er wirklich mitreden. Immerhin war er auf der Krankenstation aufgewacht und sonst keiner aus seinem Team.
„Es klappte ganz gut. Allmählich bekomme ich Übung", antwortete er, lehnte sich jetzt ebenfalls zurück. „Natürlich müssen Vashtu und ich das Gate regelmäßig warten. Irgendwie scheint das Loch mit der Holprigkeit zusammenzuhängen. Aber das werden wir sicher irgendwann beheben können, davon bin ich überzeugt."
Stross nickte nachdenklich. „Ist Ihnen vielleicht etwas aufgefallen, Dr. Babbis? Irgendetwas während der Flüge?"
Peter runzelte die Stirn. „Ich ..." Er schloß den Mund und dachte nun wirklich nach. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein, tut mir leid. Da war nichts, einmal abgesehen vom letzten, als wir auf Devi stießen."
Sie beugte sich wieder vor. „Nur beim letzten, also als Major Uruhk geflogen ist, stießen Sie auf Devi?" fragte sie.
Er blinzelte, nickte dann aber. „Ja, meines Wissens schon. Ich meine, ich weiß natürlich nicht, wie es nach unseren Besuchen auf diesen Planeten ausgesehen hat, und meine Einsätze waren sehr kurz. Vashtu, Major Uruhk, will mich lieber bei Planeten- und Mondflügen einsetzen. Da scheine ich wirklich sehr gut zu sein."
Stross sah ihn sehr eindringlich an. „Sind Sie sich wirklich sicher, daß nichts außergewöhnliches geschehen ist während Ihrer Torflüge?"
Peter biß sich auf die Lippen, begann wieder an seinem Ohrläppchen zu zupfen. Dann aber schüttelte er den Kopf. „Nein, es ist absolut gar nichts passiert. P1V-133 und -129 sind beide sehr ruhig und die Bewohner, soweit es mir die Teams, die ich geflogen habe, mitgeteilt haben, sehr in sich gekehrt und nicht interessiert an irgendwelchen Handelsbeziehungen. Auf P1V-127 trafen wir auf ... merkwürdige Lebewesen, die wohl nicht so wirklich intelligent sind, und P1V-132 wartet mit einem Supervulkan auf und ist inzwischen unbewohnbar geworden."
Stross hob das Kinn, musterte ihn weiter. „Wie war das damals, als Sie von den Devi gefangen genommen wurden, Dr. Babbis? Was ist da geschehen?"
Ungläubig starrte er sie einen Moment lang an, dann schluckte er sichtlich. „Ich ... Diese Königin hat James getötet ..." Er holte tief Atem und erschauderte, dann senkte er den Blick. „Sie ... hat gesprochen, aber ... ich habe sie nicht verstanden. Ich glaube, es war ... antikisch, aber sicher bin ich mir nicht."
„Die Königin sprach mit Ihnen? Worüber?"
Peter biß sich auf die Lippe, sein Blick irrte hin und her.
Diese Erinnerung tat weh, sehr weh sogar. Er wußte, wenn er nicht gewesen wäre, hätte die Antikerin Wallace austauschen lassen. Allein die Tatsache, daß er und der Agrarwissenschaftler ein wenig befreundet waren und zur Stammbesatzung von SG-27 gehört hatten, hatte James davor bewahrt, letztendlich gehen zu müssen. Dabei zu sein, als er starb, es mitansehen zu müssen und zu wissen, daß er eigentlich an Wallaces Stelle hätte sein müssen, das war ... etwas, was immer noch in ihm arbeitete. Niemals würde er den Anblick vergessen, als dieser Sichelarm durch den Brustkorb seines Teamkollegen gebrochen war, als würde die Devi warme Butter schneiden. Nie würde er vergessen, wie sie dann begonnen hatte, Wallace Leichnam zu zerstückeln, vor seinen und Vashtus Augen, als sie beide nur entsetzt auf die Szene gestarrt hatten.
„Ich ..." Er nahm sich die Brille ab und begann seine Augen zu reiben. Dann schüttelte er den Kopf. „Woher soll ich das wissen! Ich habe sie nicht verstanden. Und selbst wenn ich sie verstanden hätte ..." Er kniff voll hilfloser Wut die Lippen aufeinander und starrte vor sich auf den Tisch, fühlte, wie heißer Zorn durch seine Adern zu fließen begann. „Dieses ... dieses Monster hat James hinterrücks erstochen. Er hatte gar keine Möglichkeit, sich zu wehren! Und dabei brabbelte sie die ganze Zeit vor sich hin und ließ nicht eines ihrer Facettenaugen von mir."
Der Schmerz und die Schuld würgten ihn.
Er hätte sich irgendwie dazwischen werfen müssen! Er hätte es aufhalten müssen, irgendwie! Vashtu hatte er damals doch auch Hilfe leisten können, wenn auch nicht viel, als Kolya sie beide gefangennahm und sie beinahe vor seinen Augen gestorben wäre. Warum dann nicht auch James? Warum hatte er nur diese verdammte Angst gehabt? Warum war er vor Panik wie erstarrt gewesen, als die Königin plötzlich auftauchte?
Er wußte es einfach nicht zu sagen. Er kannte keine einzige Antwort auf seine Fragen. Er wußte nur, daß er noch immer ab und an nachts schreiend aufwachte und diese Szene vor sich sah. Nur war diesmal dann er es, der von dieser Knochensichel aufgespießt wurde.
Stross sah ihn immer noch an, forschend aber auch mitleidig. Dann schien sie sich plötzlich zu entscheiden.
„Dr. Babbis", sagte sie mit fester Stimme, die ihn wieder aufblicken ließ. Ihr Gesicht war sehr ernst, noch immer suchte und fixierte sie seine Augen. „Es gibt einen Verdacht gegen Sie. Ihnen wird nicht entgangen sein, daß Sie im Moment der einzige Pilot sind, der nicht unter den Angriffen der Devi zu leiden hat. Es sind Stimmen laut geworden, die Ihnen einen Handel mit unseren Feinden unterstellen. Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht so recht, ob das der Wahrheit entspricht. Aber ich weiß, daß ich Sie erst einmal nicht durch das Tor gehen lassen kann, bis diese Sache geklärt wird. Ich möchte Sie bitten, sich jederzeit verfügbar zu halten für Sergeant Dorn und auch für mich, sollte es noch Fragen geben."
Peter starrte die Leiterin Vinetas ungläubig an. „Ich soll ... was?" fragte er.
Sie nickte, noch immer mit sehr ernstem Gesicht. „Es gibt gewisse Verdachtsmomente gegen Sie, Dr. Babbis. Und eben darum möchte ich Sie bitten, sich jederzeit bereit zu halten." Sie atmete tief ein, ehe sie fortfuhr: „Major Uruhk hat von mir die Anweisung bekommen, sich von Ihnen fernzuhalten, ebenso wie Lieutenant Markham und jedes Mitglied eines unserer SG-Teams. Sie sind bis auf weiteres von jeglichen Flügen freigestellt."
„WAS?" Er richtete sich auf und beugte sich, mit vor Zorn funkelnden Augen, vor. „Für wie dämlich halten Sie mich, Dr. Stross? Diese vielgliedrigen Mistviecher haben mich töten wollen, verdammt! Wäre Vashtu nicht dazu gekommen, wäre ich nach Wallace dran gewesen, das ist sicher. Ich weiß nicht, warum sie mich am Leben ließ und erst ihn tötete. Vielleicht weil er einfach näher bei ihr war. Aber ich ... Verdachtsmomente? Was für Verdachtsmomente?"
„Sie sind der einzige, der nicht unter den Angriffen der Devi zu leiden hat. Das ist sehr auffällig, Dr. Babbis, denken Sie nicht?"
„Und wer hat die letzten zwei Tage mit Schmerzen auf der Krankenstation gelegen? War das nicht ich?" Wütend funkelte er sie an. „Dr. Stross, ich mag vielleicht nicht immer Ihren Wünschen und Vorstellungen entsprechen, aber dämlich bin ich nicht!" Damit richtete er sich auf und marschierte in Richtung verschiebbare Wände.
„Ich habe Sie noch nicht entlassen!" rief Stross hinter ihm her.
„Doch, das haben Sie!" Peter fuhr herum und ballte die Hände zu Fäusten. „Das haben Sie sogar sehr gründlich, Dr. Stross!" Damit ging er, nachdem die Wand hinter ihm sich geöffnet hatte.
TBC...
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