06.08.2009

Der Jungbrunnen

TV-Serien: CSI: Miami, Stargate: Atlantis
Genre: adventure, scifi, HC, AU
Rating: M
Reihe: Stargate vs. CSI: Drei Fälle für drei Teams
Zeitleiste: Diese Fanfiktion spielt für Stargate: Atlantis in der Zukunft, ca. 10. Staffel. Für CSI: Miami spielt sie daher mindestens Staffel 12.


Zeitungsmeldung der Miami Daily Post:

Erneuter Leichenfund

Der Strand von Miami Beach wird zum Friedhof eines Serienkillers

„Das Dutzend ist voll" titulierte der zuständige Kriminalbeamte den grausigen Fund. Ein Jogger war beim Training auf das flache Grab aufmerksam geworden und hatte die inzwischen zwölfte weibliche Leiche gefunden, die der Beach Killer hinterlassen hat. Die Identifizierung erfolgte wie immer schnell von Seiten der Polizei, die Familie besteht jedoch auf Geheimhaltung.

Seit ebensovielen Wochen hält der Beach Killer nun die Polizei in Atem und wie zu Beginn der Serie scheint es immer noch keine klaren Hinweise zu geben. Man setzt noch immer auf Augenzeugen. Währenddessen jedoch verstärkt sich die Panik unter der Bevölkerung.

Junge Frauen zwischen 25 bis 35 seien das vornehmliche Ziel des Serientäters, so ließ der Polizeipräsident von Miami verlauten. Alle zwölf Opfer seien blond gewesen. Groß und schlank, unverheiratet und in offiziell keiner bekannten Beziehung. Möglicherweise spiele der Mörder ihnen sexuelles Interesse vor, so lautet die vorläufige Vermutung der Polizei. Da alle Opfer rege am gesellschaften Leben in ihrer Umgebung teilnahmen, haben sie ihren Mörder vielleicht während einer Feier oder in einem Club kennengelernt.

Für sachdienliche Hinweise steht auch weiterhin das kostenlose Servicetelefon der Miami-Dade-Police zur Verfügung.

Jason Montgomery blickte müde von seiner Zeitung auf, als er Schritte hörte, die auf ihn zukamen. Der Gerichtsdiener faltete das Papier laut raschelnd zusammen, ehe er sich erhob.
„Ist Richter Holmes immer noch in der Sitzung?" fragte der Neuankömmling, Clayton Fowler, seineszeichens einer der drei Hausmeister des Gerichtes.
Montgomery nickte, sah dann auf seine Uhr hinunter.
Undeutliche Stimmen drangen durch die geschlossene Tür zum kleinen Verhandlungsraum, in dem sich wohl gerade die Köpfe heiß geredet wurden.
„Ich muß da rein wegen der Leitungen", sagte Fowler. „Kannst du vielleicht kurz ... ?"
Montgomery seufzte. Raschelnd landete seine Zeitung auf dem Stuhl, er selbst trat an die Tür und klopfte leise. Dann wartete er nicht, sondern öffnete die Tür einen Spaltbreit, gerade weit genug, daß er seinen Kopf hineinstecken konnte in den Raum.
„... benehmen sich unmöglich!"
„Mr. Montgomery?" Richter Holmes war sofort auf die Bewegung aufmerksam geworden und sah ihn aufmerksam an.
Montgomerys Blick glitt kurz über die Gesichter der anderen vier Anwesenden: die beiden Anwälte der streitenden Parteien, einen dunkelhaarigen und sonnengebräunten Mann mit kaltem Blick und dem rothaarigen Leiter der Tatortermittlungen, kurz CSI genannt, Horacio Caine, der ihm nun einen langen, halb gelangweilten, halb erzürnten Blick zuwarf.
„Fowler muß an die Leitungen, Richter", meldete Montgomery endlich.
Holmes seufzte tonlos und sah die beiden streitenden Parteien sehr beredt an. Dann schüttelte er den Kopf. „Er soll besser morgen wiederkommen", entschied er, beobachtete, wie der Gerichtsdiener die Tür wieder schloß und lehnte sich in seinen Sessel zurück.
Der kleine Verhandlungsraum, auch gern richterliches Hinterzimmer genannt, hätte einem alten Schwarz-Weiß-Film alle Ehre gemacht und war einer der wenigen Räume des Bezirksgerichtes Südflorida, der noch nicht modernisiert worden war. Die Wände waren holzvertäfelt, an einer Seite zogen sich lange Regalreihen vom Boden bis zur Decke. Der Boden bestand noch aus wervollem Parkett. Selbst die Möbel schienen direkt aus Streifen wie „Die zwölf Geschworenen" zu stammen. Der Tisch war zwar leicht zerkratzt, wurde aber immer noch täglich von der Putzkolonne auf Hochglanz poliert, die dazugehörigen Sessel waren gepolstert und mit brüchigem, braunen Leder überzogen.
Holmes mochte diesen Raum, darum hatte er sich auch der „Kleinklagen" angenommen, wie er sie im Moment verhandelte.
Der Kläger, ein gewisser Mike Sheridan, hatte Anzeige gegen den Polizisten Horacio Caine erstattet und dann Klage erhoben. Der Fall war eigentlich klar, wenn da nicht das Ausbleiben der einzigen Zeugin und Lebensgefährtin von Sheridan gewesen wäre, auf die sie noch immer warteten.
„Euer Ehren", wandte der Kläger sich in diesem Moment wieder an ihn und beugte sich vor.
Eigentlich sah Sheridan für einen Mann mit seiner Geschichte recht gut aus. Seine Haut war sonnengebräunt und ebenmäßig. Erste winzige Falten lagen um seine Augen, die allerdings immer wieder kalt zu schimmern schienen. Das dunkle Haar trug der Mann in einer recht modisch erscheinenden Frisur, den Pony aus dem Gesicht gegelt, das Haupthaar, dessen er sich wohl ebenfalls angenommen hatte, allerdings hatte sich aus der erzwungenen Form zum Teil wieder befreit und stand nach oben ab.
Sheridan war schlank, sehnig und recht groß. Vom ersten Anblick ein recht angenehmer Zeitgenosse ... wenn da nicht seine Akte gewesen wäre.
Holmes seufzte wieder und beugte sich vor. „Mr. Sheridan, mir ist klar, daß Ihnen das Vorgehen der Polizei nicht immer einleuchtet. Dennoch aber steht außer Frage, daß Sie straffällig geworden sind, ob nun mit Vorsatz oder durch unglückliche Umstände. Es tut mir leid, aber Sie werden sich auch weiterhin damit abfinden müssen, daß die Polizei bei gewissen Delikten als erstes bei Ihnen nachfragt."
„Bei gewissen Delikten, aber nicht wegen jedes Strafzettels!" entgegnete Sheridan prompt.
Und da mußte Holmes ihm recht geben. Seit der Kläger vor knapp zwei Jahren aus seiner mehrjährigen Haft wegen Brandstiftung entlassen worden war, häuften sich die Eintragungen in seine polizeiliche Akte geradezu. Jede noch so kleine Lappalie wurde offensichtlich bis zum bitteren Ende verfolgt und Sheridan und seine Lebensgefährtin rund um die Uhr überwacht.
„Nun ..." Holmes wandte sich der Gegenseite zu. „Lieutenant Caine, was sagen Sie zu den Vorwürfen, die gegen Sie erhoben werden?"
Der Polizist und Tatortermittler starrte nur weiter Sheridan an, hob dann unvermittelt den Kopf. Irgendwie hatte diese Geste etwas von einem Raubvogel, der seine Beute anvisiert.
„Fragen Sie unseren guten Mr. Sheridan doch einmal, wo genau seine Lebensgefährtin sich denn wohl gerade in diesem Moment aufhalten könnte? Vielleicht weiß er ja wider Erwarten doch eine Antwort. Immerhin ging es gestern abend wieder hoch her im Hause Sheridan/Bryant."
Der Kläger lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. „Ich schlage Julie nicht mehr, ich schlage gar keine Frauen mehr. Ich habe jetzt bereits dreimal ein Aggressionstraining absolviert und mein Therapeut ist der Meinung, ich sei so gut wie geheilt."
„Ein Frauenschläger wird nicht geheilt, er wird höchstens zum Frauenmörder", entgegnete Caine sofort.
In Sheridans Gesicht zuckte kein Muskel, er starrte weiter über den Tisch zu dem Polizisten hinüber.
Holmes schüttelte den Kopf und schlug die zweite Akte auf, die von Caine.
Auch der hatte sich in den letzten Jahren nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Das CSI-Labor, das er leitete, war mehrfach aufgrund verfälschter oder verschwundener Beweismittel aufgefallen, sein Mitarbeiterstab war mehr als bockig, wenn auch offensichtlich mit die besten ihres Faches. Caine selbst ... Nun, er war herrisch, selbstgerecht und dickköpfig, aber jeder einzelne seiner Mannschaft würde für ihn durchs Feuer gehen. Er neigte dazu, vorschnell eine Meinung zu fassen und einseitig zu ermitteln. Laut seiner Vorgesetzten grenzte es oft genug an ein Wunder, daß nicht Unschuldige verurteilt wurden. Nach dem Tod seiner Ehefrau hatte er sich sogar kurzfristig nach Südamerika abgesetzt und war der Polizei von Rio de Janero alles andere als in guter Erinnerung.
Auf Sheridan schien Caine sich bereits vor Jahren eingeschossen zu haben. Und Sheridan war einer der wenigen, die nach ihrer Haftentlassung nicht den Staat Florida verlassen hatten, sondern zumindest versuchte, sein Leben wieder aufzunehmen. Da allerdings war er wohl mit Caine in Konflikt geraten, der den anderen nicht mehr in seiner Nähe, nicht einmal in der Nähe Miamis, duldete. Für jedes Verbrechen, das Caine untersuchte und für das er zunächst keinen Vedächtigen vorweisen konnte, wurde Sheridan verhört, jeder Schritt des Mannes schien genauestens von Caine und seinen Leuten überwacht zu werden. Auf diese Weise hatte der Kläger inzwischen mehrere Jobs verloren. Kein Wunder also, wenn er sich keinen anderen Rat mehr wußte als diese Unterlassungsklage.
Holmes wog die beiden Seiten gegeneinander ab.
Sicher, es gab Hinweise auf häusliche Gewalt in Sheridans Umfeld. Andererseits hatte seine langjährige Lebensgefährtin Julie Bryant noch nie Anzeige erstattet. In den letzten Monaten, nachdem Sheridan das letzte Mal ein Aggressionstraining absolviert hatte, war nicht eine Verletzung mehr protokolliert worden, nicht einmal ein Schnitt in den Finger.
Auf der anderen Seite stand da Caine, der es offensichtlich auf den Mann abgesehen hatte, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht war er wirklich um das Wohlergehen von Julie Bryant besorgt, vielleicht wollte er den anderen auch wirklich nur aus seinem Umkreis vertreiben. Eines jedoch war klar, Caine hatte es übertrieben. Frauenprügler oder nicht, auch ein Mike Sheridan hatte Anrecht auf seine Privatsphäre.
„Da Miss Bryant wohl doch nicht mehr kommen wird, werde ich meine Entscheidung schon jetzt und hier treffen", entschied Holmes endlich und blickte wieder auf.
Während er nachgedacht hatte, hatten die beiden Kampfhunde wieder versucht sich zu zerfleischen, ging ihm auf. Immer die gleichen Vorwürfe - auf beiden Seiten! Und die einzige Person, die offensichtlich den Streit lösen konnte, war wohl verhindert oder kam aus einem anderen Grund nicht. Und Holmes wollte, wenn er ehrlich war, diesen Fall endlich zu den Akten legen.
„Mr. Sheridan, Sie haben hier dargelegt, daß es Ihnen momentan unmöglich ist, ein normales Leben zu führen. Ein Umstand, bei dem ich Ihnen allerdings angesichts der Tatsache beipflichten kann, was ich in Ihrer Akte lese. Sie konnten ferner belegen, daß Sie sich bemühen, die Aggressionen, die Sie Ihrer Lebensgefährtin gegenüber gezeigt haben in der Vergangenheit, abzubauen und als nutzbringende Energie einzusetzen. Leider konnten wir Miss Bryant dazu nicht vernehmen."
„Hören Sie, Euer Ehren, Julie wollte kommen, ich habe ja beim Frühstück noch mit ihr gesprochen. Nur ist ihre berufliche Situation im Moment etwas schwierig. Ich denke, man hat wieder einmal nicht an diesen Termin gedacht."
Holmes nickte.
Es klang ehrlich und besorgt, und das war alles, was im Moment zählte. Julie Bryant war im Moment die einzige, die im gemeinsamen Haushalt Geld verdiente. Kein Wunder, daß sie selbst einen Gerichtstermin schwänzte, wenn sie arbeiten mußte.
Sheridan lächelte, und es wirkte tatsächlich ehrlich. Die Kälte war aus seinen Augen verschwunden. „Wissen Sie, wir wollen nächsten Monat heiraten."
Holmes nickte.
Entweder Sheridan war der beste Schauspieler, den er je erlebt hatte, oder er sagte die Wahrheit. Und im Moment war er wirklich geneigt, dem Mann zu glauben.
„Lieutenant Caine ..." Holmes sah wieder auf und schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, aber Sie lassen mir keine andere Wahl. Wenn ich mir Ihre Akte ansehe, sehe ich alles andere als eine Besserung Ihrer Umstände. Im Gegenteil scheinen Sie mit einer der Gründe für die Probleme von Mr. Sheridan zu sein. Das kann ich aufgrund der Tatsache, daß der Kläger seit seiner Haftentlassung nicht mehr straffällig geworden ist, nicht einfach vom Tisch kehren. Im Gegenteil sollten Sie vielleicht einmal über sich und Ihre Methoden nachdenken, Lieutenant. Wir sind nicht mehr im Wilden Westen und Sie sind auch nicht der einsame Gesetzeshüter, der seine Stadt vor den Bösewichtern schützen muß. In diesem Sinne entscheide für den Kläger und spreche die Unterlassungsklausel aus. Sie werden sich bis auf Widerruf weder Mr. Sheridan noch seiner Lebensgefährtin Julie Bryant auf mehr als fünftausend Yards nähern." Er schlug mit dem kleinen Hammer auf den dafür vorgesehenen Holzklotz und erhob sich. „Die Sitzung ist geschlossen."

***

Lokaler Nachrichtensender:

Tracy Fields lächelte geschäftsmäßig in die Kamera, während sie das neueste vom Tage vom Prompter ablas.
Die Moderatorin war beliebt bei den jungen Familien der Umgebung. Zwar hatte sie es noch nicht zur Anchorwoman gebracht, aber ihr gehörten zumindest die letzten Kurznachrichten vor der großen Abendshow.
Tracy verkaufte sich gut mit ihrem natürlichen Blondhaar und den angenehm dunklen Augen. Letztere waren allerdings ein Werk der Schönheit dank getönter Kontaktlinsen. Das tat aber dem Gesamteindruck keinen Abbruch.
„Heute morgen wurde am Miami Beach das zwölfte Opfer des sogenannten Beach Killers gefunden. Wieder lag der Leichnam nur grob verscharrt in der gleichen Senke wie schon bei den vormaligen Leichenfunden. Laut der Polizei und des Coroners handelt es sich ebenfalls wieder um eine blonde junge Frau, die auch bereits identifiziert werden konnte. Allerdings wird der Name des Opfers auf Rücksicht auf die Wünsche der Familie dieses Mal nicht veröffentlicht."


Tracy las weiter die Stichworte ab, die auf dem Prompter erschienen. In der Küche des Tagungszentrums von Miami Dade allerdings hatte im Moment kaum jemand Zeit, sich um die neuesten Nachrichten oder gar Tracys Aussehen zu kümmern. Die Servicekräfte des Partydienstes hatten alle Hände voll damit zu tun, das Buffet für die Teilnehmer an dieser Konferenz aufzubauen. So achtete auch niemand wirklich auf den hochgewachsenen, sehnigen Mann in legerer Kleidung, der ein kleines, schwarzhaariges Kind an der Hand durch die Küche führte und kurz mit halbem Ohr auf die Stimme der Nachrichtensprecherin lauschte.
Das Kind an seiner Seite blieb artig, bis sich die Schwingtür in den großen Messesaal öffnete. Als es die Stimme hörte, die, durch Lautsprecher verstärkt, gerade einen Vortrag hielt, wurde es unruhig.
„Mummy!" rief es.
Colonel John Sheppard hielt eisern die Hand des Kindes fest und kniete sich vor ihm nieder, um auf Augenhöhe mit ihm sein zu können.
Einer weiblichen Servicekraft, die gerade den Salat arrangierte, fiel die Ähnlichkeit zwischen beiden auf. Lächelnd wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu. Vater und Kind, und die Mutter war wohl offensichtlich drüben im Messesaal und die beiden wollten sie abholen. Sicherlich eine hübsche kleine Familie.
„Jordan", John suchte den Blickkontakt zu den dunkelbraunen Augen, die ihn immer sehr an die Mutter dieses Kindes erinnerten. Er schüttelte ansatzweise den Kopf und versuchte, eine strenge Miene aufzusetzen. „Du hattest Mum und mir doch etwas versprochen. Erinnerst du dich?"
Jordan blinzelte mit großen, unschuldigen Augen. „Ich darf nicht losrennen oder Wände hochklettern oder Tische hochheben oder was andere sonst auch nicht können", sagte es dann leise.
John nickte ernst. „Und du sollst immer bei Mum oder mir an der Hand gehen. Wir sind hier nicht zu Hause und du könntest dir böse wehtun."
Jordan runzelte die kindliche Stirn, nickte dann aber, daß die wilde Mähne nur so hin und herflog.
John seufzte.
Wenn er seinem Kind doch nur einmal etwas abschlagen könnte. Aber dazu war Jordan einfach zu unwiderstehlich. Nicht nur, daß das Kleine inzwischen halb Atlantis mit dem ganz eigenen kindlichen Charme eingewickelt hatte, vom SGC redete er jetzt gar nicht, er selbst konnte dem Kind nichts abschlagen und Ver- oder Gebote aufzustellen erwies sich als wahre Knochenarbeit.
„... wir die Zukunft gesichert. Eine neue Generation ..."
„Mummy redet aber laut." Jordan grinste breit und rieb sich mit einer Hand das Ohr, das dem Saal am nächsten war.
John seufzte. „Mum spricht in ein Mikrofon", erklärte er. „Soetwas kennst du doch von Daddy, mh?"
Jordan nickte wieder eifrig.
Ihm ging endlich auf, daß die Angestellten des Partyservices jetzt schon seit einigen Minuten um sie beide herumgehen mußten und kam wieder auf die Beine.
„Dann laß uns einmal sehen, wie weit Mum jetzt ist", schlug er vor, verstärkte seinen Griff etwas, damit Jordan dieses Mal auch daran dachte, nicht wieder blindwütig loszurennen, um möglichst schnell zu Mummy zu kommen.
Die doppelflügelige Tür in den angrenzenden Saal öffnete sich automatisch, sobald sie die Bewegungsmelder passierten. Jordan warf ihm einen triumphierenden Blick zu, als hätte es gerade selbst diese Türöffner erfunden. Wahrscheinlich fühlte es sich an seine Heimat erinnert, die Stadt, in der es die letzten fünf Jahre aufgewachsen war.
„... Gefahr. Das Metamose-Verfahren birgt keine Risiken und ist auch nicht aus der umstrittenen Stammzellenforschung entstanden. Ich bin stolz darauf, daß dieses Verfahren jetzt in den ersten Kliniken angewendet werden kann und hoffe, daß sich der Einsatz für die gesamte Menschheit gelohnt hat. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld."
Die weibliche, dunkle Stimme mit dem eigenartigen Akzent, den er immer noch nicht zuordnen konnte nach all den Jahren, verstummte, gerade als er zur Tribüne hinübersah.
„Mummy! Mummy!" Jordan winkte, doch er war sicher, sie würde es nicht sehen können. Also nahm er das Kleine auf den Arm und richtete sich ächzend auf.
„Du wirst mit jedem Tag schwerer", stöhnte er, gerade als sie zu ihnen hinübersah.
Wenn es überhaupt möglich war, strahlte sie noch mehr, als sie sie erkannte. In ihren braunen Augen leuchtete Stolz.
John fühlte selbst, wie sein Herz schwoll. Wie lange war es her, daß es ihm klar geworden war? Er wußte es nicht mehr genau, es mußte irgendwann um den Zeitpunkt herum gewesen sein, als sie beide Jordan zeugten. Seit damals hatte er immer wieder gehofft und gebangt, daß man endlich ihre wissenschaftliche Arbeit anerkannte, so wie man vorher die Kriegerin, zu der sie hatte werden müssen, anerkannt hatte.
Lange hatte es gedauert, und eigentlich war es eher ein Zufall gewesen, daß man im SGC über die Forschungen stolperte, die sie damals gemeinsam mit dem leitenden Arzt unternommen hatte, um ihre Verbündeten vor dem Tod zu retten. Und endlich hatte man erkannt, welchen Schatz die Zeit wirklich für sie alle preisgegeben hatte vor gut acht Jahren.
„Danke, Colonel Uruhk, vielen Dank." Ein älterer Mann, dem man den Wissenschaftler so deutlich ansah als hätte er sich dieses Wort mit einem Marker auf die Stirn geschrieben, war neben Vashtu auf das Podest getreten, applaudierte ihr jetzt.
John konnte es auf diese Entfernung zwar nur schätzen, doch er meinte, Vashtu sei tatsächlich vor Verlegenheit das Blut ins Gesicht geschossen. Jetzt jedenfalls senkte sie wie verschämt den Kopf und schüttelte dem anderen die Hand, ehe sie das Rednerpult verließ.
„Geht das um diese Spritze, die Onkel Pete und Mummy damals zusammengemischt haben, als Onkel Danea so krank war?" fragte Jordan.
John setzte sein Kind langsam wieder ab und nickte. „Stimmt, es geht um die Impfung, die Mum entwickelt hat. Damit hat sie nämlich auch auf der Erde schon einige Leben gerettet, weißt du?" Mit der Fingerspitze stupste er die kindliche Stupsnase an und grinste breit.
Jordan streckte ihm die Zunge heraus, kicherte dann aber haltlos los, als er mit einer Hand begann, es zu kitzeln.
Wenn er ehrlich war, er würde erst wieder richtig froh sein, wenn sie alle drei in ihrem Ferienhaus zurück waren. John fühlte sich einfach nicht mehr wohl in solchen menschlichen Großaufgeboten, wie er sie hier und jetzt wieder einmal antraf. Andererseits aber war Vashtu eingeladen worden zu dieser Genetikerkonferenz. Da die Daten sich überschnitten hatten und das ganze nur fünf Tage dauern sollte hatte er sich einverstanden erklärt, einen Teil ihres gemeinsamen Urlaubs zu opfern, ehe sie sich wieder auf die Suche nach einer passenden Schule für ihr Kind machten.
Das allerdings nagte ziemlich an Vashtu, wie er wußte. Sie wollte ihr Kind nicht weggeben, schon gar nicht auf der Erde lassen, während sie sich mindestens zwei Galaxien entfernt mit allerlei Feinden herumprügeln mußte, um zu verhindern, daß irgendjemand oder irgendetwas, was nicht hierher gehörte, auf Atlantis oder gar der Erde landete. Es fiel ihr ja schon schwer, Jordan einmal im Monat an ihn abzutreten. Das Kleine jetzt komplett auf der Erde zu lassen überstieg fast ihre Kräfte und ließ den Mutterinstinkt in ihr schlichtweg überkochen.
John mußte zugeben, ihm war auch nicht ganz wohl dabei, aber er wußte auch um die Notwendigkeit. Jordan sollte als normales Kind aufwachsen, oder doch zumindest als so gut wie ein normales Kind. Und um die Schulpflicht kamen sie alle drei nun einmal nicht herum. Die Air Force war schon mehr als kulant zu ihnen gewesen bisher, aber weiter konnten auch die eingeweihten Generäle nicht gehen. Jordan mußte zur Schule wie jedes Kind. Als kleines Bonbon wollte die Regierung eventuelle Ausgaben übernehmen. Man hatte ihnen sogar die Möglichkeit geboten, Jordan auf ein sündhaft teures Internat im Ausland zu schicken. Doch, da waren sie beide sich wirklich einig, das hatten sie abgelehnt.
„Oh, wenn das nicht die süße Maus ist, die ich schon so vermißt habe!" Vashtu kam von hinten auf Jordan zu und umarmte ihr Kind, um ihm einen schmatzenden Kuß auf den Hals zu drücken. „Was hab ich euch beide vermißt!" Unter ihrem Pony sah sie auf, und Johns Herz schmolz noch weiter wie Eiscreme in der Sonne.
„Wie war's? So schlimm, wie ich dachte?" fragte er und beugte sich vor, um seinerseits einen liebevollen Willkommenskuß zu erhalten. Mit der Hand streifte er Vashtus Arm als müsse er sich selbst davon überzeugen, daß sie wieder in seiner Nähe war.
„Es geht. Ich hätte nur nicht gedacht, daß etwas, was bei euch als 'junge Wissenschaft' bezeichnet wird, mit so vielen gesetzten Herren aufwartet." Sie verzog das Gesicht, sah dann zu Jordan hinunter. „Und was ist mit euch beiden? Was habt ihr denn heute erlebt, mh?"
„Wir waren bei ganz vielen Fischen", berichtete Jordan sofort wie aus der Pistole geschossen. „Aber der Mann meinte, das seien keine Fische, sondern Säugetiere."
John sah den irritierten Blick und zuckte mit den Schultern. „Seaworld", kommentierte er nur. „Ich hielt das für eine gute Idee."
Vashtu nickte, wurde dann aber ernst, im gleichen Moment, in dem er bemerkte, daß jemand hinter ihm stand.
„Dr. Uruhk?" fragte eine Stimme.
John überlief es eiskalt und Jordan verstummte, als es sein Gesicht sah. Die braunen Augen blickten ratlos.
„Mr. Sheppard, ich freue mich." Vashtu richtete sich wieder auf und schob den engen Rock, der zu ihrem Kostüm gehörte, zurecht.
„Ist das Ihre Familie?" erkundigte die Stimme sich.
John nahm wieder Jordans Hand, damit das Kleine nicht das Weite suchte und richtete sich langsam auf. „Hey, Dave", sagte er betont ruhig und gelassen, als er sich zu dem Mann umdrehte, der hinter ihm stand.
Dave Sheppards geschäftsmäßiges Lächeln gefror zu einer gequälten Grimasse.
„Vash, darf ich dir meinen Bruder vorstellen? Dave. Dave, das ist meine Lebensgefährtin Lt. Colonel Vashtu Uruhk und unser gemeinsames Kind Jordan", stellte er die unmittelbar Beteiligten einander vor.
Daves Augen glitten nach unten, zu Jordan, und starrten das Kleine einen Moment lang an, ehe er Vashtu musterte, schließlich dann wieder John. Ein abgehacktes, gekünsteltes Lachen brach aus seiner Kehle.
„Das ist ja eine Überraschung! John, wie lange ist das her?"
„Kurz nach Dads Trauerfeier", antwortete John kühl.
Vashtu schien aufzugehen, daß nicht alles so verlief, wie sie es vielleicht gehofft hatte. Aus den Augenwinkeln sah John, wie sie Jordans Hand nahm.
„Komm", sagte sie dann, „sehen wir einmal nach, was es leckeres am Buffet zu finden gibt."
Jordan folgte, starrte seinen unverhofft aufgetauchten Onkel aber weiter an, bis es zwischen den anderen Anwesenden verschwunden war.
„Das nenne ich eine Überraschung!" Dave sah den beiden kopfschüttelnd nach. „Aber ich hätte es mir denken können als ich 'Air Force' in ihrem Lebenslauf las und dann die gleichen Einträge fand wie bei dir." Mit kühlem Blick begegnete er nun John. „Gab es da nicht früher so eine Klausel zum Thema Untergebene bei der Armee?"
„Vashtu ist mir nicht unterstellt. Sie leitet ihre eigene Basis", antwortete John.
„Tja, aber mindestens einmal seid ihr zwei euch ja wohl über den Weg gelaufen, sonst hättest du dich ja nicht, wie heißt es in Genetikerkreisen?, reproduzieren können." Ein kühles Lächeln erschien auf Daves Lippen.
John trat drohend einen Schritt näher. „Ich kenne Vashtu schon lange, schon ehe sie der Air Force beitrat. Wir beide lieben uns."
Dave nickte. „Sicher", seine Stimme trof vor Sarkasmus. „Weiß sie über dich Bescheid?"
„Du kannst sicher sein, bis vor fünf Minuten wußte sie nicht einmal, daß Sheppard Inc. meine Familie ist. Es geht nicht ums Geld."
„Es geht immer ums Geld, John. Nur du willst das nicht begreifen." Dave sah zum Buffet hinüber und schüttelte den Kopf. „Sie hat sich doch nur schwängern lassen, um an unser Vermögen zu kommen. So sind die Frauen."
„Schließ nicht von deinem Bekanntenkreis auf meinen", entgegnete John sofort. „Laß Vashtu und das Kind in Ruhe, Dave. Die beiden haben nichts mit der ganzen Sache zu tun."
„Willst du mir damit sagen, ich soll mein Angebot zurückziehen? Dürfte für dich doch auch von Interesse sein. Immerhin geht das Gerücht, daß die brilliante Dr. Uruhk derzeit einige Sorgen hat, weil sie ihr Kind nicht länger an ihrem Stützpunkt aufziehen darf."
Johns Augen wurden schmal. „Du hast Erkundigungen über Vashtu eingezogen?"
Dave zuckte mit den Schultern. „Man tut was man kann, wenn es gut fürs Geschäft ist. Und eine Wissenschaftlerin, die einfach wie aus dem Nichts auftaucht mit einer lebensrettenden Impfung, noch dazu ganz respektabel aussieht und ein typisch weibliches Problem hat ... das ist gut fürs Geschäft. Zumindest, wenn dieses Geschäft Genelab heißt."
John atmete tief ein. „Seit wann investierst du in Gentechnik?" fragte er.
„Seit es Gewinn verspricht. Und deine Dr. Uruhk verspricht eine Menge Gewinn, wenn sie sich weiter so herrlich melken läßt wie bisher. Ist doch ganz einfach: Sie verläßt die Air Force, kommt nach Miami und übernimmt die Leitung von Genelab. Binnen Sekundenfrist dürften die Aktien der Firma in den Weltraum schießen, in den du ja immer so gern wolltest. Habe ich genug Gewinn gemacht, wird Genelab abgestoßen. Das alte Geschäft, und ich habe sogar noch etwas gutes getan." Er lächelte wieder kühl.
John mußte sich wirklich zusammenreißen, um seinem Bruder nicht seine Faust ins Gesicht zu rammen.
Dave sah wieder zum Buffet hinüber. „Allerdings ergibt sich jetzt eine etwas andere Konstellation. Es wird wohl nicht mehr so einfach sein, deine 'Lebensgefährtin' nebst Anhang zufrieden zu stellen wie ich dachte. Was glaubst du? Reichen ihr wohl zehn Millionen?"
John trat drohend einen Schritt näher. „Wage es ja nicht!" zischte er mühsam beherrscht. „Vashtu wird die Air Force nicht verlassen, das kann ich dir sogar schriftlich geben. Auch nicht für ihr Kind. Das wird schon allein Washington nicht zulassen. Also laß deine Finger von ihr und Jordan, ist das klar?"
„Jordan ..." Dave verzog das Gesicht, sah wieder in seine Augen. „Wie Dad es sagte: Du hast zuviel von unserer Muter geerbt. Das war schon immer dein Problem. Du denkst zu humanistisch." Damit drehte er sich um und verschwand in der Menge.
John mußte einige Male tief durchatmen, ehe er sich wieder halbwegs im Griff hatte. Kochend vor Wut sah er seinem Bruder nach und ballte immer wieder die Hände zu Fäusten. Erst nach einigen Minuten drehte er sich um, um nach seiner kleinen Familie zu suchen und zumindest noch etwas von dem zu retten, was er bis zu Daves Auftauchen empfunden hatte.

***

Als Mike Sheridan endlich die Tür zu dem Apartment aufschloß, in dem er gemeinsam mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Julie Bryant wohnte, erwartete ihn neben der Dunkelheit nur Schweigen.
„Julie?" rief er in dieses Schweigen hinein in der Hoffnung, sie sei vielleicht nur eingeschlafen. Immerhin hatte er noch etwas seinen kleinen Sieg über Caine gefeiert und sie sollte mittlerweile von ihrer Tätigkeit als Krankenschwester in einer kleinen Privatklinik draußen in den Everglades zurück sein.
Doch das Apartment war leer und unberührt, so wie sie beide es am Morgen gemeinsam verlassen hatten.
Mike sah sich mißmutig um und fühlte in sich den plötzlichen Drang, irgendetwas zu zerschlagen.
Dem Richter mochte er weis gemacht haben, daß er Julie nicht mehr verprügelte, der Wahrheit entsprach das nicht. Er war nur kleverer geworden und seine Aggressionsschübe traten nicht mehr so häufig auf wie früher. Die Therapie hatte insofern Früchte getragen, als daß er in ihrem Verlauf lernte, wie er sein Opfer so schlagen konnte, daß keine oberflächlichen Wunden oder Blutergüsse zurückblieben.
Der Alkohol aber, den er nach der erfolgreichen Verhandlung getrunken hatte, ließ seine Hemmschwelle bedenklich sinken. Wäre Julie jetzt hier, Mike hätte sie geschlagen, einfach um seine innere Wut und Frustration abzubauen.
„Verdammte Doppelschicht!" knurrte er schließlich, nachdem er sich überzeugt hatte, daß seine Lebensgefährtin tatsächlich nicht anwesend war. Wenn er diesen Dr. Sowieso mal in die Finger kriegen würde, er würde ihm schon etwas erzählen können zum Thema Neueinstellungen.
Mike wandte sich unwillig dem Küchentresen zu. Der Anrufbeantworter, ein Handy konnte er sich schon lange nicht mehr leisten, blinkte und zeigte gleich mehrere eingegangene Nachrichten an.
Mike ging hinüber und betrachtete die Anzeige, ehe er den Abspielmodus aktivierte und wartete.
„Mike?" hörte er dann Julies verzerrte Stimme. „Hör zu, es tut mir wirklich leid, aber, wenn du das hier hörst, dann hab ich es nicht zu der Verhandlung geschafft. Wir sind hier viel zu wenige, aber Professor Hehnenburgh kann einfach nicht mehr Leute einstellen. Du weißt ja, ich hatte auch schon wegen dir gefragt. Naja, jedenfalls komme ich nicht weg. Ich bringe uns dann etwas vom Chinesen mit, bye!"
Mike verzog wieder unwillig das Gesicht.
„Hey, ich bins noch einmal", meldete sich erneut Julies Stimme. „Du, hier ist irgendetwas eigenartig. Ruth kam vorhin vorbei und meinte, ich solle der Putzkolonne Bescheid geben wegen Zimmer 113. Ich war gerade selbst da und ... es ist leer! Dabei ist aber auch keine Anwendung oder Therapie eingetragen. Es ist, als sei die Patientin, diese Miss Doe, einfach verschwunden."
Mike stutzte.
Doe? Nannte man so nicht im allgemeinen Unbekannte, die ihren richtigen Namen nicht nennen wollten oder konnten?
„Mike? Wenn du da bist, dann geh bitte ran, ja?" Dieses Mal klang Julie verängstigt. „Mike, bitte. Ich glaube ... Mike, da stimmt was nicht. Zi..." Das Freizeichen ertönte.
Mike stutzte, beugte sich über den Anrufbeantworter und rief die Nachrichten erneut auf, mit dem selben Ergebnis.
Plötzlich war er nüchtern, doch er wußte nicht so recht warum. Er machte sich nur Sorgen um Julie und verstand nicht, warum das letzte Gespräch so abrupt endete.
Morgen, beschloß er, morgen würde er zur Polizei gehen. Wenn dieser Caine ihm schon nicht mehr nachstellen konnte, dann sollte er sich zumindest nützlich machen.

***

Vashtu kam auf die Terrasse hinaus und begann zu lächeln, als sie John sah, der in der Hollywoodschaukel saß und diese mit seinen langen Beinen langsam vor und zurück schwenken ließ.
„Jordan schläft jetzt", berichtete sie schließlich nach einigen Minuten, in denen sie ihn nur stumm beobachtet hatte, wie er den Abendhimmel betrachtete und ab und an an dem Weinglas nippte, das er in einer Hand hielt. „Aber erst mußte mir natürlich alles zum Thema Delphine und Wale erzählt werden, einschließlich einer groben Einschätzung, ob eine solche Spezies auf Nirana leben könnte."
John hielt die Schaukel mit den Beinen auf, damit sie sich neben ihn setzen konnte. Zärtlich legte er den freien Arm um sie und ließ es zu, daß sie sich an ihn kuschelte, wie sie es so gern tat.
„Und zu welchem Ergebnis ist Jordan gekommen?" erkundigte er sich amüsiert.
„Daß es wohl eher unwahrscheinlich ist", antwortete Vashtu und sog seinen männlichen Duft tief in ihre Lungen. „Ich dachte, ich erzähle besser nichts von Rodneys Walen auf Lantea."
John lachte leise, nippte dann an einem Weinglas. „Seaworld war wohl ziemlich aufregend", bemerkte er.
Vashtu nickte, kuschelte sich an seine Brust und schloß kurz die Augen, während er mit seiner freien Hand sanft ihren bloßen Arm streichelte. „Du darfst nicht vergessen, Jordan kommt von einer Welt, auf der eine Eiszeit herrscht", bemerkte sie schließlich. „Und dann siedelte die Stadt auf einen anderen Eisplaneten um. Jordan staunt über jedes tierische Leben."
„Ihr sucht euch aber auch immer eigenartige Plätze aus für Vineta", kommentierte er trocken und erntete einen liebevollen Rippenstoß. „Na, ist doch so! Wir suchen für Atlantis zumindest noch Wasserplaneten", verteidigte er sein Argument.
„Wenn ich Vineta auf einem Wasserplaneten landen wollte, bräuchten wir zu allererst eine Taucherglocke. Unser Schutzschild würde das nicht schaffen. Dazu ist er nicht konzipiert. Vineta würde untergehen." Vashtus Blick fiel auf das schnurlose Telefon, das auf dem Gartentisch neben der Schaukel lag. „Hast du George erreicht?" fragte sie daraufhin das Thema wechselnd.
John schüttelte den Kopf. „Der Verwalter war dran und meinte, er sei noch mindestens bis Ende der Woche in Colorado. Als ich im SGC anrief, wußte keiner etwas."
Vashtu seufzte und schüttelte über sich selbst den Kopf. Sie hatte es schlichtweg vergessen, und jetzt war es ein bißchen spät, den Urlaub noch umzudisponieren.
„Mh?" machte John fragend.
„Lauries Todestag", sagte sie daraufhin einfach. „Ich hatte nicht mehr daran gedacht. George zieht sich immer zurück in dieser Zeit. Ich denke, die Erinnerungen an seine Familie stürzen dann auf ihn ein und er will deshalb für sich sein. Trauer läßt sich schlecht teilen."
„Das wußte ich nicht." Johns Stimme klang dumpf. Unbewußt drückte er sie fester an sich.
Vashtu ließ es nur zu gern zu und schloß die Augen, um „ihrer" Toten zu gedenken für einen Moment, ehe sie zu dem kommen wollte, was sie eigentlich belastete, seit sie die Konferenz verlassen hatten.
„Ich weiß, du redest nicht gern über deine Familie", begann sie schließlich zögernd. „Und du weißt, daß ich normalerweise nicht fragen würde. Aber Dave Sheppard hat die Konferenz ausgerichtet, genauer gesagt der Firmenverband, dem er vorsteht. Ich möchte ungern zwischen die Fronten geraten bei euch beiden. Immerhin geht es dabei nicht allein um meine Arbeit. Aber ich denke, auch Jordan hat ein Recht darauf zu erfahren, was da zwischen euch ist."
Sie fühlte, wie John sich anspannte, er vielleicht wirklich einen Moment lang von ihr abrücken wollte, ehe er aufgab. Den Kopf hatte er wieder erhoben, doch jetzt starrte er blicklos auf das letzte schwache Licht des Tages, das sich immer mehr gegen die hereinbrechende Nacht verlor.
„Meine Familie ... Das ist eine lange und traurige Geschichte. Wir sollten es bei der Kurzfassung belassen", berichtete er endlich dumpf. „Dave und ich sind die klassischen Gegensätze. Nicht alle Geschwister passen so gut zueinander wie du und Enkil, oft genug gibt es Reibereien. So wie bei Dave und mir." Er verzog kurz den Mund und seufzte. „Sagen wir, ich bin aus der Art geschlagen, während Dave eigentlich der sheppardsche Vorzeigesohn ist, nur hat das unser Vater nicht immer so gesehen. Ich kam mehr nach unserer Mutter und rebellierte früh. Dave hat das nie getan. Er war immer der folgsame Sohn."
„Und dir hält er jetzt deine Individualität vor?" fragte Vashtu leise.
John blinzelte, schüttelte dann den Kopf. „Nein, eigentlich ... Ich bin damals fortgegangen, zur Air Force, und wollte mir meinen Traum erfüllen. Dave dagegen stieg in das Familiengeschäft ein und wurde schließlich zur rechten Hand unseres Vaters. Ich hatte lange keinen Kontakt mehr ... bis unser Vater starb."
„Kein besonders schöner Anlaß, sich wieder zu begegnen ..." Vashtu fühlte Mitleid in sich aufkommen für die beiden Brüder, denen das Schicksal bisher wohl keine echte Chance eingeräumt hatte.
John zuckte hilflos mit den Schultern. „Damals gerieten wir wieder in Streit, allerdings dachte ich am Ende, wir hätten zumindest einen Waffenstillstand geschlossen."
„Und warum fällst du ihn dann an wie ein hungriger Devi?"
John schmunzelte wider Willen und senkte den Kopf. Langsam drehte er sich zu ihr um und sah sie an. „Vash ..."
Die Antikerin lächelte und ließ es zu, daß er sie zärtlich mit dem Handrücken über die Wange strich. In seinen Augen stand ein tiefer Schmerz zu lesen, den sie nur sehr selten gesehen hatte.
„Wie weit würdest du für Jordan gehen?" fragte er schließlich leise.
„Du weißt, wie weit ich gehen würde", antwortete Vashtu fest. „Du hast es bereits erlebt. Ich opfere mein Leben für Jordan, wenn ich dazu gezwungen werde."
Er sah sie immer noch an. „Es wird schwer werden für euch beide, wenn Jordan auf der Erde zur Schule geht und du zurückkehrst nach Vineta. Ihr werdet euch wochenlang nicht sehen können", fuhr er fort.
Ja, davor fürchtete sie sich, mußte Vashtu zugeben. Vor dem Moment, an dem sie begreifen mußte, daß Jordan eben nicht in ihrem gemeinsamen Quartier wartete oder mit den Erethianer-Kindern zusammen wieder irgendeinen Unsinn ausheckte. In dem Moment, in dem ihr Kind eben nicht mehr nur einen Ruf entfernt sein würde, sondern weit, weit fort auf der Erde.
„Ich habe Jordan dazu erzogen, auch allein zurechtzukommen. Ich denke, das wird auch klappen", antwortete Vashtu ausweichend.
John nickte. „Ich weiß, daß Jordan selbstständiger ist als die meisten anderen Fünfjährigen. Darum geht es auch nicht." Er sah sie immer noch an und holte tief Atem, ehe er fragte: „Wenn man dir eine Stelle hier auf der Erde anbieten würde, vornehmlich da, wo auch Jordan zur Schule gehen wird, würdest du Vineta verlassen?"
Vashtu begriff endlich. Langsam aber unmißverständlich schüttelte sie den Kopf. „Nein", antwortete sie. „Ich wäre sicherlich versucht und würde darüber nachdenken, aber ich kann nicht weg aus Vineta. Wir wissen immer noch nicht, wie die Stadt reagiert, wenn der Steuerkristall entfernt würde. Außerdem ... auch wenn wir das Bündnis mit dem Wächtervolk geschlossen haben, herrscht immer noch Krieg mit den Devi, ganz zu schweigen von der herandämmernden Bedrohung durch die Asuraner. Was die Stadt vielleicht selbst noch unter Verschluß hält, daran denke ich jetzt besser gar nicht. Ich würde nicht gehen, sicher nicht."
John nickte, kniff die Lippen aufeinander und schien nachzudenken. Dann sah er ihr wieder in die Augen. „Dave will dir den Chefsessel bei Genelab anbieten", erklärte er dann endlich.
Vashtus Augen weiteten sich.
Genelab? Das war eine noch junge, aber schon recht erfolgreiche Firma mit Hauptsitz hier in Miami, die sich vornehmlich mit der Stammzellenforschung beschäftigte. Seit man in der Fachwelt von ihr Notiz nahm, spähte auch sie ab und an über den Tellerrand und hielt sich auf dem Laufenden. Also war ihr selbstverständlich auch Genelab nicht entgangen. Die Firma hatte in den letzten zwei Jahren einige interessante Patente angemeldet und fuhr keinen schlechten Gewinn ein. Genug zumindest, um eine Privatklinik mit angeschlossenem Labor finanzieren zu können.
Vashtu rief sich zur Ordnung, schüttelte erneut den Kopf. „Dann sollte Dave besser zuhören und sich informieren. Genelab arbeitet mit genau den Verfahren, die ich ablehne. Ich würde einen Teufel tun und es mir ausgerechnet dort gemütlich machen." Sie runzelte die Stirn. „Allerdings war mir neu, daß der Name Sheppard im Zusammenhang mit Genelab genannt wird", fügte sie dann hinzu.
„Wird er auch nicht." John lehnte sich wieder zurück und blickte in den Himmel hinauf. „Womit mein Großvater bereits seine erste Million verdiente ist der Ankauf und das Abstoßen von anderen Firmen, teils mit, teils ohne Sanierung. Damit ist sehr viel Geld zu machen, wenn man gut darin ist. Und Dave ist gut, er hat von meinem Vater gelernt, und der war schon ein verdammter Fuchs, wenn es ums Geschäft ging."
Vashtu verstand. „Dave will mich hierher locken, weil ihm das Gewinn beim Verkauf von Genelab verspricht", schoß sie ins Blaue.
John nickte, nippte endlich wieder an seinem Wein. „Genauso ist es", sagte er, nachdem er geschluckt hatte. Langsam drehte er den Kopf und sah sie erneut an. „Und darum möchte ich dich bitten, dich in dieser Hinsicht auf nichts einzulassen, Vash. Dave hat genug Geld, er muß dich nicht noch unglücklich machen."
„Das wird er so schnell nicht schaffen, glaube mir." Vashtu lächelte, schob und sich wieder näher an ihn heran, um sich an ihn zu kuscheln. „Ich hoffe, daß George Jordan nehmen kann, dann wird es nicht ganz so schwer. Aber zurück auf die Erde? Nur um Urlaub zu machen."
Sie schloß die Augen und fühlte, wie John sie wieder an sich drückte und meinte, ein leises Danke über das Rauschen der Wellen gehört zu haben.

***

Zimmer 113:

Als sie zu sich kam, fühlte sie als erstes den Schlauch, den man ihr in die Luftröhre eingeführt hatte. Als sie die Augen öffnete, erdrückte die Finsternis sie beinahe, wurde dann aber abgelöst durch einen Lichtstrahl, als sich langsam die Tür öffnete.
Man hatte sie ans Bett fixiert, ging ihr auf, als sie ihre Augen mit der Hand schützen wollte wegen des plötzlich aufleuchtenden Lichtes. Geblendet wandte sie den Kopf, so weit der Beatmungsschlauch dies zuließ.
„Julie, Julie, Julie ..." seufzte eine Stimme.
Julie Bryant hob ruckhaft den Kopf, starrte die Gestalt an, die sich langsam über sie beugte.
„Man sollte nie zu neugierig sein, wissen Sie?" erklärte die Stimme.
Eine Nadel stach in ihren Arm.
Julie nahm all ihren Mut und ihre Kraft zusammen und begann sich zu winden.
„So oder so, es wird nicht besser, wenn Sie sich wehren. Im Gegenteil sollten Sie stolz darauf sein, Teil eines ganzen zu werden, dessen letztendliches Ergebnis die Welt aus den Angeln heben wird", erklärte die Stimme des Schattenrists über ihr. Sie fühlte, wie ihr etwas injiziert wurde.
„Bleiben Sie ruhig, Julie", sagte die Stimme. „Sie werden der Triumpf sein nach all den Fehlversuchen. Ich fühle, ich bin der Lösung nahe."
Dann verschwamm die Welt wieder und ihr Bewußtsein sank tief unter die Oberfläche ...

TBC ...
(Kommentare, wie immer, willkommen)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen