03.02.2010

Inhuman VI

Beckett erwartete sie mit ernstem Gesicht in Weirs Büro, als die Expeditionsleiterin sie rufen ließ.
Sheppard wurde es unwohl. Die nächste Übertragung würde nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Und das hieß, vielleicht würden sie etwas mehr über Vashtus Plan erfahren.
„Was ist?" McKay wirkte nervös, unruhig schnippte er mit den Fingern.
„Wir sind überein gekommen, daß wir diesmal verhindern, daß irgendjemand hier mit Vashtu Uruhk spricht", erklärte Weir, lehnte sich mit überkreuzten Armen zurück. „Wir können es nicht riskieren."
„Aber sie könnte uns weitere Infos darüber geben, was wir tun sollen!" entfuhr es Sheppard. Dann rief er sich zur Ordnung. „Wir wissen nicht, was wir tun sollen, Elizabeth. Irgendwie ... Ich gehe davon aus, daß Vashtu uns auch dieses Mal wieder einen Brocken hinwerfen wird."
„John, denken Sie wirklich, Kolya wird sich einen solchen Lapsus zweimal leisten?" Weir sah ihn skeptisch an.
„Colonel Sheppard kommt nicht in alle Unterprogramme hinein, Elizabeth", argumentierte McKay jetzt. „Der Hauptrechner ist dermaßen überfüllt mit allen möglichen Daten, daß wir Jahrzehnte suchen könnten, ohne etwas wirklich hilfreiches zu finden. Wir brauchen nähere Informationen, so ungern ich das auch zugebe."
„Jede Verletzung schwächt ihr Immunsystem." Becketts Stimme klang ruhig, doch sein Gesicht wirkte bleich vor Anspannung. „Wird sie noch einmal angeschossen, könnte das Auswirkungen darauf haben, wie schnell die Vergiftung fortschreitet. Bisher war ... Nun die Wunden waren relativ vertretbar. Aber nach der letzten ... Und wir wissen nicht, was danach noch mit ihr geschehen ist."
„Kolya hat sie wohl geschlagen", murmelte Sheppard leise und ballte die Hände zu Fäusten. „Offene Wunden bis auf die am Knie habe ich nicht sehen können. Und um die hat dieser Babbis sich notdürftig gekümmert."
Beckett sah ihn zweifelnd an.
„Wie auch immer, wir können es nicht vertreten, daß sie noch einmal verletzt wird", entschied Weir. „Also werden wir uns weigern, noch einmal mit ihr zu sprechen."
Sheppard verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln. „Und wer sagt uns, daß Kolya sie nicht doch wieder verletzen wird? Sie wissen doch, was von seinem Wort zu halten ist, Elizabeth."
„Wenn sie uns noch eine Information zukommen lassen kann, wird sie das tun", erklärte McKay in die folgende Stille hinein. „Ich mag sie nicht so gut kennen wie der Colonel, aber ich kenne ihn."
Sheppard warf dem Wissenschaftler einen irritierten Blick zu.
„Wir können es nicht verantworten", wiederholte Weir.
„Was sagt Landry?" Sheppard blickte auf.
„Er wartet immer noch auf eine Adresse", antwortete die Expeditionsleiterin. „Sind wir damit weiter gekommen?"
McKay schüttelte den Kopf.
Weir senkte den Blick.
„Sie wird sprechen wollen, wenn sie noch etwas zu sagen hat", warf Sheppard ein. „Wir werden sie nicht daran hindern können. Sie haben sie bei der letzten Übertragung gesehen, Elizabeth. Ich wollte nicht mit ihr reden."
„Leider ist das so", murmelte Beckett. „Ich kann nur hoffen, daß sie selbst weiß, wie weit sie gehen kann. Es steht nicht gut um sie."
„Sie lag nur noch an der Wand, bis zum Ende der Übertragung. Babbis hat sie mit seiner Jacke zugedeckt." Sheppard runzelte die Stirn. Er wünschte sich ... Nein, das nicht!
„Kommen wir überein, daß wir ihr die Entscheidung überlassen, meine Herren." Weir hatte endlich wieder den Blick gehoben. „Aber ich glaube nicht, daß sie uns noch weitere Informationen zukommen lassen kann. Kolya wird aufpassen."
„Ich weiß ..." Sheppard nickte nachdenklich. Er wollte lieber nicht wissen, was Vashtu sich noch ausgedacht haben mochte, um sie näher an die Lösung zu bringen. Er konnte nur hoffen, daß es nicht allzu schmerzhaft für sie werden würde.

***

Der Genii riß sie auf die Beine, daß sie einen Schmerzensschrei nur mühsam unterdrücken konnte. Am Rande nahm sie wahr, daß Babbis sofort seine Jacke an sich brachte und fest umschlang, dann wurde sie auch schon aus dem Raum gezerrt.
Vashtu zwang sich, die Schmerzen zu unterdrücken, die das Knie ihr bereitete. Aber vielleicht würde ihr gerade diese Verletzung jetzt helfen. Mühsam schleppte sie sich vor dem Wächter her, die wenigen Schritte bis zur Tür. Dabei sammelte sie alle Kraft, die sie noch irgendwo in sich aufbieten konnte und machte sich zu einem letzten, aktiven Dienst ihrer Fremdzellen bereit. Sie mußte kurz das Bein belasten und hoffte, daß es nicht wieder unter ihr wegbrechen würde.
Dann waren sie bei der Tür.
Plötzlich, zu plötzlich für ihre Wächter, warf sie sich herum, ächzte mit zusammengepreßten Kiefern vor Schmerz, und rammte ihre Schulter brutal gegen diese. Das Bein brach unter ihr weg, so daß sie erst recht gegen das Holz gedrückt wurde. Die zusätzliche Kraft der Wraith-Zellen erlahmte viel zu schnell, doch es reichte. Die Tür brach auf und sie konnte einen kurzen Blick auf das Innere des schmalen Verschlages werfen.
Der Spiegel. Sie konnte Babbis sehen, der an die Wand gelehnt dastand. Und da stand die Kamera!
Im nächsten Moment traf sie ein grausamer Schlag, ließ sie endgültig zusammensacken. Die Schmerzen waren beinahe zu heftig. Sie konnte das Dunkel der Bewußtlosigkeit am Rande ihres Blickfeldes wahrnehmen.
Brutal riß man sie wieder auf die Beine. Die beiden Genii packten sie unter den Armen, daß sie sich hilflos aufbäumte. Der Kolben eines Gewehres landete in ihrem Bauch, ließ sie sich zusammenkrümmen und hilflos würgen.
Zwischen den beiden Wächtern eingekeilt wurde sie den Gang entlang geschleppt und in den schlecht beleuchteten Raum gebracht. Neben dem Stuhl ließ man sie los und stieß sie grob zu Boden, daß ihr Kinn gegen die Sitzfläche knallte.
Halb ohnmächtig blieb sie zusammengesunken vor dem Stuhl hocken, das verletzte Knie so weit wie möglich ausgestreckt. Sie fühlte, wie warmes Blut über ihr Bein rann, die Schußwunde war wieder aufgeplatzt. Keuchend wartete sie, hörte die undeutlichen Stimmen und kämpfte um ihr Bewußtsein.
Dann wurde sie im Nacken gepackt und wieder hochgerissen.
„Allmählich werden Sie lästig, Ahnin!" herrschte Kolya sie an. „Dachten Sie, Sie könnten so einfach entkommen? Oder was wollten Sie damit erreichen?"
Er quetschte ihr die Adern zum Gehirn ab. Ein stechender Schmerz breitete sich in ihrem Genick aus.
„Was sollte das?" wiederholte er und schüttelte sie.
„Ihre Gastfreundschaft läßt zu wünschen übrig, Kolya", würgte sie irgendwie hervor. „Natürlich wollte ich gehen. Ich habe genug von Ihnen."
Ein Tritt traf ihr verletztes Knie, dann wurde sie brutal über den Stuhl geworfen, dessen Sitzfläche sich jetzt in ihren Unterleib grub.
„Passen Sie nur auf, Vashtu Uruhk. Bis jetzt steht mein Angebot noch, aber ich kann es auch sehr schnell rückgängig machen."
Die beiden Genii zerrten an ihr und setzten sie wieder aufrecht hin, um sie an den Stuhl zu fesseln. Vashtu ließ es über sich ergehen, hielt den Kopf gesenkt.
Sie konnte beinahe spüren, wie die Injektion jetzt mit rasender Geschwindigkeit wirkte und durch ihren Körper jagte. Aber sie hatte keine andere Wahl gehabt. Sie hatte die Wraith-Zellen einsetzen müssen, sonst wäre es ihr wahrscheinlich nicht lange genug gelungen, die Schmerzen zu unterdrücken und die Tür zu öffnen.
Es gab eine Kamera! Sie konnten den zweiten Teil der Nachricht absenden. Hilfe würde kommen, hoffte sie zumindest.
Mit einem Ruck wurde ihr Kopf gehoben, um sie wieder zu knebeln. Müde, aber auch voller Zorn sah sie zu Kolya, der sich abgewandt hatte.
Sie haßte diesen Mann inzwischen so sehr. Wenn sie nur eine Möglichkeit erhalten würde, sie würde ihm jeden Knochen im Leib brechen, ehe sie ihn langsam, sehr langsam, tötete.
Ihre Kiefer spannten sich an, ihr von Schmerz und Fieber verschleierter Blick wurde kalt wie Eis.
Wenn sie nur eine Waffe hätte! Irgendetwas, ihretwegen reichte schon ein Nagel. Sie würde ihm das Leben zur Hölle machen, wie er es auch mit ihr getan hatte. Sie würde ihn foltern, und es würde ihr wirklich Vergnügen bereiten.
Sie schloß die Augen und ließ den Kopf auf ihre Brust sinken. Das Schlüsselbein schmerzte, aber lange nicht so schlimm wie das Knie oder die frischen Prellungen.
„Sie werden keine weiteren Anweisungen geben, ist das klar?" wandte Kolya sich plötzlich an sie. „Noch so ein Versuch und ich jage Ihnen eine Kugel in den Kopf. Dann dürften Sie tot sein. Es wäre zwar schade, aber läßt sich wohl nicht vermeiden."
Sie nickte mühsam, hielt den Kopf gesenkt.

***

Sheppard mußte ein Stöhnen unterdrücken, als Kolya zur Seite trat. Die Gestalt, die da auf dem Stuhl hing, schien nur noch wenig mit der Vashtu gemein zu haben, die er vor einem Jahr kennengelernt hatte. Eines fiel ihm sofort auf, ihr Haar war grau, nicht mehr dieses tintige Schwarz wie früher. Sie ließ den Kopf hängen, hatte offensichtlich Mühe, sich bei Bewußtsein zu halten.
Ein zischender Laut entwich Becketts zusammengebissenen Zähnen neben ihm.
„Wollen Sie mit der Ahnin sprechen?" fragte Kolyas Stimme.
Mühsam hob sie den Kopf, sah mit verschleierten Augen in die Kamera.
Sheppard schluckte und wartete.
Vashtu blinzelte und ließ den Kopf wieder sinken. Es war, als habe sie schlichtweg nicht mehr genug Kraft, um überhaupt noch irgendetwas zu tun.
„Ja, ich will mit ihr sprechen." Sheppards Stimme klang belegt.
Dieses Mal aber geschah etwas anderes als sonst. Kolya nahm ihr selbst den Knebel ab und stellte sich neben sie. Seine Waffe klickte, dann hielt er sie ihr an die Schläfe.
Sheppard biß sich auf die Lippen.
„John?" Ihre Stimme war kaum mehr als ein rauhes Flüstern.
„Ich bin da", sagte er, versuchte so viel Gefühl wie möglich in seine Stimme zu legen.
Wieder hob sie ein wenig den Kopf, sah unter ihren Brauen herauf in die Kamera. „Ich ... ich wollte das nicht", flüsterte sie. „Es tut mir leid."
„Du mußt dich nicht entschuldigen."
Es schien, als würde sie kurz lächeln. „Laß es gut sein, ja? Es ist gut, daß du nicht hergekommen bist. Das wollte ich dir noch sagen."
Sheppard preßte die Lippen aufeinander. „Du wirst mir noch eine Menge mehr sagen, hörst du? Gib jetzt nicht auf. Die Erde hat Hilfe genehmigt. Eine Einsatztruppe ist auf dem Weg hierher. Wir holen dich da heraus, glaube mir."
Sie ließ den Kopf wieder sinken. „Es geht nicht mehr. Es ist zu spät." Ihre Schultern hoben sich, sanken dann wieder herab. „Ich wollte dir noch sagen ..."
„Spar es dir für später, Vashtu. Wir werden darüber reden, hörst du? Du darfst jetzt nur nicht aufgeben. Du mußt weiterkämpfen! Hilfe ist unterwegs." Sheppard bemerkte, daß ihre Schläfen plötzlich weiß wurden. Sie alterte rapide vor seinen Augen.
„Vashtu, hören Sie. Bleiben Sie ruhig, es wird schon ..."
Der Schuß knallte.
Sheppard schloß die Augen und wandte sich ab.
„Zwei Stunden ... falls die Ahnin sie noch hat", sagte Kolya, dann schaltete das Bild um.

***

Babbis stand mit dem Rücken zum Spiegel und wartete, als sich die Tür öffnete und die Antikerin in den Raum gestoßen wurde.
Einen Moment lang erschrak er über ihren Anblick, dann sah er das mühsame Nicken und tat einen Schritt nach vorn, den Rücken immer noch zum Spiegel. Um Aufmerksamkeit zu erregen sprang er wie ein Hampelmann herum, hob die Arme und wies mit den Händen auf seine Jacke. Erst als er hörte, wie die Tür wieder geöffnet wurde, stürzte er zur nächsten Wand und rieb in rasender Schnelle die Salbe von dem Stoff herunter. Noch während er das tat, sah er in die Mündungen zweier Waffen, hob die Hände.
„Lockerungsübungen", brachte er mit einem entschuldigenden Grinsen hervor, als ihn auch schon der erste Schlag in die Magengrube traf und ihn zusammenklappen ließ.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie Vashtu sich mühsam auf den Bauch wälzte. Falten zeichneten ihr Gesicht, ihr Haarschopf war weiß. Eine neue Wunde in ihrem linken Oberschenkel verhinderte jetzt wohl endgültig, daß sie wieder auf die Beine kommen konnte. Dennoch kroch sie auf ihn zu. Er sah einen unsäglichen Schmerz in ihren Augen brennen.
Immer neue Schläge prasselten auf ihn ein. Schützend hielt er sich die Hände vor den Kopf, dennoch mußte er auch dort einige Treffer verzeichnen.
Dann setzte die Prügel plötzlich aus. Babbis, der sich so klein wie möglich gemacht hatte, wagte einen Blick unter seinen Händen hervor. Sein Herz sank, als er sah, wer gerade den Raum betreten hatte.
Unsanft trat der Genii die Antikerin mit dem Fuß zur Seite. Er hörte Vashtu röcheln. Langsam ließ er seine Hände sinken, richtete sich ein wenig auf und sah sich unvermittelt Kolya gegenüber.
Der pockennarbige Genii betrachtete die Wand, an der Reste der Salbe klebten. Dann richtete sich sein intensiver Blick auf ihn.
„Was hat das zu bedeuten?" Seine Stimme klang voll und dunkel.
„Sagen Sie ihm nichts, Peter!" Vashtus Stimme war kaum noch zu erkennen. Sie hustete inzwischen immer wieder, holte schwer Luft.
Kolya starrte ihn weiter an, schob seine Hand aus seiner Manteltasche und richtete eine gefährlich aussehende Pistole auf die Antikerin.
Babbis atmete hektisch.
„WAS hat DAS zu bedeuten?" Kolyas Stimme war die ein drohender Donnerschlag.
Vashtu sah ihn verzweifelt an, schwieg jetzt aber. Die Falten gruben sich immer tiefer in ihr Gesicht.
„Ich habe Atlantis einen Code übermittelt, mit dessen Hilfe sie uns finden werden. Wahrscheinlich sind sie sogar schon auf dem Weg hierher." Babbis reckte sich ein wenig, versuchte dem kalten Blick des Genii so stolz wie möglich zu begegnen.
Kolya starrte ihn stumm an, dann richtete er seine Waffe auf ihn.
„NEIN!"

***

„Sie hat keine zwei Stunden mehr." Beckett schüttelte immer wieder den Kopf, durchmaß die Kommandozentrale mit seinen Schritten. Die Hände hatte er hinter dem Rücken gefaltet. „Wenn ihr die Gentherapie nicht innerhalb der nächsten Stunde verabreicht wird, wird sie sterben."
„Wie ist das möglich? Sie ... sie alterte vor unseren Augen!" Sheppard schluckte.
„Sie muß die Fremdzellen eingesetzt haben." Beckett blieb plötzlich stehen. „Der Hoffanerstamm hatte die letzten Stunden Zeit, sich in ihrem Kreislauf festzusetzen. Aber sie hat ihm so wenig Angriffsfläche wie möglich geboten. Jetzt ist das anders."
„Was macht der da?" ließ sich einer der Techniker irritiert vernehmen.
Sheppard drehte sich zu dem Bildschirm um und sah Babbis, der einen wilden Veitstanz aufführte. Auf seinem Rücken glänzte es.
„Was ... ?" Er stockte. Zahlen, das waren Zahlen!
In diesem Moment hastete der Wissenschaftler zur nächsten Wand und rieb seinen Rücken daran.
Sheppard begriff. „Aufnahme stoppen, sofort!" befahl er, wirbelte herum und hetzte zum Hauptcomputer. „Sehen Sie zu, daß wir ein klares Bild von Babbis' Rücken kriegen. Und ich brauche eine Leitung zur Erde. Sobald das Wurmloch abreißt, wählen Sie uns ein."
Er bemerkte am Rande einen irritierten Blick von Weir, kümmerte sich aber nicht weiter darum. Gespannt wartete er auf die Übermittlung der letzten Bilder. Seine Augen huschten über den Bildschirm.
Das waren tatsächlich Zahlen. Ein Code! Der Code, den er brauchte. Er mußte die Kristalle verschieben.
Sheppard las:
7 <->3
0<->17
15<->5
9<->1
So schnell er konnte, wechselte er die Kristalle in der Reihenfolge, die Babbis ihm mitgeteilt hatte, trat dann vom Panel zurück, als plötzlich ein Laut ertönte, und hob die Hände.
„Die Tiefraumscanner!" McKays Augen wurden groß.
Sheppard fuhr herum und starrte auf die Anzeige. Zwei kleine Punkte leuchteten in den Tiefen des Alls. Zwei Punkte mit Nummern. ID-Nummern.
„Vashtu!"
„Verbindung reißt ab. Einwahl läuft", meldete der Techniker am DHD.
McKay trat näher. „Das ist ein verlassener Außenposten der Genii. Da waren wir schon einmal. Die Gate-Adresse ist gespeichert."
„Suchen Sie sie heraus, Rodney. Und machen Sie schnell." Sheppard klopfte auf sein Funkgerät, um es zu aktivieren. „Lorne, steht die Mannschaft bereit? Dann ab mit ihnen in die Jumper. Wir haben nicht viel Zeit!"
„John!" Weir starrte ihn an.
„Wir haben keine Zeit, auf die Erde zu warten, Elizabeth!" Er fuhr zu Beckett herum. „Haben Sie diese Gentherapie?"
Der Mediziner nickte.
„Dann holen Sie sie so schnell wie möglich. Sie kommen mit."
„Verbindung mit dem SGC steht", meldete der Techniker.
„General, Sir, wir haben die Adresse." Sheppard trat endlich hinter dem Hauptrechner hervor und stellte sich an den Bildschirm, über den die Bilder von Vashtu und Babbis geflimmert waren.
„Gut, ich werde gleich einen Jumper über die Gate-Bridge schicken", Landrys Stimme klang erleichtert.
Sheppard preßte die Kiefer aufeinander und faltete die Hände hinter seinem Rücken. „Sir, bei allem Respekt, aber soviel Zeit haben wir nicht mehr", entgegnete er. „Dr. Beckett bestätigte uns gerade, daß es noch maximal eine Stunde dauern würde, bis Vashtu nicht mehr zu retten wäre, wahrscheinlich sogar weniger. Wir können keine halbe Stunde warten, wir wissen nicht, auf wieviel Widerstand wir stoßen werden."
„Entspricht das auch der Wahrheit, Colonel?" Landrys Stimme klang mißtrauisch.
„Dr. Beckett ist zur Zeit nicht anwesend, da er Medikamente zusammenstellen muß, Sir. Wenn Ihnen mein Wort nicht reicht ... Dr. McKay wird Ihnen das sicher bestätigen können." Sheppard atmete tief ein. „Ich habe mir erlaubt, ebenfalls ein Rettungsteam zusammenstellen zu lassen. Die Männer betreten gerade die Puddlejumper, Sir. Wir brauchen nur Ihr Einverständnis, dann fliegen wir los."
„Colonel ... Dr. McKay, entsprechen diese Angaben der Wahrheit?"
„Hier Weir, General."
Sheppard drehte sich zu der Expeditionsleiterin um und sah sie an. „Sie haben selbst gesehen, wie Sie aussah, Elizabeth. Uns bleibt keine Zeit!" zischte er.
Weir erwiderte seinen Blick, dann nickte sie. „Ich kann diese Angaben bestätigen. Miss Uruhk altert in unglaublicher Geschwindigkeit. Dr. Beckett meinte, sie müsse ihre Fremdgene aktiviert haben. Die Impfung zerstört diese Zellen. Ihr normaler Genstrang allein ist nicht fähig ..."
„Ich habe verstanden." Landrys Stimme klang plötzlich gehetzt. „Colonel, Sie haben meine Erlaubnis, zu dieser Rettungsmission zu starten. Aber Sie werden sich aus allem heraushalten. Haben Sie verstanden?"
Sheppard atmete erleichtert auf und nickte. „Ja, Sir."
„Sir, wir müssen Sie jetzt leider abwürgen. Es sah gerade nicht gut aus, als wir die Aufnahme stoppen ließen", sagte Weir. Noch einmal wechselte sie einen Blick mit Sheppard, dann nickte sie wortlos.
Der ließ sich das nicht zweimal sagen. Er hastete die Treppe zum Jumper-Hangar hinauf.

***

„Commander, wir haben eine Aktivierung des Sternentors von außen!"
Kolya starrte noch immer auf Babbis hinunter. In seinem Gesicht zuckten die Muskeln. Dann hob er unvermittelt die Waffe und wirbelte herum.
„Rückzug, sofort!" befahl er, blieb bei der Antikerin stehen, die hektisch atmend auf dem Boden lag. Kurz begegneten sich ihre Blicke, dann ging der Genii wortlos.
Babbis wagte kaum zu atmen, bis Kolya verschwunden war. Er zögerte noch einige Sekunden, dann kroch er auf allen Vieren zu Vashtu hinüber.
„Nicht aufgeben!"

***

Sheppard landete den Jumper und öffnete die Hecklucke. „Alle raus! Rein in den Bunker und durchsuchen. Bei Widerstand wird scharf geschossen!" befahl er den Marines im Passagier- und Laderaum.
Die verteilten sich sofort. Er sah, wie sie in die Anlage eindrangen, zog seine Beretta und entsicherte sie. Der zweite Jumper spuckte gerade ebenfalls seine Ladung aus.
„Sie wissen doch, was Elizabeth gesagt hat, Colonel", sagte Beckett.
Sheppards Blick war kalt und starr wie Eis. „Vashtu braucht unsere Hilfe, so schnell wie möglich. Packen Sie Ihre Sachen, Doc!"

***

Vashtu fühlte, wie das Leben aus ihrem Körper entwich. Das Atmen fiel ihr immer schwerer, dafür nahmen die Schmerzen immer mehr zu. Sie konnte sich kaum mehr rühren.
Nie würde sie diesen Blick vergessen, mit dem Kolya sich von ihr verabschiedet hatte. Nie würde sie überhaupt irgendetwas vergessen, was sie in den letzten Stunden erlebt hatte.
Babbis bettete ihren Kopf in seinen Schoß und wischte ihr ungeschickt den Schweiß vom Gesicht. „Das wird wieder, hören Sie? Nur nicht aufgeben. Sie haben doch gehört, das Tor wurde aktiviert. Atlantis ist unterwegs hierher."
Aus weiter Ferne hörte sie Schüsse hallen, schloß die Augen.
Sie war so müde!

***

Sheppard hörte die einzelnen Statusberichte mit, während er an Becketts Seite in den Bunker eindrang.
Wo, zum Teufel, steckten Vashtu und Babbis? Er konnte nicht glauben, daß Kolya sie bei einer möglichen Flucht mitgeschleppt hatte. Zumindest die Antikerin nicht.
„Halte durch, wir sind unterwegs!" wisperte er.

***

Babbis blickte auf, als er Schritte vor der Tür hörte. Erleichtert atmete er auf, als er einen Mann in der Uniform der Marines den Raum betreten sah. „Gott sei Dank! Schnell, sie braucht sofort medizinische Behandlung."
Der Marine sah sie beide einen Moment lang groß an, dann machte er Meldung über sein Funkgerät.

***

Sheppard zerrte Beckett hinter sich her in die Zelle, sobald er wußte, wo die Gesuchten sich befanden.
Er erstarrte, als er die am Boden liegende Gestalt sah.
„Oh mein Gott!" hörte er Beckett entsetzt flüstern.
„Sie lebt noch. Bitte, wenn Sie ihr helfen können, dann helfen Sie ihr schnell!" Babbis hob vorsichtig den Kopf mit dem schlohweißen Haar von seinem Schoß, bettete ihn sanft auf seiner zusammengeknüllten Armeejacke und kam auf die Beine.
Ja, an diese Stimme erinnerte Sheppard sich.
Beckett kniete sich neben die in Embriohaltung am Boden liegende Gestalt, die kaum noch Ähnlichkeit hatte mit der vitalen, jungen Vashtu, die er kannte, und drehte sie auf den Rücken.
Sheppard trat näher, als er den Arzt stocken sah. Und unwillkürlich verkrampfte auch er sich kurz, als er jetzt seine Aufmerksamkeit auf das richtete, was ...
Er schluckte mühsam, während Beckett nun doch die Arbeit aufnahm. Er hatte Vashtu auf den Rücken gerollt, so gut es ging, untersuchte sie jetzt. Aber ... war das überhaupt noch Vashtu?
Sheppard trat näher, die Augen noch immer auf die Gestalt am Boden gerichtet. Dieses Wesen trug die Kleider der Antikerin, es wies die Wunden, respektive die Verbände, auf, die er kannte. Und doch ...
Das war ... Das konnte ... So schnell konnte sie doch unmöglich gealtert sein! Nein, das konnte einfach nicht geschehen! Es konnte nicht, nicht mit ihr.
Sheppard brach fast in seine Knie, beugte sich über das Gesicht, konnte seine Augen einfach nicht von der brüchigen Gestalt wenden. Der Brustkorb wirkte eingefallen, der Rippenbogen zeichnete sich deutlich unter dem Stoff des T-Shirts ab, die Kleidung hing lose am Körper und die Haut wirkte ... wie mumifiziert, pergamenten und brüchig.
Wie Norman Bates' Mutter aus Hitchcocks Thriller-Klassiker „Psycho", ging es ihm endlich auf, während er vorsichtig den an einen Totenschädel erinnernden Kopf anhob, ihn nun auf seinen Schoß bettete. Ein tiefer, röchelnder Atemzug löste sich aus der Brust. Wie das vollkommen ausgesaugte Opfer eines Wraith ... wie eine Mumie!
Und trotzdem war da noch immer ... Da war Leben in diesem Leib!
Die pergamentenen, tief in die Höhlen gesunkenen Lider hoben sich etwas, nur ein kleines bißchen. Und aus dem eingefallenen, verschrumpelten Gesicht mit der hakenförmigen Nase, den scharf umrissenen Wangenknochen, den zurückweichenden, spröden Lippen und der, von fast schwarzen Altersflecken gezeichneten Haut sah ihn ein Paar dunkelbraune Augen an. Augen, die immer noch die gleichen waren. Augen, wie er sie nur von einem Wesen kannte: Vashtus Augen!
Und plötzlich war ihr Aussehen, dieses erschreckende Alter, die unmittelbare Nähe des Todes, dessen Schwelle sie vielleicht gerade in diesem Moment überschritt, nicht mehr wichtig. Es war einfach nicht mehr da ...
Vashtu war es, die hier lag und um ihr Leben kämpfte. Und für ihn war sie plötzlich wieder die, die er kannte.
Nur allein der Blick dieser Augen, das Erkennen in ihnen, machte diese mumienhafte Gestalt wieder wett. Sie war schön - für ihn. Und sie würde immer schön sein in seinen Augen.
In ihrem Gesicht zuckte es, während sie ihn noch immer unter halbgeschlossenen Lidern ansah. Und dann lag der Hauch einer kratzigen, mühsamen Stimme über ihr, erreichte ihn: „So ... jung ... ?" Es war, als werde ihr Blick fragend, doch der nächste Atemzug schien wieder der letzte zu sein, sie kämpfte darum. Und es schien, als würde sie den Kampf allmählich verlieren.
Sheppard strich ihr liebevoll über die eingefallenen Wangen und lächelte traurig. „Bleib bei mir", wisperte er sanft und zärtlich, gerade als ihre Augen sich schlossen. Er betrachtete sie weiter, sah ihr ins Gesicht, während Beckett sich wieder aufrichtete, mit sorgenvoller Miene und einem resignierenden Blick. Er konnte sich einfach nicht von ihr lösen, es gelang ihm nicht.
Dann aber war es, als wispere ihre Stimme in seinem Geist, als bäte sie ihn um einen letzten Dienst, den er ihr nicht verweigern konnte.
Sheppard atmete einige Male tief ein, blickte auf und setzte zum Sprechen an: „Dr. Babbis?"
Der sah zu ihm hinunter und kniff die Lippen zusammen. Erkennen trat in seine Augen. Sein Gesicht, nicht gerade ein schöner Anblick im Moment, verhärtete sich.
Sheppard zwang sich zu einem Lächeln. „Gut gemacht."

***

Acastus Kolya trat aus dem Wäldchen heraus und sah sich kurz um. Die meisten seiner Männer folgten ihm dicht auf. Rasch huschten sie zum Sternentor und warteten, bis sich ein Wurmloch aufgebaut hatte, dann flohen sie hindurch.
Kolya blieb allein zurück und drehte sich noch einmal um.
Fast hätte sein Plan funktioniert, davon war er überzeugt. Fast hätte er Sheppard und Uruhk erledigen können, nacheinander oder zusammen. Aber statt dessen ...
„Kolya?" meldete sich eine Stimme über sein Funkgerät.
Er runzelte die Stirn und hob seinen Arm, sagte aber nichts.
„Kolya? Wo sind Sie? Kolya?"
Sie war doch so gut wie tot gewesen, er hatte es in ihrem Gesicht gesehen! Er hätte danebenstehen und zusehen können, wie sie verfaulte. Aber jetzt?
Vashtu Uruhks Stimme hatte noch nicht ihre alte Kraft zurückgewonnen, doch er konnte sie durchaus erkennen. Sie lebte!
„Wenn ich noch einmal irgendwo etwas von Ihnen höre, Kolya, werde ich Sie jagen und töten! Haben Sie mich verstanden? Kolya? Ich bringe Sie um, laufen Sie mir noch einmal über den Weg!"
Er zuckte vor diesem Haß zurück.
Allmählich ging ihm auf, was er angerichtet hatte. Statt einen Feind zu beseitigen, hatte er sich einen neuen geschaffen. Noch dazu einen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten.
Er hatte eine Ahnin gegen sich aufgebracht! Eine Ahnin, die vielleicht Dinge gegen ihn einsetzen konnte, von deren Existenz er nicht einmal etwas ahnte - ebensowenig wie er etwas von diesem eigenartigen Gerät geahnt hatte, mit dem er sie hergeholt hatte. Wenn sie jemals erfuhr, wie er hatte herausfinden können, daß sie gerade in der Heimatgalaxie der neuen Atlanter unterwegs gewesen war ...
„Kolya!"
Er trat durch das Wurmloch.

TBC ...

2 Kommentare:

  1. uff...glück gehabt, sie haben vashtu noch rechtzeitig gefunden.
    und kolya ist einfach so feige und haut ab...tze!
    die genteraphie von carson scheint ja auch gewirkt zu haben *freu* das muss ein gruseliger anblick gewesen sein, zu sehen, wie vashtu von minute zu minute altert.
    aber jetzt kann ich mich draüber freuen, dass vashtu gerettet worden ist und babbis hat da ja auch eine entscheidene rolle gespielt ;) und mich darüber ärgern, dass kolya mal wieder einfach so abgehauen ist.
    LG Sabrina

    AntwortenLöschen
  2. Hey, Kolya MUSS verschwinden, immerhin hat er noch ein Duell mit John vor sich *zwinker*. Wenn er dageblieben wäre, ich kenne mindestens zwei Herren, die ihn in seine Einzelteile zerlegt hätten.
    Aaaber ... wurde Vashtu noch rechtzeitig gefunden? Sicher? Sorgenvoller, resignierter Blick von Carson - so sieht Gummibärchen nicht aus, wenn er einen Patienten stabilisiert hat.

    Noch fehlt ein Kapitel *hihi*. Dann warte mal ab - bis Freitag.

    Dank dir für das Comment.

    Bis denne
    Ramona

    AntwortenLöschen