08.10.2009

Vashtu IX

Etwa zwei Stunden später

Vashtu hatte gerade das Gestränge mit der Schale abgestellt, als sie das schrille Jaulen hörte. Sofort rannte sie in das Cockpit des Jumpers, blickte durch die Frontscheibe hinaus und erbleichte.
Wraith-Darts!
Und noch etwas sehr viel gewaltigeres und finsteres erhob sich plötzlich nicht weit entfernt von ihnen. Dort, wo sich vormals dichte Wälder befunden hatten.
Vashtu wirbelte herum, raste zur Hecklucke.
„Johnson, schnell!" rief sie.
Ein gleißender Lichtstrahl blitzte kurz auf, und wieder erklang das Jaulen der schnellen Jäger.
Die Antikerin blieb auf der Rampe stehen, starrte auf den leeren Fleck, an dem sich vorher der Marine befunden haben mußte.
„Nein!"
Sie schluckte.
Johnson trug den Generator. Und das Gerät war mit ihm verschwunden.
Vashtus Augen zuckten hilflos hin und her. Das Jaulen der Jäger klang jetzt weiter entfernt, dennoch nicht zu weit.
Was konnte sie tun?
Wieder eilte sie zurück ins Cockpit, sah hinaus und konnte gerade noch beobachten, wie ein winziger, finsterer Punkt in dem gewaltigen Etwas verschwand.
Sheppard und McKay waren damit beschäftigt, die schwere Hülle des Ladegerätes durch die Höhlen zu schleppen. Der Colonel selbst hatte sie und Johnson vorgeschickt, um ihre Last abzulegen. Dann sollten sie beim Jumper auf die Rückkehr der letzten beiden warten.
Vashtu senkte den Kopf, ihre Finger krallten sich in die Polsterung der beiden Pilotensitze und ihre Kiefer spannten sich immer wieder an.
Wenn die Menschen von Atlantis von den Wraith bisher mit irgendeiner Antiker-Technologie erwischt worden waren, hatten sie nicht sehr lange Freude an diesen Entdeckungen gehabt. Die Wraith hatten zerstört, was sie bekommen konnten. Kein Wunder, den Krieg hatten sie letztendlich auch eher wegen ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit gewonnen und nicht wegen ihres technischen Know hows.
Wenn der Pilot des Jägers gewußt hatte - ein schwacher Punkt verschwand in der großen Finsternis.
Vashtu starrte wieder nach draußen.
Warum sollte ein Basis-Schiff hier landen? Soweit sie wußte, waren die Wraith erwacht und auf den Wegen zu ihren Weidegründen. Sie landeten ihre Basis-Schiffe dann nie, es sei denn, in den letzten zehntausend Jahren hatten sich ihre Angewohnheiten geändert.
Sie kniff die Lippen fest aufeinander und richtete sich auf. Sie war ohnehin nicht sicher auf diesem Planeten, solange die Wraith hier waren. Irgendwie, das wußte sie noch aus ihrer Zeit, konnten sie sie aufspüren, als hätten sie einen sechsten Sinn für Antiker.
Vashtu drehte sich um, griff nach ihrer P-90 und verließ den Jumper.

Sheppard richtete sich auf, streckte den Rücken. Dieses Gehäuse war verdammt schwer! Und irgendwie konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, daß er auch noch das schwerere Ende des Gerätes erwischt hatte.
„John?"
Er aktivierte sein Funkgerät. „Was ist?"
McKay blickte fragend auf. „Was will sie denn jetzt schon wieder?"
„Die Wraith sind hier", sagte Vashtu gerade. „Sie haben Johnson und den Generator."
Sheppards Augen wurden groß. Er drehte sich zu McKay um, der seinen Blick entsetzt erwiderte.
„Sie sind mit einem ihrer Basis-Schiffe nicht weit von unserem Jumper gelandet und ich glaube, der Jäger ist zurückgeflogen", fuhr die Antikerin fort. „Ich bin auf dem Weg, um Johnson wieder da heraus zu holen."
Sheppard drehte sich etwas hilflos herum. „Negativ", sagte er mit gespielt fester Stimme. „Du bleibst beim Jumper. Wir sind in einigen Minuten bei dir."
„Sie wissen, daß ich hier bin, John. Ich kann es fühlen."
Sheppard spannte die Kiefer an und preßte die Lippen aufeinander.
„Bleiben Sie beim Jumper, Vashtu", mischte McKay sich nun ein. „Das ist sicherer."
„Ich bin fast bei ihrem Basis-Schiff", kam die Antwort.
„Dann dreh um und warte, bis wir kommen. Allein hast du keine Chance", sagte Sheppard.
Kurze Zeit passierte gar nichts, es kam keine Antwort.Sheppard wurde immer nervöser, je länger das Schweigen dauerte.
„Wenn die Wraith den Generator in ihre Hände bekommen, werden sie ihn zerstören. Tut mir leid, John." Ein Klicken in der Leitung.
„Vashtu!" Sheppard tat einige entschlossene Schritte nach vorn. Seine Augen glühten zornig. „Vashtu, komm zurück! Vashtu!"

Die Antikerin zog ihren Detektor aus der Brusttasche und aktivierte ihn. Wie sie nicht anders erwartet hatte, konnte sie eine größere Energiequelle im Inneren des Schiffes wahrnehmen. Eine Energiequelle, die nichts mit den Antrieben der Wraith zu tun hatte.
Sie hob die P-90 an die Wange, stützte die Waffe mit ihrem Unterarm, daß sie weiter die Anzeigen auf dem Detektor lesen konnte, und huschte den Gang entlang. An der Ecke preßte sie sich eng an die Wand, beobachtete aufmerksam den Detektor, ehe sie in den nächsten einbog und lautlos weiterschlich.
Wenn sie sich nicht irrte, sah sie auch das Signal von Johnson. Zumindest erhielt sie zwei Punkte, die sich nicht bewegten.
„Halte durch", wisperte sie, huschte weiter, ein Auge auf den Gang gerichtet, mit dem anderen aufmerksam weiter den kleinen Bildschirm beobachtend.

„Nun machen Sie schon, Rodney!"
Sheppard griff nach dem Gehäuse, versuchte es hochzustemmen, rutschte aber ab. Das Gerät knallte auf den felsigen Boden.
„Es ist zu schwer. Wir sollten es zurücklassen." McKays Blick war gequält.
Sheppard warf ihm einen wütenden Blick zu. „Wir nehmen es mit. Es ist nicht mehr sicher, wenn die Wraith hier sind."

Vashtu drückte sich eng an die Wand und sah den drei Wraith nach, die den anderen Gang entlangkamen. Doch sie bemerkten sie nicht.
Kaum waren sie vorbei, schlüpfte sie hinter ihnen in den Gang und eilte so geräuschlos wie möglich weiter, den Blick wieder an den Detektor geklebt.
Ein dritter Punkt war aufgetaucht.

Sheppard krallte sich an das Gehäuse. Er würde dieses Gerät nicht zurücklassen, eher würde er ...
Was?
„Machen Sie schon, Rodney!" befahl er mit gepreßter Stimme.
Vashtu in einem Basis-Schiff der Wraith. Und er wußte nur zu gut, daß die Wraith weder zu unterschätzen noch dumm waren. Und sie konnten Antiker-Gene wahrnehmen.

Vashtu eilte weiter. Die Gänge weiteten sich etwas.
Sie wußte, wo sie sich befand. Sie hielt genau auf die Mitte des Schiffes zu, auf die Kammer der Königin. Und dort schienen auch Johnson und der Generator zu sein.
Hilflos beobachtete sie weiter die Anzeige auf dem Detektor. Zumindest der Generator, zumindest der. Es durfte einfach nicht alles umsonst gewesen sein!

Sheppard kroch den Abhang hinauf und blickte hinunter.
Warum hatte er ausgerechnet heute sein Nachtsichtgerät im Jumper gelassen? Warum war er so dämlich gewesen und hatte die Antikerin allein mit Johnson gehen lassen?
„Etwas zu sehen?" rief McKay von unten.
Sheppard rutschte den Abhang wieder hinunter. „Ja, Nacht. Es ist dunkel, Rodney", knurrte er, stellte sich vor dem Gehäuse auf und musterte es.
„Weiter", entschied er endlich, auch wenn inzwischen alles in ihm danach schrie, Vashtu nachzueilen und sie aus dem Basis-Schiff zu holen - und ihr eine gehörige Abreibung zu erteilen. Es war das zweite Mal, daß sie seinen Befehl mißachtete, und das würde er nicht so schnell vergessen.

Vashtu blieb stehen, atmete tief ein.
Die große Energieanzeige ... etwas stimmte nicht mit ihr. Das Lebenszeichen, von dem sie glaubte, es sei Johnson, war vollkommen erloschen. Und sie ...
Sie musterte die Wand vor sich. Sie war so dicht dran, so verdammt dicht dran!
Sie durfte jetzt nicht daran denken. Vielleicht konnte sie den Generator noch retten. Aber dazu mußte sie einsatzfähig sein.
Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren, dennoch hob sie die Waffe wieder und marschierte weiter.
Die meisten Wraith schienen auf Beutezug zu sein, das gewaltige Schiff wirkte leer. Oder zumindest der Teil, in dem sie sich befand.
Vorsichtig bog sie um die nächste Kurve und sah vor sich einen etwas helleren Lichtschein. Ein Durchgang!
Sie hielt darauf zu und blieb direkt davor stehen. Als sie in den Raum hineinblickte, sah sie eine Gestalt in Militäruniform am Boden liegen.
„Johnson!"
Sie vergaß ihre Vorsicht und eilte in den Raum, eher ein Saal. Den Detektor stopfte sie wieder in ihre Brusttasche, ließ sich auf ein Knie sinken und beugte sich über die Gestalt. Sie brauchte nicht nach einem Puls zu suchen. Beschämt wandte sie sich von dem ausgesaugten Leichnam ab und schloß eine Sekunde die Augen.
Johnson war tot.
Der Generator. Sie war gekommen, um den Generator zu suchen.
Immer wieder hämmerte sie sich diesen Satz ins Hirn, blickte schließlich suchend auf. In der Nähe stand ein Tisch. Und auf diesem Tisch ...
Vashtu kam mit einem Ruck wieder auf die Beine und tat die paar Schritte.
Verzweiflung zeichnete sich in ihrem Gesicht ab. Mühsam stützte sie sich auf der Tischkante ab und schüttelte den gesenkten Kopf.
Der Generator tat einen letzten, rasselnden Ausstoß, dann verloschen die Anzeigen - endgültig. Irgendjemand hatte ein Loch in dessen Hülle geschossen, vielleicht Johnson als letzte Verteidigung gegen den Angreifer, der ihm das Leben nehmen wollte, vielleicht die Wraith selbst.
Das konnte einfach nicht sein! Das durfte nicht sein! Sie hatten alle so viel riskiert, um dieses Ladegerät zu bekommen. Und jetzt ...
Sie war in der Königinnenkammer! Sie war im Herzen des Basis-Schiffes.
Keuchend holte Vashtu Atem, dann richtete sie sich langsam auf, brachte ihre Waffe in Anschlag und hob den Kopf. Die Wabenkuppel wölbte sich über ihr, und einen Moment lang glaubte sie, ein Geräusch zu hören.
Langsam wich sie von dem Tisch zurück, den Blick immer noch nach oben gerichtet. Und dann hörte sie das Zischen, direkt hinter sich.Sie fuhr herum. Ihre Augen schienen aus den Höhlen quellen zu wollen. Dann traf ein erster mentaler Schmerz sie und ließ sie einige Schritte zurücktaumeln. Die P-90 entglitt ihrer Hand.
„Lantianer!" zischte die Wraith-Königin.

Sheppard kam im Eilschritt voran, lief durch den Wald. McKay hatte er beim Jumper zurückgelassen, zum einen, weil er nicht glaubte, daß der Wissenschaftler eine sonderlich große Hilfe sein würde, zum anderen, weil er schneller voran kommen wollte.
Das Basis-Schiff erhob sich wie ein zweites, gewaltiges Gebirge vor ihm.

Vashtu taumelte zurück. Mit Mühe gelang es ihr, die Wraith-Zellen in ihrem Körper zu aktivieren. Verzweifelt stemmte sie sich gegen den mentalen Druck, den ihre Gegnerin auf sie ausüben wollte.
„Knie nieder!" kam es von allen Seiten auf sie hinunter, drückte sich auf ihre Schultern, ließ ihre Beine weich werden.
Die Wraith-Königin fauchte wieder.
Vashtu schloß die Augen und ballte die Fäuste, um sich gegen diesen mentalen Angriff zu wehren. Was war ihr nur in den Sinn gekommen, die fremden Gene nicht schon eher zu aktivieren?
Keine müßigen Gedanken!
„Knie nieder, Lantianer!" befahl die Wraith-Königin erneut. „Und sage mir, woher du kommst."
Vashtu bot all ihre Kraft auf, um sich gegen diese Befehle zu wehren. Sie riß, den Mund zu einem stummen Schrei verzerrt, den Kopf in den Nacken. Ihr Atem kam keuchend und sie zitterte am ganzen Leib.
Was für eine Qual! Wie sollte sie nur gegen diese Wraith bestehen? Sie schien alt zu sein, alt und mächtig.
Dann fühlte sie plötzlich, wie ein Ruck durch ihr Innerstes ging. Der mentale Druck ließ ein wenig nach.
Vashtu riß die Augen auf. Ihre Pupillen waren schwarz und vertikal geschlitzt.

Sheppard aktivierte seinen Detektor, als er in das Schiff eindrang, hastete jetzt durch die Gänge, die Waffe nach vorn gerichtet.
„Natürlich ist sie in der Mitte, wo denn auch sonst!"
Diese Worte waren ihm zischend entschlüpft, ehe er richtig nachgedacht hatte.
Sie mußte am Leben bleiben, sie mußte! Er würde es nicht ertragen, wenn die Wraith ihr das nahmen, nachdem sie sich so lange gesehnt hatte. Und er könnte nicht ...
Der zweite Punkt kam dem ersten näher.
Er wußte nicht, wer wer war, doch er vermutete etwas.
„Bleib weg von ihr!"

Vashtu kämpfte immer noch gegen den mentalen Druck an. Ihr ganzer Körper war steif, und Schmerzen zuckten wie Flammen durch ihr Hirn.
Sie stand der Königin bis auf wenige Schritte gegenüber, starrte sie an.
Die Wraith zischte und schien auf der Stelle zu tänzeln. Wie fragend neigte sie immer wieder den Kopf. „Was ist das? Was hast du getan?" fragte sie
„Was soll ich denn getan haben?" entgegnete die Antikerin mutiger, als sie sich im Moment fühlte.
Die Königin wich zurück, nur einen Schritt. „Du ... bist anders. Anders als die von deiner Art, an denen ich mich nährte."
Vashtu lächelte. „Vielleicht bin ich das wirklich", antwortete sie gepreßt.
Eine neue Welle mentaler Befehle drosch auf sie ein, zwang sie, sich noch weiter auf die fremden Zellen in ihrem Inneren zu konzentrieren.
Und dann traf Vashtu ein weiterer Schmerz in ihre rechte Hand. Ein Stechen.
Mit beinahe übermenschlicher Kraft hob Vashtu ihren Arm, öffnete die geballte Faust ... und blickte fassungslos auf einen rudimentären Saugmund.

Die P-90 bellte eine kurze Salve in den Gang hinaus.
Sheppard war unvorsichtig gewesen und einem Wraith fast in die Arme gelaufen. Jetzt jagte er dem Grünhäutigen noch eine Salve in den Leib, ehe er sich umdrehte und weiterrannte, den Blick wieder fest auf den Detektor gerichtet.
'Geh von ihr weg', betete er sich in Gedanken immer wieder vor, als könne er die Antikerin auf diese Weise erreichen. 'Bleib weg von ihr, komm ihr nicht zu nahe.'

Der Schrecken währte nur kurz. Vashtu fühlte, wie ihre zusätzlichen Gene den Dienst wieder versagen wollten, als sie auf den Saugmund starrte. Er verschwamm kurz in ihrer Handfläche, dann tauchte er deutlicher als zuvor wieder auf.
Der Druck, den die Königin auf sie ausübte, schien nachzulassen.
Vashtu blickte auf und griff ihrerseits an. Augenblicklich, als ihre Kräfte aufeinandertrafen, wurden beide zurückgeschleudert.
Die Antikerin krachte gegen den Tisch, konnte sich gerade noch halten, sonst wäre sie gestürzt.
„Ich werde dein Leben langsam und qualvoll nehmen, Lantianerin", zischte die Königin hinter ihr. „Und du wirst mir besser munden als je jemand deiner Art zuvor."
Da lag eine Stange!
Ohne groß nachzudenken, griff sie danach, packte sie fest und wirbelte herum.

Der Alarm ging los.
Sheppard blickte einmal kurz irritiert auf, dann steckte er den Detektor in seine Tasche.
Er war fast am Ziel. Er mußte nur noch durch diese verdammte Wand.
Gerade, als er wieder schießen wollte, ging ihm auf, daß es einen Zugang geben mußte. So war es auch damals mit Sumner gewesen.
Er hetzte um die Kurve.

Vashtu kämpfte und drängte die Wraith immer weiter mit dem Stock zurück. Aber sie glaubte nicht, daß sie damit irgendetwas anderes als ein bißchen mehr Zeit erkaufen konnte.
Dieses Mal hatte sie sich zu weit vorgewagt und verloren. Gegen eine alte Königin wie diese würde sie auf Dauer nicht bestehen können.
Aber vielleicht würde sie ihr gar nicht schmecken, wer konnte schon sagen, was die veränderten Gene auslösen würden.

Sheppard hetzte durch die Tür und blieb wie angewurzelt stehen, während er eine Sekunde lang zögerte.
Vashtu kämpfte gegen eine Wraith-Königin. Mit einem wirbelnden Stab in den Händen und sonst nichts
.Er hob die Waffe und drückte ab, als er hoffte, relativ freies Schußfeld zu haben.
Die Königin wurde durch die Wucht der Kugeln zurückgeschleudert und knallte hart gegen eine Wand. Vashtu fuhr herum.
Ihre Augen ...
Sheppard war das egal. Darüber konnte er sich später immer noch Gedanken machen. Er griff nach ihrer freien, rechten Hand, doch sie wich vor ihm zurück. Er runzelte ungeduldig die Stirn und packte ihren Arm.
„Wir müssen hier heraus!" brüllte er sie an, zerrte sie hinter sich her.
Am Rande bemerkte er den Leichnam von Johnson, doch er hatte keine Zeit zur Trauer. Das mußte warten.

Vashtu gelang es gerade noch, ihre P-90 wieder vom Boden aufzuheben, ehe Sheppard sie aus dem Raum und in die Gänge zerrte. Sie fühlte, wie der innere Druck der fremden Zellen in ihr nachließ, pendelte sie auf ein für sie erträgliches Maß ein.
„Rodney, schmeißen Sie die Kiste an. Wir kommen!" rief Sheppard in sein Funkgerät.
Das C4!
Warum hatte sie nicht eher daran gedacht?
Mit einem Ruck machte sie sich von ihm los, rannte zur nächsten Wand und rammte ihre Faust in das halblebendige Gewebe. Eine schmierige Flüssigkeit rann aus dem entstandenen Loch über ihren Arm, doch sie kümmerte das im Moment nicht.
So schnell wie möglich aktivierte sie den Zünder und brachte den Plastiksprengstoff innerhalb des Loches an.
„Wir haben keine Zeit", bellte Sheppard sie an, doch sie schüttelte nur unwillig den Kopf, hob ihre Waffe wieder und eilte ihm nach.
Der Alarm schrillte in ihren Ohren.

„Die Kiste anwerfen ... ?" McKay, der im Jumper zurückgeblieben war, sah etwas hilflos nach draußen.
Vor dem Frontfenster hatten sich mehrere gesichtslose Wraith versammelt und drehten immer wieder aufmerksam die Köpfe. Wie sollte er denn so den Jumper unbemerkt näher an das Schiff heranfliegen?

„Vashtu, wir müssen hier heraus!"
Eine weitere Ladung Sprengstoff wurde in die Wand gedrückt, dann flohen sie beide weiter.
Sheppard warf ihr immer wieder irritierte Blicke zu, doch sie kümmerte sich nicht weiter darum, hielt ihre P-90 im Anschlag und hoffte einfach nur, daß es ihnen tatsächlich gelingen würde, lebend aus diesem Schiff herauszukommen.

Sheppard bog um die nächste Ecke, wurde beinahe von einem Stunnerstrahl getroffen. Sofort wirbelte er herum und schoß. Sein Magazin mußte inzwischen fast leer sein.
Die Antikerin an seiner Seite sprang zurück und lief weiter.Irgendetwas mit ihr stimmte nicht, irgendetwas war anders als sonst. Er konnte es fühlen, aber er konnte es nicht benennen.
Hoffentlich hatte zumindest McKay den Jumper näher heranfliegen können, damit sie hier so schnell wie möglich verschwinden konnten.
Doch das würde nicht so einfach werden, wenn die Wraith wirklich zur Ernte hergekommen waren. Sheppard wußte, daß ihnen dann eine lange Nacht bevorstehen würde. Sicherlich würde diese noch länger werden, sollten sie die ganze Zeit von Wraith gejagt werden. Selbst mit der Tarnung waren sie nicht hundertprozentig sicher.
Vashtu warf ihre P-90 zu Boden, zückte die Beretta.
„Ladehemmung", war alles, was sie sagte, als sie seinen irritierten Blick bemerkte. Dann drückte sie sich plötzlich an die Wand und wurde stocksteif.
„Was ist?" zischte er.
Ihre Augen ruckten zu ihm, ihr Gesicht blieb erstarrt. „Sie folgt uns", flüsterte sie dann.
Sheppard sog scharf Luft in seine Lungen.

McKay beobachtete weiter die gesichtslosen Wraith, die unverrichteter Dinge vor dem Jumper standen.
Warum konnten sie nicht endlich von hier verschwinden?
Als hätten sie sein stummes Flehen bemerkt, drehten zwei sich um und marschierten in den Wald zurück. Aber die anderen ...

„Eine letzte Ladung", sagte Vashtu, während sie ihren Arm wieder bis zum Ellenbogen in der Wand versenkte.
Sheppard blickte unruhig den Gang hinauf, den sie gekommen waren. Sie mußten so schnell wie möglich aus diesem Schiff heraus! Wenn die Wraith sie nicht kriegen würden, die Explosionen würden sie erwischen. Er hatte keine Ahnung, was die Antikerin da gerade anrichtete. Er wußte nur, er wollte so weit fort wie möglich, solange es eben noch möglich war.
Sie lief leichtfüßig an ihm vorbei, blieb an der nächsten Kehre stehen und lugte vorsichtig herum.
Sheppard folgte ihr, beobachtete, wie sie die Hände hob, die Beretta mit einer losließ und ihm Zeichen machte.
Drei.
Er nickte und hoffte, daß das Reservemagazin, das sie ihm zugeworfen hatte, noch nicht leer war.
Gemeinsam sprangen sie in den Gang hinein und eröffneten das Feuer, doch die Antikerin zog sich rasch zurück, um nachzuladen.
Sheppard folgte ihr, noch immer nach hinten schießend, und wäre beinahe in sie hineingelaufen, als sie plötzlich stehenblieb.
„Was ist?" Er warf einen Blick über die Schulter und erstarrte.
Vor ihnen, den Gang blockierend, stand die Wraith-Königin und fauchte sie an. Und hinter ihr ... konnte er die Bäume des Waldes sehen. Sie waren am Ausgang.

Da kam doch tatsächlich noch ein fünfter Wraith!
McKay glaubte, im Boden versinken zu müssen. Er konnte den Jumper so lange nicht starten, wie ihre Feinde sich direkt vor ihm befanden. Natürlich hätte er sie einfach umfliegen können, doch er war sich nicht sicher, ob ihm eine solche Einlage gelingen würde.
Leider, mußte er sich eingestehen, er war weder Sheppard noch die Antikerin.

Sheppard ließ sich auf ein Knie nieder und schoß, nachdem er gesehen hatte, wie Vashtu irgendeine Stange aus der Wand gerissen und auf die Königin zugestürzt war. Er mußte ihr jetzt einfach vertrauen, ansonsten saßen sie in der Zange.
Immer mehr Wraith tauchten in ihrem Rücken auf, und er konnte nichts anderes tun als zu hoffen, daß seine Munition reichen würde. Hinter sich hörte er die Kampfgeräusche Vashtus und betete, daß sie sich nicht auf etwas eingelassen hatte, was sie nicht gewinnen konnte. Ein Verlust reichte ihm, und den ihren ... An dem würde er mehr zu knabbern haben als an Johnson, so leid dieser ihm auch tat.

Endlich!
Die Wraith gingen.
McKay schob sich in den Pilotensitz und startete die Triebwerke.
Der Jumper schoß in den Nachthimmel hinauf, noch immer unsichtbar für alle Blicke.

Vashtu schlug hart zu, wich zurück und wirbelte den Stock hinter ihrem Rücken.Kratzer und blutende Wunden waren an ihrem Hals und ihren Armen, und sie fühlte, daß selbst die vereinten Kräfte von Wraith und Iratus in ihr allmählich erlahmten. Und ihnen ging die Zeit aus!
Bald würden die Sprengladungen explodieren, und wenn sie auch nur ansatzweise die richtigen Stellen getroffen hatte, das Schiff bewegungsunfähig machen.
Sie sprang wieder vor und landete in der zuschlagenden Faust der Königin. Hilflos segelte sie durch die Luft und krachte gegen die nächste Wand. Aus den Augenwinkeln sah sie den erschrockenen Blick, den Sheppard ihr zuwarf.
Sie knirschte mit den Zähnen. Das Atmen fiel ihr schwer. Der Aufprall mußte ihr ein paar Rippen gebrochen haben. Aus ihrer Nase rann Blut.
Vashtu kam wieder auf die Beine, spannte die Kiefer an und kniff die Lippen fest aufeinander. Mit kaltem Blick starrte sie die Königin an, während neben ihr noch immer die P-90 ratterte.
Dann kam ihr ein Gedanke.
„Ich habe fast keine Munition mehr. Was auch immer du vorhast, mach es schnell", rief Sheppard ihr in diesem Moment zu.
Ein eisiges Lächeln legte sich auf Vashtus Gesicht. Sie packte den Stab, als wolle sie einen Hochsprung wagen, aktivierte ein letztes Mal die fremden Zellen in ihrem Inneren und raste gegen die Königin, die Stange gerade vor sich haltend.
Die Wraith schrie vor Wut und Schmerz auf, als die Stange mit voller Wucht in ihren Körper krachte. Vashtu ließ nicht nach, stemmte sich gegen den Widerstand des fremden Leibes. Die Königin taumelte zurück.
„Lauf, John!" schrie sie über die Schulter zurück. Mit einem letzten Ruck spießte sie die Wraith endgültig auf. Sie hatte noch eine solche Wucht in sich, daß die Stange am Rücken der Königin wieder austrat und auch noch in das halblebendige Material der Wand eindrang.
„Stirb, Vampir!" zischte Vashtu, ruckte noch ein kleines bißchen nach. Ihre Gesichter waren sich jetzt bis auf wenige Zentimeter nahe gekommen und sie konnte sehen, wie das Leben in den Augen ihrer Gegnerin allmählich zu verlöschen begann. Noch einmal ruckte sie nach, dann ließ sie den mageren Rest der Stange los und raste aus dem Schiff heraus, Sheppard nach.
Der erwartete sie neben dem Ausgang, packte sie wieder am Arm und hetzte mit ihr zusammen weiter.
„Hierher, hierher!" rief plötzlich eine Stimme.
Sofort änderten sie ihre Richtung und rasten auf den unsichtbaren Jumper zu. McKay kam wild gestikulierend aus dem Nichts gesprungen.
Sheppard fuhr den anderen Arm aus, um auch den Wissenschaftler mit sich zu ziehen.
In diesem Moment detonierte die erste Bombe im Schiff.
Alle drei stürzten auf die Rampe, Sheppard und Vashtu rappelten sich so schnell wie möglich wieder auf und hasteten ins Cockpit, während McKay erst noch seine Gliedmaßen sortieren mußte.
Die Hecklucke schloß sich, der Jumper gewann an Höhe und jagte davon.
Hinter ihnen folgte eine Explosion der anderen. Vashtus C4-Ladungen lösten eine Kettenreaktion aus und jagten schließlich das ganze Basis-Schiff in die Luft. Das blockierte Stargate verlor sein Wurmloch, so daß die drei Überlebenden nach Atlantis zurückkehren konnten.
„Wenn du mich immer noch in deinem Team haben willst, John Sheppard, dann sage ich ja."

Einen Tag später

Vashtu starrte frustriert auf die einzelnen Teile des Ladegerätes. Ohne den Generator, der auch gleichzeitig der Umwandler war, würde ihnen das alles nicht viel nutzen. So wie das Gerät jetzt war, war es nicht mehr als ein dekoratives Schaustück.
Die Tür hinter ihr öffnete sich.
Vashtu drehte sich um und sah Dr. Weir auf sich zukommen.
Die Expeditionsleiterin musterte die Antikerin forschend, stellte sich dann neben ihr auf.
„Ich habe Ihren Bericht gelesen", begann sie schließlich.
Vashtu verzog das Gesicht.
Weir betrachtete forschend das defekte Ladegerät. „Und Sie sind sich sicher, daß der Generator zerstört worden ist?"
Die Antikerin nickte. „Ich fürchte, Johnson selbst hat ihn zerstört, aber letztendlich klären werden wir das nie. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich ihn hätte reparieren können, wenn es Colonel Sheppard und mir gelungen wäre, ihn zu bergen."
Weir runzelte die Stirn, kreuzte die Arme vor der Brust und ging ein paar Schritte.
„Ich habe mit der Erde gesprochen", sagte sie schließlich. „Die meisten ZPMs haben wir bisher in der Milchstraße gefunden. Halten Sie es für möglich, daß es dort ein solches Ladegerät gibt und es noch aktiv ist?"
Vashtu starrte einen Moment vor sich hin, dann biß sie sich auf die Lippen und nickte mit gesenktem Kopf. „Das könnte sein, ja. Es ist sogar recht wahrscheinlich."
Weir drehte sich wieder zu ihr um und sah sie an. Vashtu spürte den Blick der anderen auf sich, wagte einen Moment lang nicht aufzusehen, um nicht diese Frage in Weirs Augen lesen zu müssen.
Atlantis war ihre Heimat, und hier wollte sie bleiben. Sie wollte nicht fortgehen, weder um etwas zu suchen, noch um irgendwo anders zu leben. Und doch ...
Sie erinnerte sich an ihre Pflicht. Sie hatte sich selbst die Aufgabe gestellt. Sie wollte für die Menschen nützlich sein und sich so ihren Platz hier verdienen. Sie war gescheitert, und doch bot sich ihr vielleicht eine Möglichkeit.
Schließlich blickte sie auf, wenn auch widerstrebend, und nickte.
Weir lächelte sie aufmunternd an und schloß die Augen. „Bleiben Sie noch ein Weilchen und erholen Sie sich. Außerdem denke ich, da ist noch eine Sache offen, nicht wahr?"
Vashtu nickte wieder.

Zwei Tage später
Sheppard schlich sich vorsichtig in den Jumper-Hangar. Irgendwie hatte ihn plötzlich das Gefühl überkommen, er müßte fliegen. Er konnte selbst nicht genau sagen, warum. Manchmal überkam ihn eben dieser Drang.
Doch seit seinem Ausflug mit Vashtu hatte Weir die strikte Order erteilt, die Jumper nur noch im Bedarfsfall einzusetzen. Also mußte er sich wohl kurzzeitig einen ausleihen.
Er pirschte um die Ecke und sah bereits Jumper 1 auf sich zukommen, als er eine Bewegung wahrnahm und abrupt stehenblieb. Als er sich umdrehte, stand er unvermittelt Vashtu gegenüber, die ihn schuldbewußt ansah.
„Was machst du denn hier?" zischte er, packte sie am Arm und zog sie in den Schatten der Fluggeräte.
„Und was willst du hier?" fragte sie leise zurück.
Sheppard richtete sich wieder auf und sah vorsichtig um die Ecke. „Ich wollte ein wenig nachdenken", antwortete er schließlich.
„Und ein bißchen fliegen", setzte sie hinzu.
Warum konnte er vor dieser Frau nur nichts verbergen?
Schuldbewußt nickte er und drehte sich zu ihr herum. Sie grinste. „Dann hatten wir ja den gleichen Gedanken."
Er runzelte die Stirn, dann erhellte sich sein Gesicht wieder. „Stimmt."
„Colonel, was tun Sie denn hier?"
Sheppard erstarrte und drehte sich langsam um, noch immer das breite und zufriedene Grinsen Vashtus vor Augen, während sie um die Ecke glitt. Der Mechaniker hatte sie nicht gesehen, ihn dagegen schon.
Sheppard trat zwischen den Jumpern hervor, bemerkte am Rande, daß sie zwischen den beiden Nummern 1 und 13 gestanden hatten. Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr.
Warum eigentlich nicht?
Er beschleunigte seine Schritte, als wolle er zurück zur Treppe. Auf diese Weise zwang er den Mechaniker, dem Jumper den Rücken zuzuwenden.
„Ich wollte sehen, wie weit die Reparatur von Jumper 13 ist", erklärte er schließlich, drehte sich wieder um.
Die Innenbeleuchtung des kleinen Gleiters war angesprungen, und Vashtu saß auf dem Pilotensitz und winkte ihm übermütig zu. Sheppard schmunzelte, sah den Mechaniker an.
„Wir sind fast fertig, Colonel. Ich wundere mich nur, weil ..."
Sheppard blickte wieder nach oben. Vashtu saß ein wenig stutzend und hilflos da, sah schließlich zu ihm hinunter, mit einer stummen Frage in den Augen.
So unauffällig wie möglich zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß, Dr. Weir hat Vergnügungsflüge bis auf weiteres ausgesetzt. Aber Sie kennen mich ja."
Die Beleuchtung erlosch, die Antikerin kam zwischen den beiden Fluggeräten wieder zum Vorschein und erntete einen bitterbösen Blick, als sie sich kurzzeitig der Nummer 1 zuwenden wollte. Beschwichtigend hob sie die Hände und drehte ab, um zur anderen Seite zu schlüpfen, wo die Nummer 9 bereit stand.
„Sie sagte sogar, wir sollten dafür sorgen, das Sie ..."
In diesem Moment hob der Jumper vom Boden ab und die Dachschleuse öffnete sich.
Der Mechaniker blinzelte verständnislos in das helle Tageslicht, drehte sich schließlich verblüfft um und sah die Maschine, wie sie in der Luft schwebte.
Sheppard ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen. So schnell wie möglich sprang er in seine geliebte Nummer 1 und fuhr die Triebwerke hoch. Dann folgte er Vashtu dicht auf in den blauen Himmel über der Stadt hinauf.

Im Kontrollraum saß Bowman ein wenig gelangweilt herum, bis er plötzlich die zwei Stimmen hörte, die über Funk hereinkamen. Dann sah er zu seinem Nachbarn hinüber, der etwas irritiert die Sensoren beobachtete.
„Da sind zwei Puddlejumper draußen. Aber warum?"
Bowman lauschte den undeutlichen Stimmen. Sie mußten die Frequenz falsch eingestellt haben, denn er konnte zwar ihre Stimmen hören, aber nicht verstehen, was sie sich zu sagen hatten. Dafür aber erkannte er sie und begann zu grinsen.
Dr. Weir betrat die Kommandozentrale und sah sich um. Dann blieb ihr Blick an den Sensorenanzeigen hängen. „Wer ist denn da unterwegs?" fragte sie interessiert und trat näher.
Bowman und sein Nachbar tauschten einen Blick. „Es scheint so, als seien es der Colonel und die Antikerin, Dr. Weir", antwortete Bowman nach einigem Zögern. Er wollte den beiden keine Unannehmlichkeiten bereiten.
Doch Weir nickte nur gedankenversunken. Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht.
„Soll ich sie anfunken, damit sie zurückkommen?" fragte Bowman.
„Nein, das ist nicht nötig. Lassen wir ihnen heute ihren Spaß." Damit ging die Expeditionsleiterin wieder, ließ den armen Bowman vollkommen verwirrt zurück.

Einige Stunden später

Sheppard nahm voller Energie die Treppen hoch zu Elizabeth Weirs Büro. Seine Augen funkelten und sein Körper schien von einer neuen Kraft beseelt.
Endlich hatten sie sich ausgesprochen! Endlich hatten sie einmal richtig miteinander reden können. Und ihr gemeinsamer Flug über den Planeten hinweg ... Er fühlte sich einfach nur gut. Und genau jetzt war der richtige Moment, um der Expeditionsleiterin die Änderung seines Teams mitzuteilen. Jetzt würde er sich holen, was ihm zustand, und könnte wesentlich mehr Zeit mit der Antikerin verbringen.
Er stürmte das Büro geradezu und lächelte Weir an. „Elizabeth, ich wollte mit Ihnen sprechen. Haben Sie kurz Zeit?"
Weir blickte von ihrem Bildschirm auf und nickte.
Sheppard ließ sich in den Sessel vor ihrem Schreibtisch fallen, beugte sich vor. „Ich wollte Ihnen nur kurz mitteilen, daß es eine Personaländerung in meinem Team geben wird. Übermorgen rücken wir aus, und da Ronon noch immer nicht zurückgekommen ist, möchte ich Vashtu mitnehmen."
Weir sah ihn nachdenklich an und nickte. „Gut."
„Vashtu wird im Team bleiben", tastete er sich, durch ihre zurückhaltende Reaktion ein wenig vorsichtiger geworden, weiter vor.
Weir blickte wieder auf ihren Bildschirm, legte ihn schließlich zu Seite. Die Hände vor sich auf der Arbeitsfläche des Tisches faltend, sah sie ihn wieder an. „Ich glaube, das wird nicht möglich sein, Colonel", sagte sie nach einer Weile.
Sheppard hatte in ihren Augen gelesen und wich nun zurück, den Kopf fragend zur Seite geneigt.
Weir betrachtete die Unterlagen vor sich, zog schließlich ein Blatt unter einem Stapel hervor und reichte es ihm. „Ich habe mit dem SG-Command gesprochen. Vashtu wird zur Erde gehen", sagte sie dabei.
Sheppards Hände zitterten, während er das Dossier las. Ungläubig hoben sich seine Brauen.
„Sie soll ein funktionsfähiges Ladegerät finden. Außerdem, so versicherte mir General Landry, benötigt die Erde im Kampf gegen die Ori jeden mit dem Antiker-Gen, den sie finden können. Die Frage war, sollen Sie gehen, John, oder Vashtu. Sie hat sich selbst entschieden."
Er preßte die Lippen zusammen, blickte hilflos auf.
Weir lehnte sich in ihrem Sessel wieder zurück. „Es ist die beste Lösung, John, glauben Sie mir. Zwei von Ihrem Kaliber kann Atlantis nicht gebrauchen. Mit der Zeit ..."
„Was soll das heißen?" Hilflos runzelte er die Stirn. „Vashtu hat alles ihr mögliche getan, mehr noch! Sie hätten sie auf dem Basis-Schiff sehen sollen! Jemanden wie sie brauchen wir hier auf Atlantis."
Weir schüttelte den Kopf. „Es ist ihre eigene Entscheidung gewesen, Colonel. Es tut mir leid. Es liegt nicht mehr bei uns."
Sheppard starrte sie nur an. Dann erhob er sich mit zusammengepressten Lippen und ging, betont langsam, zur Tür.
„In zwei Wochen reist sie ab", sagte Weir noch hinter ihm.
Voller unterdrückter Wut krachte seine Faust draußen vor ihrer Tür auf das Geländer.

Epilog

Zwei Wochen später

Sheppard betrat leise die Turnhalle. Das Morgenlicht tauchte den Raum in ein angenehmes, verspieltes Licht. Etwas, was er sonst sehr mochte. Doch dieses Mal war ihm das Herz schwer.
Teyla drehte sich zu ihm um, als sie seine Schritte hörte. Ein wissendes Lächeln schob sich auf ihre Lippen und sie verbeugte sich vor ihrer Trainingspartnerin.
Die jedoch hatte nur Augen für den Colonel, der etwas unschlüssig an der Wand stehengeblieben war und ihren Blick einfach nur erwiderte. Die Athosianerin konnte in beiden Gesichtern wieder einmal das gleiche lesen, einen tiefen Schmerz, den zu heilen ihr leider nicht möglich war.
Sie trat an Sheppard heran und hielt ihm ihre Kampfstöcke hin. Ohne einen Blick von Vashtu zu wenden, nahm er sie, ging an Teyla vorbei.
„Ich bin nicht gut in solchen Sachen", war tatsächlich das erste, was er sagte.
Vashtu sah ihn nur stumm an.
Teyla lehnte sich an die Wand und betrachtete das ungleiche Paar.
Ein Ruck schien durch die Gestalt des Colonels zu gehen. Er nahm die Stöcke in beide Hände und stellte sich der Antikerin gegenüber in Grundposition auf.
„Wie ein Tanz?" fragte er.
Ein Lächeln glitt über Vashtus im Schatten liegendes Gesicht. Auch sie nahm die Grundhaltung ein und antwortete: „Wie ein Tanz."
Langsam und konzentriert begannen sie sich zu umkreisen, ließen nur die Stöcke sich berühren. Zu Anfang stockten sie ab und an, doch dann gewannen beide die Sicherheit und schienen tatsächlich einen eigenartigen, langsamen Tanz aufzuführen.
Teyla kreuzte die Arme vor der Brust. Sie fühlte sich ein wenig unwohl, als Zeugin dieses eigenartigen Abschiedsrituals. Auf der anderen Seite schienen beide sie vollkommen vergessen zu haben. Was sie da taten, hatte mehr etwas von einem Ritualkampf als von ernstlichem Training. Einen Abschiedstanz.
Und dann, plötzlich, glitten Sheppard die Stöcke aus den Händen. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und starrte der Antikerin in die Augen. Vashtu hielt der Intensität dieses Blickes nur einen Atemzug stand, dann ließ auch sie die Stöcke fallen, die dumpf auf dem Boden aufprallten, und erwiderte sein Starren. Und wieder konnte Teyla so viel in ihren Gesichtern lesen, senkte den Kopf.
So starke Empfindungen und sie durften doch nicht zusammenbleiben. So viel hatten sie gemeinsam durchgemacht, und doch verließ sie ihn.
Teyla blickte wieder hoch und wurde Zeuge von etwas, das sie bisher noch nie mit dem Colonel erlebt hatte.
Plötzlich hob Sheppard die Arme, trat einen Schritt vor und fing Vashtu richtig ein, preßte sie fest an sich und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. Und die Antikerin erwiderte diese Umarmung nicht weniger heftig. Es war, als wollten die beiden Körper, die sich fast einen Geist zu teilen schienen, sich jetzt und hier vereinen in ihren Urzustand.
„Geh nicht", wisperte Sheppard in ihr Haar.
Und Vashtu preßte sich nur noch enger an ihn, hielt die Augen fest geschlossen und versuchte sich alles einzuprägen, jede einzelne Empfindung. Seinen Duft, seine Haut, die Muskeln in seinen Armen, die sie fest und sicher hielten. Sein Herz schlug an dem ihren, seine Lungen hoben und senkten sich. Sein Gesicht in ihrem Haar. Die Art, wie er sich an sie klammerte, die Art, wie sie diese Umklammerung erwiderte.
Und in diesem Moment öffnete sich die Tür und Dr. Weir trat ein.
Vashtu fühlte auch das, spürte, wie seine Muskeln sich verkrampfen wollten bei dieser Störung. Und sie wußte, wenn sie wirklich gehen wollte, war dies der einzige Augenblick.
Widerstrebend löste sie sich von ihm, ließ es zu, daß er noch nach ihrer Hand griff, sie kurz drückte, ehe sie sich von ihm befreite.
„Ich komme wieder", wisperte sie ihm zu, ehe sie Dr. Weir hinaus folgte.
Zurück blieb, wie erstarrt in seiner Haltung, Lt. Colonel John Sheppard. Und in seinen Augen lag ein abgrundtiefer Schmerz.

ENDE

3 Kommentare:

  1. Ah...ich liebe diesen Teil, er ist sooooooo schön traurig. *schnief*

    Du hast die Emotionen der beiden wirklich gut beschrieben. Ich hab, obwohl ich es ja schon kannte, gleich wieder einen Kloss im Hals.

    Aber sie werden sich ja wiedersehen...*fg*

    LG Claudi

    AntwortenLöschen
  2. Hey =)
    oh man..das war ja mal wieder typisch sga...da entdecken die etwas tolles was die gut gebrauchen können und dann wurd es zerstört noch bevor die es das erst mal einsetzen konnten.
    war aber echt sehr spannend geschrieben, wie john und vashtu durch das basisschiff gerannt sind um zu flüchten und dann am ende auf die königin treffen.
    tja, praktisch das vashtu das c4 eingepackt hat ^^ ist ja auch direkt zum einsatz gekommen ;)
    ich versteh zwar nicht so ganz wie sie überhaupt auf die idee gekommen ist aber was solls ^^
    hat mich an die sga folge von gestern erinnert...da hatte john warum auch immer ebenfalls c4 dabei und es ist sogar zum einsatz gekommen ;)
    der epilog war auch sehr schön =)
    erst der flug mit dem jumper und dann wo john fest entschlossen ist vashtu ins team aufzunehmen erfährt er, dass sie zur erde geht.
    das abschiedsritual war ja auch mal ganz was neues. konnte mir es aber bildlich vorstellen wie die da ihren tanz vollführt haben. im hintergrund hab ich dann noch gehört wie mein bruder musik anhatte und die hat einfach perfekt zu der situation gepasst!
    igendwie tat mir john da shcon ein wenig leid, als die sich dann verabschiedet haben...
    aber ich versuch mal das ganze positiv zu sehen ;) durch die crossover FF mit dem CSI aus LV weiß man ja, dass die beiden sich in nicht alzu ferner zeit wiedersehen werden! =)
    LG Sabrina

    AntwortenLöschen
  3. So, im Moment Zeit, sozusagen lange Mittagspause, da wollte ich euch beiden noch antworten:

    @ Claudi:
    Ja, ein bißchen traurig ist die Szene. Kurioserweise war ausgerechnet diese Abschiedsszene eine der ersten der ganzen FF, die ich im Kopf hatte. Eigentlich war die Fortsetzung auch anders geplant von mir. SG-27 und Vineta entstanden tatsächlich erst recht spät. Eigentlich sollte Vashtu tatsächlich noch einmal nach Atlantis zurückkehren und dort wieder alles durcheinanderwirbeln. Aber dann kam mir Johns Team aus "Die Rückkehr I" dazwischen.
    Freut mich, daß es dir auch nach nochmaligem Lesen gefällt.

    @ Sabrina:
    *grins* Über diese Parallelen zur Serie wirst du wohl noch öfter stolpern - ich scheine den gleichen Riecher wie die Autoren zu haben, denn gerade die ersten beiden "Staffeln" SG-V wurden geschrieben, ehe Season 4 oder 5 gedreht oder mehr als ein paar Gerüchte im Net zu finden waren (und zugegeben, eine regelmäßige Leserin des Mallozzi-Blogs war ich nie, auch wenn ich den gleichen Anbieter benutze. Übrigens ist auch sein neuer ein Google-Blog, allerdings die bezahlte Variante).
    Vashtu schleppt übrigens immer gern Sachen mit in ihrer Weste, die dort entweder nicht reingehören oder eben eine größere Menge als vorgeschrieben. *lach* Ich warte nur auf den Tag, an dem sie einen Schweißbrenner aus einer der Taschen zieht, wundern würde es mich schon lange nicht mehr.
    Ach, was wäre unser John, wenn wir ihn nicht doch noch ein bißchen quälen dürften? Ein bißchen Emo-Whump zum Schluß, das mußte noch sein. Und, wie bereits geschrieben, diese Abschiedsszene war kurioserweise eine der ersten, die ich im Kopf hatte. Etwas untypisch für mich, zugegeben, versuche ich doch sonst, den Schluß solange wie möglich auch für mich vage zu halten, denn sonst verliere ich schnell das Interesse an einer Geschichte.
    Übrigens ... nein, John und Vashtu treffen sich schon ein wenig früher wieder als im CSI-Crossover. Aber dazu die Tage mehr *zwinker*.

    Bis denne
    Ramona

    AntwortenLöschen