23.04.2012

Klimawandel V


Vashtu bremste das Board geschickt ab und sprang von dem umgebauten Brett herunter. Es mit einem Fuß hochkickend, klemmte sie sich ihr selbstgebasteltes Skateboard unter den Arm und trat näher an das große Tor von Vineta heran. Dort lehnte sie das umgebaute Brett gegen den Schutzschild und grinste. Dann aber wurde sie wieder ernst, als sie sich den beiden gewaltigen Bögen zuwandte.
Der Schild hier flimmerte und schien ihr nicht ganz so undurchlässig wie in Rest der Stadt. Und genau das war es, was Anne Stross Sorgen bereitete.
Aufmerksam musterte sie die beiden hohen Säulen, die sich gen Höhlendecke wölbten, trat langsam näher an den ersten Bogen heran und betrachtete ihn von oben bis unten.
Das Tor war riesig, und sie hatte sich schon von Anfang an gewundert, warum es so gewaltig zu sein schien. Jetzt kam ihr allmählich ein gewisser Verdacht, mußte sie sich eingestehen. Es mußte doch einen Grund für diese überdimensionalen Ausmaße geben. Ihr Volk hatte nichts gebaut, das nicht irgendeinen Sinn ergab.
Major Uruhk!"
Vashtu, die gerade die Hand ausgestreckt hatte, um das Metall der einen Torhälfte zu berühren, zuckte zurück und drehte sich um.
Danea kam die Straße heruntergelaufen, ein Lächeln auf dem offenen Gesicht.
Vashtu nickte dem jungen Erethianer zu, richtete ihre Aufmerksamkeit dann wieder dem Bogen zu, besser der hohen Säule und legte ihre flache Hand auf das Metall. Sie meinte, ein feines Vibrieren wahrnehmen zu können. Das würde bedeuten, das Tor wurde mit Energie versorgt.
Ich dachte, ich würde Sie gar nicht mehr treffen." Danea war bei ihr angekommen.
Vashtu runzelte die Stirn. „Wieso?" Sie drehte sich um und musterte den Erethianer aufmerksam. „Ich bin im Moment beschäftigt, aber ein bißchen Zeit habe ich immer. Gibt es etwas bestimmtes?" Sie hob die Brauen.
Ich ..." Danea senkte etwas verschämt den Blick und zuckte mit den Schultern, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Naja, ich dachte ... Ich habe gehört, daß in den nächsten Tagen viele, die sich den Sternentor-Teams angeschlossen haben, auch hindurchgehen werden. Da wollte ich fragen, ob ... ?" Er blickte etwas verschämt auf.
Vashtu begriff und stutzte. „Sie dachten, ich wolle sie nicht mehr dabei haben? Das ist doch lächerlich!" Sie winkte ab. „Ich will Sie in meinem Team. Nur, äh, gibt es da kleine Schwierigkeiten, was die Größe des Teams angeht." Jetzt war sie es, die entschuldigend lächelte.
Weil wir nur drei sind?" fragte der Erethianer erstaunt.
Vashtu nickte. „Ich habe noch keinen vierten Mann gefunden, der mir zusagen würde. Und aus genau diesem Grund ... werden wir wohl noch etwas warten müssen, bis wir wieder rausgehen."
  Danea nickte nachdenklich. „Das ist schade", gab er dann zu.
Vashtu blinzelte verständnislos. „Wie bitte?" Hatte er vergessen, was das letzte Mal passiert war, nachdem sie durch das Tor geflogen waren? Es hätte nicht viel gefehlt und sie wären irgendwelchen Devi ausgeliefert worden.
Es war abenteuerlich und spannend. Ich würde das gern wiederholen. Naja, nicht alles."
Sie nickte, sah sich einen Moment lang wieder das Flimmern an, drehte sich dann zu ihm um und musterte ihn. „Ich werde mit Dr. Stross sprechen, ob sie uns noch eine Chance gibt, auch wenn wir nur drei sind. Einverstanden?"
Danea nickte. „Und die Versammlung?"
Vashtu dachte einen Moment lang nach. „Die findet morgen statt, wenn ich mich nicht irre."
Darum geht es. Ich würde gern durch das Tor und ... nach der Versammlung, mit einigen Leuten Kontakt aufnehmen. Ich habe da eine Adresse, so nennt ihr das doch."
Vashtu stutzte wieder. Woher sollte ein Erethianer eine Gate-Adresse haben? Das Volk hatte doch, nach eigener Aussage, nie das Sternentor benutzt, es gar nicht benutzen können, da es zu diesem Zeitpunkt nicht mit Energie versorgt wurde.
Sie haben eine Adresse?" wiederholte sie.
Danea nickte. „Nabuck hat sie mir gegeben. Sie stammt von einem Volk, mit dem wir früher zusammengearbeitet haben. Normalerweise kamen sie mit Schiffen, aber dann ... Das werden Sie morgen erfahren."
Vashtu nickte mit scheelem Blick.
Irgendwie beschlich sie gerade das Gefühl, daß hier irgendetwas nicht so ganz stimmte. Aber gut, es sollte ihr recht sein. Wenn Danea Gefallen an Torreisen gefunden hatte, konnte ihr das nur nützen, wenn sie ihn weiter in ihrem Team behalten wollte.
Was tun Sie hier?" erkundigte er sich, betrachtete jetzt selbst das eigenartige Flimmern zwischen den gewaltigen Torsäulen.
Gute Frage ..." Vashtu stemmte die Hände in die Hüften und blickte wieder auf. „Ich will herausfinden, warum der Schild ausgerechnet hier flackert."
Der Erethianer nickte sinnend. „Wissen Sie vielleicht, wann Sergeant Dorn wieder aus der Krankenstation entlassen wird."
Ein Grinsen erschien auf Vashtus Gesicht. „Das wird wohl noch eine Weile dauern. Er lernt, mit einer Prothese für sein Bein zu laufen." Sie konnte sich denken, worum die Frage ging. Die Kinder der Erethianer schienen einen Narren an dem Marine gefressen zu haben. Wußte wer wollte, was er ihnen immer erzählte, aber offensichtlich gefielen die Geschichten ihnen.
Die Gute-Nacht-Geschichte fehlt wohl, was?" fragte sie im scherzhaften Tonfall.
Die Kinder weigern sich, ins Bett zu gehen, wenn der Sergeant ihnen nichts erzählt", erklärte Danea mit resignierter Stimme.
Vashtu nickte sinnend. Dann kam ihr ein Einfall. Sie drehte sich zu dem Erethianer um und sah ihn auffordernd an. „Wie steht's? Sie helfen mir und ich komme vorbei und erzähle eine Geschichte?"
  Danea sah sie groß an. „Das würden Sie tun?"
Vashtu winkte ab. „Klar, warum denn nicht?" Sie zuckte mit den Schultern. „Und wie sieht es aus? Haben Sie gerade Zeit?"
Danea nickte eifrig. „Natürlich. Das wird die Kinder freuen, wenn Sie vorbeikommen, Major."
Schön." Vashtu trat an den zweiten Bogen und betrachtete jetzt diesen. Dabei fiel ihr eine kleine Schaltung auf, die ihr bisher offensichtlich immer entgangen war. Sie drückte darauf und eine Klappe fuhr ein.
Vashtu stutzte, beugte sich dann vor und betrachtete das leuchtende Feld im Inneren genau. „Interessant ..." Sie legte ihre Hand auf die Fläche. Ein Summen erklang, dann erlosch das Feld.
  Und jetzt?
Vashtu hob den Blick wieder zum Tor, doch das Flimmern war geblieben.
Gut, daran lag es nicht ... mh."
Danea war direkt vor das blaue Flimmern getreten, streckte jetzt die Hand aus. Diese und auch sein Arm ... glitten durch das Licht hindurch.
Vashtu erstarrte, holte dann tief Atem und trat näher, als der Erethianer Arm und Hand wieder zurückzog und aufmerksam musterte.
Irgendetwas gespürt?" fragte sie.
Danea schüttelte den Kopf. „Wissen Sie jetzt, warum es flimmert?"
Ich habe einen Verdacht." Ein Lächeln schlich sich wieder auf ihre Lippen. „Gehen Sie doch bitte einmal ganz hindurch."
Der Erethianer warf ihr einen Blick zu, zuckte dann aber mit den Schultern und trat ... durch das Tor nach draußen.
Vashtus Augen leuchteten auf. Sie nickte befriedigt. „Können Sie auch wieder zurück?" fragte sie, trat selbst einen Schritt beiseite.
Danea tat wie ihm geheißen und befand sich wieder innerhalb des Kraftfeldes.
Ein Durchlaß!" Vashtu grinste breit. „Damit dürfte dann auch die Größe erklärt sein. Selbst ein Puddlejumper paßt durch dieses Tor. Wir müssen den Schild nicht abschalten, wenn jemand aus der Höhle hinaus will."
Ist das gut?" erkundigte Danea sich.
Kommt drauf an." Vashtu trat an den Rand der Straße und hob einen Stein auf. „Treten Sie bitte noch einmal durch das Tor nach draußen. Ich werfe Ihnen den Stein zu und Sie versuchen ihn zurückzuwerfen."
Danea tat, wie sie ihn geheißen hatte.
Vashtu wog nachdenklich den Stein, offenbar hatte er sich irgendwann aus der zerschundenen Höhlendecke gelöst, in der Hand, warf ihn dann locker durch das Flimmern. Der Erethianer auf der anderen Seite fing ihn geschickt auf und warf ihn zurück. Doch dieses Mal prallte er an dem Flimmern ab. Danea sah überrascht aus.
Vashtu grinste befriedigt. „Sehr schön. Der Durchlaß funktioniert mit bestimmten Dingen offenbar nur einseitig. Wäre interessant herauszufinden, was er nicht durchläßt."
Danea trat wieder durch das Tor und sah sie forschend an. „Sie sind zufrieden mit dem Ergebnis."
  Vashtu nickte, fummelte ihr Funkgerät aus dem Ohr und reichte es ihm. „Falls etwas schiefgeht, melden Sie es bitte sofort an Miss Walsh. Die soll kurz den Schild abschalten, so schnell wie möglich."
Aber ..."
Vashtu hörte schon nicht mehr zu, sondern sprang mit Schwung durch das Flimmern in die Höhle hinaus. Dann drehte sie sich um und hob die Hände. „Ganz einfach." Sie lachte, wurde dann aber wieder ernst und trat zurück.
Der Schild ließ sie durch.
Sie atmete hörbar aus, drehte sich wieder um und musterte wieder das Tor. „Wäre interessant herauszufinden, was nicht durch kann außer Steinen."
Ist das gut?" erkundigte Danea sich etwas naiv.
Die Antikerin nickte. „Das bedeutet, ich kann die Stadt auf diesem Wege verlassen, sollte etwas passieren und wir müssen hier verschwinden." Ihr fiel etwas ein. „Dr. Babbis würde übrigens gern mit jemandem von Ihrem Volk wegen dem Wetter sprechen."
Das ist kein Problem. So viel Regen hatten wir noch nie."
Kann ich mir denken." Vashtu nahm ihr Funkgerät wieder entgegen und befestigte es erneut an ihrem Ohr, um es zu aktivieren. „Doc?" fragte sie.
Major, hatte ich mich nicht klar und deutlich zur Benutzung Ihres Skateboards geäußert?" wetterte es prompt zurück.
Vashtu runzelte die Stirn. Sie war doch vorsichtig gewesen und hatte das Board in den bewohnten Teilen der Stadt unter dem Arm getragen statt zu fahren. Woher wußte Anne denn jetzt wieder, daß sie es mitgenommen hatte?
Jaja, ich weiß. Aber dieses Mal war ich sehr vorsichtig."
Es macht Lärm, Major! Man kann es durch die ganze Höhle hören, wenn Sie fahren."
Okay, daran hatte sie jetzt nicht gedacht.
Vashtu warf den Metallrollen, die sie unter das einfache Brett geschraubt hatte, einen Blick zu. Vielleicht fand sie irgendwo noch etwas, womit sie den Krach etwas abdämpfen konnte. Wäre doch gelacht, wenn sie sich nicht würde durchsetzen können mit ihrem neuen Fortbewegungsmittel.
Lassen wir das jetzt. Ich sollte mir doch das Tor ansehen", wechselte sie wenig geschickt das Thema. „Das habe ich getan. Es ist sehr interessant, Doc. Sieht aus, als wären wir etwas übervorsichtig gewesen. Der abschließende Test steht zwar noch aus, aber ich schätze, wir können den Schild von jetzt an wirklich im Dauerbetrieb laufen lassen, selbst wenn Babbis raus muß. Der Schild hier ist durchlässig."
Was?" Annes Stimme klang entgeistert. „Sie sollen nicht ablenken, Major! Diese Sache ist ernst genug. Und was erzählen Sie da für einen Unsinn?"
Vashtu tauschte einen Blick mit Danea und grinste breit. „Sie haben mich schon richtig verstanden. Der Schild ist durchlässig. Und das Tor ist groß genug, daß ein Puddlejumper durchfliegen kann", wiederholte sie.

***

Peter geriet langsam ins Schwitzen.
Was er da gerade berechnet hatte, sah wirklich alles andere als gut aus. Es war eine Katastrophe, wenn er genau sein wollte. Wenn auch nur ein Teil der Werte von vor zehntausend Jahren stimmten, und wenn er eine natürliche Drift abzog, selbst dann blieb diese Katastrophe noch gigantisch.
Er lehnte sich zurück und starrte auf die Anzeigen.
Er würde das ganze noch einmal berechnen, am besten so schnell wie möglich. Vielleicht hatte er auch irgendwo einen Fehler gemacht, zumindest hoffte er das. Denn wenn alles stimmte, hatten sie nicht nur den Planeten um einen guten Grad in seiner Bahn verschoben, sondern auch den Mond verloren, den sie eigentlich als Farm nutzen wollten. Und wohin der abgetrieben werden würde, von verschiedenen Anziehungskräften mitgerissen, das wollte er gar nicht wissen.
Peter stöhnte auf und verbarg sein Gesicht, nachdem er die Brille abgenommen hatte, hinter seinen Händen.
Das konnte doch nicht sein! Sie hatten tatsächlich einen sehr viel größeren Schaden angerichtet, als sie jemals hatten erreichen wollen.
Hätte er doch irgendwie einige PKs an die Seite schaffen können. Hätte er doch ...
Entschlossen setzte er die Brille wieder auf und konzentrierte sich auf den Bildschirm.
Er mußte sich einfach irgendwo verrechnet haben. Anders war das nicht zu erklären. Er mußte! Selbst ein Genie konnte sich ab und an einmal irren!

TBC ...

2 Kommentare:

  1. Huhu!!
    hihi :D Vashtu und ihr Skateboard. Hoffentlich treibt sie damit Anne und die restlichen Bewohner nicht noch in den Wahnsinn und findet tatsächlich etwas anderes als Metallrollen.
    Das mit dem Tor klingt ja wirklich interessant und dürfte durchaus praktisch sein.
    Aber war es von Vasthu nicht ganz schön riskant, einfach so aus dem Schild heraus zu treten? Ich weiß ja nicht, wie schnell die da auf der Prometheus sind, aber vorausgesetzt, der Schild hätte sie nicht mehr durchgelassen, hätte das ja durchaus schief gehen können.
    Und dann noch Peters Berechnungen ... das hört sich ja wirklich böse an ... ich hoffe er hat sich da tatsächlich irgendwo verrechnet, aber ich befürchte beinahe, das dem nicht so ist.
    LG Sabrina

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  2. Eines gleich zu Anfang: Peter hat sich nicht verrechnet.
    Vashtu und ihr Skateboard ... hihi, warts ab. Da kommt noch was.
    Das mit dem Schild war definitiv riskant, aber man kennt Vashtu doch mittlerweile. Wenn ihr einer ein Stromkabel hinhalten würde, würde sie vermutlich als erstes die Drähte testen, ob da Strome drauf ist ;).
    Dank dir für das Review!
    Bis denne
    Ramona

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