27.04.2010

Erdgebunden II

Vashtu hockte auf ihrem Bett, zwei Knöpfe in den Ohren und ein kleines Gerät in ihren Händen. Leise nickte sie im Takt der Musik mit dem Kopf, als Sergeant George Dorn ihr Krankenzimmer betrat. Sofort leuchteten ihre Augen auf und sie schaltete den kleinen MP3-Player aus. „George!" sagte sie, während sie sich die kleinen Knöpfe aus den Ohren zog.
Der Marine nickte ihr zu, runzelte die Stirn. „Immer noch nicht geheilt?" fragte er mit einem Nicken auf ihren verbundenen Hals.
Vashtu verzog das Gesicht. Unwillkürlich tastete sie nach dem Verband, zog dann eine Grimasse. „Es tut zumindest nicht mehr weh." Sie zuckte mit den Schultern.
Dorn nickte, ließ sich auf dem Stuhl an ihrem Bett nieder und griff nach ihrer Hand, um sie zu drücken. „Wie geht es dir?" fragte er dann sanft.
Wieder zog sie eine Grimasse. „Wie schon? Ich will hier raus", antwortete sie, rutschte näher und ließ die Beine baumeln. „Ich habe die Nase gründlich von Krankenhäusern voll. Und dieser ... dieser ... Mackenzie ist einfach nur ein Idiot!" In ihren Augen blitzte es kalt auf. „Er will mich nicht gehen lassen, solange ich ihm nicht mein Herz ausgeschüttet habe. Aber da gibt es nichts auszuschütten."
Dorn runzelte die Stirn und öffnete den Mund.
Vashtu schüttelte ungeduldig den Kopf. „Schon etwas von Babbis gehört?" fragte sie dann.
Der Marine ließ sich nicht aus dem Konzept bringen, sondern schüttelte ebenfalls den Kopf.
Vashtu kniff dann nachdenklich die Lippen aufeinander. „George, ich habe ihm den Steuerkristall per Post geschickt", sagte sie dann endlich. „Existiert seine Wohnung denn noch?"
Dorn nickte, und die Antikerin seufzte erleichtert.
"Warum nicht mir?" erkundigte er sich dann plötzlich.
Vashtu blinzelte. „Was?" Sie sah ihn einen Moment lang mit großen Augen an, dann zuckte sie mit den Schultern. „Weil ich denke, Peter hat ab und an auch einmal einen Vertrauensbeweis verdient. Außerdem ist er, abgesehen von mir, der einzige, der vielleicht etwas mit dem Kristall anfangen kann, und wenn er ihn nur John nach Atlantis schickt. Vielleicht ist die Post auch einfach etwas langsam." Sie mußte zugeben, ihr fehlte die zweite Kette mit dem Steuerkristall. Sie war es inzwischen so gewohnt, ihn zu tragen, daß es schwerfiel, ihn irgendwann einmal nicht dabei zu haben.
Dorn nickte wieder, drückte ihre Hand, ehe er sie losließ und sich nach vorn beugte, um ihr besser ins Gesicht sehen zu können. „Dein AB?"
Vashtu sah ihn kurz an, dann nickte sie. „Du hast recht!" Von einem plötzlichen Energieausbruch erfaßt, schwang sie sich vom Bett und lief auf nackten Füßen zu dem spintartigen Schrank hinüber, in dem sich ihre Sachen befanden. Sie wühlte kurz, dann kehrte sie zu dem Marine zurück, einen Schlüssel in der Hand. „Mein Wohnungsschlüssel. Verlier ihn nicht, sonst muß ich wirklich nach Atlantis, um den zweiten zu holen." Sie zwinkerte.
Dorn nahm den Schlüssel an sich und steckte ihn ein. Dann wurde sein Gesicht wieder ernst. „Mackenzie", sagte er nur.
Schlagartig verdüsterte sich Vashtus Miene wieder.
"Dieser heimtückische Mistkerl! Sie hatte ganz genau gewußt, daß er sie nicht so einfach davonkommen lassen würde, schon beim ersten Mal nicht. Er war erpicht auf ihre Geheimnisse, auf Dinge, die niemanden etwas angingen. Und sie mochte ihn nicht, sein Auftreten, seine ganze Art. Für sie war er einfach nur arrogant. Noch arroganter, seit er offensichtlich das Sagen über sie hatte und sie nicht aus dem Krankenhaus entlassen wollte.
Vashtu kreuzte abwehrend die Arme vor der Brust. „Der Kerl kann mir gestohlen bleiben! Irgendwie komme ich schon hier heraus, darauf kannst du dich verlassen! Ich habe keine Probleme, es geht mir gut."
Dorn warf ihrem bandagierten Hals einen langen Blick zu, sagte aber nichts.
Die Antikerin warf sich wieder auf das Bett, knallte ihren Hinterkopf hart in das Kissen und starrte zur Decke. „Er hatte heute wirklich die Unverfrorenheit mir zu sagen, daß mein Dienst auf Atlantis ausgesetzt wird auf sein Geheiß. Ich würde John so lange nicht wiedersehen, bis ich mir endlich das von der Seele geredet hätte, was mich bedrückt. Woher will ausgerechnet er denn wissen, was mich bedrückt?" Ein bitteres Lachen, das sofort wieder abbrach. „Ich will hier heraus!"
"Vielleicht solltest du mit ihm reden, Kleines", begann Dorn nun. „Die Wunde will nicht heilen, vergiß das nicht. Und denke an das letzte Mal."
"Ich habe mich im Griff!" Sie runzelte die Stirn.
Nein, sie hatte sich nicht wirklich im Griff, und das wußte sie. Wenn sie einschlafen wollte, war sie wieder in dieser Waldhütte, mußte wieder ihr Leben vor dem Goa'uld ausbreiten. Oder sie fühlte, wie dieses Schlangenwesen sich in ihren Körper fraß. Sie hatte Atlantis verraten, sie hatte die Sache mit dem Steuerkristall verraten - beinahe hätte sie noch mehr preisgegeben, ehe sie begriff, daß sie die Erinnerungen steuern konnte.
"Kleines!" Dorn seufzte schwer und erhob sich, um sich auf die Bettkante zu setzen. Wieder griff er nach ihrer Hand. Einen Moment lang war sie versucht, sie ihm vorzuenthalten, dann aber ließ sie die Berührung zu.
"Du bist nicht so hart, wie du gern sein würdest." Dorns Stimme war sanft. „Wer dich gut genug kennt, der weiß das. Da ist inzwischen so viel, was dich bedrückt. Laß dich davon nicht auffressen, das ist der falsche Weg. Du solltest wirklich mit Mackenzie reden. Er mag zwar nicht sonderlich nett sein, aber er ist kompetent."
Vashtu warf ihrem väterlichen Freund einen langen Blick zu. „Kompetent?" wiederholte sie, erstaunt, ein solches Wort aus seinem Mund zu hören.
Dorn nickte. „War auch schon bei ihm. Das halbe SGC war bei ihm, und viele aus Atlantis. Er hat sich um die gekümmert, an denen die Wraith sich nährten während der Belagerung."
Vashtu kniff die Augen zusammen und verzog unwillig das Gesicht. Dann wandte sie stumm den Kopf ab.
"Rede es dir von der Seele, dann wird es gut sein und du kannst hier raus. Du mußt nicht alles erzählen, nur soviel, wie er zum Arbeiten braucht."
Vashtu blinzelte die Tränen fort und schluckte einige Male, dann holte sie tief Atem. „Ich kann soetwas nicht, George", sagte sie schließlich.
"Du kannst es."
Als sie wieder in seine Augen sah, sah sie den Stolz in ihnen. Stolz auf sie. Und irgendwie wünschte sie sich plötzlich wirklich, seine Tochter zu sein, oder Laurell wenigstens gekannt zu haben. Dann würde sie sich vielleicht besser fühlen.
"Du hast das mit deinem Colonel wieder hingekriegt, also wirst du es auch schaffen, Mackenzie zu überleben und dir ein paar von deinen Sorgen nehmen zu lassen. Ist nicht so schwer, wenn du einmal einen Anfang gefunden hast."
Sie lächelte gezwungen, wurde aber gleich wieder ernst.
Dorn nickte, dann erhob er sich wieder, drückte noch einmal kurz ihre Hand. „Muß jetzt los."
Sie nickte nur, sah ihm nach, wie er ihr Zimmer verließ.

***

Peter bezahlte das Taxi, richtete sich dann, sich die Schläfen reibend, auf und blinzelte zum Haus hin.
Was war nur los mit ihm? Er fühlte eine unendliche Müdigkeit in sich, die er kaum bezähmen konnte. Dabei hatte er sich den ganzen Tag mit Kaffee zugeschüttet.
Er schüttelte leicht den Kopf und seufzte, dann wandte er sich dem Haus zu und stapfte mißmutig die Einfahrt hinauf.
Wieder ein Tag vorbei, wieder ein Tag, den er nicht im SGC gewesen war.
Ob man ihn dort vermißte? Ob man sich fragte, wo er geblieben war?
Er war sich da nicht so sicher. Immerhin war er inzwischen schon seit vier Tagen wieder in Boston, und bisher war noch nicht einmal ein Anruf eingegangen. Dabei war er sich eigentlich sicher gewesen, daß ...
Er zog mühsam den Schlüssel aus seiner Jackentasche und steckte ihn nach einigen Anläufen ins Schloß.
Das Haus war dunkel, als er die Tür aufstieß. Die Bediensteten seines Vaters übernachteten nicht hier, sondern in einem kleineren Anbau, der sich wie verschämt in einem extra angelegten Wäldchen verbarg. Und der Professor war entweder noch nicht von einer seiner zahlreichen Verpflichtungen zurück oder bereits zu Bett gegangen.
Peter seufzte schwer.
Zumindest hatte er damit gerechnet, daß Vashtu Uruhk sich nach seinem Verbleib erkundigen würde. Aber selbst sie schwieg.
Die Frage war, ob man im SGC tatsächlich eine Kündigung mit seinem Namen erhalten hatte oder nicht. Und ob man diese Kündigung wirklich ernst nehmen würde. Immerhin war er, seit er das erste Mal durch das Stargate geschritten war, ein Geheimnisträger. Normalerweise hätte man ihn nicht so einfach laufen lassen dürfen, zumindest hatte er das nie angenommen.
Ohne weiter darüber nachzugrübeln schlich er in die große Halle hinein, dann eine der breiten Flügeltreppen in den ersten Stock hinauf. Dabei gähnte er immer wieder herzhaft.
Vielleicht sollte er sich mit dem SGC in Verbindung setzen. Wäre vielleicht nicht die schlechteste Lösung um herauszufinden, was im Cheyenne-Mountain eigentlich geschah.
Aber morgen, beschloß er, heute war er nicht mehr fähig dazu. Morgen war auch noch ein Tag ...

***

Eine dunkle Gestalt löste sich aus dem Schatten eines wilden Rosenstrauches und glitt zur Eingangstür der Villa hinauf. Vorsichtig drückte sich eine behandschuhte Hand gegen das Holz. Die Tür schwang auf.
Ein böses Lächeln schlich sich auf schattige Züge.
"Guten Abend", zischte eine haßerfüllte Stimme.
Die Gestalt betrat das Haus.

***

"Bin da."
Mackenzie blinzelte und blickte dann auf. Überrascht nickte er, als er die Antikerin in der Tür zu seinem Büro stehen sah.
"Guten Morgen, Major", begrüßte er sie, klappte die Krankenakte zu, in der er sich einige Notizen gemacht hatte zu einem anderen Fall. „Schön, daß Sie jetzt zumindest ein erstes Einsehen zeigen. Wir kommen offensichtlich voran."
"Ich will hier heraus, und Sie scheinen der einzige Weg zu sein, das zu schaffen." Mit weiten Schritten marschierte sie zu dem Stuhl vor seinem Schreibtisch und warf sich hinein. „Also?" Auffordernd sah sie ihn an.
Mackenzie wurde mißtrauisch. Irgendetwas stimmte da nicht, da war er sich sicher. Erst gar nichts und jetzt plötzlich alles? Nein, das konnte nicht sein.
"Was soll ich erzählen? Über die Wraith? Da hätte ich einige nette Geschichten auf Lager." Ihr Gesicht wirkte angespannt bei diesen Worten.
Mackenzie beugte sich vor, sah sie sehr genau an, blickte in ihre Augen. Er las Entschlossenheit in ihnen, aber auch immer noch Widerstand. Und er war sicher, was auch immer sie gleich erzählen würde, es würde nicht das sein, was er hören wollte.
Er lehnte sich wieder zurück und nahm ihre Akte, um in ihr zu blättern. „Nun, wenn wir so früh beginnen wollen, dann sollten wir vielleicht gleich zum Anfang zurückkehren. Sie haben mehrmals angegeben, daß Sie Zeuge geworden sind, wie Ihre Mutter starb. Stand sie Ihnen nahe?"
Vashtus Gesicht versteinerte sichtlich. „Sie war meine Mutter", sagte sie nur.
Noch immer blockte sie ihn ab.
Mackenzie seufzte tonlos in sich hinein. Aber vielleicht ...
"Und wie war es, als Sie gefangen genommen wurden und der Wraith sich an ihr nährte? Wie war es für Sie?" bohrte er weiter.
"Schrecklich, wie sonst?" Sie zuckte mit den Schultern, als ginge das ganze sie nicht das mindeste an. Doch in ihren Augen konnte der Psychologe etwas anderes lesen. Einen tiefen Schmerz und einen nagenden Haß. Mehr Haß, als er bisher bei irgendjemandem gesehen hatte.
War das das Schlüsselerlebnis für sie gewesen? War das der Auslöser für ihre plötzlich und spontan ansteigenden Aggressionsschübe?
Sicher war er sich da nicht, aber möglicherweise handelte es sich um einen der Auslöser. Ein solches Erlebnis zeichnete jeden, und er hatte das mehr als einmal erleben dürfen.
"Als Sie dann auf Ihre Missionen gesandt wurden ... hat da jemals ein Wraith versucht, sich an Ihnen zu nähren?" fragte er.
Vashtu erstarrte, den Blick plötzlich vollkommen nach innen gerichtet. Dann erschauderte sie, schien sich mit aller Macht wieder aus den Erinnerungen herauszureißen. „Nein", sagte sie, doch wieder konnte er in ihren Augen die Wahrheit lesen. Mindestens einmal, doch es war nicht gelungen. Sie hatte keine Lebensjahre verloren.
Mackenzie nickte nachdenklich. „Diese Gentherapie, die Sie gemeinsam mit Ihrem Vater und Ihrem Bruder entwickelt haben ... Ihr Bruder hat sich ihr zuerst unterzogen, nicht wahr? Wie war es? Gelang es?"
"Zunächst ja. Dann begann er sich zu verändern - zu mutieren." Abrupt schloß sie den Mund, ihre Augen wurden starr.
Mackenzie hatte diese Reaktion zwar nicht erwartet, doch er war wenig überrascht. Aus den Akten wußte er, daß Vashtu offensichtlich auch auf der Suche nach einer Ersatzfamilie war, diese teilweise auch innerhalb ihres Teams gefunden zu haben glaubte. Die Art, wie sie mit Dorn umging, verriet viel über sie, ebenso ihre Anhänglichkeit, ja ihre Hartnäckigkeit gegenüber Dr. Babbis. Der einzige, der bei ihr wohl mehr oder weniger hinten überfiel war Wallace. Doch selbst das Verhältnis zu ihm hatte sich geändert seit der Geburt von SG-27.
"Inwiefern ist er mutiert?" Mackenzie beugte sich vor, nun absolut sicher, einen der Auslöser für ihr Verhalten gefunden zu haben.
Vashtu atmete einige Male tief ein, und eine Sekunde lang glaubte er wirklich, zu ihr durchgedrungen zu sein. Dann aber wechselte sie abrupt das Thema: „Wollen Sie nicht lieber ein paar nette Geschichten über die Wraith hören, Doc? Ist wesentlich unterhaltsamer als das."
Er war an einem wunden Punkt angelangt, dessen war er sich jetzt sicher. Er hatte etwas gefunden, sie selbst hatte ihn darauf gestoßen, vielleicht unabsichtlich, aber sie hatte es getan. Ihr Bruder, Enkil, war einer der Auslöser für ihr Verhalten. Irgendetwas war damals geschehen, was sie bisher entweder nicht ausgesprochen oder herunterspielt hatte. Irgendetwas, was für sie eine Welt hatte in Scherben gehen lassen.
"Wenn wir bei den Wraith sind ... Nun, ich hätte da selbst das eine oder andere anzubieten." Mackenzie faltete die Hände vor sich auf dem Schreibtisch. „Wußten Sie, was während der Belagerung von Atlantis geschehen ist?"
Ein tiefes Einatmen, ihr Blick irrte ab. „Nein, ich hatte keinen Zugriff auf den Rechner."
Eine glatte Lüge!
Mackenzie beugte sich vor. „Wenn Sie es gewußt hätten, was hätten Sie getan?"
Ihre Kiefer mahlten. „Ich hätte versucht zu helfen, das hätte ich getan!" Sie spie ihm diese Worte geradezu entgegen, doch noch immer war ihr Blick abgewandt.
"Und was hätten ausgerechnet Sie tun können? Sie waren eingesperrt in dieser Etage. Sie kamen nicht heraus und niemand kam herein."
Kurz, sehr kurz, vielleicht eine halbe Sekunde lang, sah sie ihn starr an, dann wandte sie mit einem Ruck den Kopf zum Fenster und sah hinaus. „Ich hätte gekämpft, wie ich es früher schon getan habe", antwortete sie.
Mackenzie ließ sich wieder in seinen Sessel zurücksinken, sah sie an.
Noch eine Lüge. Sie hätte nicht gekämpft, sie hatte gekämpft. Wie auch immer das untergegangen war, sie hatte Wraith getötet während der Belagerung. Die Frage war, was sie mit den Leichen angestellt hatte. Andererseits ... ihr Labor hatte an der Flutmarke gelegen. Sie kannte sehr wahrscheinlich Wege nach draußen, die sonst niemand kannte. Es mußte ein leichtes gewesen sein, die Leichen verschwinden zu lassen, damit es niemandem auffiel, daß da noch jemand in der Stadt war.
Warum hatte sie so lange gezögert? Warum hatte sie sich nicht schon viel früher gezeigt?
Mackenzie begriff, daß dieses Problem mit einigen anderen zusammenhing, auf deren Spur er sehr wahrscheinlich war. Aber solange sie sich noch immer nicht wirklich öffnete, hatte er keine Chance, diese auch nur anzukratzen.
"Es soll sehr schwer sein, einen Wraith zu töten, habe ich mir sagen lassen", tastete er sich vorsichtig voran. „Haben Sie eine effektive Methode?"
"Sie mit ihren Stunnern aufspießen oder das Genick brechen. Das sind die wirksamsten Methoden, die ich kenne." Ein bitteres Lächeln umspielte bei diesen Worten ihre Lippen. „Stangen, gleich aus welchem Material auch immer, solange es fest genug ist, sind ebenfalls sehr nützlich. Die Königin, die ich gemeinsam mit Colonel Sheppard mitsamt ihrem Schiff erledigte, habe ich mit einer Stange an die Wand ihres Schiffes genagelt."
"Ziemlich grausam, finden Sie nicht?"
"Warum? Was die Wraith mit meinem und Ihrem Volk tun, ist ebenfalls grausam. Wenn ich ihnen das Genick breche, geht es schnell." Ein Muskel in ihrer Wange zuckte. Noch immer starrte sie aus dem Fenster.
"Aber Sie müssen sehr nahe an sie heran, Sie müssen ihnen in die Augen sehen, sofern sie Augen haben", fuhr Mackenzie fort. „Das war zu Anfang sicher nicht ganz einfach."
"Einfach ist das Töten nie. Aber man gewöhnt sich daran." Wieder ein Zucken. Ihre Augen wirkten etwas verschleiert.
Der Psychologe beobachtete diese Reaktion sehr genau.
Wieder ein Punkt. Sie tötete wirklich nicht gern. Sie war keine einsame Killerin, die ihre Gefühle ausschalten konnte bei Bedarf. Sie hatte lernen müssen zu töten, um selbst zu überleben. Sie fühlte zwar kein Bedauern mit ihren Opfern, aber sie tat nicht gern, was man ihr zur Aufgabe gestellt hatte.
Mackenzie runzelte die Stirn.
Er war definitiv weiter gekommen als in den letzten Sitzungen. Dafür aber stellten sich ihm immer neue Fragen, die er nicht beantworten konnte. Und solange sie dermaßen dicht machte und ihn nur ansatzweise sehen ließ, was da an ihr nagte, würde er diese Probleme auch nicht wirklich ausmerzen können.
"Sie haben damals für den Rat gearbeitet, richtig?"
Nun senkte sie den Kopf und zog ein Bein an. Die Arme um den Schenkel geschlungen saß sie da und lehnte ihre Wange auf das Knie. Ihr Blick war wieder irgendwohin gerichtet, und wieder nahm er auch das Blocken wahr. Sie ließ nicht die ganzen Erinnerungen zu, nur soviel, wie sie selbst ertragen konnte. Aber die Probleme, die sie hatte, würden dadurch nicht verschwinden. Sie gährten weiter in ihr und schwollen zu etwas an, was irgendwann wirklich gefährlich für sie werden konnte.
"Nachdem ich mich selbst der Therapie unterzogen und beim Rat vorgesprochen hatte ja", antwortete sie endlich. „Man sandte mich auf die Wraith-Schiffe, um wichtige Personen meines Volkes dort herauszuholen oder um irgendeinem Hinweis nachzugehen. Manchmal versuchte man auch, die Blockade zu sprengen und wagte einen Ausfall, während ich auf irgendeinem Schiff war und dort für Unruhe sorgte."
"Und immer waren Sie allein?"
Ein tiefer Atemzug, dann schloß sie die Augen. „Ja, ich war allein auf diesen Schiffen", antwortete sie. Dann richtete sie sich plötzlich wieder auf und sah ihn an. „Hey, wie wäre es mit der Story, wie ich die junge Königin ins All gepustet habe? Das war witzig!" Doch in ihren Augen lag ein tiefer Schmerz.
Nein, es war nicht witzig gewesen, das sah Mackenzie sofort. Im Gegenteil, was auch immer damals geschehen war, Vashtu war von ihrem Volk bewußt isoliert worden. Wie hatte sie es selbst einmal gesagt? Sie war eine persona non grata gewesen für den Rat, ein nützliches Werkzeug, aber mehr auch nicht.
Der Psychologe begriff das eigentlich tragische an ihrer ganzen, unendlich langen Geschichte: Man hatte sie allein gelassen. Ihr eigenes Volk hatte sie allein gelassen mit einem Schmerz, den sie allein nicht bewältigen konnte. Mit der Zeit hatte sie sich daran gewöhnt, wahrscheinlich war sie selbst immer waghalsiger geworden während ihrer Aufträge. Ein Hilferuf von jemandem, dessen Stimme nicht gehört werden sollte. Sie hatte unbewußt ein Ende setzen wollen, und deshalb stieg ihre Gewaltbereitschaft immer mehr an, in der Hoffnung, daß irgendein Wraith irgendwann stark genug war, um sie zu töten.
Was hatten die Antiker einer der ihren angetan? Und warum?
Weil sie Angst vor ihr hatten wegen ihrer veränderten Gene? Weil sie etwas getan hatte, was man ihr vorher verbot? Oder spielte da noch mehr hinein?
Mackenzie zögerte, dann nickte er.
Er war weiter gekommen, sogar ein ziemliches Stück. Sehr wahrscheinlich würde er noch einiges mehr erfahren, aber für eine Sitzung reichte es erst einmal. Jede zusätzliche Information würde ihm noch mehr zu denken geben und sie noch tiefer in den Schlamasel hineinziehen, in den andere sie gestoßen hatten. Er wußte jetzt zumindest ansatzweise, warum sie manchmal so viel riskierte und so aggressiv wurde. Er kannte zwar noch immer nicht alle Antworten, aber es würde zunächst einmal reichen. Es mußte reichen. Er fühlte, daß sie selbst sich gerade in einem Netz aus ihren eigenen Erinnerungen und Erfahrungen fing. Und sie würde keinen anderen Ausweg finden, als wieder irgendetwas sehr gründlich zu zerlegen und Leichen zurückzulassen. Er konnte nicht weitermachen, ehe sie sich nicht wieder gefangen hatte. Sie beherrschte sich zwar, doch seine Fragen setzten ihr bereits zu, selbst wenn sie ihn nicht weit vordringen ließ.
Er atmete tief ein und klappte ihre Akte zu. „Ich denke, das reicht für heute, Major. Es wäre sehr nett von Ihnen, wenn Sie morgen wieder um die gleiche Uhrzeit erscheinen würden."
Die Anspannung löste sich aus ihren Gliedern. Erleichtert nickte sie und erhob sich.
"Und, Major, kommen Sie bitte pünktlich."
Wieder ein Nicken, dann verließ sie sein Büro, ließ ihn sehr nachdenklich zurück.

***

Peter wachte von dem Lärm von Schritten und vieler verschiedener Stimmen auf. Verschlafen rieb er sich das Gesicht und gähnte herzhaft, dann setzte er sich auf.
Was war denn da unten los? Seit wann bevorzugte sein Vater denn ... ?
Die Tür zu seinem Zimmer öffnete sich.
Peter sah auf, der Meinung, einer der Bediensteten wolle ihn wecken und sich entschuldigen für den Lärm. Doch statt in ein dienstbefließenes, nichts sagendes Gesicht sah er den bemützten Kopf eines Polizisten zur Tür hereinlugen.
Irritiert blinzelte er, setzte sich unwillkürlich aufrecht hin. „Ja?"
Der Polizist starrte ihn an, dann zog er kurz den Kopf zurück, um dann, mit einer Waffe in den Händen, die Tür ganz aufzustoßen und auf ihn zu zielen.
Peter starrte blinzelnd in den Lauf der Waffe. „Was soll das denn?" fragte er irritiert.
"Keine Bewegung! Hände hoch!" Der Polizist drehte den Kopf und bellte über die Schulter zurück: „Ich habe ihn! Hier ist er!"
Peter war verwirrt, hob aber die Hände, nur zur Sicherheit.
Was ging denn hier vor?
Da erschien schon ein Mann in einem grauen, schon bessere Zeiten erlebten, Anzug in der Tür, sah ihn an. „Sind Sie Dr. Peter Horacio Babbis?" fragte er.
Der junge Wissenschaftler nickte verblüfft.
"Sie sind verhaftet." Der Mann wandte sich ab.
Peter fiel das Kinn herunter.

TBC ...

2 Kommentare:

  1. häää???? Wie jetzt? Warum wird der denn verhaftet? oO
    Muss ich das jetzt verstehen?
    Und schon wieder habe ich am ende des Kapitels angefangen, aber ich glaube ich saß hier grad genauso wie Peter vor dem PC...Kinn herunter...

    Und Vashtu taut ja auch langsam auf hoffe ich. hm...ich steh grad irgendwie auf dem Schlauch und weiß nicht was ich schreiben wollte..
    tja dann hör ich mal an dieser Stelle auf, dieses mal nicht ganz so lang geworden, wie letztes Mal^^

    LG Sabrina

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  2. *lach* Ich hoffe, das Kinn ist wieder oben, gibt immer so eine komische Mimik, finde ich *zwinker*. Warum Peter verhaftet wurde? Das wirst du bald erfahren *harhar*. Sagen wir, es hat etwas mit dem Schatten zu tun, der da hinter ihm ins Haus gepirscht ist.
    Nicht schlimm, wenns dieses Mal kürzer ist, kein Problem. Ich denke, es gibt eigentlich zu Vashtu hier *noch* nicht viel zu sagen.
    Ich mußte nur grinsen, als ich das Chapter heu überarbeitete ... irgendwie hab ich "Lie to Me" damals ein bißchen vorweggenommen. *lach* Vielleicht sollte ich den guten Lightman noch adoptieren für ne FF. Irgendwie ist der Kerl mir sympatisch.

    Dank dir für das Comment!

    Bis denne
    Ramona

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