01.08.2010

Die geheime Stadt III

Major Uruhk hob die P-90 etwas an, drückte sich eng an die Wand neben der halbgeöffneten Tür zum Kellergeschoß und lugte mit langem Hals um die Ecke. Dann nickte sie, zog sich wieder zurück.
Anne beobachtete die Antikerin stirnrunzelnd.
Wieder war sie zu etwas mutiert, wieder war sie jetzt etwas, was sie noch nicht kannte. Allmählich fragte sie sich, wieviele Gesichter diese Vashtu Uruhk noch hatte. Und was für Überraschungen mochte sie noch bereithalten? Wieviele Geheimnisse lagen noch im Verborgenen?
Peter Babbis saß nachdenklich auf einem großen Trümmerstück, schien sich nicht im mindesten darum zu kümmern, was da unten vor sich ging. Er hatte ein Palmtop gezogen und tastete jetzt auf dem kleinen Bildschirm herum, die Stirn nachdenklich gefurcht.
Anne war nervös, trat von der schrägen Treppe weg und zu dem jungen Wissenschaftler hin. „Sind Sie wirklich so kaltschnäuzig, Dr. Babbis?" fragte sie, reckte wieder den Hals.
Der blickte einmal kurz auf, konzentrierte sich dann wieder auf sein Tun. „Das ist so eine Sache, da kann ich eh nichts tun. Ich bin nur dafür zuständig, wenn es um das Basteln von Bomben geht", erklärte er. „Wenn sie wieder Buffy spielen will, soll sie das tun." Er zuckte mit den Schultern.
„Buffy?" Anne sah zu ihm hinunter und blinzelte.
„Oder Sheppard, je nachdem, was Ihnen lieber ist." Babbis sah jetzt doch auf, nachdem er offensichtlich seine Arbeit beendet hatte. Kurz reckte er den Hals, dann seufzte er und kam wieder auf die Beine.
„Sheppard?" Anne trat ihm in den Weg. „Ich verstehe nicht ganz, was Sie damit meinen?"
Babbis seufzte wieder, kreuzte die Arme vor der Brust. „Sie stürmt allein vor und spielt die Heldin, das meine ich", antwortete er und nickte zu dem Kellereingang hinüber. „Das tut sie schon, solange ich sie kenne. In unserem Atlantis ist dafür Lt. Colonel Sheppard zuständig, und als sie damals dort auftauchte, machte sie mit und zog zumindest mit ihm gleich. Als sie dann SG-27 von ihm übernommen hat ..."
„Sie hat SG-27 von Major Sheppard übernommen? Ich dachte, Sie alle kommen von der Erde", warf Anne ein.
„Sind wir auch. Atltantis wurde eine Zeitlang aufgegeben, als einige Antiker auftauchten", antwortete Babbis mit gelassener Stimme. „Lt. Colonel Sheppard übrigens bei uns. Er wurde ins SGC versetzt und erhielt ein eigenes Team - uns!" Er zog seine Automatik aus dem Holster und entsicherte sie, während er jetzt oben an der Treppe Aufstellung nahm und hinunterblickte. „Als er zurückging nach Atlantis schwebte das Team erst etwas in der Luft, dann übernahm Major, damals noch Miss Uruhk das Team. Und seit unserem ersten Gang durchs Tor macht sie solche Sachen eben, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Auf Atlantis heißt es dann, sie mache so eine Sheppard-Sache, habe ich mir sagen lassen. Ich finde, sie benimmt sich wie ... wie Buffy, die Dämonenjägerin, vor allem im Umgang mit Männern." Er verzog unwillig das Gesicht.
„Aha?" Anne verstand noch immer kein Wort von dem, was er ihr hatte sagen wollen.
„Oder vielleicht Ripley ... zumindest was das Kämpfen angeht." Er hob die Schultern, ließ sie dann wieder sinken.
Anne fiel auf, wie konzentriert er plötzlich wirkte. Seine Augen hatten sich auf die Majorin geheftet, er schien jedes einzelne Muskelzucken von ihr genau zu registrieren. Sein, noch jugendlich wirkendes Gesicht, war angespannt.
Wie hatte diese Frau es geschafft, diese Nervensäge auf sich einzuschwören? Anne erkannte durchaus an, das Babbis klevere Ideen hatte. Den Antrieb hatte er fast im Alleingang repariert, und das ohne die Unterstützung des Majors. Und selbst die Sache mit den Puddlejumpern, die sie zum Hochziehen der Prometheus benutzt hatten, war nicht ganz allein aus ihren Gedanken entstanden, sagte sie zumindest.
Aber daß er dermaßen auf sie reagierte, war wirklich bewundernswert. Soetwas hatte sie noch nie erlebt, und so ging das jetzt schon, seit sie den beiden über den Weg gelaufen war. Überhaupt schien der Major ihr Team vollkommen unter Kontrolle zu haben, selbst den getöteten Wallace, wenn sie auch zugab, daß er Katastrophen angezogen hatte.
Wie hatte sie das geschafft?
„Es geht los." Babbis hob das Kinn und atmete tief ein. In seinen Augen blitzte es.
Anne richtete ihre Aufmerksamkeit wieder in den Kellereingang. Major Uruhk wirbelte plötzlich herum, nachdem einer der Marines sich an der Tür versucht hatte und gescheitert war. Sie stand ungünstig, dennoch trat sie zu. Und die Metalltür krachte laut ächzend nach innen!
Anne blieb fast die Luft weg, als sie das sah.
„Die Fremdgene", raunte Babbis ihr zu.
Das war also eine Major Vashtu Uruhk in Aktion?
Anne schluckte, während sie beobachtete, wie die Antikerin, sofort nachdem die Tür aus der Versenkung gerissen war, den Keller stürmte, den Rest der Marines dicht hinter sich. „Aufteilen und durchsuchen! Hier ist was!" hörte sie sie sie mit harter Stimme befehlen.
Frederics war zurückgeblieben, als Wache, reckte nun den Hals und sah in den Keller hinein. Beeindruckt nickte er.
Anne hielt es jetzt nicht mehr oben am Treppenaufgang. Entschlossen nahm sie die Stufen und stellte sich neben den jungen Marine, um ebenfalls in den Raum blicken zu können.
Lichtfinger tanzten durch die Dunkelheit vor ihr. Sie sah, nahe am Ausgang, einige Kisten stehen. Auf einer dieser Kisten etwas, das entfernt an einen schwarzen Würfel erinnerte.
„Was ist das?" fragte sie.
Jemand neben ihr sog scharf die Luft ein. „Planetenkiller!" zischte Babbis ihr zu. „Damit haben wir auch die Stadt zerstört."
Anne atmete tief ein, konzentrierte sich wieder auf das, was sich in dem Kellerraum, es schien eher ein großer Lagerraum zu sein, abspielte.

***

Vashtu leuchtete sorgfältig ihren Weg aus, die P-90 im Anschlag haltend. Mit dem Detektor hatte sie etwas gemessen, und es waren garantiert nicht die Planetenkiller, die auch hier gelagert waren, wie bereits in dem anderen Keller, in dem Peter und sie sich auf ihrer Flucht verschanzt hatten.
Dieses feine Summen war wieder da. Selbst wenn der Detektor nichts angezeigt hätte, sie hätte damit also gewußt, daß es hier noch irgendwo Devi gab. Und sie würde diese Brut vom Planeten fegen, und wenn es das letzte war, was sie je tun würde!
Eine Salve ließ sie herumwirbeln. Blitzschnell hatte sie die Waffe wieder im Anschlag, hielt auf das Wesen zu, das ein anderer ihrer Männer aus seinem Versteck gelockt hatte. Dabei hielt sie den Abzug gedrückt und die kurze Mündung direkt auf das vielgliedrige Wesen. Der Devi taumelte, von mehreren Waffen unter Feuer genommen, hin und her. Die gelbliche Substanz, die vielleicht Blut war, spritzte in alle Richtungen.
Vashtu stellte im Lauf noch auf Einzelfeuer, zielte auf den Kopf mit dem fast menschlich wirkenden Gesicht und drückte einige Male hintereinander kontrolliert ab, ehe sie die Waffe sinken ließ.
Das Summen war noch nicht verstummt. Also mußte es hier noch mehr Devi geben.
„Weitersuchen und Raum sichern!" befahl sie kalt, sah sich die Kisten an.
Zumindest hatten sie damit wohl einiges an Waffen erbeutet. Das war zwar nicht der vordringlichste Grund ihres Hierseins, aber immerhin. Auf Planetenkiller ließ sie nichts kommen, die Dinger hatten offensichtlich doch ganze Arbeit geleistet, wenn sie nur an den gewaltigen Krater dachte, den die Explosion in den Hang gerissen hatte.
Die P-90 wieder an der Wange schlich sie weiter, immer wieder nach allen Seiten sichernd.
Und da fiel ihr etwas auf, gerade als einer der Marines wieder das Feuer eröffnete.
„Nach oben leuchten!" bellte sie hart, nachdem die nächsten Salven verklungen waren.
Sie hatte vergessen, daß die Devi sich auch, wie auch sie, wenn sie die Iratus-Zellen aktivierte, entgegen der Schwerkraft die Wände hoch bewegen konnten.
Kaum hatte der Strahl der kleinen Lampe die Decke getroffen, als sie auch schon den Abzug betätigte.
Ein weiterer Devi hing unter der Decke.
Ihr Feuer setzte für einen Moment aus, als sie das alte Magazin durch ein neues ersetzte. Diese Zeit nutzte ihr Gegner, um einen Versuch zu starten, aus dem Lichtstrahl herauszukommen. Doch inzwischen waren auch einige der Marines zu ihr gestoßen und ließen ihre Waffen sprechen. Das fremdartige, vielgliedrige Wesen stürzte von der Decke.
Vashtu atmete tief ein. Noch immer war da dieses Summen in ihrem Kopf. Und sie war davon überzeugt, daß dieses Summen ihr sagte, daß noch Devi hier waren.
Was für ein Name! Sie fragte sich ohnehin, wer den diesen Hybridwesen verpaßt hatte. Hatten sie sich selbst so genannt, oder waren sie so genannt worden?
„Sicher", meldete ein Marine aus der hinteren Ecke des Raumes.
Vashtu nickte unwillig. Hier war noch mindestens ein Devi, davon war sie überzeugt. Doch unter der Decke schien sich wirklich nichts mehr zu befinden. Wo steckte dieses verdammte Mischwesen?
Im nächsten Moment wurde ihre Frage beantwortet, wenn auch nicht auf die Art, die ihr lieber gewesen wäre.
Etwas sprang auf sie zu, ein harter Schlag, härter als alles, an das sie sich erinnern konnte, schlug ihr die Waffe aus der Hand und schleuderte sie einige Schritte zurück. Die Fremdzellen aktivierten sich von selbst. Vashtu knurrte.
Die Lampe der P-90 beleuchtete einen unsicheren Schatten vor ihr, doch an die Waffe kam sie nicht heran.
Der Devi war wesentlich größer als sie, und in zweien seiner Hände hielt er etwas, was entfernt an einen dünnen Stab erinnerte. Vashtu sah das Leuchten in seinen Facettenaugen, als er sich jetzt aufrichtete, und den Stab in ihre Richtung zu schwenken begann.
Mit einem Satz war sie bei ihm, packte ihrerseits zu und begann mit ihm zu ringen. Sie steigerte ihre Fremdgene immer mehr, sie fühlte, wie ihre Augen sich veränderten.
Der Devi schien dies wahrzunehmen. „Was bist du?" fragte er im abgehackten Antikerisch.
Vashtu riß den Stab hoch, kam den anderen Armen ihres Gegners damit gefährlich nahe. Doch er schien im Moment nicht daran zu denken, daß er sie einfach packen konnte. Statt dessen stemmte er sich gegen ihren Griff.
Sie grinste zufrieden, zog den Stab an sich heran.
Ihre Finger ertasteten etwas. Eine kleine Wölbung. Als ihr Zeigefinger darauf zu ruhen kam, zuckte ein Energieblitz durch den Kellerraum.
Eine Waffe!
Mit aller Kraft, die sie aufbieten konnte, holte sie Schwung für den Befreiungsschlag, während der Devi noch immer an seiner Waffe zerrte.
„Major!"
Endlich schienen die anderen auf sie aufmerksam geworden zu sein, einzelne Schüsse peitschten durch den Raum.
Vashtu riß diese eigenartige Stabwaffe hoch und zur Seite, wirbelte dann, als sie bemerkte, daß ihr Befreiungsschlag Erfolg gehabt hatte, sofort herum.
Der Devi verlor das Gleichgewicht, taumelte und stürzte hart auf ein Knie.
Vashtu fuhr herum, brachte den Stab in Anschlag und setzte ihm die Spitze, aus der der Energiestrahl gekommen war, auf die Brust.
„Ich bin euer Ende!" zischte sie ihm zu, ruckte nach und drückte ihren Finger wieder in die Wölbung hinein.
Die Energie flammte auf, der dünne Stab kratzte einen Moment über seinen Hautpanzer, versank dann Stück für Stück darin, während sie den Abzug weiter gedrückt hielt. Ein kaltes Glitzern lag in ihren Augen.
Erst als der Stab zerbrach unter den gegensätzlichen Kräften des toten, zuckenden Körpers und ihres Widerstandes dagegen, ließ sie das nutzlose Ende los und richtete sich auf. Dann schloß sie die Augen, um die fremden Gene wieder einzupendeln und griff nach ihrer P-90. Nur um wieder hochzufahren und die Beretta zu ziehen.
„Doc, weg da!" Mit dem gestreckten Arm drückte sie den Abzug.
Anne Stross, die gerade einige Schritte in den Kellerraum hinein gewagt hatte, zuckte zusammen, als sie die Mündung aufflammen sah. Ihr mußte es erscheinen, als schieße sie auf sie, ging Vashtu auf.
Dann aber begriff Stross und ließ sich fallen.
Vashtu hob den rechten Arm und stützte mit der Hand das Handgelenk des anderen, während sie, noch immer im strammen Schritt, zum Ausgang marschierte.
Babbis tauchte im Durchgang auf und hielt ebenfalls auf das gewaltige Wesen mit seiner Automatik.
Wo war Frederics? Hatte der Devi den jungen Marine etwa ... ?
Der Devi sank auf die Knie.
Vashtu blieb vor ihm stehen, setzte ihm den Lauf der Waffe an die Stirn und drückte noch einmal ab. Ein Zucken ging durch den fremdartigen Leib, dann sank der Devi tot zu Boden.
Die Antikerin blieb noch einen Moment lang stehen, die Waffe immer noch im Anschlag, und lauschte in sich hinein. Dann hob sie den Kopf. Ihr Blick begegnete dem von Peter Babbis.
Der nickte. „Der Devi hat Frederics angegriffen und zurückgeschleudert", sagte er.
Vashtu nickte ebenfalls, steckte ihre Waffe wieder ein und blinzelte einige Male, ehe sie sich zu Stross umdrehte, die sie noch immer mit großen Augen anstarrte.
„Der Raum ist sicher", sagte die Antikerin und hob den Kopf.
Die Marines, die mit ihr den Keller gestürmt hatten, starrten sie groß an, neuen Respekt in ihren, von Schatten ummalten Gesichtern.
Vashtu drehte sich um, trat aus dem Keller heraus - und verschwand in einem Lichtblitz.

TBC ...

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