22.01.2010

Neue Verbündete II

„Es tut mir leid, daß du warten mußtest, Vashtu Uruhk." Mrinosh erhob sich und bot ihr galant einen Stuhl an seinem Tisch an. „Leider bin ich zur Zeit sehr beschäftigt, wie du sicher hast feststellen können. Meine Untergebenen müssen erst wirklich von meiner Übermacht überzeugt werden."
Vashtu nickte verstehend und ließ sich nieder. „Umso höher schätze ich deine Bereitschaft, mir als Sprachrohr der Erde zuzuhören, Lord Mrinosh. Die Erde wird deinen Status selbstverständlich voll und ganz anerkennen. Sofern uns selbst möglich, sind wir auch gern bereit, dir mögliche Unterstützung zur Verfügung zu stellen, solltest du in Schwierigkeiten geraten."
Der junge Warlord hob überrascht die dünnen Brauen, beugte sich dann vor und goß sich eine durchsichtige Flüssigkeit in einen Becher. Ihr hielt er auffordernd die Kanne hin. Vashtu schüttelte den Kopf.
„Ein großzügiges Angebot, Vashtu Uruhk. Warum hat Major Collins nichts davon gesagt?" Mrinosh lehnte sich zurück und nahm einen Schluck.
„Der Major ist manchmal etwas impulsiv. Ich bitte für sein Verhalten um Verzeihung und hoffe, du wirst ihn dennoch gehen lassen." Vashtu neigte den Kopf, um ihre Ehrerbietung zu zeigen.
Mrinosh stellte den Becher zurück auf den Tisch und lehnte sich entspannt nach hinten. „Laß uns von angenehmeren Dingen sprechen, Vashtu Uruhk. Du hast dich erboten, meinen Männern den Umgang mit Waffen und das Kämpfen beizubringen. Gilt dieses Angebot noch?"
Vashtu breitete die Hände in ihrem Schoß aus. „Selbstverständlich, Lord Mrinosh. Ich biete meine Dienste nicht leichtfertig an."
Der junge Warlord musterte sie wieder interessiert. „Du bist eine schöne und gefährliche Frau, Vashtu Uruhk. Gibt es noch mehr von deiner Sorte dort, woher du kommst?"
In ihrem Gesicht zuckte kein Muskel. „Ich fürchte, ich bin die letzte meines Volkes." In ihrem Inneren lehnte sich alles dagegen auf, diesen Satz zu benutzen, vor allem nach ihren jüngsten Erlebnissen.
Mrinoshs Blick zeigte Mitgefühl. „Keine schönen Zukunftsaussichten. Es tut mir leid." Er beugte sich vor. „Es ist tatsächlich ungewöhnlich für jemanden wie mich, sich mit einer Frau als gleich und gleich zu unterhalten, Vashtu Uruhk. Aber dein Auftreten und die Vorführung deiner Kampfkünste haben mich überzeugt, daß auch du wohl eine Anführerin warst ... als dein Volk noch lebte."
Vashtu hob einen Mundwinkel, antwortete aber nicht auf diese Schmeichelei.
„Du solltest wissen, selbst ich bin noch anderen unterstellt in unserer Allianz. Es gibt noch Mächtigere als mich, aber ich denke, wenn die Tau'ri wirklich einen Handel mit uns schließen wollen, kann ich euch an die richtigen Stellen verweisen. Allerdings sollten wir zunächst zu einer eigenen Einigung kommen", erklärte Mrinosh.
„Das ist ganz in meinem Sinne." Vashtu lächelte nun wirklich. „Um ehrlich zu sein, habe ich bisher kaum gute Erfahrungen mit der Lucian Alliance machen dürfen. Nicht so sehr mein Geschlecht als vielmehr die ... Impulsivität einiger anderer Lords ... Nun, sagen wir, wir konnten uns bisher nicht einigen."
„Verständlich." Mrinosh nickte. „Es ist meist nicht einfach mit den Herren der Mutterschiffe in Kontakt zu treten. Ich versuche einen anderen Weg. Ob dieser mir gelingen wird, wird die Zeit zeigen."
Vashtu beugte sich interessiert vor. „Du willst herrschen, ohne Gewalt anwenden zu müssen, nicht wahr?"
Der junge Lord nickte. „Durch das Labyrinth habe ich ein gewisses Druckmittel den anderen gegenüber. Aber ..." Unwillig schüttelte er den Kopf und lächelte ein wenig verlegen. „Du bringst mich dazu, Dinge mit dir zu besprechen, die an für sich mein Geheimnis sind, Vashtu Uruhk."
„Nenn mich Vash, das sagen meine Freunde zu mir." Spontan hielt sie ihm ihre Rechte hin.
Mrinosh blinzelte, dann breitete sich wieder dieses Lächeln über sein Gesicht aus und er schlug ein. „Mrinosh von Ashmath, und ich bin stolz, zu deinen Freunden zählen zu dürfen." Sein Gesicht wurde wieder ernst. „Erzähl mir von dieser Waffe gegen die Ori, Vash, bitte."
Die Antikerin biß sich auf die Lippen und lehnte sich zögernd wieder zurück. „Sie sitzt vor dir", sagte sie schließlich.
Mrinosh blinzelte. „Wie bitte?"
Sie nickte. „Ich bin die Waffe gegen die Ori, du hast schon ganz richtig verstanden." Sie runzelte die Stirn. „Und ich hoffe, du wirst dieses Wissen nicht gegen mich einsetzen. Auch deine Zukunft könnte davon abhängen, daß ich tun kann, was ich tun soll."
Mrinosh starrte sie von Kopf bis Fuß an. „Aber ..." Er schloß verwirrt den Mund. „Wie kann das sein?"
„Auf der Erde gibt es eine Waffenplattform, die nur ich im ausreichenden Maße bedienen kann, Mrinosh. Und die Munition ... Nun, sie hat schon ganz anderes erledigt als Ori-Schiffe." Sie kreuzte die Arme vor der Brust. „Mein Volk ist seit langem ausgestorben, seit sehr langer Zeit. Ich bin die letzte Überlebende, weil ich ... äh, einen sehr langen Schlaf hinter mir habe."
Mrinosh nickte verwirrt, schwieg jetzt aber.
„Ich bin ehrlich zu dir, weil du ein Freund bist, Mrinosh", fuhr die Antikerin fort. „Wenn ich kann, werde ich deinen Planeten und die deiner Verbündeten beschützen. Aber im Moment ... Es würde einen sehr großen Aufwand kosten, wenn du verstehst, was ich meine. Ich denke, ich könnte es, sollten die Ori hier einfallen, aber sicher ist es noch lange nicht."
Wieder ein Nicken des Warlords.
Vashtu seufzte. „Die Erde ist auf der Suche nach anderen Waffen meines Volkes, effektiveren Waffen, mit denen ich mehr tun könnte. Es gibt Hinweise darauf, daß es sie gegeben hat. Und wir gehen jedem Hinweis nach und versuchen, sie in unseren Machtbereich zu bringen."
„Was ist das Problem?" Mrinosh sah sie wieder an.
„Das Problem sind die Ori selbst. Du hast einen Prior getroffen, sagtest du?"
„Ja, er kam auf meine Heimatwelt, vor einigen Monden erst. Mir gelang glücklicherweise die Flucht hierher, sonst ..." Hilflos zuckte er mit den Schultern.
Vashtu nickte. „Dann kennst du die Macht, die auch die Ori ihr eigen nennen. Sie sind ... die Erde nennt es aufgestiegen, Mrinosh. Sie sind in eine höhere Existenzebene gewechselt, die den meisten von uns noch versagt ist. Man kann die Ori nicht einfach töten wie wir uns gegenseitig töten."
Mrinosh nickte wieder, griff erneut nach seinem Becher und nahm einen Schluck.
„Du hast von dem Labyrinth gesprochen", wechselte die Antikerin nun das Thema, „weißt du, woher es stammt? Ist es Goa'uld-Technologie?"
Mrinosh runzelte die Stirn. „Nein", er sah wieder auf, blickte ihr direkt in die Augen, „es ist eindeutig älter. Denkst du etwa ... ?"
„Kann ich es mir ansehen?" Vashtu beugte sich wieder vor. „Möglicherweise bist du über etwas gestolpert, wenn du sagst, dieses Labyrinth sei älter als die Dinge, die die Goa'uld benutzten."
„Du meinst, ich habe hier vielleicht eine Waffe gegen die Ori?" Hoffnung glomm in Mrinoshs Augen.
„Vielleicht. Ich müßte es mir erst ansehen." Sie erwiderte seinen Blick. „Und ich möchte den Major und seine Männer dort herausholen, ehe ihnen etwas zustoßen kann."
„Sie haben meine Autorität untergraben. Ich mußte sie bestrafen." Mirnoshs Brauen zogen sich zusammen.
„Und ich entschuldige mich für ihr Verhalten und hoffe, du nimmst diese Entschuldigung an."
Mrinosh sah sie wieder an, die Lippen nachdenklich zusammengekniffen, die Arme vor der Brust verschränkt. „Du sagst, du könntest versuchen, meine Welt und die meiner Lords zu schützen, aber du wüßtest nicht, ob dir das auch gelingen würde? Wie soll dann ein Bündnis zwischen uns entstehen?"
„Indem du mir vertraust. Die Erde hat mehr zu bieten als nur eine Waffe gegen die Ori, Mrinosh. Wir können dir und deinen Lords Dinge geben, von denen ihr bisher nicht einmal zu träumen gewagt habt, ganz zu schweigen von fachlicher Hilfe in vielen Bereichen. Du hast doch sicher Theorim befragt über sein Gespräch mit Dr. Wallace?"
Der junge Lord nickte. „Er war sehr begeistert, zugegeben. Nächstes Jahr, so hofft er, wird er die Erträge noch steigern können. Er sprach auch über einen Handel mit der Erde, in dem es um neues Saatgut geht."
Vashtu nickte. „Das sind Dinge, die die Erde dir bieten kann. Du kannst deine Macht festigen und mußt nicht Gewalt anwenden, zu der du sonst vielleicht gezwungen wärst."
Mrinoshs Blick glitt ins Leere. Er dachte angestrengt nach.
Vashtu lehnte sich zurück und wartete.
Der junge Lord dachte lange nach, doch schließlich blickte er wieder auf und musterte sie.
„Also gut, Vash, schließen wir den Handel. Und als Besiegelung darfst du deine Freunde mitnehmen", entschied er.
Vashtu verzog kurz das Gesicht, hütete sich aber, ihn zu korrigieren.

***

„Okay, eine Idee, Peter?" Vashtu stand vor einer hohen Wand und betrachtete diese stirnrunzelnd.
„Tja, dazu müßten wir erst einmal den Eingang finden." Babbis hatte wieder sein Palmtop gezückt und rief eifrig Daten ab.
Vashtu biß sich nachdenklich auf die Lippen, zog dann ihren Energiedetektor aus der Brusttasche und aktivierte ihn. Sie hielt ihn gegen die Mauer und las stirnrunzelnd die Daten ab. „Wie ich es mir gedacht habe ..." murmelte sie gedankenverloren, wandte sich dann von der Barriere ab und begann, an ihr entlangzuwandern.
„Wie Sie sich was gedacht haben?" Babbis lief eifrig hinter ihr her.
„Es stammt von meinem Volk", antwortete die Antikerin, ohne zurückzusehen. „Wozu es ursprünglich diente, kann ich allerdings nicht sagen, solange wir draußen sind. Aber etwas anderes kann ich sagen: Irgendwo da drin ist ein ZPM. Und dieses ZeroPointModule versorgt die Anlage mit Energie."
„Was? Aber das ist ... !" Babbis blieb der Mund offen stehen.
Jetzt drehte Vashtu sich doch zu ihm um und musterte ihn mit kühlem Blick. „Es ist gar nichts. Nach meinen Daten ist das ZPM fast erschöpft. Entweder wir besorgen Mrinosh ein neues oder wir sollten sehen, daß er sein Labyrinth so selten wie möglich benutzen muß. Sonst kann er seine Geheimwaffe nämlich bald vergessen."
Babbis klappte der Mund hörbar wieder zu. „Aber ... warum sollten wir einem Warlord der Lucian Alliance helfen wollen? Ich denke, bisher haben wir immer auf der gegnerischen Seite gestanden." fragte er verwirrt.
„Weil Mrinosh nicht wie die anderen Warlords ist, deshalb. Eine Stimme der Vernunft sollte selbst im größten Chaos hörbar sein, Peter. Gerade Sie sollten das wissen." Vashtu betrachtete wieder die hohe Wand an ihrer Seite, ging dann weiter. „Ein Stück weiter vorn ist der Eingang."
Babbis folgte ihr stirnrunzelnd. „Ich verstehe nicht ganz ..." murmelte er.
Die Antikerin seufzte resignierend. „Mrinosh ist alles andere als ein wüster Schläger und Aufschneider, wie wir sie bisher in der Lucian Alliance erlebt haben. Der Mann ist intelligent und versucht, einen anderen Weg zu finden. Ich denke, wir sollten ihm helfen, statt ihm das einzige zu nehmen, was ihn an der Macht hält", erklärte sie. „Er könnte ein Zünglein an der Waage sein, wenn es hart auf hart kommt. Außerdem hat Landry mir den Auftrag gegeben, in Verhandlungen mit Mrinosh zu treten. Sein geheimnisvolles Labyrinth ist selbst auf der Erde nicht ganz unbekannt."
„Und warum sagen Sie uns das nicht? Ich dachte, Sie vertrauen uns!" Eine leise Anklage schwang bei diesen Worten mit.
Vashtu schüttelte unwillig den Kopf und drehte sich wieder um. „Ich habe gesagt, daß ich einen Auftrag des General habe, das sollte genügen, Peter. Ich vertraue Ihnen, und ich vertraue Dorn. Bei Wallace bin ich mir da allerdings nicht so ganz sicher. Und gerade darum habe ich kein Wort verlauten lassen. Sie sind mit Wallace befreundet, und Dorn mißbrauche ich viel zu oft als seinen Babysitter. Gut möglich, daß einem von Ihnen ein falsches Wort herausrutscht."
Babbis hob die Brauen. „Dorn und ein falsches Wort herausrutschen? Vashtu, ich bitte Sie!" Allein die Vorstellung war absurd.
Vashtu trat an die hohe Mauer heran und legte ihre Hand auf eine Stelle, die sich offenkundig in nichts von dem umliegenden Material unterschied. Dennoch aber verschwamm plötzlich die Barriere vor ihnen und ließ einen Durchgang entstehen. „Der Hintereingang", kommentierte die Antikerin. „Damit sollten wir es etwas einfacher haben als Collins und sein Team."
Babbis trat näher und betrachtete das Innere des nun offenen Labyrinths. „Okay, das müßte zu schaffen sein." Er senkte den Kopf und begann auf seinem Bildschirm herumzutasten.
„Können Sie von hieraus wirklich bereits sagen, um was für eine Art Labyrinth es sich handelt?" Vashtu schien nun wirklich überrascht.
„Ein klassischer Irrgarten, vermute ich zumindest. Sehen Sie sich doch die massiven Wände an. In England können Sie diese Art von Labyrinthen sehr häufig sehen. Irgendwo sollte es ein Zentrum geben. Wenn SG-15 klug genug war, sollten wir sie dort finden", antwortete Babbis mit nachdenklicher Stimme.
„Gut, es gibt Abkürzungen für uns. Kommen Sie mit." Vashtu schritt munter auf die nächste Wand zu. Diese rückte ein gutes Stück zur Seite, so daß wiederum ein Durchgang entstand.
Babbis beobachtete das Geschehen mit gerunzelter Stirn. „Wozu brauchten Sie mich bitte nochmal?" fragte er ungehalten.
„Um Collins' Bewegungen nachzuvollziehen. Der Detektor ist hier vollkommen unnütz. Wir sind mitten in einem Energiefeld, und das stört sämtliche Lebensanzeigen." Vashtu stopfte ihren Detektor zurück in ihre Überlebensweste, entsicherte statt dessen ihre P-90 und hielt sie locker in den Händen.
„Denken Sie, wir treffen hier drin auf Widerstand?" Babbis wurde plötzlich unsicher. Nervös sah er über die Schulter zurück.
„Laut Mrinosh ja." Vashtu ging weiter, die nächste Wand öffnete sich vor ihnen, während die hinter ihnen wieder zurück in ihre Ausgangsposition glitt.
„Wie hat Mrinosh denn SG-15 hier herein gebracht?" fragte Babbis.
„Mit einem Antiker-Lift", kam die einsilbige Antwort. „Aber der funktioniert nur in eine Richtung."
„Oh!" Babbis folgte der Antikerin dicht auf, während diese immer tiefer in das Labyrinth eindrang. Die Querwände, die sie eigentlich in die Irre führen sollten, glitten vor ihnen auseinander, so daß sie sehr schnell vorankamen.
„Liegt das wieder an Ihrem Gen?" erkundigte Babbis sich nach einer Weile.
„Zum Teil." Aufmerksam sah Vashtu sich immer wieder um. „Aber am wahrscheinlichsten ist es, daß ich Zugang zu dieser Abkürzung habe, weil wir diesen Weg gehen und durch die Wartung in die Anlage eingedrungen sind. Hätte ich mich mittels Lift in die Mitte des Labyrinths beamen lassen, sähe das wahrscheinlich anders aus."
Der junge Wissenschaftler nickte nachdenklich.
Eine neue Wand glitt zur Seite, und sie betraten einen mehreckigen Platz, in dessen Mitte sich ein großer Obelisk befand.
Vashtu musterte diesen sehr aufmerksam. „Der Lift", murmelte sie schließlich und sah sich um. Zwei Ausgänge führten wieder in das Labyrinth hinein. „Dann versuchen Sie mal Ihr Glück, Peter. Welcher Gang?"
Babbis sah sich unschlüssig um, zuckte schließlich mit den Schultern. „Die Wahrscheinlichkeit ist 50/50, daß ich mich irre. Sie kennen Collins doch. Hat er eine Vorliebe für eine bestimmte Himmelsrichtung oder Seite?"
„Keine Ahnung, wir hatten nur zwei Einsätze zusammen." Vashtu mißbrauchte ihre Waffe als Armstütze und sah sich aufmerksam um.
„Und trotzdem sind Sie beide so wenig aufeinander zu sprechen?" Babbis staunte.
„Zwei Einsätze reichen mir für den Rest meines Lebens, glauben Sie mir." Vashtu trat an den rechten der beiden Durchgänge heran und lugte mit langem Hals hinaus.
„Wir sollten uns auf jeden Fall nicht trennen, oder was meinen Sie?"
„Wir trennen uns nicht. Ich brauche Sie." Vashtu zog sich von ihrem Spähposten wieder zurück und trat zu dem jungen Wissenschaftler. „Dann lassen Sie mal Ihre Begabungen spielen, Peter. Welche Richtung?"
Unschlüssig blickte Babbis sich um, zuckte schließlich mit den Schultern und wies auf den linken. „Da vielleicht. Aber, wie gesagt, die Chance ist Fifty-Fifty."
„Ist mir klar." Vashtu trat an ihm vorbei, die P-90 wieder im Anschlag. Sorgfältig sondierte sie nach beiden Seiten, dann glitt sie in den nächsten Gang, Babbis dicht hinter sich wissend.
„Nehmen wir jetzt keine Abkürzungen mehr?" erkundigte der sich.
„Nicht solange wir nicht wissen, wohin Collins uns seine Leute gegangen sind." Vashtu hielt sich die Waffe an die Wange und sicherte aufmerksam um die Ecke, dann hob sie den Kopf und nickte zu einem weiteren Durchgang. „Den?"
Babbis steckte endlich sein Palmtop weg. Hier würde ihm das nicht sehr viel nutzen. „Möglich."
Vashtu verzog unwillig das Gesicht, hob die P-90 wieder an die Wange und sicherte. „Nichts." Sie hob den Kopf und drehte sich um. Stirnrunzelnd betrachtete sie ihren Begleiter. „Sagen Sie, sollte nicht zumindest einer in SG-15 genug Verstand haben, um den Weg, den sie genommen haben, irgendwie zu markieren?"
Etwas hilflos hob Babbis zum dritten Mal die Schultern. „Es wäre eigentlich logisch. Entweder die gegangenen Wege oder die ausgeschiedenen zu markieren. Der sicherste Weg, aus einem Labyrinth herauszufinden."
Vashtu nickte und drehte sich wieder um. In diesem Moment hörten sie beide Schüsse. Und sie kamen von der anderen Seite des Labyrinths.
„Die Abkürzung!" Die Antikerin raste bereits an Babbis vorbei. Die Wand glitt zur Seite. Der schlacksige junge Mann hatte Mühe, ihr zu folgen. Hatte sie wieder ihre Fremdgene aktiviert?
Keuchend hastete er hinter seiner Leaderin her und mußte mehrmals aufpassen, nicht von den wieder an ihre eigentliche Stelle zurückgleitenden Wänden zerquetscht zu werden.
Die Schüsse wurden deutlicher, jetzt mischten sich auch Stimmen mit hinein, wenn man auch die Worte noch nicht verstehen konnte.
„Collins!" rief Vashtu über die Schulter zurück. Dann verlangsamte sie ihre Schritte und hob die Waffe wieder. „Sie sollten besser auch Ihre Automatik rausholen, Peter. Kann sein, daß wir auf Widerstand treffen."
Babbis nickte atemlos und warf der Antikerin einen neidischen Blick zu. Sie war nicht einmal außer Atem!
Die nächste Wand glitt zur Seite. Seite an Seite traten die beiden Mitglieder von SG-27 hindurch und gaben sich gegenseitig Feuerschutz. Doch der Gang war in beide Richtungen frei.
Die Stimmen wurden deutlicher, einzelne Worte waren inzwischen zu verstehen.
„Okay, im nächsten oder übernächsten Gang müßten wir auf sie treffen", hörte Babbis die Antikerin murmeln und nickte.
Wieder entstand ein Durchgang, wieder traten sie Rücken an Rücken hindurch, und wieder war da nichts. Dafür hörten sie ein eigenartiges hohes Brüllen, das nicht weit entfernt zu sein schien. Die Stimmen waren inzwischen sehr deutlich zu verstehen.
„Der nächste Gang!" Beide sahen sich an und nickten gleichzeitig. Dann traten sie, Seite an Seite vor.
Die Wand glitt zur Seite und gab einen Durchgang frei. Querschläger peitschten ihnen entgegen.
„Runter!"
Der Befehl war überflüssig. Babbis ließ sich so schnell wie möglich auf die Knie nieder und robbte vorwärts, Vashtu hinterher. Die Antikerin rollte sich in den nächsten Gang hinein, hob die Waffe an die Wange und begann zu schießen, das alles in einer einzigen fließenden Bewegung, viel zu schnell, als daß sie alle Informationen hätte bereits verarbeiten können.
Babbis warf sich nach vorn, kam neben ihr zu liegen und robbte in die richtige Position. Dann hob auch er die Waffe.
Was da zwischen ihnen und SG-15 im Gang stand, von den Kugeln hin- und hergeworfen wurde, war ein Alptraumwesen, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte. Es hatte eindeutig zuviele Gliedmaßen und einen eigenartigen Auswuchs am Unterleib. Schlohweißes, ungepflegtes Haar fiel ihm in ein Gesicht, daß nur ansatzweise menschlich wirkte und vor allem von blitzenden Facettenaugen beherrscht wurde.
„Scheiße! Was ist das?" keuchte Babbis entsetzt.
Vashtus Gesicht war unbeweglich. Langsam richtete sie sich auf, stützte die P-90 mit einem Knie und drückte den Knopf, um auf Einzelfeuer zu gehen. Dann kam sie ganz auf die Beine und hetzte los.
„Nicht mehr schießen!" brüllte Babbis entsetzt los, als er sah, wie die Antikerin direkt in die Schußlinie von SG-15 rannte. Die P-90 in ihrer Hand spuckte einzelne Patronen aus, die dem merkwürdigen Wesen offenbar inzwischen doch zuzusetzen vermochten. Babbis begriff, daß sie einfach zu weit entfernt gewesen waren. Das Wesen mußte über eine äußere Panzerung verfügen. Eine Panzerung, die es fast unverwundbar machte, es sei denn, man kam ihm gefährlich nahe.
Mit einem letzten Schrei sank das Wesen endlich gegen die Wand. Vashtu jagte ihm noch mehrere Patronen in den Kopf, achtete nicht darauf, daß sie von der gelben, schleimigen Körperflüssigkeit des Monsters besudelt wurde. Erst als sie wirklich davon überzeugt war, das es tot war, hob sie die Waffe und sicherte sie, den Blick noch immer starr auf das Etwas vor ihren Füßen gerichtet.
Nicht ganz genau, aber eine ähnliche Darstellung hatte sie bereits einmal gesehen, wenn auch nur als schwaches Hologramm unter der Decke einer Eishöhle. Nur wie es hierher kam, weit entfernt von der geheimen Stadt ihres Volkes, wie es so lange hatte überleben können und immer noch aktiv genug war, für andere eine Gefahr zu werden, das wußte sie nicht.
Sie starrte weiter auf das Wesen hinunter, die Lippen fest aufeinander gepreßt.
„Was war das?" hörte sie schließlich Babbis' atemlose Stimme an ihrer Seite, wandte sich ab, den Kopf weiter gesenkt haltend.
„Ein Devi", antwortete sie, dann sah sie auf und musterte das reichlich angeschlagene SG-15. Die Männer starrten sie nur groß an.
„Major Collins, das SGC schickt SG-27, um Sie zu retten, Sir", sagte sie mit emotionsloser Stimme.

***

„SG-27, gute Arbeit." Landry nickte den vier unterschiedlichen Personen aufmunternd zu. „Vor allem der Kontakt zu der Lucian Alliance, hervorragend gelöst, Miss Uruhk. Ich hoffe, in Zukunft mehr solche positiven Dinge von Ihnen weitergeben zu können."
Die Antikerin lehnte an der Wand, nickte mit überkreuzten Armen, die Stirn aber blieb weiter gerunzelt und ihr Blick war nachdenklich.
„Auch an Sie beide, Dr. Wallace und Dr. Babbis, mein besonderes Lob für Ihre Leistungen. Ihre Leaderin hat Sie beide in ihrem Bericht als sehr gut bewertet. Sergeant Dorn, Ihre Zusammenarbeit mit Dr. Babbis wird ebenso erwähnt. Sie haben in einer schwierigen Situation die Nerven behalten." Landry blickte auf und lächelte. Dann aber, als sein Blick auf die andere Seite des Tisches fiel, verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck.
„Major Collins, Ihnen und Ihrem Team muß ich leider einigen Tadel erteilen. Wie konnten Sie es überhaupt soweit kommen lassen? Und warum haben Sie sich selbst und Dr. Harper nicht durch das Wurmloch zurückgeschickt, ehe die Lage endgültig eskalierte. Hier hätten wir wesentlich besser mit Ihnen zusammenarbeiten und einen Notfallplan erstellen können. Keine sonderlich guten Aussichten, meine Herren."
SG-15 ließ gemeinsam die Köpfe hängen.
Landry lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Und wenn mir noch einmal ein Ausspruch wie der, Sie müßten hinter irgendeinem der anderen Teams herräumen, zu Ohren kommt, Major, finden Sie sich sehr schnell in AREA 51 wieder. Haben Sie das verstanden? Bis jetzt ist es zweimal SG-27 gewesen, das Ihr Chaos hat beseitigen müssen, nicht umgekehrt."
„Aber ..." Collins schloß unvermittelt den Mund und starrte die Antikerin an. Dann schnaubte er und lehnte sich zurück.
„Kein Aber, Major. Sie können auch sehr schnell wieder zum Captain werden, verstanden? Ihre Äußerung war unkollegial und inkorrekt. Ich hoffe, Sie werden sich das für die Zukunft merken." Landry schloß die Akte. „Sie können gehen."
Leise murmelnd erhoben sich beide Teams und verließen den Besprechungsraum, alle, bis auf die Antikerin und Landry.
„Sir?" fragte Vashtu leise und blickte endlich auf. „Wie kann es sein, daß ein Devi in dieser Galaxis ist und wir wußten nichts davon?"
Landry sah sie einen Moment lang nachdenklich an, dann bot er ihr wieder einen Sitzplatz an. Diesmal ließ sie sich auch tatsächlich nieder und blickte ihn hilfesuchend an.
„Ich weiß es wirklich nicht, Miss Uruhk", antwortete Landry im ruhigen Tonfall. „Aber Ihre Reaktion war richtig und schnell. Schade, daß dieser Mrinosh uns den Leichnam nicht zur Verfügung stellen will. Ich bin sicher, wir hätten vielleicht eine Antwort gefunden. Diese ... diese Devi sind auf jeden Fall das erste Mal in der Milchstraße aufgetaucht, das können Sie mir glauben. Bis jetzt ist uns keines dieser Wesen bekannt gewesen, und wenn Sie es nicht als solches identifiziert hätten, wüßten wir auch jetzt nicht, um was es sich gehandelt hat."
Vashtu senkte betreten den Kopf wieder und nickte mutlos.
Landry beugte sich vor und sah sie an. „Machen Sie sich keine Sorgen, Miss Uruhk", sagte er mit leiser Stimme. „Jetzt geht es um etwas anderes. Und genau darauf sollten Sie sich konzentrieren."
Verwirrt blickte sie ihn unter ihren Ponyfransen wieder an. „Was meinen Sie?"
Landry lächelte unsicher. „Die Entscheidung war schon längst fällig nach Ihrem Können mit dem Kontrollstuhl. Aber ... in der Internationalen Kommission wurde entschieden, daß Sie von jetzt an als Geheimnisträgerin einzustufen sind und die ganze Wahrheit über die Ori erfahren sollen. In Zukunft wird SG-27 etwas enger mit SG-1 zusammenarbeiten." Er hob die Hand, als die Antikerin zu reden beginnen wollte. „Ich weiß, Sie haben Ihre kleinen Differenzen mit dem einen oder anderen Mitglied dieses Teams. Dennoch werden Sie zukünftig enger mit ihnen zusammenarbeiten. Und zwar, weil wir auch Ihr Wissen brauchen, Miss Uruhk. Dr. Jackson weiß zwar viel über Ihre Rasse, aber bei weitem nicht soviel wie Sie selbst. Die Ori, Miss Uruhk, wollen in die Milchstraße - und sie werden kommen, das ist sicher. Aber sie wollen nicht nur neue Gläubige gewinnen. Sie wollen die Antiker vernichten, und damit auch Sie."
Vashtu starrte den General wortlos an. Dann holte sie einige Male tief Luft und nickte stumm.

ENDE

2 Kommentare:

  1. hey =)
    oh das ist ja schön das du nun wieder weiterpostest.
    hab mich aber trotz der diesmal etwas längeren wartezeit sehr schnell wieder in die handlung eingelesen.
    da hat vashtus team diesmal ja richtig gute arbeit geleistet und selbt wallace ist in dem gespräch über die landwirtschaft aufgeblüht ;)
    da hat vashtu ja richtige diplomatische fähigkeiten gezeigt und konnte sg-15 ohne große zwischenfälle befreien.
    mal von dem devi abgesehen der sich da eingeschlichen hat.
    na auf die antwort wie der da hingekommen ist bin ich aber auch gespannt.
    nun hat vashtu noch einen grund mehr, noch mehr über vineta herauszufinden.
    LG Sabrina

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  2. Freut mich, daß du weiterhin dabei bist. Ich denke, es wäre in Kats Sinne gewesen, daß ich nicht zu lange warte. Zudem ist die nächste Fic ihre Lieblingsstory gewesen, und daß ich gerade die damals habe rausnehmen müssen ... ohje!
    Ja, wie kam der Devi in die Milchstraße, DASS ist auf jeden Fall die Frage des Tages. Aber wird noch ein bißchen dauern, bis Vashtu dahinter kommt. Und ob ihr das dann noch helfen kann ...

    Vielen Dank für deine Treue und das Lob. Dann bin ich mal gespannt, was du zur nächsten sagen wirst.

    Bis denne
    Ramona

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