15.01.2012

Aus dem Tagebuch eines Genies VII

4. Tag:

„Es hat gestern einen ziemlich heftigen Unfall gegeben", sagte Markham leise, als er auch dem Zelt kam, in dem er allein übernachtete.
Danea wechselte einen Blick mit seinen beiden anderen Begleitern, dem alten Nabock und Jehnam, einem erfahrenen Jäger, wie auch er einer gewesen war, ehe die Fremden auftauchten.
Markham ließ sich am Feuer nieder und seufzte.
„Warum hast du uns das gestern nicht schon gesagt?" fragte Danea.
Der Lieutenant blickte wieder auf. „Weil die Erethianer nicht weiter betroffen zu sein scheinen, wie Dr. Stross mir sagte. Einer unserer Wissenschaftler kam um bei dem Versuch, irgendein Gerät abzuschalten. Das ganze Gebäude ist zerstört."
„Dann sollten wir so schnell wie möglich zurückkehren in die Stadt der Schöpfer. Wer weiß, was diese Explosion ausgelöst hat dort", wandte Nabock ein.
Markham rieb sich den Nacken, starrte in die Flammen ihres kleinen Lagerfeuers.
Danea ging auf, wie müde der Lieutenant wirkte. Er hatte sicher nicht sehr viel geschlafen in der letzten Nacht. Wahrscheinlich zuviel Sorgen, ging ihm auf.
„Nabock hat recht", wandte er ein.
Markham blickte wieder auf und sah ihn leidend an. „Dr. Stross meint, wir sollten hierbleiben, bis wir sicher sind, daß sich keine Devi hier herumtreiben und wir den Mond vollständig überprüft haben. Wie lange braucht ihr noch?"
„Hier sind keine Devi", entgegnete Nabock bestimmt.
Markham kniff die Lippen aufeinander und zog die Beine an, um seine Unterarme auf die Knie zu stützen. „Aber wir haben Ruinen gefunden."
„Die sind schon lange aufgegeben, Lieutenant Markham", entgegnete Danea. „Nabock hat recht. Wir sollten wirklich zurückkehren nach Vineta. Wir brauchen auch nicht mehr lange. Heute abend könnten wir fertig sein, wenn Dr. Stross meint, wir sollten uns hier erst alles ansehen."
„Es ist unverantwortlich von ihr, soetwas zu fordern!" Die Stimme des alten Erethianers klang verärgert.
Markham blickte zum Himmel hinauf und beobachtete, wie in der frühen Dämmerung die näherstehenden Planeten und Monde auftauchten aus der Nacht.
Danea konnte beinahe spüren, was in dem jungen Mann neben ihm vor sich ging. Und, er mußte zugeben, auch in seiner Brust stritten sich die Gefühle. Aber wahrscheinlich konnte er Markham nicht wirklich verstehen. Die Erethianer hatten kein Militär, und jeder einzelne seines Volkes handelte nach seinem eigenen Gewissen, nicht nach dem, was ihm vorgegeben worden war von anderen.
„Major Uruhk ist auch noch nicht wieder in Vineta", murmelte Markham nachdenklich und runzelte die Stirn. „Dr. Babbis ist wohl vollkommen überfordert mit der Situation."
„Ein Grund mehr, sofort zurückzukehren", wandte nun Jehnam ein.
„Nein." Danea schüttelte bestimmt den Kopf. „Wir sollten tun, was Dr. Stross wünscht. Wenn sie meint, die Lage sei ruhig genug, damit wir den Mond weiter erforschen können, sollten wir das auch tun."
Nabock versuchte, ihn niederzustarren, doch er gab nicht nach. Vielleicht wußte er nicht alles, aber er hatte zumindest genug Verstand, um nicht blind nach vorn zu stürmen, wie der zweite Älteste es jetzt von ihm verlangte.
„Ihr werdet heute fertig?" Markham senkte den Kopf wieder, sandte einen fragenden Blick in ihre kleine Runde.
Jehnam nickte. „Es ist nicht mehr viel zu tun. Eigentlich könnten wir gleich hierbleiben und beginnen, Felder anzulegen."
„Uns fällt sicher eine einfachere Lösung ein", wandte Markham ein, sah zu Danea hinüber. „Noch ein Jumperflug gefällig?"
Der junge Erethianer nickte lächelnd. „Gern", antwortete er.
Markham richtete sich ächzend wieder auf und streckte sich. „Dann sollten wir sehen, ob wir nicht noch ein bißchen Zeit herausschinden können. Dr. Stross möchte eine Antwort von uns allen. Darum halte ich es auch für besser, wenn wir unsere Arbeit beenden."
Danea stand auch auf und stellte sich an Markhams Seite. Auffordernd blickte er zu Jehnam hinüber, bis dieser nickte. Nur Nabock blieb stur, wie er nicht anders erwartet hatte.
„Ich wollte mir noch einmal die Ruinen der Devi ansehen", schlug Markham vor.
„Gut." Danea nickte, drehte sich dann um und folgte dem anderen zu dem einsamen Puddlejumper hinüber.
Ein Unfall in der verbotenen Stadt der Schöpfer. Kein Wunder, daß Nabock wieder eine Bedrohung sah. Seit Jahrtausenden fürchteten die Erethianer diese Stadt, und Danea waren die Verhandlungen mit den Menschen aus diesem weit entfernten Atlantis noch sehr gut im Gedächtnis geblieben. Auch er war nicht gerade begeistert von der Aussicht, ausgerechnet in der Stadt der verräterischen Schöpfer zu leben, aber er hatte zumindest als einer der ersten die Notwendigkeit erkannt.
Markham ließ sich auf dem Pilotensitz nieder und schloß die Heckluke. „Inzwischen werde ich wohl immer besser, was?" Er zwinkerte Danea zu.
Der nickte. „Besser jedenfalls als Dr. Babbis."
„Das ist auch nicht schwer." Markham ließ den Jumper abheben und an Höhe gewinnen, während er die Geschwindigkeit erhöhte. „Mir macht das Schweigen der Prometheus Sorgen. Was, wenn Pendergast mit dem Rest von uns abhauen will?"
„Ihr sagtet, er könne nicht so schnell fliegen", wandte Danea ein.
„Aber er hat Geiseln, wenn er dahinter gekommen ist, was zwischen uns und seiner Mannschaft ablief."
„Denkt Dr. Stross das auch?"
Markham biß sich diesmal wirklich auf die Lippen. „Ich weiß nicht, wie weit Sie im Moment denkt. Dr. Babbis macht ihr da einige Schwierigkeiten. Zumindest mehr, als er bräuchte."
Der Jumper schoß über den, sich langsam erhellenden Himmel.
Danea lehnte sich nachdenklich zurück. „Aber angreifen wird er uns doch nicht, oder?" fragte er nach einer kleinen Weile.
„Ich denke eher nicht." Der Lieutenant reckte den Hals, als sie dem Wald mit den Ruinen näherkamen. Langsam senkte er den Jumper wieder ab, landete ihn schließlich nicht weit von den ersten Bäumen entfernt.
„Dann mal los." Mit wenig Enthusiasmus erhob er sich und ließ Danea den Vortritt, ehe er ihm folgte, sich seine Waffe greifend, die hinten auf einem der Sitze gelegen hatte.
Danea trat aus dem Jumper heraus und blickte sich aufmerksam um. Dann wurde er plötzlich auf etwas aufmerksam, senkte den Blick. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

***

88. Tag:

Unter welchen Bedingungen bricht der menschliche Körper zusammen? Wie erschöpft muß man sein, um einfach umzukippen und nicht mehr aufzustehen?
Ich weiß es nicht, aber ich glaube, allmählich stoße ich an die Grenzen des mir möglichen. Mein Verstand beginnt zu leiden, mein Körper folgt ihm, da er keine andere Wahl hat. Und das schlimmste ist, man läßt mir einfach keine Ruhe, um mich zu regenerieren. Ich bin hilflos dem ausgeliefert, was Stross und diese ganze atlantische Bande planen. Niemand nimmt mehr Rücksicht auf meine eigenen Bedürfnisse.
Dr. Babbis, fliegen Sie durch das Tor! Dr. Babbis, reparieren Sie das Tor! Dr. Babbis, aktivieren Sie dieses Gerät! Dr. Babbis, deaktivieren Sie jenes Gerät! Dr. Babbis, die Testreihen müssen fortgesetzt werden! Dr. Babbis, Sie müssen auf der Stelle herkommen! Dr. Babbis, bleiben Sie nur weg da!
So und noch anders geht es hier zu. Natürlich, ich bin der wichtigste Mann in der Stadt, wenn ich nicht hier wäre, wäre Vineta schon längst wieder stumm und tot. Aber selbst jemand wie ich braucht seine Ruhe, und seien es auch nur fünf Minuten, die man mir zugestehen sollte. Wenn mein Körper irgendwann nicht mehr kann, weiß ich, wem ich das zu verdanken habe.
Markham ist immer noch nicht zurück. Was, zum Kuckuck, macht der eigentlich so lange da oben? Der Handel ging um ein paar Tage, aber inzwischen sind es ... oh, doch erst der vierte Tag? Nun ja, es kommen mir mehr vor. Und ich kann nicht nachvollziehen, was er und die Erethianer da oben so lange treiben. Der Mond war begrünt, er hatte ein angenehmes Klima, was wollen sie denn noch mehr wissen? Oder legen sie schon Felder an? Mit einem Sack Saatgut sicher nicht die beste Idee.
Statt mich weiter an meinen Forschungen arbeiten zu lassen, zieht Stross mich immer weiter ab. Heute durfte ich, zusätzlich zu Williams' Team, durch die Stadt ziehen auf der Suche nach Energiefressern - als würde uns das mehr als ein bißchen Zeit erkaufen! Zudem kommt, daß ich letzte Nacht durchgearbeitet habe - Dorns Prothese ist so gut wie fertig. Zumindest ein Lichtblick in dieser Finsternis.
Vashtu, wo bist du, wenn man dich braucht? Und ich könnte dich im Moment wirklich sehr gut hier gebrauchen. Aber du sitzt weiter gemütlich in der Prometheus und grinst wahrscheinlich auf deine übliche Art zu uns hinunter, während du dich vielleicht sogar mit Pendergast endlich geeinigt hast. Noch ein Nebenbuhler! Hat dir deine Erfahrung mit diesem Psycho-Kerl nicht gereicht?
Ach, was schreibe ich da schon wieder? Ich sollte - Vashtu wird wiederkommen, das ist klar. Sie wird wiederkommen! Wenn sie jemand wirklich gut kennt, dann weiß er, daß sie nichts unversucht lassen wird, um wieder hierher zurückzukehren. Ihre Arbeit hier ist noch nicht erledigt. Und sie ist zu zuverlässig, um irgendetwas nur halb zu tun. Wenn sie noch nicht wieder hier ist, kann das eigentlich nur bedeuten, daß sie wieder irgendetwas mit Pendergast auszutragen hat. Ansonsten würde nichts sie davon abhalten, Vineta wieder zu betreten. Nur allein die Sache mit dem Forschungs-Sektor liegt ihr doch ziemlich schwer im Magen. Hoffentlich wird sie nie herausfinden ...
Ich sollte allmählich selbstständiger werden. Ich kann mich nicht immer auf Vashtu Uruhk verlassen und hoffen, daß sie mir helfen wird. Aber wenn nicht sie, wer dann? Wem kann ich hier denn noch vertrauen? Stross auf jeden Fall wohl nicht, im Gegenteil, sie scheucht mich doch herum wie ... Nun ja, ihr billiger Sklave bin ich nicht, darauf kann sie sich verlassen. Was auch immer sie mir jetzt antun wird, es wird noch Folgen haben, darauf kann sie sich verlassen!
Aber was können wir tun, wenn Vashtu nicht zurückkommt? Wie sollen wir uns dann weiter schützen? Ich weiß schließlich, was Stross mit ihr vorhat, und ich muß zugeben, ich halte es für eine sehr gute Idee. Vielleicht wird mir nicht jeder zustimmen, aber ... Militärische Leiterin, gleichberechtigt neben Stross stehen, in alle Entscheidungen der Stadt involviert sein? Wer würde sich das nicht wünschen? Und, vor allem, es würde sich einiges ändern, wäre Vashtu hier und auf diesem Posten. Niemand würde mich mehr herumscheuchen, auch Stross nicht. Vashtu hat Verständnis für meine Bedürfnisse. Sie würde das nicht zulassen.
Die Frage ist eher, weiß sie selbst, was sie will? Sie tut so viel, eigentlich jetzt schon alles. Sie auf diesen Posten zu setzen, würde das ganze nur offiziell machen. Die Frage ist, weiß Vashtu eigentlich, was sie bereits getan hat für Vineta? So ganz sicher bin ich mir da nämlich nicht. Sie gluckt noch immer, wenn es um die Stadt geht. Sie hat Angst vor etwas, nur weiß ich immer noch nicht, vor was genau. Aber ich bin sicher, irgendwann wird sie mir das sagen können - wenn sie von der Prometheus zurück ist. Ja! Ich bin ihr Vertrauter. Wenn sie nicht mir traut, wem dann?
Ich wünschte nur, es würde schneller gehen. Viel schneller. Wenn sie nur wieder hier wäre, wenn irgendjemand mit dem Gen hier wäre außer mir. Ich werde das nicht mehr lange durchhalten können.

TBC ...

2 Kommentare:

  1. Juhu, es geht weiter :)
    Och joa, ich bin ganz gut rein gerutscht. Hoffe du ebenfalls?
    Nachdem man ja immer alles mögliche macht, wenn man eigentlich lernen müsste, habe ich mich direkt auf das neue Kapitel gestürzt :D
    Ein Tag noch auf dem Mond. Na dann bekommt der arme arme Peter, der ja immer nach Dr. Stross' Pfeife tanzen muss ja endlich Unterstützung, was die Torreisen angeht ;)
    Aber was hat Danea denn da jetzt entdeckt, dass er sich darüber freut?
    Hm ... einen kleinen Verdacht habe ich ja, mal sehen ob es stimmt ^^
    Freue mich schon auf das nächste Kapitel :)
    LG Sabrina

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  2. Freut mich, daß du gut reingekommen bist :). Bei mir wars das übliche, Katze Pfötchen halten. Für Tiere ist der Jahreswechsel ja immer Streß pur.
    Was Danea da entdeckt hat, wird in dieser Geschichte nicht mehr erklärt - aber bald. Sagen wir, es könnte für die Vineter wichtig sein.
    Dann bin ich mal gespannt, wie dir die Fortsetzung gefällt. Und das Studieren nicht vergessen ;).
    Bis denne
    Ramona

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