12.12.2009

Highnoon in Kansas IV

Vashtu hockte am nächsten Morgen mißmutig auf der Pritsche, die Beine angewinkelt und die mit Handschellen gefesselten Hände auf die Knie gestützt. Unter ihren Ponyfransen starrte sie durchdringend zu Hamilton hinüber, der auf der anderen Seite des Gitters saß, die Schrotflinte auf dem Schoß. Da öffnete sich die Tür vorn im Büro.
Da Snider angeordnet hatte, die Verbindung offen zu lassen, um eine zusätzliche Kontrolle über seine Gefangene zu haben, konnte Vashtu die beiden Eintretenden genau erkennen. Innerlich stöhnte sie auf, doch sie hoffte ebenso, daß endlich Hilfe gekommen war. Wie auch immer Landry von ihrer Misere erfahren hatte, er hatte ihr jemanden geschickt. Besser gesagt, eine Hälfte von SG-1: Dr. Daniel Jackson und einen Mann in der Uniform der Air Force, bei dem es sich um Lt. Colonel Cameron Mitchell handeln mußte, dem sie bisher noch nie begegnet war im SGC.
Mit einem Ruck kam die Antikerin auf die Beine und trat an das Gitter. „Dr. Jackson!“ rief sie nach vorn.
Der hob unwillkürlich den Kopf und blinzelte in ihre Richtung. Dann konnte sie sehen, wie seine Schultern sich hoben und wieder senkten in einem resignierenden Seufzen.
„Was kann ich für Sie tun?“ fragte Williams dienstbefließen.
„Zurück!“ nuschelte Hamilton undeutlich und winkte mit der Schrotflinte.
Vashtu ignorierte ihn und reckte den Hals.
„Wir kommen von Cheyenne-Mountain, der dortigen Air-Force-Base, wegen ... wegen Ihrer Gefangenen. Wir würden gern den Sheriff sprechen“, sagte Jackson.
Hamilton erhob sich. „Ich sagte zurück!“ Seine Stimme war immer noch undeutlich, doch die erhobene Schrotflinte sprach ihre eigene Sprache.
Vashtu ließ die Gitterstäbe los und hielt die Hände erhoben, während sie langsam rückwärts Richtung Pritsche ging. „Schon gut“, murmelte sie und ließ sich wieder nieder.
Mitchell hatte wohl etwas von dem kurzen Intermezzo bei ihr mitbekommen. Jedenfalls reckte er jetzt den Hals und staunte, als er einen Blick auf den angeschlagenen Hamilton mit der Waffe in den Armen sah.
Vashtu stützte die Ellenbogen auf die Knie und legte ihr Kinn auf die Handflächen, während sie wieder mißmutig den Deputy betrachtete.
Sie hatte wohl härter getroffen, als sie gedacht hatte. Eine Gesichtshälfte war deutlich verfärbt, sein Auge fast zugeschwollen. Und seine Aussprache verriet, daß ihre Faust wohl auch einige Zähne gelockert hatte.
Vashtu seufzte, richtete ihre Aufmerksam wieder nach draußen.
In der Nacht war noch ein Mann bei ihr gewesen, nachdem ihr Ausbruchsversuch entdeckt worden war. Laut Snider ein Arzt, der ihr ziemlich unsanft Blut abgenommen hatte. Es sollte untersucht werden, um einen eventuellen Drogenmißbrauch festzustellen.
Sie hatte sich nur noch tiefer in die Sache reingeritten, ging ihr zum wiederholten Male auf. Sie hätte brav in der Zelle sitzenbleiben und darauf vertrauen sollen, daß Landry sie irgendwann suchen würde. Aber ihr Stolz war mit ihr durchgegangen.
Frustriert blickte sie zu dem demolierten Gitter hinauf. Ein metallener Fensterladen war vor die Öffnung geschoben worden, so daß sie hier hinten, einmal abgesehen von der ungesund knisternden Leuchtstoffröhre, die seit der Nacht durchgehend brannte, im Dunkeln gesessen hätte.
„Dann möchten wir mit Ihrer Gefangenen kurz sprechen“, hörte sie Jackson sagen.
Hätte Landry nicht irgendjemand anderen finden können, den er ihr hinterherschicken konnte? Mit Jackson stand sie zwar nicht auf Kriegsfuß, aber sonderlich kamen sie nicht miteinander aus. Sie wußte nicht, ob sie ihm zutrauen konnte, sie hier wieder herauszuholen. Und überhaupt, lieber wäre es ihr gewesen, wenn sie nicht auf die Hilfe von irgendjemandem angewiesen wäre und es selbst und allein geschafft hätte.
„Äh, ich weiß nicht, ob ...“
Eine Bewegung vorn ließ sie sich auf das Geschehen im Büro konzentrieren. Mitchell hatte die Schwingtür durchschritten, ohne auf den Einwand des Deputys zu achten.
„Sir, Sie sollten besser auf Sheriff Snider warten“, wandte Williams ein.
„Ach, der wird schon nichts dagegen haben. Miss Uruhk und wir sind Arbeitskollegen.“ Mitchell ließ den Deputy einfach stehen und trat in den Zellenraum.
Vashtu erhob sich wieder, blieb aber im sicheren Abstand vom Gitter. Ein schiefes, entschuldigendes Lächeln regte sich auf ihren Lippen. „Lt. Colonel.“ Sie nickte grüßend.
Jackson betrat jetzt ebenfalls den Zellenraum und sah sich aufmerksam um. Er stutzte, als er den angeschlagenen Hamilton sah, der die beiden Besucher mißtrauisch beäugte. Dann trat er an das Gitter heran und funkelte sie an. „Miss Uruhk, was denken Sie sich eigentlich?“ zischte er ihr zu.
Vashtu hob entschuldigend die Schultern, ließ sie dann wieder sinken. „Der Sheriff wollte mir mein Motorrad stehlen“, antwortete sie erklärend.
Mitchell gluckste, stemmte die Hände in die Hüften. „Oh Mann, Sie darf man wohl wirklich nicht allein lassen, was?“ Er klang amüsiert. Dann nickte er ihr zu. „Was haben Sie denn noch angestellt, daß sie selbst in der Zelle noch gefesselt werden?“
Vashtu verdrehte die Augen. „Ich wollte hier raus.“
„Sind Sie vollkommen wahnsinnig geworden? Sie hätten auf Ihren Anruf bestehen und das SGC informieren sollen!“
„Snider ließ mich ja nicht telefonieren.“ Vashtu stutzte. „Woher wußten Sie eigentlich, wo Sie mich finden konnten?“
„Dr. Wallace hat Landry informiert, daß Sie in irgendeinem Schlamasel stecken würden“, antwortete Mitchell noch immer sehr amüsiert und grinste breit.
Vashtu bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. „Wallace also, soso.“ Sie knurrte einen Fluch in ihrer Muttersprache.
Jackson schluckte hörbar, dann leckte er sich kurz über die Lippen und hob eine Hand. „Wir holen Sie wieder hier heraus, okay? Landry will Sie so schnell wie möglich wieder in der Einrichtung sehen. Darum hat er uns geschickt.“
„Die Kavallerie ist da.“ Mitchell zwinkerte, sah sich wieder um. „Hey, Jackson, denken Sie nicht auch an etwas, wenn Sie das hier so sehen?“
Der sah seinen Teamleader mit einem undefinierbaren Blick an. „Nein, ich denke nicht, Colonel. Ich versuche das Schlimmste abzuwehren.“
„Äh ...“ Vashtu schloß den Mund wieder und senkte betreten den Kopf.
Sofort ruckten die beiden Angehörigen von SG-1 zu ihr herum.
„Was?“ fragte Mitchell.
„Naja ... äh ...“ Vashtu zog eine Grimasse.
„Was?“ wiederholte jetzt Jackson.
„Man hat mir heute nacht noch Blut abgenommen, um es auf Drogen untersuchen zu lassen“, antwortete sie endlich.
Jacksons Augen hinter den Brillengläsern weiteten sich. „Wie bitte?“
Verlegen zuckte sie mit den Schultern und warf dem verbogenen Gitter einen vielsagenden Blick zu.
Der Wissenschaftler japste nach Luft, dann wurde er umgehend wieder ernst und blitzte sie wütend an. „Miss Uruhk!“
„Wow! Das waren Sie?“ Mitchell staunte.
„Was ist hier los?“
Von allen unbemerkt hatte Snider den Zellenraum betreten. „Wer hat Ihnen erlaubt, die Gefangene aufzusuchen?“
Jackson drehte sich eilfertig um. „Sheriff Snider?“ Er hielt dem feisten Mann die Rechte hin. „Ich bin Dr. Daniel Jackson, das ist Colonel Cameron Mitchell. Wir sind Arbeitskollegen von Miss Uruhk und gekommen, um ... äh ... nun, die Air Force hätte gern ihre Beraterin zurück, Sir.“
Snider musterte die beiden vor ihm stehenden Männer mit verbissener Miene. „Das wird nicht möglich sein. Die Gefangene bleibt hier, bis sie dem Haftrichter vorgeführt wird.“
„Aber ...“
Mitchell warf ihr einen kurzen Blick zu und machte eine beschwichtigende Geste.
Vashtu nickte seufzend und zog sich wieder zur Pritsche zurück.
„Wir sollten das doch eher in Ihrem Büro erörtern“, schlug Jackson mit versöhnlicher Stimme vor. „Wenn Sie erlauben, Sheriff.“
Snider musterte den Wissenschaftler noch einmal von Kopf bis Fuß, dann nickte er und ging voran.
Vashtu sah den beiden Mitgliedern von SG-1 sehnsüchtig nach.

***

„Ich weiß wirklich nicht, warum ich mich überhaupt mit Ihnen unterhalten soll. Sie sagen, Sie dürfen mir dies und das nicht erklären, bestehen aber darauf, diese Furie da hinten mitzunehmen.“ Snider lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, der leise ächzte unter seinem Gewicht.
„Miss Uruhk ist sehr wichtig für die Verteidigung dieses ... äh ... Landes“, wandte Mitchell mit einem Zögern ein.
„Sie ist doch nicht einmal Amerikanerin!“ Snider schüttelte den Kopf.
„Naja, aber sie verfügt über gewisse ... Kenntnisse, die wir dringend benötigen“, fuhr Mitchell fort. Fasziniert klebte sein Blick an einem gerahmten und vergilbten Stück Papier hinter der ausladenden Gestalt des Sheriffs.
„Dann hätten Sie besser auf sie aufpassen sollen, Colonel. Sie wird von hier aus nur einen Weg antreten, und der führt direkt ins nächste Frauengefängnis.“
Jackson faltete die Hände vor sich, blieb in seiner gebeugten Haltung sitzen. „Was werfen Sie Miss Uruhk denn überhaupt vor?“ fragte er, während er aufblickte.
„Nun, da wäre zunächst einmal die Geschwindigkeitsübertretung.“ Snider setzte sich wieder auf, lehnte sich über seinen Schreibtisch. „Dann das Führen eines Fahrzeugs ohne gültige Papiere, eventuell sogar den Diebstahl dieses Fahrzeugs. Dann Widerstand gegen die Staatsgewalt, Beschädigung öffentlichen Eigentums und nicht zuletzt den Angriff auf einen Staatsbeamten. Und vorhin habe ich auch noch erfahren, daß Ihre Miss Uruhk gestern nachmittag auf der Walker-Farm gewesen ist, dort den jüngsten Sohn Tommy als Geisel genommen und eine wilde Schießerei veranstaltet hat. Ach ja, da wären wir dann auch noch bei dem Tragen einer scharfen Waffe. Den Sachschaden, den Ihre Miss Uruhk angerichtet hat, will ich jetzt nicht einmal beziffern. Auf der Walker-Farm ist jedenfalls kein Fenster mehr heil.“
Mitchells Augen waren bei dieser Aufzählung immer größer geworden. Jetzt stand er stocksteif da und staunte nur noch den Sheriff an.
Jackson dagegen kniff bei jedem Vorwurf stöhnend die Augen zusammen. Er nahm seine Brille ab und rieb sich die Nasenwurzel. „Nun“, wandte er dann endlich ein und sah wieder auf, mit seinen Augengläsern nervös spielend, „was das Fahrzeug angeht, so können wir Ihnen selbstverständlich im Namen von General O'Neill versichern, daß es tatsächlich eine Schenkung gewesen ist, damit ist der Diebstahl des Motorrades vom Tisch. Es ist wahr, Miss Uruhk verfügt noch über keinen gültigen Führerschein. Dafür und für die Geschwindigkeitsübertretung wird sie gern die Verantwortung übernehmen. Was den Rest angeht ...“ Hilflos schloß er den Mund und wechselte einen Blick mit Mitchell. Der nickte zu dem Rahmen an der Wand hin. Jackson runzelte die Stirn und konzentrierte sich jetzt auf den Druck hinter Snider.
„Als beratende Mitarbeiterin einer streng geheimen Regierungsbehörde ist Miss Uruhk zudem befugt, eine Waffe zu führen“, sagte der Colonel jetzt zaghaft. „Und ich bin sicher, sie wird nicht ohne Grund auf irgendjemanden geschossen haben, Sheriff. Miss Uruhk ist in unserem Institut als sehr ... äh ... gewissenhaft bekannt. Sind Sie sich wirklich sicher, daß sie diese Walkers angegriffen hat?“
„Der Junge liegt mittlerweile im Krankenhaus“, entgegnete Snider erhitzt. „Ihre Miss Uruhk hat ihm zwei Rippen gebrochen und zahlreiche Prellungen und Quetschungen zugefügt. Wenn Sie mich fragen, Colonel, sollte diese Frau eingesperrt und der Schlüssel weggeworfen werden.“
Jackson murmelte leise etwas von einem solchen gescheiterten Versuch vor sich hin und setzte sich seine Brille wieder auf, um den vergilbten Druck aufmerksamer zu mustern.
„Hören Sie, Sheriff, wir sind doch vernünftige Menschen“, wandte Mitchell jetzt ein. „Miss Uruhk hat ein bißchen Unruhe gestiftet. Das ist doch nichts, was wir nicht unter uns regeln könnten.“
Snider starrte ihn erbost an. „Diese Frau hat mich persönlich beleidigt!“
Jackson hob einen Finger, wies auf den Druck. „Sehr interessant. Scheint antik zu sein. Darf ich es mir näher ansehen?“
Snider blinzelte, offensichtlich aus seinem Konzept gebracht. Und genau das hatte Mitchell erreichen wollen.
„Ich bin sicher, Miss Uruhk wird sich persönlich bei Ihnen entschuldigen, wenn Sie ihr den Sachverhalt erklären“, fuhr der Militär fort. „In dem Land, aus dem sie stammt, geht es ein wenig anders zu als bei uns. Wir sollten ein wenig Rücksicht nehmen.“
„Diese Frau ist einfach nur irre!“ Snider beobachtete aufmerksam Jackson, der um den Schreibtisch herumgetreten war und den Druck sehr genau studierte.
Der Wissenschaftler nickte anerkennend. „Ein seltenes Stück, das Sie da haben, Sheriff. War sicher nicht einfach, da heran zu kommen.“
„War mein Ururgroßvater. 1872 wurde er, nach einer langen Zeit als Revolverheld, ein ehrbarer Mann und der erste Sheriff von Silent“, erklärte Snider nicht ohne Stolz in der Stimme.
Jackson nickte anerkennend, studierte aufmerksam weiter den Druck und gab Mitchell ein stummes Hilfezeichen.
Der ließ sich das nicht zweimal sagen. „Ja, doch, eine gewisse Familienähnlichkeit zu Ihnen ist vorhanden“, log er und nickte. „Sicher nicht ganz einfach, einem solchen Ruf gerecht zu werden, oder?“
„One-Bullet war ein echter Kerl von Schrot und Korn, Sir.“ Snider nickte. „Er brachte Recht und Gesetz hierher.“
Mitchell nickte und überlegte fieberhaft.
„Eine phantastische Arbeit“, half Jackson jetzt wieder aus, um dem Colonel Zeit für eine Erwiderung zu geben. „Soetwas findet man sonst nur im Museum.“
„Um ehrlich zu sein, unser Heimatkundemuseum ist schon einige Male wegen des Steckbriefes an mich herangetreten. Aber ich kann mich einfach nicht davon trennen.“ Snider sonnte sich offensichtlich in dem verblichenen Ruhm seines Vorfahren.
„Kann ich verstehen“, wandte Mitchell schnell ein und zog eilig eine Grimasse zu Jackson. Der zuckte nur hilflos mit den Schultern, sobald Sniders Aufmerksamkeit wieder zu dem Militär wechselte.
„Was nun Miss Uruhk angeht ...“ wagte Mitchell sich jetzt wieder vor.
Sniders seliges Lächeln erlosch auf der Stelle. „Kommen Sie nächste Woche, dann findet die Verhandlung vor dem Haftrichter statt.“
Jackson hob die Arme in einer hilflosen Geste.
Mitchell dachte nach, doch ihm wollte wirklich nichts mehr einfallen.
„Hören Sie, Sheriff“, wandte der Wissenschaftler nun wieder ein. „Wir sind durchaus bereit, für den entstandenen Schaden aufzukommen. Wir können nicht bis nächste Woche warten. Miss Uruhk hat morgen eine dringende Verpflichtung einzuhalten. Es geht ...“ Hilflos sah er wieder zu Mitchell.
„... um die nationale Sicherheit. Das müssen Sie doch verstehen, Sir.“ half der aus.
Sniders Augen wurden schmal. Aufmerksam musterte er erst den Colonel, dann den Wissenschaftler, der noch immer halb hinter ihm stand. „Sie wollen mich doch wohl nicht einwickeln, oder? Sind Sie am Ende die Verbindung dieser Furie, ihre Hehler?“
Jackson und Mitchell wechselten einen vielsagenden Blick.
„Sie können die Nummer wählen, die wir Ihnen gegeben haben. General Landry wird Ihnen gern bestätigen, daß ...“
„Woher soll ich denn wissen, daß diese geheimnisvolle Organisation, von der Sie die ganze Zeit sprechen und nicht sprechen dürfen, tatsächlich existiert? Für mich hört sich das etwas weit hergeholt an.“ Snider richtete sich auf, behielt jetzt Jackson im Blick.
Der trat langsam um den Schreibtisch herum und stellte sich neben Mitchell auf. „Was jetzt?“ wisperte er seinem Teamleader zu.
Der zuckte mit den Schultern. „Plan B“, zischte er zurück.
„Und was ist Plan B?“
„Was ist das hier? Akte X oder sowas?“ Snider lehnte sich nach vorn.
„Es handelt sich um ein streng geheimes ...“
„Das hatten wir schon, meine Herren!“ Snider klopfte mit dem Finger auf seinen Schreibtisch. „Wenn Sie mir keine näheren Angaben machen können, bleibt Ihre Miss Uruhk, wo sie ist. Und sie beide sollten jetzt besser gehen, sonst können sie ihr gleich noch Gesellschaft leisten.“
Die beiden Mitglieder von SG-1 wechselten wieder einen Blick. „Plan B.“

***

Vashtu saß wieder mit angezogenen Beinen auf der Pritsche und starrte angestrengt vor sich hin. Inzwischen war es fast Mittag. Schon vor mehr als zwei Stunden hatte sie beobachten dürfen, wie Jackson und Mitchell beinahe fluchtartig das Büro verlassen und unverrichteter Dinge abgezogen waren. Sie wagte gar nicht sich vorzustellen, was bei Snider passiert war. Der Abgang der beiden war jedenfalls alles andere als glücklich gewesen.
Was hatte sie da nur wieder angerichtet?
Vashtu schlug mit dem Hinterkopf gegen die Wand und runzelte angestrengt die Stirn.
Sie gab ja gern zu, daß ihr Temperament mit ihr durchgegangen war. Inzwischen hatte sie sich wieder halbwegs abgekühlt und mußte wohl oder übel ihren Fehler eingestehen. Aber wie sie ihn wieder geradebiegen sollte, das wußte sie nicht. Snider schien noch immer so gegen sie aufgebracht, daß sie kaum eine Gelegenheit finden würde, in Ruhe mit ihm zu sprechen, von Williams und Hamilton redete sie jetzt gar nicht. Bei den beiden hatte sie es sich ohnehin verscherzt.
Vashtu seufzte und zog eine Grimasse.
Was würde sie jetzt wohl erwarten? Wie würde es weitergehen?
Sie hatte keine Ahnung. Sie wußte nur, in Zukunft sollte sie sich wesentlich besser im Griff haben, falls man ihr noch eine Chance zugestand, hieß das. Und irgendwie hatte sie das Gefühl, zumindest bei Sheriff Snider hatte sie aber auch wirklich alle Chancen verspielt.
In diesem Moment öffnete sich wieder die Eingangstür.
Vashtu blickte auf und staunte nicht schlecht, als sie zwei hochgewachsene Gestalten in Staubmänteln und tief in die Stirn gezogenen Cowboyhüten eintreten sah. Aber ... waren das nicht ... ?
„Kann ich Ihnen behilflich sein?“ beeilte Williams sich zu fragen.
Im nächsten Moment riß die vordere der beiden Gestalten ihren Arm hoch. Vashtu hörte das charakteristische Zischen einer Zat, als sie entsichert wurde, gefolgt von dem Geräusch der Entladung. Williams brach in sich zusammen.
„Was ist denn da los?“ nuschelte Hamilton.
Mit langen Schritten setzte die zweite Gestalt jetzt durch die Schwingtür, hob ebenfalls eine Zat, während die erste auf das Büro des Sheriffs zuhielt und die dortige Tür aufriß. Die nächsten Entladungen kamen fast zeitgleich.
Vashtu wich mit einem skeptischen Blick zurück und musterte die vermummete Gestalt auf der anderen Seite des Gitters, bis diese den Mantelkragen umschlug und den Hut in den Nacken schob. Daniel Jackson kam unter der Verkleidung zum Vorschein.
„Alles klar, die Luft ist rein.“ Jetzt betrat auch, der ebenfalls verkleidete Cameron Mitchell den schmalen Raum vor der Zelle, blinzelte ihr verschwörerisch zu.
Vashtu blieb einen Moment lang der Mund offen stehen, dann schüttelte sie irritiert den Kopf. „Was soll das denn?“ fragte sie.
„Plan B“, erhielt sie die einhellige Antwort und nickte stirnrunzelnd.
„Wissen Sie, wo die Schlüssel sind?“ erkundigte Jackson sich.
„Williams hat den für die Zelle am Gürtel. Den für die Handschellen trägt Snider bei sich.“
Die beiden Männer tauschten einen Blick, dann verschwanden sie wieder nach vorn.
Vashtu sah ihnen mit skeptischem Gesicht nach. Was hatte das denn zu bedeuten gehabt?

***

„Sind Sie Drei denn von allen guten Geistern verlassen gewesen?“ donnerte General Landry die Anwesenden an und knallte eine Akte auf seinen Schreibtisch. „In Silent darf sich für die nächsten Jahre nicht einer aus dem SGC mehr zeigen, ist Ihnen das klar?“
Dreimal wurden schuldbewußt Köpfe gesenkt.
„Sir“, wagte Vashtu sich leise vor, „das war ...“
„Ich weiß, daß es Ihre Schuld war, Miss Uruhk. Und, wenn es nach mir gehen würde, würden Sie die nächsten Jahrzehnte in irgendeinem Keller dieser Anlage eingesperrt und nur für Ihre Einsätze herausgelassen werden.“ Landry funkelte sie an. „Sie haben sich für die nächste Zeit mehr als genug geleistet, glauben Sie mir.“ Wieder knallte er die Akte auf seinen Schreibtisch, als wolle er seine Worte unterstreichen.
Vashtu kniff die Lippen aufeinander, sah den General sehr schuldbewußt an, schwieg jetzt aber. Es war nicht das erste Mal, daß Landry ihr eine solche Standpauke hielt, und, sie schätzte, es würde auch nicht die letzte sein.
„Aber was Sie angeht, meine Herren ...“ Landry funkelte die beiden neben ihr Sitzenden an. „Was haben Sie sich dabei gedacht? Sie haben sich aufgeführt wie ... wie Desperados!“
Aus den Augenwinkeln sah die Antikerin ein kurzes zufriedenes Lächeln über Mitchells Gesicht zucken, doch es war so schnell wieder verschwunden, daß sie glaubte, es sich nur eingebildet zu haben.
„Ich habe Sie beide ausgeschickt, um unsere Miss Uruhk wieder einmal einzusammeln, nicht, um selbst auch noch fast im Gefängnis zu enden. Oder wäre Ihnen ein Strick angenehmer gewesen, Colonel?“
„Nein, Sir.“ Offensichtlich hatte auch Mitchell einige Übung darin, den Leiter des SGC schuldbewußt anzusehen, denn so ganz glaubte ihm Vashtu seine Bekundigungen nicht.
„Ich dachte, Sie wären verantwortungsvoll genug, um besänftigend auf die Staatsmacht in Silent einzuwirken. Dr. Jackson! In Sie hatte ich bisher immer größtes Vertrauen. Was ist Ihnen eingefallen, so einen ... einen Unsinn anzustellen?“
„Plan B?“ wagte Mitchell zu bemerken und erntete einen weiteren wütenden Blick von Landry.
„Nun, Sir“, antwortete Jackson recht kleinlaut, „wir haben wirklich alles versucht, um Miss Uruhk da herauszureden, aber dieser Sheriff ...“ Hilflos zuckte er mit den Schultern.
Landry atmete einige Male tief ein und setzte sich endlich wieder. „Über diese Sache haben wir nicht das letzte Mal gesprochen, meine Herren, Miss Uruhk. Das wird ein Nachspiel haben, das kann ich Ihnen allen schwören.“ Der General sah wieder die Antikerin an. „Was haben Sie sich nur dabei gedacht, sich auf dieses Motorrad zu setzen ohne gültigen Führerschein?“
„Ich wußte nicht, daß man dafür einen braucht“, murmelte Vashtu schuldbewußt und erntete nun ungläubige Blicke aus drei Augenpaaren.
„Wie bitte?“ Mitchell beugte sich vor. „Sie haben keinen Führerschein?“
Vashtu schüttelte den Kopf.
Mitchell gluckste in sich hinein.
„Das werden wir ändern!“ Landry starrte sie wieder nieder. „Sie besitzen weder eine gültige Fahr- noch Flugerlaubnis. Also werden Sie ab jetzt Stunden nehmen und beides nachholen. Verstanden?“
Vashtu nickte stumm.
„Ebenso werden Sie, und das so schnell wie möglich, die amerikanische Staatsbürgerschaft annehmen. Das ist ein Befehl von ganz oben, haben Sie das verstanden?“
Wieder ein schuldbewußtes Nicken.
„Und was das andere angeht ...“
„Ich weiß, Sir. Antarktica.“ Die Antikerin seufzte.
Landry nickte. „Ja, ganz genau, Miss Uruhk. SG-27 bleibt zunächst einmal außer Dienst und Sie werden die nächsten Wochen auf Antarktica verbringen.“
Vashtu schluckte und verzog wieder das Gesicht.
„Ebenso wie Sie beide, meine Herren“, wandte Landry sich an Jackson und Mitchell. „Dr. Jackson, Sie werden Miss Uruhk für den Kontrollstuhl vorbereiten. Und Sie, Colonel, werden die beiden nach McMurdo fliegen und dort bleiben, bis die Operation abgeschlossen ist.“
„Was?“ Alle drei starrten sich mit gemischten Gefühlen an, richteten dann ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Person jenseits des Schreibtisches. „Aber ...“
„Kein Aber. Das sind klare Befehle, verstanden? Es ist an der Zeit, ein Exempel zu statuieren. Das SGC wird weitere Übertretungen in Zukunft nicht mehr dulden, verstanden? Und Sie drei werden mit einem guten Beispiel vorangehen und ihre jeweiligen Strafen klaglos hinnehmen. Ansonsten ...“ Landry starrte sie alle der Reihe nach an.
Wieder tauschten die drei untereinander Blicke, ein einhelliges Seufzen folgte, dann ein Nicken. „Ja, Sir“, kam es kleinlaut aus drei verschiedenen Kehlen.
„Gut.“ Landry legte die Akte zur Seite. „Und, Miss Uruhk, ihre nächsten Gehälter werden gekürzt werden, damit der Schaden, den Sie angerichtet haben, abbezahlt wird.“
Vashtu nickte wieder. Das Geld machte ihr weniger aus. Sie hatte noch ein gut gefülltes Bankkonto, da sie ohnehin nicht viel verbrauchte.
„Weggetreten. In zwei Tagen fliegen sie nach Antarktica. Bereiten Sie sich vor.“ Wieder ein strenger Blick, während alle drei sich erhoben und mit gesenkten Köpfen das Büro des Generals verließen.
Vashtu hielt den Blick weiter konzentriert auf den Boden gerichtet und kniff die Lippen zusammen. Sie würde noch kurz in ihrem Büro vorbeisehen und dort die letzten Berichte schreiben, ehe sie ... Antarktica!
„Miss Uruhk!“ Mitchell war ihr gefolgt.
Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. „Ja?“
Mitchell reichte ihr eine kleine Plastikkarte, ähnlich ihren Kreditkarten. „Wenn Ihnen das nächste Mal der Sprit ausgeht, wissen Sie hoffentlich, was Sie damit zu tun haben. Nämlich, die nächste Tankstelle anfahren und nachtanken“, erklärte der Colonel ihr. „Und damit Sie auch wissen, was eine Tankstelle ist, diese Karte. Eine Kundenkarte einer Tankstellenkette, die die gesamten Staaten mit Benzin beliefert.“
Vashtu nickte verdutzt. Ihr Patzer mit dem leeren Benzintank würde ihr wohl noch ein bißchen länger anhängen. Dabei ... Es hätte ihr auch jemand sagen können, daß diese merkwürdigen Einrichtungen zu mehr taugten als nur für einen schnellen Einkauf.
Mitchell hielt ihr nun noch eine silberne Cd hin. „Und den werden Sie mitnehmen und sich für die nächsten Tage jeden Abend mindestens einmal ansehen, klar? Das ist eine zusätzliche Strafe.“
Vashtu nahm die Cd und warf einen Blick darauf. Stirnrunzelnd blickte sie dann wieder auf und sah den Schalk in den Augen des Colonel blitzen. „The Wizard of Oz?“ fragte sie.
Mitchell kreuzte die Arme vor der Brust und sah sie streng an. „Damit Sie die Gebräuche in Kansas besser kennenlernen. Bis ich Ihnen etwas anderes sage, jeden Abend einmal ansehen, verstanden?“
Vashtu nickte verblüfft und sah dem Leader von SG-1 nach, der den Gang jetzt mit langen Schritten in die andere Richtung ging.
Warum wurde sie das Gefühl nicht los, daß er sie gerade hochgenommen hatte?

ENDE

2 Kommentare:

  1. HEy =)
    sehr schöner abschluss der story.
    ich fand die aktion von daniel und cam einfach klasse :D
    der sheriff lässt sich nciht überzeugen...okey, plan b her. man nehme eine zat und befördere den sheriff samt mitarbeiter in den schlaf ^^
    aber ich kann verstehen, dass der sheriff den beiden nicht wirklich glaubt. zum einen konnten die ja nur sagen "streng geheim" und zum anderen ist es echt kaum vorstellbar, das er sich jemanden wie vashtu, nach allem was da vorgefallen ist, als äußerst wichtige militärberaterin vorstellen kann und daher die "geschichte" von daniel und cam anzweifelt.
    aber das ändert nichts daran, dass ich den sheriff dennoch unsympatisch fand ^^
    das resultat der befreiung ist nun leider nicht so positiv.
    landry macht die drohung war vashtu nach antarktika zu schicken und daniel und cam dürfen sich gleich anschließen...
    selber schuld würd ich mal sagen wenn die einfach den sheriff überfallen :D

    ich bin grad irgendwie froh, dass du dich nach der ganzen zeit doch dazu entschlossen hast deine storys zu posten =) wenn ich mir überleg, was ich da alles verpasst hätte wenn du die einfach so für dich behalten hättest ;)

    LG Sabrina

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  2. Ich hatte die Storys ja selbst nicht mehr, bis auf die letzten, an denen ich schreibe, bzw. geschrieben habe. Kat (JS) und ein paar andere hatten die meisten (drei Fics sind definitiv weg). Mir tat es einfach zu weh, sie auf der Festplatte vergammeln zu lassen, nachdem ich ja das BadGirl des gesamten SG-Fandoms geworden war.
    Och, ob das wirklich soo schlimm ist auf Antarktica, das wird sich herausstellen. Allerdings kann ich hier schon mal ein wenig in die Zukunft winken: So ganz wird Vashtu nicht vergessen, daß Mitchell sie veräppelt hat.
    *grins* Irgendwie freut es mich zugegebenermaßen, daß dir Snider nicht gefällt. Er ist nämlich nicht meine Figur, ich hab ihn nicht erfunden, sondern nur "benutzt". Keine Ahnung, ob die eigentlich Erfinderin ihn selbst mal eingebaut hat, ich lese ihre Sachen grundsätzlich nicht mehr.

    Freut mich jedenfalls, daß dir die Story gefallen hat. Danke für den Comment!

    Bis denne
    Ramona

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