02.04.2010

Becketts letzter Dienst VI

Vashtu erwachte, als sie plötzlich Schreie und ein dumpfes Poltern hörte. Unwillig öffnete sie die Augen und runzelte die Stirn.

Was ging denn da wieder vor sich?

John gab einen unwilligen Laut von sich, drückte sie kurz an sich, ehe sein Griff wieder erschlaffte.

Wieder Stimmen.

Vashtu reichte es allmählich. Sie hatte Cavanough erkannt, und er schien wieder vor ihrer Tür zu sein. Jetzt hatte sie endgültig die Nase voll von ihrem Nachbarn.

So leise wie möglich entschlüpfte sie Johns Armen und richtete sich auf. Mit blossen Füßen tappte sie in den Flur und warf sich ihre Pilotenjacke über. Die war lang genug, und sie hatte nicht ewig Zeit, bis sie sich vollständig angezogen hatte. Sie schloß den Reißverschluß während sie zu ihrer Wohnungstür ging, drehte bereits den Schlüssel um, ehe sie überhaupt richtig fertig war und riß mit einem wütenden Funkeln in den Augen die Tür auf.

Dann aber blieb sie wie erstarrt stehen und glotzte einfach nur.

Die beiden MPs, die zu ihrer Bewachung abgestellt waren, standen vor ihr, ihre gesenkten Waffen zielten auf jemanden. Und dieser jemand war niemand anderes als ... Cavanough!

„Was ... ?" Vashtu blinzelte und fühlte sich wie in einem schlechten Traum. Das konnte doch alles nicht wahr sein!

Ihr Nachbar blickte hoch, ihr ging im letzten Moment auf, daß er aus seiner Position wahrscheinlich mehr sehen würde, als ihr lieb war und wich unwillkürlich zurück. Doch Cavanough schien im Moment andere Probleme zu haben als ihr wieder irgendwelche Beleidigungen an den Kopf zu werfen.

„Miss Uruhk, sagen Sie diesen Wahnsinnigen, daß sie mich sofort losmachen sollen!" Seiner Stimme war deutlich die Panik anzuhören.

„Mam?" Der erste ihrer Leibwächter salutierte. „Wir fanden dieses Objekt, wie es mit einem verdächtig aussehenden Gegenstand vor Ihrer Wohnung herumschlich."

Vashtu nickte, blinzelte wieder. Dann begann sie endlich zumindest ansatzweise zu verstehen. „Was für einen Gegenstand?" fragte sie.

Sollte Cavanough am Ende die undichte Stelle sein, die sie wieder an den Trust verraten hatte? Dann hätte sie Tom zu unrecht beschuldigt und er war wahrscheinlich vollkommen unschuldig zwischen die Fronten geraten, weil er sie des öfteren besuchte.

Der MP wies mit verlegener Miene auf etwas auf dem Boden vor ihrem Schlafzimmerfenster. Vashtu reckte den Hals und atmete tief ein.

Eine Videokamera lag zerschellt unter dem Fenster. Und es fiel wirklich nicht schwer sich vorzustellen, was Cavanough damit hatte tun wollen.

In ihr brodelte wieder die Wut auf. „Ich kenne diesen Kerl nicht. Nehmen Sie ihn mit!" befahl sie.

„Das ist ihr Nachbar, Cavanough", sagte eine Stimme hinter ihr, zwei Hände legten sich auf ihre Schultern. „Aber ein kleines Verhör hätte er inzwischen schon verdient. Sergeant, warum konnte er uns gestern den ganzen Tag belästigen, ohne daß Sie eingeschritten sind?" John drückte kurz ihre Schultern, als wolle er sie beruhigen.

Die beiden MP wechselten einen Blick. „Da waren wir nicht im Dienst", erklärte der erste dann.

Vashtu atmete tief und kontrolliert ein, um nicht loszubrüllen vor Wut. „Es reicht mir! Mr. Cavanough, Sie können meinerseits mit einer Anzeige rechnen." Damit drehte sie sich um und marschierte an John vorbei in ihre Wohnung zurück.

Dumpf vor sich hinbrütend warf sie sich in ihren Sessel und zog die Beine an. Aus dem Flur hörte sie John noch einige Worte mit den beiden Militärpolizisten wechseln, dann schloß sich die Tür, der Schlüssel wurde wieder herumgedreht. Kurz darauf erschien er, noch vom Schlaf zerzaust und unzureichend bekleidet, in der Türöffnung und sah sie stirnrunzelnd an.

„Das war nicht nett", kommentierte er.

„Dieser ... dieser ..." Vashtu stieß einen Fluch in ihrer Muttersprache aus. „Gerade, wenn ich denke, alles läuft gut, taucht Cavanough auf. Der wollte uns filmen!"

John hob die Brauen, kreuzte die Arme vor der Brust und lehnte sich an den Türrahmen. „Aber ihn zu verleugnen und Storm ausliefern zu wollen ist auch keine Lösung, Vash." Er schmunzelte. „Obwohl die Vorstellung schon irgendwie reizvoll ist."

Vashtu schnaubte.

John trat langsam näher. „Jetzt komm wieder runter, Vash. Sicher, das war kein sonderlich schöner Weckdienst, aber zumindest für heute dürften wir den Kerl los sein."

Ihn anblitzend warf sie ihm einen wütenden Blick zu. „Und was bringt das? Morgen ist er wieder da."

„Müssen wir dann da sein?" John sah sie auffordernd an.

Vashtu blinzelte überrascht, dann richtete sie sich auf. „Du hast recht!" Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. „Wir wollten doch ohnehin ein bißchen skifahren."

John musterte sie amüsiert. „Habe ich nicht gesagt, du wirst noch Ideen haben? Was meinst du, was man im Schnee alles anstellen kann?"

„Es ist naß und kalt", kommentierte sie.

Er beugte sich zu ihr hinunter. „Ein schönes Picknick, sich dicht aneinanderkuscheln und gegenseitig wärmen", schlug er vor.

„Und dann, im Hotel ..." Ein Strahlen breitete sich über ihr Gesicht aus. Dann trat ein spitzbübisches Glitzern in ihre Augen. „Bist du eigentlich wirklich so gut, wie Faustus meint?"

Überrascht riß er die Augen auf. „Fau... Woher kennst du Faustus?"

„Aus MacMurdo?" Sie schlang die Arme um seinen Nacken und zog ihn dichter an sich heran, ehe er sich wieder aufrichten konnte. „Sollen wir gleich packen, oder möchtest du vielleicht erst ... ?" Sie wartete nicht auf Antwort, sondern zog ihn in einen langen, sehnsüchtigen Kuß.


***


Gut eine Stunde später kamen sie aus dem Apartment, ihre Sachen zusammen in Vashtus Reisetasche gepackt, weil Johns noch immer nach After Shave stank. In aller Eile hatten sie gepackt, Vashtu dann in dem Hotel angerufen, mit dem sie sich schon vorher in Verbindung gesetzt hatte. Jetzt trabten sie die Treppen hinunter, John die Tasche über der Schulter, Vashtu ihre Schlüssel unternehmungslustig schwingend.

„Und du willst wirklich ... ?" Er blieb im Durchgang stehen, während sie den Schlüssel zu ihrem Keller heraussuchte, in dem sie immer ihr Motorrad unterstellte.

„Warum nicht?" Vashtu sah kurz auf, runzelte dann die Stirn. „Du bist doch schon mit mir gefahren. So schlecht bin ich nun auch wieder nicht."

„Aber schnell", entgegnete er und erntete einen vernichtenden Blick. „Bist du eigentlich schon einmal auf einer vereisten Straße mit einem Motorrad gefahren?"

„Nein."

„Dann sollten wir uns vielleicht einen Mietwagen nehmen." John sah kurz zur Straße hinaus. Ein dunkler Sportwagen hatte gerade am Straßenrand gehalten.

„Wozu? Ich kann fahren."

John seufzte ergeben und fügte sich.

Noch immer war die Antikerin in einer etwas ... gereizten Stimmung, und er wollte keinen Streit mit ihr anfangen. Also würde er wohl hoffen müssen, daß sie beide nicht im nächsten Graben landeten, sobald sie ins Gebirge kamen.

„Geh schon mal vor." Vashtu griff nach der Tasche.

Er ließ sie von seiner Schulter gleiten, dann ging er wortlos die Einfahrt hinunter. Dabei ließ er den Sportwagen nicht aus den Augen, der immer noch am Straßenrand verhielt. Er sah eine Bewegung im Inneren, eine Silhouette.

War das nicht ... ?

John beschleunigte seine Schritte, da gab der Wagen plötzlich Gas und brauste davon. Stirnrunzelnd blieb der Lt. Colonel stehen und sah dem Gefährt nach.

Er war sicher, er hatte gerade diesen eigenartigen Tom gesehen. Aber was wollte der schon wieder hier?


***


„Du hast was?" John staunte Vashtu nur noch groß an.

Die Antikerin zuckte mit den Schultern. „Was sollte ich denn machen? Zu Mackenzie habe ich kein Vertrauen, tut mir leid. Er ist ... so komisch mir gegenüber."

„Er will dich aus der Reserve locken. Das macht er mit jedem. Aber du kannst doch keinem Wildfremden Staatsgeheimnisse anvertrauen. Vash!" John schüttelte ungläubig den Kopf.

„Ich habe Tom keine Staatsgeheimnisse anvertraut. Ich habe nicht einmal den Namen erwähnt!" Vashtu knallte ihre Tasse hart auf den Tisch des Diners, in dem sie saßen, um zu Frühstücken. „so dämlich bin ich nun auch wieder nicht. Ich habe Tom erzählt, ich sei ... auf einen ... Vergewaltiger gestoßen." Sie senkte den Kopf.

John holte tief Atem und schluckte hart. „Kolya ist ... war kein ... Vergewaltiger, und das weißt du auch sehr genau."

„Und was sollte ich ihm sonst sagen? Daß ich beinahe das Opfer eines machtgierigen Irren geworden wäre, der eine sagenhafte Stadt mit meiner Hilfe in seinen Besitz nehmen wollte? Und, das noch ganz nebenbei, dich zu töten beabsichtigte? Und anschließend wollte er dann auch noch die Macht über einen ganzen Planeten an sich reißen? Wer sollte mir das denn glauben?" Vashtu schüttelte den Kopf.

John sah sich unauffällig um, doch es war niemand auf sie aufmerksam geworden, zumindest schien es so. Der Geräuschpegel hier war eindeutig zu hoch.

Er drehte sich wieder zu ihr um und funkelte sie an. „Du hättest dich gar nicht an diesen Tom wenden dürfen, Vash, und das weißt du auch sehr genau", zischte er ihr zu. „Ob du Mackenzie nun magst oder nicht, er ist ein hervorragender Therapeut. Was weißt du denn eigentlich über diesen Tom? Der könnte dir weiß Gott was für eine Geschichte aufgetischt haben, die du nicht überprüfen lassen kannst." Er schüttelte ungläubig den Kopf. „Und dann ... ein Vergewaltiger! Vashtu, ich bitte dich!"

Ihre Brauen zogen sich zusammen. „Denkst du, ich weiß nicht, was eine Vergewaltigung ist, John?" In ihren Augen funkelte etwas, bei dem er erst nach dem zweiten Hinsehen bemerkte, daß es Tränen waren.

Urplötzlich fiel ihm die andere Geschichte wieder ein, die sie ihm erzählt hatte.

Natürlich wußte sie, was eine Vergewaltigung war. Vielleicht keine körperliche, aber in eine Geistesverschmelzung gezwungen zu werden war wenigstens ebenso schlimm.

Betreten senkte er den Kopf. „Ich habe nicht daran gedacht", gestand er, griff nach ihrer Hand. Einen Moment lang glaubte er, sie wolle sie ihm entziehen, dann aber ließ sie es doch zu. Als er ihr wieder ins Gesicht sah, las er sehr deutlich den Schmerz, den der andere Antiker hinterlassen hatte.

„Es tut mir leid", wisperte er, streichelte sanft ihren Handspann.

Vashtu holte tief Atem, dann nickte sie und senkte den Kopf.

„Aber dennoch ..." fuhr John fort. „Du hast da einen riesengroßen Fehler gemacht. Ich kann nur hoffen, daß er nicht irgendwann auf dich zurückfällt. Du hättest gar nicht mit diesem Tom anbändeln dürfen, Vash. Und, wenn du ehrlich zu dir selbst bist, weißt du das auch sehr genau."

Sie preßte die Lippen fest aufeinander, dann aber nickte sie zögernd.

„Versprich mir, daß du Landry von dieser Sache erzählst. Bitte, Vash! Vielleicht ist das die Antwort darauf, warum der Trust dich plötzlich wieder jagt."

„Ich glaube nicht, daß Tom etwas mit dem Trust zu tun hat." Sie schüttelte den Kopf. „Zumindest nicht freiwillig. Ich habe gesehen, wie er reagierte während des fingierten Überfalls. Er gehört nicht dazu."

John seufzte und verzog das Gesicht.

Mit vernünftigen Argumenten kam er hier wohl nicht sehr weit. Dennoch aber blieb die Gefahr, daß dieser Tom die undichte Stelle war. Und, wenn er ehrlich war, war das sogar ziemlich wahrscheinlich. Kaum war Tom in ihr Leben getreten, meldete sich auch derTrust zurück. Das konnte schlicht kein Zufall sein!

„Dr. Heightmeyer hat mir den Rat gegeben, ich solle mir neue Freunde suchen." Vashtus Stimme klang dumpf. „Und ich hatte auch das Gefühl, daß es mir besser gehen würde. Bis du mir gesagt hast, daß ..." Sie schloß den Mund und starrte auf ihr Rührei.

„Bis ich dir gesagt habe, daß Kolya tot ist", vollendete John den Satz und nickte. „Ich habe sehr genau bemerkt, wie es dir gegangen ist in diesem Moment. Und genau darum solltest du noch einmal mit Mackenzie sprechen. Er ist auf Traumata spezialisiert."

Vashtu schüttelte vehement den Kopf. „Er ist aggressiv!" entgegnete sie heftig.

„Aber genau das ist es, was du brauchst, glaube mir." John beugte sich vor. „Du mußt mit dieser Sache fertigwerden, Vash, ehe sie dich auffrißt. Du magst dein Aggressionspotenzial wieder in den Griff gekriegt haben, aber die Sache ist noch längst nicht ausgestanden für dich. Ich kann das verstehen, wenn vielleicht auch nicht alles. Ich habe keine unsterblichen Zellen in mir wie du, ich weiß, daß ich eines Tages sterben werde, im Gegensatz zu dir."

„Ich werde auch irgendwann sterben, John. Ich weiß nur nicht wann." Noch immer starrte sie auf ihren Teller, die Stirn in tiefe Falten gelegt.

„Das weiß so gut wie niemand." John ließ seine Stimme sehr sanft klingen bei diesen Worten.

Vashtu schüttelte unwillig den Kopf. „Aber ihr wißt, ihr habt eine bestimmte Zeitspanne." Sie blickte wieder auf. In ihren Augen blitzte es. „Ich weiß das nicht. Wraith können unendlich lang leben, wenn sie genug Nahrung haben."

„Ich weiß. Ich mußte schon gegen einen zehntausend Jahre alten Wraith antreten." John zog eine Grimasse und rieb sich unbewußt die Rippen.

Vashtus Augen folgten seiner Bewegung. Sie verzog unwillig das Gesicht, senkte dann den Blick wieder.

John seufzte. „Je länger diese Sache an dir nagt, desto schlimmer wird es werden, glaube mir. Ich weiß, wovon ich rede. Oder denkst du, mir hat es Spaß gemacht, als der ... der Wraith sich an mir nährte?"

Sie schüttelte stumm den Kopf und blickte auf ihre Hand. „Ich ..." Sie schloß den Mund und kniff die Lippen wieder aufeinander.

John beugte sich vor. „Du hast es mir erzählt, schon vergessen?"

Sie sah auf. „Aber du weißt nicht ..." In ihre Augen trat Verzweiflung. „Ich hatte einen unendlichen Hunger damals. Ich hätte mich an dir nähren können. Ich hätte nie geglaubt, daß ... daß die Verwandlung so weit reichen könnte." Sie erschauderte. „Als ... ich noch Rettungsmissionen durchführte, wurde ich einmal beschuldigt, genau das getan zu haben an einem anderen. Aber zumindest das hat der Rat mir geglaubt. Damals konnte ich es nicht."

„Du konntest auch nur, weil du gegen diese Königin angetreten bist, Vash. Sie hat das letzte von dir verlangt. Ich war dabei, schon vergessen?" Er streckte die andere Hand aus und berührte sanft ihre Wange.

Vashtu sah nun doch wieder auf. Ein dünnes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. „Ich hätte das nicht gekonnt, nicht bei dir. Aber ich hatte Angst, daß du es bemerken und mich beschuldigen könntest, ich hätte ..."

„Hast du mir damals so wenig vertraut?" Überrascht hob er die Brauen.

„Ich habe dir immer vertraut, John. Von Anfang an. Aber ..." Ihre Schultern sanken herab.

Er nickte verständnisvoll. „Und genau darum solltest du dir Hilfe suchen. Ich kann dir dabei nicht wirklich helfen, wenn ich auch nachvollziehen kann, wie es dir gegangen ist. Aber ich war nie in einer Situation wie du damals, zur Zeit der Belagerung. Ich war nie so vollständig isoliert von anderen, schon gar nicht über eine so lange Zeit."

Sie kniff die Lippen wieder zusammen, sagte nichts mehr, sondern starrte auf ihren Teller.

„Ich kann verstehen, wenn du Mackenzie nicht trauen willst. Aber, glaube mir, er ist der beste, wenn es um solche Dinge geht, wie du sie erlebt hast. Versuch es zumindest, versprich mir das." Er ließ seine Worte besonders einfühlsam klingen bei diesen Worten.

Vashtu atmete tief ein, sah dann wieder hoch. Langsam nickte sie. „Ich werde es versuchen."

John lächelte. „Gut."


***


Kaum hatte sie die Tür aufgeschlossen, da entfuhr Vashtu schon der erste kleine, entzückte Aufschrei.

John, der ihre Tasche wieder über die Schulter geschlungen getragen hatte, schüttelte amüsiert den Kopf, als sie in das Zimmer stürmte und, wie ein kleines Mädchen, zu staunen begann. „Wir haben einen Balkon!" rief sie ihm zu, während er den Schlüssel wieder abzog und die Tür hinter sich sorgsam schloß. „Und guck dir nur dieses Bett an! Und ... was für eine Einrichtung!" Vergnügt tanzte sie auf der Stelle.

John grinste.

Wieder hatte er das kleine Mädchen vor sich, wenn auch ein sehr glückliches und entspanntes kleines Mädchen. Diese Verwandlungen an ihr irritierten ihn zwar ein bißchen, aber inzwischen, so bemerkte er selbst, gewöhnte er sich daran und harrte sogar auf einen neuen Rollenwechsel. Ob er auch so war? Nein, zumindest er hatte das noch nicht realisiert.

Vashtu warf sich auf das breite Bett. Die Matratze federte leicht nach. „Klasse!"

John stellte ihre Tasche auf einem der zwei Sessel ab und drehte sich um, um das Hotelzimmer zu betrachten.

Der Raum war recht groß, und, Vashtu hatte recht, mit einem Balkon verbunden, wahrscheinlich dem gleichen, den sie schon auf den letzten Metern ihrer Herfahrt gesehen hatten. Das breite Bett wirkte wirklich sehr einladend, vor allem mit seinem jetzigen Inhalt, ein wuchtiger Kleiderschrank und eine Kommode, auf der ein Fernseher stand, vervollständigten die Einrichtung. Eine schmalere Tür führte sehr wahrscheinlich in ein Bad. Dazu dam dann noch eine kleine, gemütliche Sitzgruppe vor einem Kamin.

John schürzte die Lippen und schälte sich aus seiner Jacke, ehe er den Raum durchschritt und die besagte Tür öffnete.

Ein Bad mit hellen Kacheln lag erwartungsgemäß dahinter. Eine breite Badewanne mit eingebauter Dusche, ein Waschbecken, die Toilette und ein BD, alles da. Die Amaturen glänzten wie poliert.

„Und?"

Er drehte sich um und sah, daß Vashtu sich auf die Ellenbogen gerappelt hatte und ihn erwartungsvoll ansah. Er nickte grinsend. „Perfekt. Und hier gibt es sicher keinen Cavanough, der uns beide ärgern kann."

Ihre Stirn umwölkte sich, schmollend schob sie die Unterlippe vor. „Mistkerl!" entfuhr es ihr.

John trat an das Bett und beugte sich über sie. „Er ist nicht hier", sagte er mit bestimmter Stimme, nachdem er ihren Blick eingefangen hatte.

Sie sah ihn an. In ihren Augen leuchtete etwas, was er inzwischen mehr als gut kannte. Er beugte sich noch tiefer über sie und küßte sie. „Und fahren kannst du wirklich hervorragend."

Ein sehr zufriedenes Lächeln erschien auf ihren Lippen. Und im nächsten Moment hatte sie ihre Arme um seinen Nacken geschlungen und zog ihn zu sich hinunter.

„Vash!"

John verlor das Gleichgewicht und purzelte auf sie drauf.

Vashtu lachte, dann wurde sie wieder ernst, als sie in sein Gesicht blickte.

War diese Frau nicht einfach unglaublich? Sie war es, rief John sich immer wieder ins Gedächtnis. Sie mußte es einfach sein.

Carson hatte so recht gehabt. Die faszinierenste Frau des ganzen Universums, das war sie. Und sie hatte sich ausgerechnet für ihn entschieden. Er konnte dieses Glück kaum fassen.

Zögernd senkte er seinen Kopf und küßte sie erneut, lang und zärtlich, und ließ sanft seine Hände über ihren Körper wandern.

„Zieh die Jacke aus", murmelte er zwischen zwei weiteren Küssen.

Vashtu lächelte wieder, reckte sich ihm entgegen und drückte ihre Lippen kurz auf seine. „Ich glaube, jetzt hatte ich einen Einfall", wisperte sie ihm zu.

John richtete sich überrascht wieder auf. „Was?"

Sie mußte ihre Fremdzellen eingesetzt haben, denn ohne große Anstrengung zog sie ihn wieder zu sich hinunter.

John ließ es mit sich geschehen, was auch immer sie da tun wollte. Das ganze machte ihn allmählich neugierig.

Entschlossen rollte Vashtu sich unter ihm hervor und schlüpfte vom Bett herunter. Er wälzte sich träge herum und beobachtete, wie sie sich ihrer dicken Jacke entledigte.

„Was hälst du von Snowboards?" fragte sie schließlich, als sie wieder zum Bett zurückkehrte.

„Hä?"

Sie öffnete die Schnürsenkel und kickte ihre Schuhe von den Füßen, ehe sie wieder auf das breite Bett krabbelte, sich über ihn beugte. „Snowboard fahren", wiederholte sie sanft und zärtlich und drückte erneut ihre Lippen auf seine, während ihre Linke über das Hemd strich, das er trug.

„Snowboard klingt gut." Er sah etwas ratlos zu ihr auf, sog dann aber scharf die Luft ein.

„Gut", gurrte sie.

In diesem Moment klopfte es an der Tür.

Vashtu richtete sich sehr zufrieden grinsend wieder auf.

„Hey!" John rappelte sich entrüstet auf die Ellenbogen, während sie zur Tür ging und diese öffnete, nachdem sich der Zimmerservice gemeldet hatte. Dabei ging ihm auf, daß sie ihre Beretta im Hosenbund mit sich herumtrug. Seine Augen weiteten sich. War sie die ganze Zeit über bewaffnet?

Ein Hotelangestellter betrat den Raum, einen Servierwagen vor sich herschiebend. „Wie Sie bestellt haben, Miss. Wenn Sie bitte hier unterschreiben würden." Er hielt ihr einen Block und einen Stift hin.

John runzelte die Stirn und warf dem Wagen einen kritischen Blick zu.

Was sollte das? Was hatte sie vor?

Vashtu zeichnete die Rechnung gegen und gab sie dem Mann vom Zimmerservice wieder zurück. Dann drehte sie sich zu John um, während der andere das Zimmer wieder verließ und lächelte verschmitzt über seine Miene. „Laß dich überraschen, John Sheppard." Sie drehte den Schlüssel.

Seine Augen wurden schmal, als er sich aufsetzte. Mit scheelem Blick betrachtete er die abgedeckten Schüsseln auf dem Servierwagen. Und eines war ihm garantiert nicht entgangen: Der Sektkühler und die beiden Gläser.

„Wann hast du denn das bestellt?" fragte er.

Vashtu grinste, hob die Abdeckung von der Schüssel und nickte befriedigt. „Bevor wir losgefahren sind. Die Flasche Sekt ist vom Hotel, die habe ich nicht bestellt. Alles andere schon."

John erhob sich nun doch und trat hinter sie. Sie mit seinen Armen einfangend und sanft und liebevoll an sich drückend legte er das Kinn auf ihre Schulter und blickte in die Schüssel.

„Sogar extra geliefert. Sehr schön." Vashtus Stimme klang wie ein zufriedenes Schnurren.

„Obstsalat?" John blinzelte etwas irritiert.

„Mach die zweite Schüssel auf", gurrte sie und lehnte sich gegen ihn.

John drückte ihr einen liebevollen Kuß auf den Hals, löste seine Hand dann von ihrem Körper und beugte sich, sie leicht mitziehend, vor, um die zweite Schüssel ihres Deckels zu entledigen. Dann aber wurden seine Augen groß. Ein verschmitzte Lächeln erschien auf seinen Lippen.

„Gute Idee, Vash", flüsterte er, als er sich wieder aufrichtete.

Sie drehte sich in seinem Arm zu ihm um und reckte das Kinn. „Nicht wahr?" gurrte sie, legte ihm die Hände um den Nacken.

„Sehr gut, sogar." Er suchte ihre Lippen und küßte sie erneut, während seine Finger begannen, ihre Wirbelsäule entlangzustreichen.

Vashtu gab einen wohligen Laut von sich, drängte sich dichter an ihn und ließ seine Zunge nicht mehr aus ihrem Mund verschwinden.

Johns Hände glitten an der Waffe vorbei. Einen Moment lang wollte sich seine Erregung wieder zurückziehen, dann aber gewann doch diese unglaubliche Frau in seinen Armen. Seine Hände glitten unter ihren Pullover, streichelten ihre Hüften, glitten zu ihrer Mitte hinauf.

Vashtu schloß die Augen halb und wölbte sich unter seinen Streicheleinheiten nach hinten. Und ihre Hände glitten über seine Seiten, fanden den Hosenbund und zerrten ungeduldig an seinem Hemd, bis sie endlich ihr Ziel fanden, seine Haut.

John schluckte, seine Knie wurden weich.

Was war das nur für eine Frau, die er da in seinen Armen hielt? Wie konnte all das hier überhaupt geschehen? Er fühlte sich wie in einem Traum.

Vashtu löste sich mit entschlossenen Bewegungen von ihm, zog dann, mindestens ebenso entschlossen, ihren Pullover über den Kopf. Eine leichte Gänsehaut bildete sich sofort auf ihrem Oberkörper, obwohl der Raum eigentlich warm war, wenn man ihm auch anmerkte, daß das Hotel die Heizung erst geöffnet hatte, als dieses Zimmer vermietet war.

John knöpfte sich ungeduldig das Hemd auf, lächelte sie unter seinen Ponyfransen her an.

Vashtus Finger versanken in der zweiten Schüssel. Als sie sie wieder hob, war eine weiche, weiße Masse an ihnen.

Mit einem langen Schritt war er bei ihr, packte sanft ihren Arm. Dabei sah er sie an.

„Sahne ist sehr lecker, findest du nicht?" fragte er leise.

Sie lächelte.

John beugte sich über ihre erhobene Hand. Seine Lippen schlossen sich um die beiden Finger und er saugte die Sahne von ihnen, um sich dann wieder seinen Mund über ihren zu senken.

Vashtu gab einen wohligen Laut von sich, während er seine Zunge, mit den Resten der süßen Sahne an ihr, in ihren Mundraum schob.

Sie lernte also doch. Alles was sie gebraucht hatte, waren ein paar Tage, um sich auf dieses neue in ihrem Leben einzustellen, wurde ihm klar. Jetzt aber hatte er sie endlich da, wo er sie schon die ganze Zeit über hatte haben wollen.

Er löste seine Hand von ihrem Körper, zupfte eines der Fruchtstücke aus der ersten Schüssel und versenkte es in der Sahne, um es ihr anschließend hinzuhalten.

Gemeinsam sanken sie endlich auf das Bett, bedeckten sich mit heißen Küssen und fieberten ihrem Höhepunkt entgegen.


***


Vashtu trat entschlossenen Schrittes auf das Snowboard, sah sich dann noch einmal die Abfahrt an, die in der untergehenden Sonne dieses Tages rötlich leuchtete.

„Das war eine klasse Idee von dir", bemerkte John an ihrer Seite.

Die Antikerin nickte. Ihr Atem dampfte in der kalten Luft. Sie warf ihm einen langen, liebevollen Blick zu. „Wer zuerst unten ist ..." rief sie dann aus und holte Schwung. Gekonnt warf sie sich auf die Piste und raste den Abhang hinunter. Die Geschwindigkeit versetzte sie in einen gewissen Rausch, dem Fliegen nicht unähnlich. Und John nahe bei sich zu wissen ...

Vashtu lächelte.

Es war einfach ein herrliches Gefühl, ihn bei sich zu haben, alles gemeinsam tun zu können und ihre Gefühle zueinander wachsen zu lassen.

Sicher, sie wußte auch, es würde nicht immer ohne Reibereien unter ihnen funktionieren. Dafür waren sie sich dann doch zu ähnlich, wenn sie auch versuchte, andere Wege und Lösungen zu finden als er. Dennoch tat sie wohl oft genug genau das, was er auch tun würde, sagte vielleicht sogar das gleiche.

Carson hatte mit allem Recht, kam ihr in den Sinn, als sie schließlich abbremste. Noch ehe sie sich umdrehen konnte, fühlte sie auch schon einen anderen Körper, der gegen ihren prallte. Der Halt auf dem Board war alles andere als sicher, so daß sie beide lachend in den Schnee plumpsten. John rappelte sich wieder auf, blickte spitzbübisch zu ihr hinunter. Dann beugte er sich plötzlich vor und stibizte ihr einen Kuß von den Lippen.

„Die faszinierendste Frau des ganzen Universums! Ich bin ein riesiger Glückspilz, Vash", flüsterte er ihr zu.

Und sie lächelte nur.


***


„Was muß man eigentlich tun, damit ihr zwei euch nicht in den Haaren liegt, mh?" Carson Beckett umarmte sie kameradschaftlich, hielt sie dann von sich und sah sie fest an. „Mach dir nicht so viele Sorgen, Vashtu, hörst du? Das wird sich schon wieder einrenken."

Sie sah ihn mit traurigem Augen an, dann nickte sie. „Danke, Carson. Du hast schon so viel geholfen. Ich wüßte nicht, wie ich dir das je danken soll."

Der Schotte lächelte versonnen. „Sagen wir, mein Dienst als Liebesbote für euch beide bringt auch mir eine gewisse Befriedigung. Das reicht mir."

Sie nickte bitter. „Und du bist weiter einsam. Es tut mir leid für dich."

„Mach dir darum keine Sorgen, Vashtu." Beckett machte kurz Babbis Platz, der den Jumper besteigen wollte mit düsterer Miene.

„Es tut mir leid, daß ich in dir nur einen Freund sehen kann. Aber wahrscheinlich den besten Freund, den ich je hatte, falls dich das tröstet."

„Na, das ist doch schon einmal etwas." Beckett drückte sie wieder kurz an sich, dann trat er zurück. „Und jetzt solltest du sehen, daß du über die GateBrigde kommst, ehe Landry noch ein Rettungskommando ausschickt, um dich wieder zurückzuholen. Die Pegasus-Galaxie scheint ihm für dich zu gefährlich."

Vashtu senkte den Kopf. „Ja, ich weiß. Auch wenn ..." Sie stockte und seufzte schwer.

„Laß dich nicht unterkriegen und vertrau mir. Einen letzten Dienst werde ich euch beiden noch erweisen, Vash, und wenn es das letzte ist, was ich je tun werde", sagte der Schotte mit entschlossener Miene. „Euch beide zusammenzubringen war bisher schon eine harte Arbeit für einen Aushilfsarmor wie mich. Euch die Köpfe ein wenig zurechtzurücken erscheint mir da noch die wesentlich leichtere Übung."

„Du bist auch gegen die Air Force, Carson", warf Vashtu mit einem traurigen Lächeln ein.

Beckett zuckte mit den Schultern. „Einen letzten Dienst für zwei dickköpfige Liebende." Er hob einen Finger. „Was deinen Militäreintritt angeht, so halte ich mich da heraus. Du kennst meine Meinung, aber ich bin gern bereit, mich vom Gegenteil überzeugen zu lassen. Also streng dich an, Major Vashtu Uruhk."

„Das werde ich tun, Carson." Wieder sandte sie ihm ein trauriges Lächeln.

„Was deine Beziehung zu John Sheppard angeht ... nun, ich denke, ihr beide seid erwachsen genug, um das letztendlich unter euch zu klären. Und genau darum sage ich, ich werde euch beiden noch einen letzten Dienst erweisen. Wenn der scheitert ... kann auch ich nichts mehr tun und nur hoffen, daß ihr doch wieder zusammenfindet." Er trat noch einen Schritt zurück. „Und jetzt ab mit dir, baldiger Major. Du hast dein Team gerettet, das ist doch etwas."

Vashtu nickte, bestieg jetzt wirklich die Rampe. Dann drehte sie sich noch ein letztes Mal um und sah sich in der Jumperbase von Atlantis um, während die Heckklappe sich schloß.


TBC ...

2 Kommentare:

  1. Hey und Frohe Ostern ;)
    oh man Cavanaugh :D echt klasse, wie er die Filmen wollte und auf einmal der MP gegenübersteht ^^
    Kein Wunder, dass Vashtu dadurch nicht unbedingt in bester Stimmung ist, aber John war ja so freundlich und hat verhindert, dass er ein Verhör über sich ergehen lassen muss.
    Oh wie gemein, die beiden sind Ski fahren...ich will mit :D
    Mir ist vorhin aufgefallen, das Carson mit seiner Aussage recht hatte: Er bringt die beiden zusammen und wenn es das Letzte ist, was er tut...
    Nur hat er das nicht mehr mitbekommen, dass er sein Ziel erreicht hat :'(

    Also...ich schreib am 16. meine erste Klausur und am 24. die letzte (auf einem Samstag, Gemeinheit!) und Anfang Mai ist dann mündlich und dann bin ich endlich durch damit!
    Danach geht es dann erst mal in Urlaub und dann bekomme ich meinte Ergebnisse.
    LG Sabrina

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  2. Auch dir Frohe Ostern und viele, viele bunte Eier!
    *lach* Jaja, der gute Cavanaugh, so isser eben, dieser kleine Spanner. *grins* Zumindest einmal ist die MP auf Zack, wird nicht immer so sein.
    Ja, stimmt, die Erinnerungen an Carson verbinden John und Vashtu und bringen die beiden wieder zusammen. Das ist etwas, was mir im RL passiert ist - gut, nicht über den Tod desjenigen, der Amor spielte, aber wenn er/sie damals nicht eingegriffen hätte, wäre ich nie mit meinem Ex zusammengekommen.
    Mh, wenn ich drüber nachdenke jetzt glaube ich, daß war es, was mich seinerzeit am meisten verletzt hatte, daß jemand über die Story schrieb, John und Vashtu würden sich gegenseitig ausnutzen wegen der Erinnerungen. Naja, ich weiß ja, aus welcher Richtung das kam ...

    An einem SAMSTAG? Wow! Heftig! Ich werd dir auf jeden Fall die Daumen drücken. Klappt sicher, bin ich von überzeugt.

    Dann noch einen schönen Oster-Sonntag! Und dank dir für dein Comment.

    Bis denne
    Ramona

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