Einen Tag später:
Colonel Pendergast mußte zugeben,
inzwischen wurde er doch etwas unruhig. Er hatte der Antikerin einen
gehörigen Brocken hingeworfen, war sich absolut sicher gewesen, sie
würde den Köder schlucken und so schnell wie möglich zurückkehren,
sich damit in seinem Netz fangen und ... Doch inzwischen waren
mehrere Tage vergangen, seit er hatte den Funkkontakt, den seine
Gefangenen zur Atlantis-Expedition aufgebaut hatten, unterbinden
lassen. Tage, in denen seine Hoffnungen auf den Brigade General immer
weiter in sich zusammenschrumpften, in denen ihm immer deutlicher
wurde, was er damals auf Atlantis angerichtet hatte.
Die Antikerin sollte seine
Eintrittskarte sein in den Generalstab der Vereinigten Staaten. Ihr
Wissen war unschätzbar für seine Erde, ihr Können stand ganz außer
Frage nach dem, was er bisher gesehen und gehört hatte über sie.
Und ... ihr verändertes Genom machte sie zu noch einem fetteren
Braten für die Militärs der Erde.
Zu Anfang hatte Pendergast geglaubt,
relativ leichtes Spiel mit ihr zu haben, sie mit ein bißchen
Schikane zurechtstutzen zu können. Doch Major Uruhk hatte sich als
zu zäh und ausdauernd in ihrem Freiheitswillen gezeigt. Immer wieder
war sie ihm entwischt, auch wenn er noch so scharfe Androhungen
ausgesprochen hatte. Trat sie nicht in Kontakt zu diesen verdammten
Wissenschaftlern, schaffte es vor allem dieser nervige Dr. Babbis bis
zu ihr, um ihren Widerstand neu anzufachen.
Also waren seine Repressalien ihr
gegenüber härter geworden. Doch selbst die Brick schien sie nicht
wirklich schrecken zu können. Irgendwie war es ihr bei ihren
Aufenthalten dort gelungen, nicht halb wahnsinnig zu werden vor
Langeweile. Offensichtlich hatte sie es dennoch geschafft, sich
irgendwie zu betätigen, irgendeine geistige Aufgabe zu finden.
Sie hatte ja sogar den Mediziner Dr.
Peter Grodin auf ihre Seite gezogen. Pendergasts Glück war es, daß
er sich von allen Neueingaben in den Zentralrechner der Prometheus
Updates unmittelbar danach schicken ließ. Davon wußte nur sein
engster Vertrauter, Sergeant Bates, etwas, ebenso wie von dem, was
sich in Major Uruhk verbarg.
Irgendwie war es ihr gelungen, sich
fremde Zellen zu spritzen, Wraith-Zellen und noch irgendetwas, was er
nicht hatte identifizieren können. Bei ihrem letzten Aufenthalt hier
hatte Pendergast Major Uruhk auf Herz und Nieren testen lassen, um
zumindest ansatzweise herauszufinden, was diese fremden Zellen tun
konnten. Und dank des kleinen Drogencocktails, den Bates ihr
regelmäßig verabreicht hatte auf seinen Befehl, war es ihr sehr
schnell sehr gleichgültig geworden, was sie zeigte oder nicht.
Er wußte seitdem, daß er es nicht
einfach haben würde, die Antikerin kalt zu stellen und hinter ihre
Geheimnisse zu kommen. Aber er war sicher, sein Plan würde auch
diesmal aufgehen. Dieser Ehrenkodex, dem sie sich verpflichtet
schien, war einfach zu verführerisch, um ihn auch ein zweites Mal
gegen sie einzusetzen. Major Uruhk wurde genau dadurch berechenbar,
und das wollte er schonungslos ausnutzen. An ihrer Ehre gepackt,
hatte sie schon einmal gezeigt, daß sie sich über seine Befehle
auch hinwegsetzte - und dieses Mal brauchte es das gar nicht. Sie
würde sich befleißigt fühlen, den Eingeschlossenen zu helfen, sie
aus der Prometheus herauszuholen. Als käme es ihm auf diese
Weicheier an, die er in dem leeren Hangar hatte einsperren lassen
nach ihrer Flucht!
Gut, Leute wie Grodin würde er
brauchen, auch um Major Uruhk endlich zum Sprechen zu bringen. Das
Skopolamin, das er ihr hatte das letzte Mal geben lassen, hatte sich
in einigen Bereichen als unzuverlässig erwiesen. Ihre Blockaden und
ihr Willen waren zu stark, um ihm mehr als einige Geheimnisse zu
verraten. Aber er kannte schließlich noch ein paar Mittelchen, die
er anwenden konnte, wenn auch nur mit Hilfe von Grodin. Und er war
sicher, er würde endlich herausfinden, was er wissen wollte.
Und danach ... Nun, Valium hatte sie
schon das letzte Mal ruhig gestellt, und dieser kleine Wartungsraum,
der sowieso nicht genutzt wurde und den Bates nach seinen Anweisungen
präpariert hatte, würde sie schon halten können.
Und wenn sie auf der Erde angekommen
waren, würde er die ultimative Waffe vorzeigen können: Eine lebende
genmanipulierte Antikerin und deren Geheimnisse, die den Vereinigten
Staaten sicher mehr als nur willkommen sein würden. Er würde seine
Akte bis dahin reingewaschen und sich der letzten unliebsamen Zeugen
entledigt haben - Unfälle passierten schließlich, vor allem bei
einem schwer beschädigten Raumschiff wie der Prometheus. Und wo kein
Kläger, da auch kein Richter. Er würde in den Generalstab
aufsteigen, vielleicht mit der Möglichkeit auf mehr. Man würde ihm
dankbar sein für das, was er da aus einer fernen Galaxis mitgebracht
hatte, selbst wenn er diesen unfähigen Asgard verloren hatte. Major
Uruhk wog diesen Verlust zehntausendfach wieder auf.
„Sir, wir erhalten Daten“, meldete
der Lieutenant, der für die Überwachung des Schiffes zuständig
war, in diesem Moment. „Jemand ist in das Schiff eingedrungen auf
Ebene siebzehn.“
Pendergast lehnte sich vor, mit einer
Hand sinnend sein Kinn stützend.
Dann konnte sein kleines Spielchen ja
endlich losgehen. Mal sehen, wie gut die Antikerin wirklich war und
ob sie die Falle erkennen würde, die er ihr gestellt hatte. So oder
so, er würde ihrer habhaft werden. Und auf dem langen Weg zurück
zur Erde würde sie singen wie ein Vögelchen ...
„Mein kleines Lantianer-Vögelchen“,
sinnierte er grinsend, sandte Bates einen Blick. Der nahm sofort
Haltung an. „Ihre ID auf dem Schirm?“
Der Lieutenant schüttelte den Kopf.
„Nein, Sir. Aber die Eindringlinge kamen aus dem 302-Flugdeck.“
Klever, diese Antikerin. Ein
interessanter erster Zug. Sie mußte den Schild des Puddlejumpers
manipuliert haben, ebenso wie sie irgendwie irgendetwas auf dem
Planeten gebastelt hatte, damit er sie nicht fand. Wäre er nicht
sicher gewesen, sie genau dort zu wissen, wäre er vielleicht sogar
überrascht gewesen, ihre Stimme zu hören, als die Meuterer, die er
in den leeren Hangar hatte sperren lassen, begannen, Kontakt zur
Atlantis-Crew zu suchen. Vielleicht wäre es ihm sogar geglückt, sie
anhand des Funksignals auf die Prometheus beamen zu lassen, hätte
dieser verfluchte Asgard nicht fast das ganze Gerät mitgenommen bei
seiner Flucht dort hinunter.
Wieder warf Pendergast Bates einen
Blick zu, dann nickte er. „Sie wissen, was zu tun ist, Sergeant“,
sagte er nur mit gefährlich leiser Stimme.
Wollte er doch einmal sehen, was sein
kleines Lantianer-Vögelchen zu seinem nächsten Zug sagen würde?
***
Danea Il'Eskanar gab seinen Leuten ein
Zeichen, hob die Waffe der Fremden an die Wange und pirschte dann
vorsichtig weiter.
Es hatte nicht lange gebraucht, um ihn
und ein Dutzend anderer seines Volkes zu überreden, sich dieser
Rettungsaktion anzuschließen. Jetzt aber fragte er sich wirklich, ob
er das richtige tat.
Sicher, er mochte diesen Colonel
Pendergast ebensowenig wie die neuen Bewohner der Stadt der Schöpfer.
Aber hier befand er sich auf fremdem Territorium, noch dazu in einem,
das ihm relativ unvertraut war. Zwar hatte sein Volk kurzfristig
Schutz auf der Prometheus gesucht nachdem die Fremden aufgetaucht
waren, aber sie waren kaum über diese merkwürdige
Aussichtsplattform hinausgekommen, in der man sie einquartiert hatte.
„Den Gang weiter hinunter“,
wisperte die Stimme von Major Uruhk in seinem Ohr. „Immer
geradeaus. Und achtet auf die Quergänge.“
Er nickte, als würde sie neben ihm
stehen, dann erst ging ihm auf, daß er ja auf Empfang schalten
mußte, wollte er antworten. Er klopfte mit dem Finger auf das kleine
Gerät in seinem Ohr. „Verstanden“, gab er durch.
„Ich melde mich, sobald ich mehr
sehe“, antwortete seine SG-Leaderin, was er wieder mit einem Nicken
quittierte. Aber dieses Mal war er sich sicher, sie erwartete keine
Antwort.
Iriar huschte an ihm vorbei, wie er
eine dieser Waffen, P-90, an die Wange gedrückt.
***
Vashtu starrte auf die
Hologrammanzeigen des Jumpers und fluchte leise in ihrer
Muttersprache. Aber mehr würde sie wohl nicht herausholen können
aus dem Gerät, und das wußte sie nur zu gut.
Aufmerksam weiter die kleinen,
blinkenden Punkte verfolgend, nahm sie Kontakt zu dem zweiten Jumper
auf, der, getarnt und mit einer Abschirmung versehen, direkt neben
dem ihren stand: „Wie weit sind Sie mit der Codierung, Peter?“
„Ich würde schneller vorankommen,
wenn Sie nicht alle zwei Minuten danach fragen würden“, wetterte
Dr. Peter Babbis in ihrem Ohr los und verursachte nun doch ein leises
Grinsen in ihrem Mundwinkel.
Sie mußten den Code des Schotts
ändern, denn sehr wahrscheinlich würden sie nicht alle
Eingeschlossenen auf einmal hier herausbringen können. Pendergast
und seine Leute sollten sich schon noch ein bißchen die Zähne
ausbeißen, ehe sie irgendjemanden wieder irgendwo einschließen
konnten. Außerdem mußte Babbis auch noch die Programme umschreiben,
damit der Colonel den Wartenden nicht die Luft abstellen konnte,
indem er den Asgard-Schild deaktivierte.
Ein schönes Stück Arbeit, das ihr
Teammitglied da zu leisten hatte. Vashtu hätte ihm gern geholfen,
doch sie mußte die Rettungscrew überwachen, was bei der
vereinfachten Darstellung des Detektors der Puddlejumper nicht ganz
einfach war.
„Halten Sie sich ran. Wir haben keine
Zeit. Sobald Sie mit dem Code fertig sind, geben Sie das Pad an
Basbara weiter, damit die ihn einspeisen kann.“
„Jaja“, kam die geknurrte Antwort.
Vashtu wurde aufmerksam, änderte die
Einstellung des Funkgerätes. „Danea, in den Nebengang, da kommt
jemand.“
***
Anne trat in den Gateroom Vinetas,
beobachtete einen Moment lang stirnrunzelnd die zwei Marines, die vor
dem Tor Wache hielten, dann nahm sie die Treppe in den Kontrollraum
hinein.
„Wo ist Major Uruhk?“ fragte sie
sofort Andrea Walsh, die für den reibungslosen Ablauf der
Gate-Aktivitäten und sonstigen Arbeiten hier zuständige
Technikerin.
Die blickte verwirrt auf. „Aber ...“
Sie schloß den Mund, ihre Augen wurden schmal. „Major Uruhk ist
nicht hier. Warum?“
„Weil ich sie suche. In ihrem Büro
ist sie nicht, ebensowenig in ihrem Quartier oder in dem Labor, das
ihr zugeteilt wurde. Sergeant Dorn meinte, er hätte sie schon seit
Stunden nicht mehr gesehen.“ Anne trat näher und musterte die
andere aufmerksam. „Sie ist doch wohl nicht mit einem Puddlejumper
weg, oder?“ fragte sie mißtrauisch.
Walsh blinzelte, wandte sich dann dem
DHD zu, als das Tor von außen aktiviert wurde und schaltete die
Schilde zu. „Nicht, daß ich wüßte“, antwortete sie
ausweichend.
„Ich habe ihr jeden Flug strikt
untersagt, Andrea. Wenn sie also doch da raus ist ...“ Anne wies
nach oben, wo irgendwo, weit entfernt, aber leider nicht zu weit, die
Prometheus über ihren Köpfen hing. „Suchen Sie sie! Ich will sie
so schnell wie möglich in meinem Büro sprechen.“
„Sie ist nicht in der Stadt, Dr.
Stross“, antwortete Walsh kleinlaut.
Anne, die sich gerade umgedreht hatte,
wandte den Kopf. „Was soll das heißen?“ Ihre Stimme klang
lauernd.
„Sie sagte, sie wollte zum Mond
hoch.“ Walsh lächelte entschuldigend und zuckte mit den Schultern.
„Sich ansehen, wie weit wir dort sind.“
Anne atmete tief ein. „Geben Sie sie
mir - auf der Stelle!“
***
Danea zuckte zurück, als er in seinem
Ohr einen leisen Ausruf hörte. „Nicht da lang!“
Etwas verwirrt wechselte er einen Blick
mit Iriar, die jedoch nur mit den Schultern zuckte.
„Wo sollen wir denn dann lang gehen?“
zischte der junge Erethianer. „Jeder Gang scheint blockiert, egal
wohin wir uns wenden, es sei denn zurück zum Hangar.“
„Gute Frage ... Halten Sie die
Stellung. Ich versuche, das herauszufinden“, kam prompt die
Antwort.
Die Stellung halten? Wieder ein Blick
mit Iriar, die mindestens ebenso ratlos schien wie er.
***
Pendergast lächelte zufrieden. „So
einfach wird es wohl doch nicht, wie?“ fragte er den Bildschirm,
über den er sich gebeugt hatte.
Die ID-losen Pünktchen auf dem
Bildschirm verharrten in einem Gang seines Schiffes, schienen ihm
selbst bis hierher etwas ratlos, was ihn sehr befriedigte. Noch ein
bißchen, und seine Leute hatten die Pünktchen eingekreist. Dann
konnte das Spiel erst richtig losgehen.
„Na, wieviele Bröckchen muß ich dir
noch zuwerfen, bis du aus deinem Versteck herauskommst, mein
Lantianer-Vögelchen?“ fragte er den Bildschirm.
Sie würde ihre Deckung aufgeben, das
war klar. Sie würde ihr abgeschirmtes Fluggerät verlassen - und
dann würde Bates schnell und effizient zuschlagen, so wie
verabredet. Auf keinen Fall würde sie jemandem von ihrem Stoßtrupp,
wahrscheinlich dieses merkwürdige Völkchen von dem Planeten, die
sie schon einmal hier angeschleppt hatte, zurücklassen. Nein, nein,
das würde ihr Ehrenkodex nicht zulassen.
Pendergast lauerte weiter. Bald ...
***
Vashtu arbeitete sich in rasender
Schnelle durch die Pläne der Prometheus, biß sich immer wieder auf
die Unterlippe.
Verdammt, verdammt, verdammt! Es mußte
doch einen Weg ...
Dann stolperte sie über das Programm.
Ein Grinsen teilte ihre Lippen, als sie ihr Funkgerät wieder auf
Senden brachte.
„Danea, ungefähr drei Meter
entfernt, rechts. Da gibt es einen Wartungsschacht, der direkt in den
Hangar führt über die Belüftung. Kriegt ihr die Verkleidung
runter?“
„Ein Wartungsschacht?“ Danea schien
überrascht.
Vashtu wartete ungeduldig.
Sie würde die Eingeschlossenen nicht
ihrem Schicksal überlassen. Zwar kannte sie nicht alle, aber doch
einen Teil von denen, die Pendergast hier gehalten hatte. Und sie
konnten in Vineta jeden einzelnen dieser Männer und Frauen
gebrauchen. Sei es für Dorns Sicherheitsdienst, wohin die
Militärangehörigen kommen würden, sei es die restlichen
Wissenschaftler. Und nicht zu vergessen die mageren Reste der
medizinischen Besatzung: Grodin, Heightmeyer und drei Assistenzärzte,
sowie noch eine Handvoll Pfleger und Schwestern, die nicht auf der
zerstörten Daedalus gewesen waren. Selbst die Techniker, denen
Pendergast den Krieg erklärt hatte, obwohl sie nichts als ihre
Arbeit getan hatten, würden sie dort unten gut gebrauchen können,
sollten sie sich ihnen anschließen wollen.
„Wir sind drin“, meldete Daneas
Stimme endlich.
Vashtu atmete auf. „Schiebt die
Verkleidung wieder vor, damit nicht sofort bemerkt wird, was passiert
ist. Könnte sein, daß wir jetzt kurzzeitig den Funkkontakt
verlieren. Immer geradeaus und dann in den kleineren Nebengang. Das
ist die Belüftung und führt direkt in den Hangar hinein.“
„Gut, ich denke, wir werden das
finden.“
Vashtu nickte befriedigt, gerade, als
sich eine neue Stimme in ihren Funkkontakt mischte.
„Major Uruhk, bitte umgehend melden“,
hörte sie undeutlich und fluchte wieder.
Ausgerechnet jetzt mußte Stross auf
ihre kleine Rettungsaktion aufmerksam werden, verdammt! Sie hatte auf
ein bißchen mehr Zeit gehofft.
„Peter, wie weit sind Sie?“ fragte
sie wieder.
„Der Code ist gleich soweit“, kam
die unwirsche Antwort.
TBC...
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