01.02.2010

Inhuman V

„Eingehende Videoübertragung", meldete der zuständige Techniker.
Sheppard stand bereits vor dem Bildschirm. Jetzt gesellten sich auch Weir und McKay zu ihm. Kurz darauf kam auch Dr. Beckett hinzu.
Sheppard preßte die Lippen fest aufeinander und zwang sich zur Ruhe. Wenn sie irgendetwas erreichen wollten, mußte er weitermachen, wie er es in den letzten Stunden getan hatte. Aber, und das hatte er sich selbst geschworen, er würde gehen, bevor es wieder zu einem Schuß kommen konnte. Er würde nicht mitansehen, wie Vashtu wieder verletzt wurde.
„Ich hoffe doch sehr auf gute Nachrichten. Dr. Weir, Colonel Sheppard?" Kolya stand wieder vor der Kamera. Im Hintergrund sah man die beiden Wächter.
Wie würde es Vashtu jetzt gehen? Sah sie noch schwächer aus als beim letzten Mal?
Sheppard zwang sich weiter zur Ruhe. Mit den Augen suchte er so gezielt wie möglich nach irgendeinem Hinweis, wo der Genii sich und seine Geiseln versteckt halten konnte.
„Wir sind hier, Kolya, und wir bleiben auch hier", antwortete Weir. „Keine Verhandlungen. Es bleibt dabei. Wir sind nicht zuständig. Sie hätten Vashtu Uruhk besser zuhören sollen, sie hat es selbst gesagt."
Kolya nickte. „Und was haben Ihnen die Blutproben über den Zustand der Ahnin verraten?" erkundigte er sich dann.
„Daß sie krank ist", antwortete Sheppard mit betont ruhiger Stimme.
„Ah, da sind Sie ja wieder, Colonel. Ich dachte schon, Sie würden nicht mehr an unseren kleinen Unterhaltungen teilnehmen wollen."
„Ich bin da, Kolya. Ich bin immer da, wenn man mich braucht."
„Tatsächlich?" Der Genii trat einen Schritt zur Seite.
Sheppard schluckte, mußte sich zwingen, nicht loszubrüllen.
Vashtu sah inzwischen wirklich krank aus. Sie hing mehr auf dem Stuhl, als daß sie saß. Selbst in der schlechten Qualität der Übertragung war ihre Blässe deutlich zu sehen. Ihr Blick wirkte verschleiert und gequält. Ein Verband umwand ihren schlanken Hals.
Langsam hob sie den Kopf, sah direkt in die Kamera. Sheppard war es, als sähe sie ihn geradewegs durch Linse und Wurmloch an. Dann nickte sie langsam und kaum merklich.
Er schluckte. Sie wollte reden. Sie wollte noch eine Wunde riskieren, die sie weiter schwächen würde.
Er kniff die Lippen fest zusammen und biß darauf.
Wieder nickte sie, in ihre Augen trat ein entschlossener Ausdruck.
„Wollen Sie mit ihr sprechen, Colonel? Sie jedenfalls scheint mit Ihnen reden zu wollen." Kolyas Stimme klang amüsiert.
Sheppard atmete einige Male tief ein. Wieder beobachtete er, wie sie langsam und betont nickte. Doch er konnte nicht nachgeben. Er konnte nicht zulassen, daß man sie zusätzlich schwächte.
Wieder ein Nicken, noch deutlicher dieses Mal.
„Wollen Sie mit ihr sprechen?" wiederholte Kolya seine Frage.
Eine Hand legte sich auf seinen Arm. Betont langsam und tief holte er Atem. „Ja", antwortete er schließlich.
Eine der beiden Wachen trat heran und nahm ihr den Knebel ab.
„John?" Ihre Stimme klang rauh.
„Ich bin da", sagte er.
Sehr konzentriert sah sie in die Kamera, schien ihn immer noch genau zu fixieren. „John, erinnerst du dich an den Stein, den ich bei unserer Mission bei dem DHD gefunden habe? Den blauen Stein?" fragte sie. „Er lag im Gras beim DHD, erinnerst du dich?"
Ein Stein? Was für einen Stein? Sie hatten das DHD des Planeten doch gar nicht ...
Sheppard schaltete. „Ja, ich erinnere mich."
Immer noch dieser intensive Blick. „Hast du ihn noch?"
Unwillkürlich tastete er in seiner Hosentasche nach dem Kristall und nickte. „Ja, ich habe ihn noch. Was soll ich damit tun?"
Jetzt konnte er deutlich die Erleichterung in ihrem Blick lesen. „Ich möchte, daß du ihn zu den anderen legst, hörst du? Zu den anderen Steinen, die auf der Orgel liegen. Der beste Platz wäre ganz rechts außen."
Die Orgel?
Dann fiel es ihm ein und er fuhr herum. Im gleichen Moment peitschte der Schuß über den Äther und er zuckte zusammen, als sei er getroffen worden. Vashtu schrie dieses Mal wirklich vor Schmerz auf. Er sah in McKays Gesicht und konnte dort nichts als pures Entsetzen lesen. Weir hinter ihm stöhnte gequält auf.
Kolya hatte wieder auf sie geschossen!
Sheppard schloß die Augen.
„Ich weiß jetzt nicht, um was genau es ging, Colonel", hörte er Kolyas Stimme mißtrauisch sagen. „Aber daß die Ahnin Ihnen irgendwelche Anweisungen gegeben hat, ist mir klar. Und es wäre besser für Sie und auch für Vashtu Uruhk, wenn Sie diese Anweisungen sehr schnell vergessen würden. Es wird Ihnen nichts nutzen und Sie setzen nur die wenigen Minuten aufs Spiel, die ich Ihnen beiden Turteltauben lasse. Verstanden? Wir sprechen uns in drei Stunden. Bis dahin genießen Sie das, was Sie von der Ahnin noch sehen können." Mit einem leisen Knacken wechselte das Bild.
Eine Abweichung! Kolya wich von seinem Zeitplan ab.
Sheppard drehte sich wieder dem Bildschirm zu, beobachtete Dr. Babbis, der ruhelos den Raum durchmaß.
„Oh mein Gott!" stöhnte Weir endlich auf. „Oh mein Gott!"
Sheppards Herz klopfte zum Zerspringen. „Wo hat er sie getroffen? Wie schwer ist sie verletzt?"
„Er ... er hat ..." McKay schluckte und wandte sich ab.
„Er hat ihr in das rechte Knie geschossen", antwortete Beckett mit erstarrtem Gesicht. „Es sah aus, als habe er ihr die Kniescheibe zertrümmert."
„Von was für einem Stein hat sie gesprochen?" McKays Stimme klang gequält.
Sheppards Faust schloß sich um den Kristall. Mühsam beherrscht atmete er ein und zog ihn aus seiner Hosentasche. „Sie hat mir Anweisung gegeben, den Kristall in das Panel des Hauptrechners zu schieben", sagte er endlich. Den Blick hielt er starr auf den Kristall gerichtet.

***

„Was für eine Anweisung haben Sie Sheppard gegeben?"
Kolya hatte sie wieder am Kragen gepackt und von dem Stuhl hochgerissen, soweit es ihre Fesseln zuließen. Schmerzen rasten ihr durch Arme und Handgelenke. Ihr rechtes Knie fühlte sich an, als sei es komplett von ihrem Körper getrennt. Doch sie lächelte.
Der Genii schüttelte sie wie eine Stoffpuppe. Sein Gesicht wirkte verkniffen. „Was soll er tun? Was für ein Stein? Antworten Sie!"
Ihr Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Ich habe ihm die Anweisung gegeben, den Steuerkristall in den Hauptrechner zu schieben, Kolya. Damit kann er mich aufspüren, wo immer ich mich auch befinde", antwortete sie.
Seine Faust traf ihren Magen. Sie würgte.
„Das werden Sie noch bereuen, Vashtu Uruhk! Sie werden bereuen, jemals geboren worden zu sein, das schwöre ich Ihnen." Wieder schüttelte er sie. In seinen Augen stand flammender Haß.
„Tun Sie es nur! Töten Sie mich jetzt, dann haben Sie es hinter sich!" spie sie ihm entgegen.
Er starrte sie noch immer an, zog sie dann noch näher zu sich. „Das hätten Sie gern, nicht wahr? Keine Schmerzen mehr, keine Verantwortung, nichts! Aber so einfach wird das für Sie nicht, Ahnin. Und Sie vergessen etwas bei Ihrem wundervollen Plan. Sie sind nicht allein!"
„Wenn Sie Babbis töten, bin ich eine Sorge los, Kolya. Er ist nichts anderes als ein Klotz am Bein. Ich wäre froh, wenn Sie ihn endlich zur Seite schaffen würden!"
Er stieß sie auf den Stuhl zurück und wandte sich ab. „Ich dachte, Ihnen würde viel an ihm liegen, so wie Sie sich für ihn eingesetzt haben. Was soll ich denn jetzt glauben, mh?" Er beugte sich wieder über sie, bis ihre Nasenspitzen sich fast berührten. „Ist er es Ihnen wert oder nicht?"
„Er wird ohnehin sterben, wenn ich tot bin. Oder denken Sie, ich wüßte das nicht?" entgegnete sie. „Warum sollte ich also überhaupt noch etwas auf ihn geben? Er ist doch sowieso nur dafür da, mich notdürftig zu versorgen, damit Ihre Leute sich die Hände nicht an meinem verseuchten Blut schmutzig machen!"
Dem nächsten Schlag hätte sie ausweichen können, doch sie tat es nicht. Ihr Kopf wirbelte herum und sie hatte das Gefühl, als sei ihr Kiefer gebrochen.
„Versuchen Sie das noch einmal, Vashtu Uruhk, wird Ihr Tod noch schmerzvoller sein als bisher, das schwöre ich Ihnen. Sie sollten sich sehr genau überlegen, wieviele Schmerzen Sie aushalten können ohne die Verstärkung Ihrer Fremdzellen."
Sie schluckte hart, drehte dann langsam den Kopf zurück und blitzte den Genii zornig an. „Wenn es sein muß, kann ich eine Menge mehr aushalten als Sie, Kolya", zischte sie. „Die Atlanter werden kommen, das schwöre ich Ihnen. Es wird auch nicht mehr lange dauern."
„Das werden wir noch sehen, Ahnin!" Kolya richtete sich wieder auf und wandte sich ab. „Bringt sie zurück!"

***

Etwas ratlos stand Sheppard vor dem Panel, das er mehrmals scherzhaft als Orgel Vashtu gegenüber bezeichnet hatte. Den blauen Kristall hielt er in der Hand und betrachtete die Anordnung der anderen vor sich.
„Ganz rechts", murmelte er und beugte sich forschend über die Konsole.
Er hatte es ausprobiert, doch der Kristall paßte nicht in die Öffnung, er war zu klein und würde ganz hineinrutschen. Und das konnte wirklich nicht die Lösung sein.
Er fragte sich ohnehin, was ihm das bringen würde. Soweit er wußte, hatte nur eine Person Zugriff auf sämtliche Daten, und diese Person wurde gerade auf sadistische Art und Weise ins Jenseits befördert.
„Nun machen Sie schon!" drängte McKay ihn.
Sheppard blickte stirnrunzelnd zu dem Wissenschaftler, der ihm gegenüber stand. „Wie bitte?"
McKay klopfte nervös auf das Gehäuse. „Sie hat Ihnen doch gesagt, was Sie tun sollen. Warum tun Sie es dann nicht?"
Sheppard beugte sich wieder vor. „Weil der Kristall nicht an die Stelle paßt, die sie mir gesagt hat", antwortete er und betrachtete wieder die Steuerelemente.
Moment!
Ganz rechts hatte Vashtu gesagt. Da war etwas. Eine kleine Höhlung, die man nur zu leicht übersehen würde.
Sheppard hob den Kristall vorsichtig an und steckte ihn in die Öffnung. Er paßte! Und er leuchtete auf.
Sofort flammten andere Bildschirme im ganzen Kommandoposten auf, wie damals bei Vashtu. Das Panel leuchtete hell.
Sheppard blickte sich stirnrunzelnd um. „Und was jetzt?" fragte er.
McKay gab ihm keine Antwort.

***

Mit einem Schmerzenslaut schlug die Antikerin lang hin, wälzte sich herum. Die Tür schloß sich hinter ihr und Babbis stürzte heran.
„Oh mein Gott!" entfuhr es dem Wissenschaftler, als er ihr Bein sah. Er beugte sich über sie und begann sie zur Wand zu schleifen. Dabei zogen sie eine Blutspur hinter sich her.
„Fassen Sie das bloß nicht an, Peter!" stöhnte sie, als er sich über ihr Knie beugte.
„Es blutet ziemlich stark. Ich muß es abbinden." Er blickte hoch, sah ihr ins Gesicht. Ihr Unterkiefer verfärbte sich. „Was haben Sie angestellt?"
Gepreßt atmete sie aus und verkrampfte sich kurz. „Atlantis Anweisungen gegeben, das habe ich getan", preßte sie dann schließlich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Und nebenbei noch Ihr Leben gerettet. Jetzt sorgen Sie bitte dafür, daß ich das nicht bereue!"
Babbis seufzte erleichtert, holte sich den Verbandskasten und kramte darin herum. „Dann ist der Kristall also auf Atlantis?"
Mit verkniffener Miene beobachtete sie ihn. Ihr Gesicht war wieder schweißnaß. „Ist er, ja. Es ist mir sogar gelungen, John mitzuteilen, wie er ihn verwenden kann. Aber ..." Sie schüttelte den Kopf.
Babbis nickte, beugte sich wieder über ihr Knie. „Das wird jetzt wehtun. Entschuldigung." Vorsichtig legte er eine Kompresse auf die Schußwunde, begann dann die Wunde zu verbinden.
Vashtus Hinterkopf knallte hart gegen die Wand. „Peter!" ächzte sie vorwurfsvoll.
„Sanfter geht es wirklich nicht", verteidigte er sich.
Vashtu kniff die Lippen fest aufeinander und nickte. „Dann machen Sie zumindest schnell."
Er beugte sich wieder über ihr Bein und rollte den Verband so schnell wie möglich ab. Dabei bemerkte er, daß sie leise zitterte. Sollte sie jetzt auch noch Fieber bekommen und ganz ausfallen?
„Wie sieht es mit dem anderen aus?" fragte sie nach einer Weile.
Einen Moment lang wußte er nicht, was sie meinte, dann biß er sich auf die Lippen. „Denken Sie, Sie können noch einmal etwas durchgeben?"
Durch die Schmerzen, die in ihren Augen standen, blitzte ein letzter Rest Humor hindurch. „Nicht, wenn ich mich nicht noch einmal windelweich prügeln lassen will. So viele Knie habe ich nicht, Peter. Das nächste Mal könnte Kolya sich überlegen, auf etwas wichtigeres zu schießen. Zum Beispiel ... meine Eingeweide?"
„Das ist ein Argument." Babbis nickte, richtete sich auf und setzte sich nahe neben sie, um sie genau im Auge zu behalten.
Vashtu schluckte hart. „Tut mir leid, aber ich denke, jetzt bin ich wirklich auf Sie angewiesen. Strengen Sie Ihre grauen Zellen an."
„Das werde ich tun. Und Sie ruhen sich aus. Sie sehen nicht gut aus." Waren da nicht graue Haare in ihrem schwarzen Wuschelkopf? Er mußte sich irren. Wieder sah er ihr ins Gesicht.
Sie lächelte gequält. „Sie werden richtig mütterlich, Peter." Sie hustete.
„Haben Sie Fieber?"
Ihr Gesicht wurde ernst. „Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube ja."
Vorsichtig legte er ihr eine Hand auf die Stirn, dann nickte er. „Ja, Sie irren sich nicht." Kurz zögerte er, dann schlüpfte er aus seiner Armeejacke und legte sie ihr vorsichtig um die Schultern, wofür er wieder einen spöttischen Blick erntete.
„Ich brauche Sie hier, Vashtu. Können Sie sich zusammenreißen?"
Sie schloß einen Moment lang die Augen. „Ich werde es versuchen. Aber es fällt mir immer schwerer ... Peter, ich denke, Sie müssen sich mit dem Gedanken vertraut machen ..."
„Wir kommen hier lebend raus. Die erste Hälfte haben Sie doch schon geschafft, den Rest machen wir zusammen. Und dann können Sie diesem Kolya kräftig in den Hintern treten. So wie dem Trust."
Ein müdes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Langsam nickte sie.

***

Unruhig beobachtete Sheppard das Geschehen auf dem Bildschirm, während er immer noch am Hauptrechner stand.
Es mußte noch etwas geben. Irgendetwas, was sie ihm nicht mehr hatte sagen können. Und jetzt ... ?
Vashtu lag in sich zusammengesunken an der Wand und rührte sich nicht. Ihr Körper war unter der Armeejacke kaum auszumachen, nur ihre ausgestreckten Beine lugten darunter hervor. Ihr Kopf war zur Seite gesunken.
Was hatte sie ihm noch sagen wollen? Was mußte er tun? Und was würde geschehen, wenn es ihm wirklich gelang, dieses ominöse Etwas zu tun?
Sie mußte auf irgendeine Art von Hilfe hoffen, sonst hätte sie sich nicht so weit vorgewagt. Sie hatte Glück gehabt, daß Kolya nicht sofort geschaltet hatte. Wahrscheinlich war sie selbst überrascht gewesen, wie weit sie mit ihren Anweisungen hatte kommen können. Doch würde sie das ganze noch einmal wagen?
Sheppard preßte die Lippen aufeinander und machte McKay Platz, der eifrig mit dem Hauptrechner beschäftigt war. Beckett und Weir hatten sich in das Büro der Expeditionsleiterin zurückgezogen. Offensichtlich beratschlagten sie, ob sie überhaupt noch helfen konnten.
Die Uhr tickte. Und sie würde es weiter tun und irgendwann würde die Zeit für Vashtu abgelaufen sein.
Babbis ...
Er hatte den jungen Wissenschaftler in keiner guten Erinnerung. Dank Babbis war die Mission damals kaum über die nähere Umgebung des Sternentores hinausgekommen. Durch seine Ungeschicklichkeit hatten sie zurückkehren müssen auf die Erde.
Diese Erfahrung machte Sheppard zusätzlich nervös. Aber er sah auch, daß Babbis sich offensichtlich in der Zeit, die sie sich nicht gesehen hatten, etwas gewandelt hatte. Er ging gut mit Vashtu um, tat was er konnte. Und die Antikerin schien ihm zu vertrauen, immer wieder steckten sie jedenfalls die Köpfe zusammen.
Landry hatte gesagt, Vashtu habe ihr Team im Griff. Sie und Babbis hätten sogar schon schwierige Probleme gemeistert. Irgendwie fiel es ihm schwer, das zu glauben nach seinen Erfahrungen mit dem jungen Mann. Und doch ...
Babbis saß neben Vashtu am Boden und kramte in irgendetwas herum. Er schien voll auf sein Tun konzentriert.
Sheppard senkte den Kopf wieder, als die Verbindung abbrach. Das Wurmloch fiel in sich zusammen.
Jetzt würde wieder das lange Warten beginnen ...

***

Vashtu blinzelte in das Licht hinein. Einen Moment lang wußte sie nicht, wo sie sich befand, dann aber kehrte die Erinnerung zurück, und mit ihr die Schmerzen. Sie schloß ihre Augen wieder, versuchte sich in den Schlaf zurückgleiten zu lassen. Doch das wollte ihr nicht gelingen.
Sie mußte etwas tun! Sie mußte hier heraus und wieder gesund werden. Sie hatte nicht zehntausend Jahre gewartet, um dann hier zu sterben.
„Geht es Ihnen besser?"
Sie schluckte einige Male, bis sie glaubte, ihre Kehle sei wieder fähig, einen Laut zu produzieren. „Nein", flüsterte sie heiser.
„Der Wächter war vorhin noch einmal hier. Warten Sie."
Nun öffnete sie doch ihre Augen wieder und beobachtete Babbis, der nach einem weiteren Krug griff und ihn ihr sanft hinhielt, damit sie trinken konnte.
Das Wasser schmeckte abgestanden und schal. Außerdem hatte sie keinen Durst. Sie mußte dafür sorgen, daß Atlantis wußte, was zu tun war. Sie mußte irgendwie den Code durchgeben.
Sie sammelte ihre Kräfte und richtete sich auf. Sich mit Händen und Schultern abstützend versuchte sie sich hochzuschieben. Doch nur mit einem Bein war das verdammt schwer. Und sie traute ihrem rechten Knie nicht mehr.
„Was haben Sie vor?"
Ächzend kam sie schließlich in eine halbwegs aufrechte Position. Entschlossen kniff sie die Lippen zusammen und versuchte sich an einem Schritt. Das Knie gab unter ihrem Gewicht nach, und sie hatte das Gefühl, als hätte sie sich das Bein abgerissen. Im letzten Moment konnte sie sich noch mit dem anderen Fuß abfangen, sank dann aber zu Boden und ließ sich wieder gegen die Wand fallen.
„Was sollte das? Sie reißen sich nur die Wunde wieder auf", beschwerte Babbis sich.
Als käme es darauf noch an!
Der Wissenschaftler zog sie so vorsichtig wie möglich wieder in ihre vormalige Position zurück und breitete seine Jacke erneut über sie aus.
„Lassen Sie das endlich, Peter!"
„Sie haben Fieber und mindestens eine schwere Schußwunde. In Ihnen tobt irgendein Virus und Sie haben seit Stunden nichts gegessen. Sie sollten lassen, was auch immer Sie da vorhatten, verdammt!" herrschte er sie an.
Überrascht sah sie ihn an. „Sie machen Sie sich wirklich Sorgen um mich", stellte sie verblüfft fest.
Babbis starrte zurück, sein Gesicht wirkt verkniffen. „Was das andere angeht, ich arbeite daran", sagte er.
„Eine Idee?"
Babbis zuckte mit den Schultern und beugte sich über sie, als wolle er den Verband um ihren Hals kontrollieren. „Sagen Sie mir den Code, dann finde ich vielleicht eine Lösung. Mir ist da schon der eine oder andere Gedanke gekommen. Nur ..."
Vashtus Blick glitt von ihm ab. Langsam und kaum die Lippen bewegend nannte sie ihm die Reihenfolge. Vielleicht fiel ihm ja wirklich etwas ein. Sie hoffte es zumindest.
Dann fiel ihr Blick auf den Spiegel. Sie riß sich zusammen und starrte ihn an. „Was ist das?" fragte sie unvermittelt.
Warum war er ihr bisher entgangen? Wieso hatte sie nicht darauf geachtet?
„Ein Spiegel, wahrscheinlich ein Einweg-Spiegel, wenn Sie mich fragen", antwortete Babbis, richtete sich wieder auf. „Sie wissen schon, wie in diesen Fernsehserien."
Nachdenklich nickte sie.
„Ich weiß nicht, ob sie uns belauschen können, aber sicherlich beobachten sie uns", fuhr der Wissenschaftler fort. „Dafür sind solche Spiegel nämlich gerade gut. Wie bei Verhören in diesen komischen Krimis. Da steht dann doch immer jemand dahinter und beobachtet genau ..."
„Ich weiß, was Sie meinen! Ich habe auch einen Fernseher."
Sie versuchte sich zu erinnern. Was hatte sie draußen auf dem Gang gesehen? War da Licht gewesen?
Nein, kein Licht. Aber ... Eine Tür. Da war ein Verschlag mit einer Tür, an der sie jedesmal vorbeigezerrt wurde. Befand sich in diesem Verschlag jemand?
„Peter ... ?" Ein Gedanke war ihr gekommen.
Babbis sah ihr wieder ins Gesicht. „Ja?"
Immer noch starrte sie den Spiegel an. „Denken Sie vielleicht das gleiche wie ich?"
„Ich weiß nicht, was Sie denken", kommentierte er ihre Frage unwillig.
Sie holte tief Luft, unterdrückte einen neuen Hustenanfall. „Wenn Kolya mich holen läßt, werde ich in einen Raum mit einer riesigen Kamera gebracht", berichtete sie. „Von dort aus überträgt er Bilder und Ton nach Atlantis."
Babbis' Kopf ruckte herum. „Sie meinen ... ?"
„Ich weiß es nicht. Aber es ... es könnte sein."
Babbis erhob sich vorsichtig, starrte weiter den Spiegel an. Mit langen Schritten ging er zur gegenüberliegenden Wand und betrachtete ihn. Dann drehte er sich nachdenklich wieder um und sah sie an.
„Wie können wir das kontrollieren?"
Sie verzog das Gesicht und runzelte die Stirn. „Gar nicht, fürchte ich. Sie kommen hier nicht heraus und ich ... Sie haben ja gesehen, daß ich mich kaum auf den Beinen halten kann."
Babbis kehrte zu ihr zurück, hockte sich neben sie. „Das Problem ist, daß selbst Kolya kein Wurmloch über so lange Zeit aufrecht erhalten kann. Selbst wenn sie uns in diesem Raum filmen, kann er nicht alle Bilder nach Atlantis schicken. Ein Wurmloch existiert nur eine gewisse Zeit, dann bricht es zusammen."
Vashtu nickte. „Achtunddreißig Minuten, ich weiß."
„Sie sind selten länger als ungefähr eine halbe Stunde weg. Ab wann wird gefilmt?"
Sie warf ihm einen spöttischen Blick zu. „Leider käme ich zur Zeit selbst dann nicht an meine Uhr heran, wenn man sie mir nicht abgenommen hätte." Sie wurde wieder ernst, runzelte die Stirn. „Ich werde in diesen Raum gebracht. Das dauert zwei oder drei Minuten. Dann fesselt man mich auf einen Stuhl, was auch wieder ein paar Minuten braucht. Je nachdem will Kolya noch kurz mit mir sprechen, danach knebelt man mich. Er stellt sich vor die Kamera ..." Sie stockte, atmete wieder ein und aus und hustete kurz. „Das Wurmloch muß hergestellt werden, wenn man mich knebelt. Dann gibt es einen kurzen Wortwechsel zwischen Atlantis und Kolya, der damit endet, daß man mich wieder reden läßt ... wenn jemand auf Atlantis sich darauf einläßt."
Babbis hob die Hand. „Warum sollte man sich dort nicht darauf einlassen?" fragte er verwirrt.
Vashtu warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu. „Weil ich für jedes Gespräch angeschossen werde, vor laufender Kamera, darum", antwortete sie.
„Oh!"
Sie nickte. Ihre Augen glitten ins Leere als versuche sie sich etwas sehr genau ins Gedächtnis zu rufen. „Danach weiß ich meist nichts mehr wirklich, bis ich wieder hergebracht werde. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich jedesmal auf diesem Stuhl sitze."
Babbis nickte mitfühlend.
„Sie sagen, ich bin nicht länger als eine halbe Stunde weg. Das heißt, wir haben noch acht Minuten, vielleicht ein bißchen mehr."
„Wenn Kolya direkt hierher schalten läßt", wandte Babbis ein.
„Er wird hierher schalten lassen, glauben Sie mir." Vashtus Gesicht wurde kalt wie Eis. In ihren Augen blitzte eine mörderische Wut.
„Dann müssen wir also nur noch herausfinden, ob diese ominöse Kamera tatsächlich existiert", faßte Babbis zusammen.
Sie nickte und dachte nach. Dann hob sie den Kopf und sah wieder zu dem Spiegel hinüber.
Warum war er ihr nur nicht schon viel früher aufgefallen? Sie könnten schon soviel weiter sein, sie könnten schon hier heraus sein. Aber sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, die fremden Gene in ihrem Inneren zu stoppen, ganz abgesehen von den Schmerzen, die für sie fast unbekannt geworden waren in den letzten Jahrtausenden.
„Können wir es herausfinden?" Babbis nagte an seiner Unterlippe, steckte sich dann einen Brocken von dem neuen Brot in den Mund.
„Nicht so einfach, fürchte ich", antwortete sie.
Babbis nickte und kaute. Dann schluckte er und drehte sich wieder zu ihr um. „Gut, ich weiß, wie wir es machen", sagte er. „Ich riskiere es. Aber Sie müssen mir helfen. Irgendwie müssen wir herauskriegen, ob es diese Kamera gibt oder ob wir tatsächlich nur abgehört werden. Schaffen Sie das?"
Vashtu warf ihrem verbundenen Knie einen vielsagenden Blick zu. „Ich kann es versuchen. Aber versprechen kann ich nichts. Wird nicht einfach werden."
„Das sagt auch niemand." Als sie in sein Gesicht blickte, sah sie, wie entschlossen es wirkte. Was auch immer er plante, er würde es durchziehen.
Sie fragte nicht, was ihm im Kopf herumging. Sie wollte es gar nicht wissen. Ihr Part bei dieser Sache war schon mehr als genug.
„Sie müssen sich genug zusammenreißen, wenn Sie zurück gebracht werden, damit Sie mir irgendwie mitteilen können, ob wir recht haben oder nicht. Es reicht ein Nicken, wenn die Kamera existiert und ein Kopfschütteln, wenn wir es uns nur eingebildet haben."
„Klingt fair. Ich hoffe, ich kriege das hin."

TBC ...

2 Kommentare:

  1. okey...jetzt bin ich verwirrt :D ich war eigentlich der festen überzeugung ich hätte schon nen komentar hinterlassen *grübel*
    nagut egal ^^
    aaaalso....vashtu tut mir ganz schön leid! man leidet ja shcon fast mit ihr mit. oooh man...ich sollte aufhören mir immer alles bildlich vorzustellen!
    aber immerhin hat john schon mal den kristall in die richtige stelle gesteckt. jetzt muss er "nur noch" dahinterkommen, das der kristall auch auf ihn reagiert.
    hoffentlich fällt babbis etwas ein, um den atlantern das ganze mitzuteilen, denn lange hält vashtu das bestimmt nicht mehr aus, auch wenn sie ein antiker ist.
    da bleibt mir wohl nur noch eines übrig --> *daumen drück* und schnell weiterlesen ;)
    LG Sabrina

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  2. *lach* Ich schätze, so ging es einigen, als ich diese Story das erste Mal postete. Interessant war es, wie die Besucherzahlen immer weiter in die Höhe schossen, die Kommentare dagegen immer länger brauchten. Und ich saß meist grinsend am Rechner, denn ich kannte ja den Ausgang schon.

    Naja, lang, lang ists her, ich inzwischen die Personifizierung des Bösen und eh schon ewig nicht mehr auf der Seite (die, wenn man mich inzwischen fragt, eine der schlechtesten SG-Seiten im Netz ist). Also, was solls *schulterzuck*.

    Ich glaube, das mit dem "sich bildlich vorstellen" ist der Knackpunkt an dieser Story. Man stellt es sich einfach vor, Punkt. Dadurch, daß ein ähnliches Setting wie bei Common Ground gewählt wurde, hat man unwillkürlich ein Bild im Kopf - manchmal hat man echt kranke Einfälle *schäm*.

    Naja, ob es John wirklich reicht, mit einem Kristall herumzuspielen sei jetzt mal dahingestellt. Irgendwo hat er ja doch seinen kleinen Heldenkomplex und muß andere retten. Aber hier eben nicht. Hier darf er im eigenen Saft schmoren.
    Und Vashtu? Och, das geht noch besser. Noch sind wir nicht am Höhepunkt - wenn auch knapp davor *flöt*.

    Dank dir für das Comment!

    Bis denne
    Ramona

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