14.07.2010

Das Angesicht des Feindes 4/4 V

Vashtu kam im Eilschritt voran, die Augen an den Detektor geklebt, der ihr allerdings noch immer nicht das mitteilte, was sie wirklich wissen wollte. Dafür aber wurde sie frühzeitig gewarnt, tauchten irgendwo Devi auf.
Die Straßen, die sie entlanglief, waren hoffnungslos verwinkelt und voller guter Deckungsmöglichkeiten, so daß sie rasch vorankam. Die Devi nahmen dafür immer mehr zu. Gewaltige Wesen, fast eineinhalb mal so groß wie sie selbst. Alle besaßen sie mindestens drei Armpaare. Eines mußte sie diesem künstlichen Volk lassen, sie hatten sich offensichtlich den Begebenheiten angepaßt.
Vashtu drückte sich in den Schatten einer Säule, starrte wieder auf den Detektor hinunter. Da! Schwache Lebenszeichen!
Sie hob den Kopf und suchte den Hang vor sich ab, den sich hohe und schmale Gebäude in den Himmel hinaufschraubten. Sie war fast im zentralen Teil der Stadt.
Eigenartige, zirpende Laute ausstoßend kamen zwei Devi an ihr vorbei. Vashtu drückte sich tiefer in den Schatten hinein, sah ihnen kurz nach, dann stützte sie die P-90 wieder mit dem Unterarm und eilte so schnell wie möglich weiter, auf einen der Türme zuhaltend.
Von dort kamen die Lebenszeichen - drei an der Zahl. Und sie hoffte, sie würde dort auch ihre beiden vermißten Teammitglieder finden.

***

Wallace stand da wie erstarrt, seine Augen waren vor Entsetzen geweitet und auf das Wesen gerichtet, das sich über ihn gebeugt hatte und aufmerksam aus glänzenden Facettenaugen musterte.
„James!" Peters Stimme war nicht mehr als ein heiseres Ächzen. Hoffnungsvoll hob er die Hand und streckte sie seinem Kollegen entgegen. „Gib mir deine Hand. Ganz langsam."
Wallaces Blick irrte endlich von dem gewaltigen Geschöpf ab und heftete sich an sein Gesicht. Peter zwang sich, ruhig zu bleiben, doch er fühlte vielleicht ebensoviel Panik wie der andere Wissenschaftler. Wallaces Gesicht war bleich, wirkte in dem wenigen Licht der Lumineszenz beinahe krank. Sein Mund öffnete und schloß sich immer wieder, ohne daß er einen Ton hervorbrachte.
„Gib mir deine Hand, James!" Peter legte etwas mehr Kraft in seine Stimme, ließ sie strenger klingen.
„Ich ... ich kann nicht!" Wallaces Atem kam hektisch, seine Augen schienen gleich aus den Höhlen quellen zu wollen.
Peter wagte sich nicht näher an dieses Ding heran, das nun ihn aufmerksam musterte, aber jetzt schwieg. Es lief ihm eiskalt den Rücken hinunter, wenn er die beiden Sichelarme sah, die das Wesen leise schwank.
„Gib mir deine Hand, James-Robert Wallace!" befahl Peter in einem letzten Aufbegehren, auch wenn er glaubte, jeden Moment zu einem Häuflein Elend zusammenzufallen. Er mußte etwas tun, doch er konnte nicht. Seine eigene Angst lähmte ihn zu sehr.
Wallaces Rechte hob sich leicht und zitternd, als müsse sie gegen einen gewaltigen Widerstand ankämpfen.
Die Facettenaugen schimmerten in dem wenigen Licht, der kleine Mund öffnete sich wieder.
Peter starrte zu dem Wesen hoch, und einen Moment lang ließ er dabei Wallace aus den Augen. Ein Fehler!
Ein Ruck ging durch die Kreatur. In einer einzigen schnellen Bewegung schien etwas nach vorn zu schnellen. Und dieser Ruck setzte sich bis in Wallaces Körper fort.
Ein Ächzen entrang sich dessen geöffneten Mund, seine Augen weiteten sich noch mehr, und ein unendlicher Schmerz stand plötzlich darin zu lesen. Seine Gestalt war wie die einer Marionette, deren Fäden ein anderer zog. Und aus seiner Brust ... ragte einer dieser Sichelarme.
Peter glaubte, sein Verstand müsse aussetzen.

***

Da vorn!
Vashtu war sich absolut sicher. Die Deckung aufgebend, raste sie auf das, wie ein gewaltiges Schneckenhaus geformtes Gebäude zu. Durch ein Fenster hatte sie kurz eine bekannte Stimme gehört, die von Peter.
Sie lebten noch!
Sie wußte nicht, ob sie erleichtert oder entsetzt sein sollte. Sie wußte nur, sie mußte so schnell wie möglich zu den beiden und sie da herausholen. Sie fühlte eine Gefahr, und das Summen in ihrem Kopf wurde mit jedem Atemzug stärker.
Sie hetzte um das Gebäude herum, bis sie eine niedrige Tür fand. Wieder war da eine Fläche an deren Seite, mit deren Hilfe sie diese Tür öffnen konnte.
Vashtu hob die P-90 an die Wange und wollte die Tür, wie schon in dem anderem Gebäude, mit dem Ellenbogen öffnen, als sich das flouriszierende Licht um sie herum plötzlich änderte. Ein leises, aber behaarliches Fiepen schmerzte in ihren Ohren.
Der Alarm war losgegangen!
Vashtu zwang sich, nicht daran zu denken, auch nicht, wie das hatte geschehen können, sondern öffnete jetzt endlich die Tür ... nur um wirklich an ihrem Verstand zu zweifeln.
Sie war richtig, Peter Babbis wirbelte in dem Moment herum, in dem die Tür in die Wand fuhr. Sein Gesicht drückte gleichzeitig Erleichterung und einen tiefen Schrecken aus. „Vashtu!" keuchte er und eilte an ihre Seite.
Aber Wallace ...
„Verrat an meinem Volk wird mit dem Tod gebüßt", zischte ihr eine Stimme in ihrer Muttersprache entgegen. „Die Schöpfer wandten sich gegen uns, und das werden wir ihnen nicht vergessen. Kommt nur zurück, Lantianer, kommt nur! Unsere Speisekammern werden mit euch nur reich gefüllt sein."
Vashtus Augen weiteten sich entsetzt, als sie endlich die Szene im Inneren des Gebäudes überblicken konnte.
Wallace hing, mit gebrochenen Augen, wie eine leblose Puppe da, so daß sie im ersten Moment wirklich noch geglaubt hatte, er wäre lebendig. Doch statt dessen ...
Etwas gewaltiges beugte sich über den toten Wissenschaftler. Facettenaugen schimmerten in dem wenigen Licht und musterten sie. Und dann hob sich der andere, mit der Knochenklinge bewährte Arm und sauste auf den Wallaces Leib hinunter, um ihn in zwei Teile zu teilen.
Vashtu kniff die Augen zusammen, um das nicht mehr mitansehen zu müssen. Noch immer war sie gelähmt, konnte nicht glauben, was sich da gerade abgespielt hatte.
Wallace war tot! SG-27 nun endgültig auseinandergerissen. Sie war zu spät gekommen, sie hatte versagt!
Vashtu riß sich aus ihrer Trauer.
Wallace hätte nicht gewollt, daß sie am Ende den Devi auch noch in die Hände fiel. Sie mochten nie sonderlich gut miteinander ausgekommen sein, aber wenn es auf ihn ankam, war auch auf Wallace Verlaß gewesen.
Mit einem Ruck hob sie den Kopf wieder und öffnete die Augen. Mit eiskaltem Blick hob sie die P-90 an die Wange, während die Devi im Inneren des Gebäudes noch immer damit beschäftigt war, Wallaces Leichnam zu zerstückeln. Mit einem tiefen Knurren drückte die Antikerin ab, hielt direkt auf den gebeugten Kopf ihrer Gegnerin.

TBC ...

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