26.07.2009

Das Artefakt I

TV-Serien: CSI - Den Tätern auf der Spur, Stargate: Atlantis, Stargate SG-1, PSI Factor
Genre: adventure, scifi
Rating: M
Reihe: Stargate vs. CSI: Drei Fälle für drei Teams
Zeitleiste: Diese Fanfiktion spielt für Stargate: Atlantis innerhalb der Episode 3.10 The Return I, für CSI zu Beginn der 7. Staffel und für Stargate SG-1 nach 10.11 The Quest II.


Vashtu Uruhk drückte sich an einer Reihe von Kisten vorbei, schlängelte sich dann durch eine Gruppe Militärangehöriger, die gerade damit beschäftigt waren, weitere Kisten den Gang entlang zu tragen, mußte einer Ameise ausweichen, die eine vollbeladene Palette mit noch mehr Kisten transportierte, rannte fast einen bebrillten Wissenschaftler um, dessen Namensschild sich eigenartigerweise in ihr Gehirn einbrannte, bis sie schließlich vor der Bürotür des Leiters des SGC, Maj. Gen. Hank Landry, stand und leise anklopfte. Als sich niemand meldete, wurde die Antikerin mutiger, öffnete die Tür etwas und schob ihren Kopf in den Spalt.
„Ah, Miss Uruhk. Ich habe gar nicht gehört, daß Sie schon da sind." Landry winkte sie in sein Büro.
Vashtu warf dem Chaos auf dem Gang noch einen langen und nachdenklichen Blick zu, dann trat sie schließlich doch in den Raum und blieb unverrichteter Dinge stehen. Irgendwie waren ihre beiden Hände plötzlich entschieden zwei zuviel für sie, sie wußte zumindest nicht so recht, wohin mit ihnen, wie meist, wenn sie in Landrys Büro zitiert wurde.
„Setzen Sie sich", forderte der General sie auf, sah aber dabei nicht einmal auf, sondern war offensichtlich gerade sehr mit irgendwelchen Listen beschäftigt, die sich auf seinem Schreibtisch stapelten.
Vashtu schob sich auf einen der beiden Besucherstühle und wartete. Dabei sah sie hinaus in den Gateroom und konnte beobachten, wie ein neues Wurmloch sich etablierte. Weitere Kisten auf Rollwagen kamen auf der Erde an.
„Ziehen wir um?" fragte sie, als sie es nicht mehr aushielt.
Landry reagierte einen Moment lang nicht, blickte dann aber irritiert auf. „Wie bitte?"
Vashtu nickte zum Gate hinunter. „Die Kisten, Sir." Sie zog eine Grimasse.
Die letzten Tage war sie mit SG-15, dem Team, dem sie als wissenschaftliche Beraterin zugeteilt worden war vor etwa einem halben Jahr, unterwegs auf einem Planeten gewesen, dessen Bewohner der Fall der Systemlords nicht unbedingt als positiv empfanden. Tatsächlich stand die Bevölkerung kurz davor, in Chaos zu versinken. Da es auf einigen Nachbarplaneten zu Priorsichtungen gekommen war, hatte ein Team von der Erde dort nach dem Rechten sehen sollen.
Vashtu kniff die Lippen aufeinander. Jennings, der Leader des Teams, hatte sich über sie beschweren wollen bei Landry. Vielleicht hatte er das auch getan, sie wußte es nicht. Immerhin war sie damit beschäftigt gewesen, einen Widerstand gegen die Ori zu organisieren und den Menschen ein bißchen Selbstständigkeit einzubleuen, während der Rest des Teams lieber hatte abwarten wollen.
„WIR ziehen nicht um, nein." Landry legte den Ordner zur Seite, in dem er die Listen gelesen hatte, faltete die Hände vor sich auf dem Tisch und seufzte. „Aber es wird gerade umgezogen, das ist richtig und betrifft auch Sie", fuhr er fort.
Vashtu schluckte und wartete, angespannt auf ihren Stuhl sitzend.
„Atlantis wird aufgegeben."
Allein dieser eine Satz war wie ein Keulenschlag.
Atlantis, ihre Heimat. Der Ort, an dem sie fast ihr ganzes bisheriges Leben verbracht hatte. Und jetzt sollte ...
„Was ist mit Pegasus?" wagte sie zu fragen.
Die Atlantis-Expedition hatte dort in die bestehenden Machtverhältnisse eingegriffen und für einigen Wirbel gesorgt. Die Erde konnte sich doch nicht so einfach aus der Verantwortung stehlen! Immerhin ging es um die Wraith ...
„Wir verhandeln deswegen ... und wegen Atlantis", antwortete Landry zögernd, lehnte sich jetzt zurück und sah sie an.
„Miss Uruhk, vielleicht möchten Sie jetzt zurückkehren in Ihre Heimat? Es sind andere wie Sie aufgetaucht."
Vashtus Augen wurden groß.
Andere wie sie? Andere Lantianer? Aber ...
Ein Verdacht keimte in ihr.
„Andere wie ich?" fragte sie vorsichtig.
Landry nickte. „Sie möchten erst einmal allein dort bleiben und sich ordnen", fuhr er fort. „Möglicherweise könnte jemand wie Sie Einfluß auf künftige Verhandlungen nehmen. Vielleicht kennen Sie diese Antiker ja. Sagt Ihnen der Name Helia etwas?"
Mit einem Schlag wich Vashtu das Blut aus dem Gesicht und sie überkam ein alles überwältigender Schluckreflex.
Ausgerechnet Helia! Verdammt, es gab doch noch mehr vermißte Schiffe! Aber nein, ausgerechnet Helias Schiff mußte gefunden werden. Und ausgerechnet diese Lieblingsschülerin von Moros mußte es auch geschafft haben, zehntausend Jahre zu überstehen.
Vashtu überlegte fieberhaft. Wenn irgendjemand ihren Namen Helia gegenüber erwähnt hatte, sah es übel für sie aus. Die Kommandantin würde sie nicht frei herumlaufen lassen - ach was, Helia würde sie gar nicht herumlaufen lassen. Wie hatte sie damals bei der Verhandlung vorgeschlagen? Waffe an die Schläfe und Abzug drücken, damit wäre das Problem gelöst. Zumal, nachdem sie sich den heutigen Menschen nicht nur angeschlossen, sondern ihnen auch noch Teile des Zentralspeichers zur Verfügung gestellt hatte. In Helias Augen war Vashtu damit eine Verräterin an ihrem Volk geworden. Und die Strafe für dieses Vergehen war auch schon vor zehntausend Jahren der Tod gewesen.
„Sir ... ?" Ihre Stimme klang klein und unsicher in ihren Ohren. Unbewußt hatte sie den Kopf eingezogen, während sie fieberhaft nachgedacht hatte.
Landry hatte ihre Reaktion mit einigem Interesse verfolgt, nickte jetzt stumm und wartete.
„Ich ... ich beantrage hiermit politisches Asyl auf der Erde, Sir", platzte es auch Vashtu heraus.
Damit allerdings schien Landry so gar nicht gerechnet zu haben. Er stutzte sichtlich, richtete sich wieder auf. „Sie wollen Asyl?" fragte er irritiert.
Vashtu nickte heftig.
Alles war besser als ausgerechnet jetzt nach Atlantis zurückzukehren. Einwirken würde sie zumindest nicht auf Helia können, ganz im Gegenteil würde sie schneller in der Brick landen, als sie auch nur ihren Namen aussprechen konnte.
Landry seufzte, zog dann einen Umschlag unter einem Stapel Akten hervor. „Ich werde sehen, was sich machen läßt und Ihren Antrag weiterleiten. Für Sie spricht, daß Sie sich bisher als recht kooperativ erwiesen haben. Allerdings haben Sie auch noch keiner Nation wirkliches Interesse gezeigt. Es ist gut möglich, daß man einer möglichen positiven Antwort ein entsprechendes Gesuch vorausschicken wird. Damit müßten Sie dann Staatsbürgerin eines Landes werden, Miss Uruhk. Haben Sie da einen bestimmten Staat im Auge?"
Wenn sie ehrlich war, hatte Vashtu sich bisher nicht wirklich für die Staatenordnung der Erde interessiert. Als sie hergekommen war, hatte sie nur so schnell wie möglich ein Ladegerät finden wollen. Daraus allerdings war recht schnell ein bloßer Überlebenskampf geworden, der schließlich darin mündete, daß sie ein eigenes, kleines Apartment ihr eigen nannte und vom Versuchskaninchen hochgestuft wurde zur wissenschaftlichen Beraterin. Einen möglichen Titel dagegen enthielt man ihr vor, da sie mit ihrem Wissen um Genetik nicht wirklich herausrückte. Das zumindest hatte sie interessiert und sie recherchiert, wie weit man hier in ihr Fachgebiet vorgedrungen war. Erschüttert hatte sie dann sofort begonnen zu mauern. Auf keinen Fall wollte sie ein Fiasko auslösen, wie es vielleicht eintreffen würde, würde sie ihr Wissen unter Beweis stellen. Allerdings verbaute sie sich auf diese Weise auch allerlei Möglichkeiten, die man ihr geboten hatte.
„Nein, Sir." Vashtu schüttelte bedauernd den Kopf.
Landry schob ihr den Umschlag zu. „Dann habe ich Sie hiermit darüber in Kenntnis zu setzen, daß Sie aus dem SG-Team Nummer 15 auf unbestimmte Zeit versetzt werden, zumindest bis dieses wieder einsatzbereit ist. Ihr geänderter Dienstplan sieht vor, daß Sie sich um siebzehnhundert zur Einsatzbespechung bei SG-11 melden. Als Beraterin werden sie dieses Team für die nächsten fünf Tage nach P7X-999 begleiten. Bei Ihrer Rückkehr schließen Sie sich dann umgehend SG-4 für weitere vier Tage an und untersuchen mit ihnen zusammen einen Wasserplaneten. Danach steht noch ein Kurzeinsatz mit SG-7 auf Ihrem Dienstplan. Es geht um die Evakuierung der Bevölkerung von P5X-156. Sie werden davon gehört haben. Zudem hat General O'Neill Sie zur Jefferson Airbase verlangt, um dort einige Testflüge durchzuführen. Wenn Sie fliegen wollen, dann dort. Ich habe diese Anfrage genehmigt für den 15. Ich hoffe, das ist in Ihrem Sinne."
Vashtu blieb der Mund offen stehen bei diesem Dienstplan. Damit dürfte sie für mindestens vierzehn Tage im Dauerdienst sein, ob nun hier oder auf fremden Planeten.
Grundsätzlich hatte sie ja eigentlich nichts dagegen einzuwenden, aber ...
„Wieso ist SG-15 außer Dienst gestellt?" fragte sie baff erstaunt.
„Colonel Jennings hat um Versetzung in eine andere Einheit gebeten und damit fehlt dem Team der Leader", antwortete Landry wenig bereitwillig. „Übrigens nannte er, mal wieder, Ihren Namen, als es um den Grund für die Versetzung ging. Miss Uruhk, Sie müssen allmählich lernen, sich unterzuordnen, sonst endet das noch übel für Sie."
Vashtu senkte schuldbewußt den Kopf. Dann aber ging ihr plötzlich etwas auf, was sie in dem ganzen Chaos in ihrem Inneren bisher vollkommen unterdrückt hatte.
„Was ist mit Colonel Sheppard?" Hoffnungsvoll blickte sie auf.
Landry sah auf den Umschlag hinunter, den er immer noch in der Hand hielt, schob ihn ihr dann schließlich zu. „Ich habe Sie darüber in Kenntnis zu setzen, daß das IOA sich weiterhin für eine Kontaktsperre zwischen ihnen beiden ausspricht. Da Sie sich bisher noch zu keiner Staatsangehörigkeit durchgerungen haben und somit mehr oder weniger in die Zuständigkeit der Internationalen Kommission fallen, können Sie diese Maßnahme auch nicht anfechten. Zudem hat die Air Force sich bis auf weiteres verpflichtet, diesen Konsens zu unterstützen. Sie haben ein bißchen zuviel Chaos angerichtet, Miss Uruhk."
Vashtu nahm den Umschlag mit gesenktem Kopf. Damit dürfte sich auch eine mögliche Zusammenarbeit zwischen ihr und John Sheppard auf der Erde gerade in Luft aufgelöst haben. Dabei, auch wenn sie alles tat, um davon abzulenken, sie vermißte ihn und wollte unbedingt wieder zu ihm zurück. Da konnte ihr fast noch Atlantis gleichgültig werden - auch wenn sie das niemals offen zugeben würde.
„Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Miss Uruhk." Landry lehnte sich wieder zurück, faltete jetzt die Hände über seinem Bauch. „Sie haben sich alles andere als positiv eingeführt auf der Erde, das ist auch den höheren Stellen nicht verborgen geblieben. Wenn ich Sie nur an den Unsinn erinnern darf, den Sie Silvester angerichtet haben ... an dieser Sache dürften Sie in der Tat noch einiges zu knabbern haben, denken Sie nicht?"
Wieder nickte sie, wagte nicht einmal mehr aufzublicken.
„Andererseits haben Sie sich seitdem nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Vielleicht ist die Spitze des Eisbergs damit erreicht worden, daß Sie fast Ihren Arbeitsplatz in die Luft gesprengt hätten, ich zumindest hoffe es. Sie arbeiten inzwischen konzentrierter, wenn Sie sich auch immer noch nicht wirklich Ihren Vorgesetzten im Feld gegenüber mässigen. Dr. Lee schwört auf Sie als Assistentin und auch Dr. Lam hat sich in letzter Zeit etwas positiver über Sie geäußert. Vielleicht befinden Sie sich auf dem Weg der Eingliederung, es steht zumindest zu hoffen." Landry holte tief Atem. „Allerdings sollten Sie bedenken, daß gerade mit dem jetzigen Hintergrund jeder Patzer als doppelt gefährlich für Sie erweisen kann. Im Moment schulden Sie der Air Force einiges, jetzt müssen Sie dafür sorgen, daß diese Schulden nicht noch künstlich in die Höhe getrieben werden. Und das bedeutet: Sie werden tun, was man von Ihnen verlangt. Suchen Sie keinen Kontakt zu Colonel Sheppard, Miss Uruhk, und nehmen Sie sich in nächster Zeit nichts mehr heraus. Je pflegeleichter Sie sich im Moment betragen, desto besser für Ihren Asylantrag. Man hat Vertrauen in Sie gesteckt, nun müssen Sie sich dieses Vertrauens für würdig erweisen. Verstanden?"
Vashtu nickte, halb erleichtert, halb allerdings auch am Boden zerstört.
„Dann gehen Sie jetzt. Wir sehen uns beim Briefing." Landry seufzte schwer. „Und hoffen wir, daß Sheppard sich als ebenso verständnisvoll wie Sie erweist."
Vashtu schlich geradezu aus dem Büro heraus, nur um in den nächsten Wissenschaftler zu laufen. Mit krebsrotem Gesicht entschuldigte sie sich und suchte ihr Heil in der Flucht.

***

3 Wochen später, Las Vegas, Nevada:

„Ma, ich bin zuhause!" Dr. Harvey Minneon schloß die Haustür hinter sich und blinzelte kurzsichtig in die Helligkeit der Deckenlampe hinein. „Ma?"
„Ach, mein Junge!"
Eine Sekunde nach diesem Ruf fand der Physiker sich unvermittelt in einer schwitzigen Umarmung wieder und erntete einen feuchten Schmatzer auf die Wange, ehe er sein Gesicht hatte in Sicherheit bringen können.
„Harvey, mein armer, armer Junge!" Misses Minneon, eine übergewichtige, ältliche Frau mit freundlichem Gesicht und graumelierter Dauerwelle, strahlte ihren Sohn glücklich an. „Komm doch erst einmal richtig rein."
Minneon nickte erleichtert, kramte jetzt doch seine Brille aus der Brusttasche seines Hemdes und folgte seiner Mutter schicksalsergeben in die Küche hinein.
„Daß sie dir aber sowas antun mußten! Also wirklich! Du warst doch so glücklich, daß deine Bewerbung für diesen neuen Stützpunkt angenommen wurde", plapperte seine Mutter vor sich hin. „Und dann auch noch sowas! Die Army sollte sich doch einmal überlegen, ehe sie Stellen ausschreibt, die sie dann nicht einhalten kann. Bertha meinte, vielleicht könntest du sie sogar verklagen, weil sie dich ja unter Vorspiegelung falscher Tatsachen von deinem Posten weggelockt hätten."
Minneon verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Ma, das waren keine Vorspiegelungen", wandte er ein, betrat hinter ihr die Küche im siebziger-Jahre-Retro-Stil (nur das eben noch alles eben aus dieser Periode stammte) und ließ sich auf einem verrosteten Metallstuhl mit sattrotem Kunstlederbezug nieder. „Und es ist nicht die Army, sondern die Air Force. Der Stützpunkt wurde geschlossen, vielleicht nur vorübergehend, Dr. Weir äußerte sich nicht näher dazu. Jedenfalls wird weiter verhandelt und man hat mir in Aussicht gestellt, daß ich zurück kann, sobald man ihn wieder eröffnet. Außerdem habe ich meinen alten Job ja wieder dank Dr. McKay. Und Groom Lake ist so schlimm nun auch wieder nicht."
Mrs. Minneon rührte in ihren Töpfen, aus denen heißer Dampf aufstieg. „Dieser ... dieser McKay! Wie kannst du nur für einen Kanadier arbeiten? Wieso holt die Army sich überhaupt einen Kanadier in ihre Forschungseinrichtungen? Wir haben doch selbst genügend gute Wissenschaftler. Immerhin haben wir als erste die Bombe geworfen." Stolz hob sie den, vor Tomatensoße kleckernden Kochlöffel und hielt ihn hoch wie eine übergewichtige, in die Jahre gekommene Parodie der Freiheitsstatue in New York.
Minneon seufzte. „McKay ist unausstehlich, aber er ist schlichtweg genial", beteuerte er. „Ich kenne auf dieser Welt nur zwei, die mit ihm mithalten können ... nun ja, der kleine Babbis ist noch nicht ganz so weit, wird es aber sicher in einigen Jahren sein. Und Dr. Carter ist schlichtweg ein Genie, ihr kann so schnell keiner das Wasser reichen."
Er fühlte einen gewissen Stolz in sich, wenn er daran dachte, daß er immer noch mit wahrscheinlich dem Trio von Wissenschaftlern zusammenarbeiten durfte, das irgendwann die Erde in ein neues Zeitalter katapultieren würde. Ob nun hier oder auf Atlantis, er hatte einen wahren Glücksgriff getan, als er sich bei der Air Force bewarb.
„Groom Lake!" Seine Mutter schnaubte, drehte sich wieder um und blitzte ihn an. Die Liebe und Güte in ihrem Gesicht war Abscheu gewichen. „Du weißt doch, was diese UFO-Gläubigen darüber sagen. Ich war froh, daß du dort nicht mehr gearbeitet hast. Und jetzt willst du wieder dahin zurück?"
Minneon zuckte mit den Schultern. „Ich bin weiterhin in McKays Forschungsgruppe." Er runzelte die Stirn. „Da fällt mir ein, sind meine Sachen schon geliefert worden?"
Seine Mutter nickte. „Ich habe die Männer angewiesen, alles in dein Zimmer zu bringen, bis auf diese große Kiste. Die steht in der Garage."
Er strahlte. „Großartig! Ich habe dir nämlich etwas mitgebracht, Ma." Er erhob sich wieder. „War gar nicht so einfach, das am ... Zoll vorbeizuschmuggeln. Aber ... du wirst staunen!"
Das würde sie sicherlich, davon war er überzeugt. Es war schwer genug gewesen, das schwere Ding durchs Tor zu schmuggeln. Aber damit und mit ein bißchen Glück würde er vielleicht sogar irgendwann sein eigenes Labor eröffnen können.
„Harvey, du mußt doch erst einmal etwas essen!" Seiner Mutter schien allein der Gedanke, ihn ausgerechnet jetzt wieder vom Tisch abrücken zu sehen, schon ein wahrer Alptraum zu sein.
„Ich bin doch gleich wieder da." Minneon strahlte sie an, entwischte schon wieder durch die Tür auf den Flur hinaus und eilte diesen zum Hauseingang der Garage hinunter.
Wenn dieses Ding wirklich, wie er glaubte, das enthielt, was er annehmen mußte, dann ...
Minneon öffnete die Tür zur Garage, tastete kurz nach dem Lichtschalter und wartete, bis die Neonröhre unter der Decke knackend ansprang, ehe er den Raum betrat.
Der alte Kombi seiner Mutter stand als einziges Fahrzeug hier, auch wenn genug Platz für einen zweiten Wagen da war. Diesen Stellplatz nahm im Moment eine mannshohe Kiste ein, an deren Seite noch das Emblem der Air Force eingebrannt war.
Minneon seufzte erleichtert, trat dann näher. Und da hörte er es ... ein durchdringendes Brummen und Zischen - eine Sekunde, ehe seine Welt in Schmerz versank ...

***

Nachts, gleiches Haus:

Die Schatten lösten sich aus den vertrockneten Sträuchern des Gartens und pirschten sich, als seien sie auf der Jagd, an das Gebäude heran.
„Bist du sicher, Josh?" wisperte eine Stimme. „Da ist doch noch Licht!"
„Die rühren sich nicht mehr. Haben wahrscheinlich nur vergessen, das Licht zu löschen", entgegnete die zweite Stimme. „Und ich habe dieses Megading wirklich gesehen. Wird krass werden, wenn wir die da rausholen können."
Die Schatten traten an die Garage heran. Ächzend und stöhnend, aber so leise wie eben möglich, schoben sie an dem schweren Tor, bis es schließlich nachgab.
Das Garageninnere war hell erleuchtet. Ein bräunlicher, alter Kombi stand ordentlich geparkt auf dem rechten Stellplatz, der linke dagegen wurde von einer mannshohen Kiste eingenommen, an deren Seite das Emblem der Air Force prankte.
„Cool!"
Die beiden Schatten lösten sich aus der Nacht und betraten die fremde Garage. Als das weißliche Licht der Neonröhre unter der Decke sie traf, enthüllten sie ihr Geheimnis: zwei männliche Teenager, schlacksig und mit akneverseuchtem Gesicht der eine, breitschultrig und durchtrainiert der andere.
„Hilf mir, na los!" Der Durchtrainierte hatte sich augenblicklich der Kiste zugewandt, dem Objekt seiner Begierde.
Der andere zögerte noch, ehe auch er herantrat, nach der Kiste griff und sie hochstemmte. „Scheiße, ist die schwer!" ächzte er.
„Halt die Klappe. Wir müssen weg, ehe man uns bemerkt", zischte der erste.
Und da sahen sie beide die Beine, die unter dem Kombi hervorlugten. Einen Moment lang wollten sie die Kiste fallenlassen, als sie die Zuckungen bemerkten. Immerhin waren sie beide erfahrene Horrorfilm-Fans, sie wußten, was dieses Zucken bedeutete. Doch es schien, als seien ihre Hände mittlerweile mit der Kiste verwachsen. Statt sie fallenzulassen, schleppten sie sie so eilig wie möglich weg.

***

Einige Minuten später, Notrufzentrale:

„Hallo?"
„Sie wollen einen Notfall melden?"
„Ja, äh, da ... Oh Mann, ich glaube, der Typ ist richtig tot. Der zuckte so komisch!"
„Sir? Sir? Können Sie das bitte präzessieren?"
„Hören Sie, da draußen, Washington Street. Da liegt ein Toter in der Garage!"
„Ist das jetzt ein verfrühter Halloweenscherz? Wer ist da?"
„Mann, Lady, ich will doch nur ..."
Stimme im Hintergrund, dann wird aufgelegt.
„Hallo? Hallo?"

***

Eine Stunde später, Haus der Minneons:

Als Gil Grissom am Tatort eintraf, erwartete ihn bereits ein sichtlich amüsierter Captain Jim Brass, der schmunzelnd sein Notizbuch zückte und wartete, bis der Team-Leader der Nachtschicht die Einfahrt der Minneons heraufgekommen war.
„Ein Tatort für den Käfermann", begrüßte der Polizist ihn mit breitem Grinsen.
Grissom, seines Zeichens von Berufswegen Entomologe, hob die Brauen, warf dem Haus, und damit dem Tatort, einen langen Blick zu. „Catherine hat mich bestellt", bemerkte er dann.
„Auf mein Dazutun. Es wird Sie sicherlich freuen, Grissom." Dieses Grinsen schien tatsächlich in Brass' Gesicht wie festgetackert zu sein. „Ein paar Jugendliche haben sich wohl einen Scherz erlauben wollen. Im Moment ermitteln wir gerade den Aufenthaltsort der echten Bewohner, einer Mrs. Georgina Minneon und ihrem Sohn, Doktor Harvey Mineon. Ich schätze, die beiden feiern gerade am Strip eine Willkommensparty und wollen, wenn sie nach Hause kommen, bestimmt nicht dieses Chaos vorfinden. Die Jugendlichen waren so klever, auf einem Handy anzurufen, auch da sitzt schon jemand dran und sucht den Besitzer. Ich schätze, das wird ein klarer Fall von gemeinnütziger Arbeit an soundsovielen Wochenenden. Man kennt ja unsere Jugendrichter ..."
Grissom betrat jetzt an der Seite des betagten Polizisten den vermeintlichen Tatort, das Haus der Familie Minneon, und suchte seine Brille aus der Brusttasche. „Und was genau haben diese Jugendlichen getan, daß ihr mich braucht?" erkundigte er sich.
„Zuviel zu tun?" Brass schmunzelte wieder, winkte einem Officer zu und ging voran, in Richtung der Küche. „Die Kids haben sich irgendwoher ein paar Leichen besorgt und sie hier im Haus dekorativ positioniert. Wenn die Minneons keine Anzeige erstatten, wird's wohl wirklich auf gemeinützige Arbeit hinauslaufen. So recht frisch sehen die Leichen nämlich nicht mehr aus. Hier." Brass trat zur Seite und ließ dem Tatortermittler den Vortritt in die Küche hinein.
Grissom erfaßte mit beinahe computerhafter Genauigkeit die Details des Raumes. Die verlebten Möbel, das Spritzmuster, das Töpfe und hintere Wand bedeckte, das Geschirr auf dem einfachen Eßtisch - und den vertrocknet wirkenden Leichnam, der vor dem Herd lag.
Catherine Willows, seine Stellvertreterin, war gerade dabei, den Tatort zu dokumentieren mittels ihrer Kamera, sah jetzt auf. „Ich schätze, da ist mal wieder jemand über einen alten Indianerfriedhof in der Wüste gestolpert", sagte sie. „Andererseits gibt es da einige Ungereimtheiten. Warum sollten die Jugendlichen hier Essen kochen, da das Haus doch bewohnt ist, zum Beispiel."
Grissom nickte schweigend, die Augen starr auf einen grünlichen, schimmernden Fleck auf dem schachbrettfarbenen Linoleumboden gerichtet. Langsam trat er um den Tisch herum und erstarrte, als er sah, was dort auf dem Boden lag.
„Wie es scheint, ein weiteres Opfer", kommentierte er trocken, ging dann aber in die Knie, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen.
„Darum brauchen wir dich ... den Käfermann", erklärte Catherine lächelnd, ließ die Kamera langsam an dem Band um ihren Hals hängen und nahm neben ihrem Kollegen Aufstellung.
„Haberman, einer der beiden Kollegen, die hier als erstes eintrafen, hat das Vieh gefunden und zertrampelt. Er schwört Stein und Bein darauf, daß es ihn angreifen wollte", erklärte Brass nach einem weiteren Kontrollblick in seinen allwissenden Notizblock.
Grissom neigte leicht den Kopf, betrachtete forschend weiter, was da auf dem Küchenboden klebte.
„Mächtig große Kakerlaken dieses Jahr", beendete Brass seinen Bericht und klappte sein Büchlein zu, um es dann in seiner Brusttasche verschwinden zu lassen.
„Sag mir, wer ich bin, und ich sage dir, was ich kann", murmelte Grissom endlich, beugte sich vor. Mit einem Stift stocherte er in dem grünlichen Brei herum, dessen Ränder noch von vier Beinen und einem sehr langen, peitschenartigen Schwanz begrenzt wurden.
„Wie bitte?" Catherine warf ihm einen langen, fragenden Blick zu.
Grissom nickte. „Das hier ist ein Problem." Er richtete sich wieder auf und drehte sich zu Brass um. „Ich brauche den Rest dieses Käfers, um eine Analyse vornehmen zu können. Haberman soll seine Schuhe abgeben. Und jeder einzelne hier sollte sich so ruhig und still wie möglich verhalten. Möglicherweise war das nicht der einzige, der hier ist."
Catherine sah ihn einen Moment lang mit stummer Verwunderung an, dann blinzelte sie. „Du denkst tatsächlich, das ist eine neue Art?"
Grissom nickte, gerade in dem Moment, in dem sich Willows' Funkgerät meldete.
„Leute, das solltet ihr euch vielleicht mal ansehen ... und wenn Grissom da ist, dann soll er sehr schnell in die Garage kommen", sagte die Stimme von Warrick Brown.
Grissom warf noch einen Blick auf die mumienhafte Leiche vor dem Herd, dann folgte er den anderen wieder zurück in den Flur.

***

Sara Sidle und Warrick Brown befanden sich allein in der Garage, als die anderen diese betraten. Beide standen in einer schlecht ausgeleuchteten Ecke auf der anderen Seite des Kombis und schienen sich bis zum Eintritt von Grissom, Catherine und Brass angeregt unterhalten zu haben.
„Grissom", begrüßte der Afroamerikaner seinen Chef. „Sieh dir mal dieses Vieh an." Damit trat er einen Schritt zur Seite und gab den Blick frei auf etwas, was im wenigen Licht weißlich schimmerte. „Welche Spinne auch immer ihr Netz hier gesponnen hat, sie dürfte für die nächsten Jahre Festbankette geben dürfen."
Ein brodelndes Zischen war zwischen Warricks Worten zu hören.
Sara hob langsam und vorsichtig die Hand. „Ich wäre mir da noch nicht ganz so sicher, ob der wirklich im Netz festhängt", sagte sie. „Das klang zumindest ziemlich sauer."
Grissom war während dieses kurzen Schlagabtausches nähergekommen und blieb jetzt sichtlich fasziniert stehen.
In der Ecke befand sich, vom Boden bis zur Decke reichend, ein silbrig-weißes Gespinst, das wirklich fast wie ein Spinnennetz wirkte. Und in der Mitte dieses Netzes hing der gewaltigste Käfer, den der Tatortermittler je in seinem Leben zu sehen bekommen hatte. Es schien sich um ein ähnliches Exemplar zu handeln wie das zertretene in der Küche, nur ungleich größer. Grissom bezweifelte ernsthaft, ob hier eine Schuhsohle noch würde ausreichen, um den Panzer zu sprengen. Der lange Schwanz zuckte unregelmäßig mit peitschenden Bewegungen durch die Luft. Und noch immer gab dieses gewaltige Insekt, es besaß wenigstens die Größe eines Männerkopfes, dieses brodelnde Zischen von sich.
„Was war zuerst da, das Netz oder der Käfer?" wandelte er die allseitsbekannte Urfrage der Wissenschaft zu seinen Gunsten ab.
Grissom mußte zugeben, er war von diesem eigenartigen Wesen fasziniert, doch gleichzeitig riet ihm sein gesunder Menschenverstand, diesem eigentümlichen Insekt auf keinen Fall näherzukommen als unbedingt nötig. Andererseits aber benötigte er dieses Exemplar zur näheren Erforschung der Spezies - und zur Beweissicherung.
„Hey, Leute, wir haben noch was gefunden", bemerkte die nächste, vermißte Stimme des Teams. Nick Stokes hatte die Garage betreten. „Diese Kids scheinen ja mächtig von der Rolle gewesen zu sein. Hinten im Flur liegt die mumifizierte Leiche eines Hundes."
Grissoms Hirn nahm die Arbeit auf. Er wandte sich von dem eigentümlichen Käfer ab und sah zu der zweiten Leiche hinüber, die halb unter dem Kombi lag. Auch diese war deutlich mumifiziert und schien schon recht alt zu sein. Andererseits aber ...
Grissom trat näher, hockte sich dann hin und betrachtete den Leichnam.
Die Mumie trug moderne Männerkleider. Dabei wirkte die Haut so trocken und spröde, daß es ihm unmöglich schien, sie nachträglich eingekleidet zu haben. Das war ein Punkt, den er auch schon an der ersten Mumie festgestellt hatte. Allerdings war er auch zu abgelenkt gewesen durch den Fund dieses eigenartigen Käfers, daß er schlichtweg die Fakten beiseite geschoben hatte.
Er richtete sich wieder auf und warf Brass einen Blick zu. „Sie meinten, die Minneons seien auf dem Strip zum Feiern?" fragte er, nickte dann zu dem Kombi. „Warum nehmen sie dann nicht ihren Wagen mit?"
Catherine drehte den Kopf zu dem in der Ecke verharrenden Käfer, sah dann wieder ihn an. „Du meinst ... ?"
Grissom nickte. „Ich schätze, wir haben die Leichen von Mrs. Minneon und von ihrem Sohn. Und irgendetwas scheinen diese Käfer damit zu tun zu haben." Er wies in die Ecke hinein.
Sara wich deutlich schaudernd noch einen Schritt zurück. „Du denkst, diese Käfer sind dafür verantwortlich, daß die Leichen mumifiziert sind?"
Es war die logische Konsequenz, wenn er seinen Verdacht weiter verfolgte. „Es ist unmöglich, eine Trockenmumie anzukleiden, ohne sie zu beschädigen", erklärte er. „Wir müssen den Käfer mitnehmen, und die Überreste des zweiten."
Von diesem Vorschlag allerdings schien keiner wirklich begeistert zu sein.

***

Zwei Tage später, SGC:

Er hatte sie wieder verpaßt! Es war ja wirklich allmählich zum Auswachsen. Dabei hätte er jetzt, da sie beide endlich wieder gemeinsam zumindest doch wohl auf einem Planeten weilten, sich gern wieder mit ihr getroffen. Vielleicht wäre sogar ein Dinner drin gewesen, wenn nicht sogar mehr.
Lt. Colonel John Sheppard hatte sich brütend hinter der Akte verborgen, die er eigentlich hatte lesen wollen. Seinen Gast ignorierte er weitestgehend, für ihn hatte er inzwischen mehr als genug Zeit geopfert, um sich seine Meinung bilden zu können.
John fühlte sich zum wohl tausendsten Mal übergangen, seit er wieder auf der Erde weilte. Nicht genug damit, daß man ihn hatte über Tage schmoren lassen, jetzt setzte man ihm ein fertiges Stargate-Team vor die Nase, bei dem er aber auch nicht das leiseste Mitspracherecht gehabt hatte. Nun ja, er war sich ziemlich sicher, mit diesem Captain Horowitz relativ gut auskommen zu können. Die Streitfrage waren da eher die beiden Wissenschaftler, die er mitschleppen sollte. Ein gewisser Dr. James-Robert Wallace und der gerade anwesende Peter Babbis. Dessen Redezeit war seit mindestens fünf Minuten abgelaufen, was ihn allerdings wenig zu stören schien. Wie ein Maschinengewehr rasselte er weiter seine Tirade darüber herunter, daß er, Babbis, schließlich derjenige war, der dem neu aus dem Boden gestampften SG-Team mit der nicht gerade kleinen Nummer 27 zu seinem Ruf verhelfen würde, während er, John Sheppard, gefälligst auf die Genialität des jungen Wissenschaftlers Rücksicht zu nehmen hatte.
Irgendwie kamen John Teile dieser Tirade denn doch bekannt vor. Bekannt genug, um eine andere Sehnsucht in ihm zu wecken. Also hatte er irgendwann beschlossen, Babbis reden zu lassen, sich dessen nicht gerade dünne Akte zu schnappen und sich in seinen eigenen Gedanken zu vergraben.
Seit zwei Wochen war er jetzt auf der Erde, doch wohl fühlte er sich beileibe immer noch nicht. Es war, als sei er zurückgekehrt zu einem vollkommen fremden Planeten, dessen Entwicklungsstufe und Bevölkerung er zwar kannte, aber mit dem er nicht wirklich etwas anfangen konnte. Und die, mit denen er etwas hätte anfangen können, saßen entweder in Nevada, hatten sich wußte-der-Himmel-wo verkrochen, wurden mit Arbeit zugeschüttet oder schlichtweg von ihm ferngehalten. Er hatte zu kaum jemanden der Atlantis-Mission noch wirklichen Kontakt. Nur Rodney und er telefonierten fast jeden Tag, ansonsten herrschte Funkstille. Selbst Carson Beckett und er waren zu beschäftigt, um sich mehr als einen guten Tag zu wünschen, liefen sie sich wider Erwarten einmal im Cheyenne-Mountain über den Weg. Elizabeth hatte John seit ihrer Rückkehr nicht mehr gesehen, Lorne war auf eine der Außenbasen versetzt worden, Radek spukte irgendwo in Europa herum.
Doch das war es alles nicht, was tief in John nagte. Er vermißte jemand ganz bestimmten und hatte gehofft, sich seine Rückkehr zur Erde zumindest mit ihr ein wenig versüßen zu können. Die Antikerin Vashtu Uruhk, die letztes Jahr plötzlich aus einem versiegelten Bereich der Stadt aufgetaucht war, sie fehlte ihm.
Dabei hatte Landry ihn, kaum daß er auf der Erde angekommen war, einmal ins Gebet genommen und ihm eine Streitschrift des IOA übergeben, in dem auch weiterhin an dem strikten Kontaktverbot zwischen ihm und der Antikerin festgehalten wurde.
Das letzte Jahr über war das kein großer Hinderungsgrund für sie beide gewesen, über Carson Beckett hatten sie mehr oder weniger regelmäßig Briefe getauscht, ab und an hatte sich auch Hermiod bereit gefunden, die eine oder andere Nachricht zu transportieren. John hatte also eigentlich gehofft, daß die ganze Sache einfacher werden würde, wenn er erst auf der Erde war. Da aber hatte er ganz offensichtlich die Rechnung ohne IOA und SGC gemacht ...
Ihm war es gelungen, zumindest Einsicht in Vashtus Dienstplan zu erhaschen, und war überrascht gewesen, daß sie offensichtlich die ganze Zeit im Dauerdienst unterwegs war, teils in diversen SG-Teams, teils aber auch auf der Erde. So war sie vor drei Tagen nach Nellis abkommandiert worden, um einen Flugtest durchzuführen. Seitdem herrschte Schweigen im Rechner.
John seufzte ton- und lustlos.
Daß ihm seine eigene Heimatwelt einmal fremd werden würde, daß man ihm ständig Knüppel zwischen die Beine warf, nein, mit nichts davon hatte er wirklich gerechnet. Im Gegenteil hatte er gehofft, daß seine Anstrengungen auf fruchtbarem Boden gefallen waren und man seine Verdienste anerkannte. Irgendwo tief in sich spürte er, daß Landry das auch durchaus tat, dem General aber auch die Hände gebunden waren und er, wie sie alle, Befehle ausführte.
John ging auf, daß plötzlich Schweigen sein Büro füllte, wagte einen Blick hinter der Akte hervor auf den jungen Mann auf der anderen Seite des Schreibtisches.
Peter Babbis war gerade einmal aus den Teenager-Jahren heraus. Letzte Aknespuren zierten seine Stirn, Augen und Mund wirkten verkniffen und zu ernst für sein Alter. Er war schlacksig und irgendwie wirkte er einfach wie zu hoch geschossen, dabei hatte er eine relative Durchschnittsgröße. Dennoch wirkte seine Kleidung an ihm, als sei sie ihm mindestens zwei Größen zu groß.
„Haben Sie mir überhaupt zugehört?" beschwerte Babbis sich in diesem Moment.
Was sollte er tun? Tatsächlich hatte er schon eine ganze Weile nicht mehr wirklich zugehört. Sollte er das wirklich zugeben oder sollte er lieber pokern?
John entschied sich für letzteres, legte die Akte auf den Schreibtisch zurück und musterte seinen Gegenüber.
„Sie lassen sich bereits mit Doktor anreden, auch wenn Sie offiziell noch keinen Doktortitel tragen", begann er seine Aufzählung und hoffte einfach nur das beste - nämlich auf irgendeine Art von göttlicher Fügung. „Desweiteren glauben Sie, daß Sie für das Gelingen des neu entstandenen Teams zuständig sind, während Horowitz und ich auf Ihre Sicherheit zu achten haben. Sie haben sich bei der Endfertigung der Prometheus Ihre Sporen verdient und sind interessiert an Antiker-Technologie ..." John stockte.
Babbis arbeitete schon einige Monate im SGC, bisher als Assistent für irgendeinen der anderen Wissenschaftler. Er hegte offensichtlich reges Interesse an jeglicher Antikertechnik und somit ...
John neigte den Kopf ein wenig und sah seinen Gegenüber fragend an. „Dr. Babbis, kennen Sie eigentlich Vashtu Uruhk?"
In diesem Moment klingelte sein Telefon.
John zuckte zusammen, während Babbis auf der anderen Seite des Schreibtisches krebsrot anlief. Wenn Blicke töten konnten, die des Nachwuchswissenschaftlers taten es in diesem Moment sicher, befand der Luftwaffenoffzier, während er zum Hörer griff.
„Sheppard, Sie werden nie erraten, wer mir hier bei dieser Datenbankverbindung hilft, die wir in diesem merkwürdigen Labor gefunden haben", platzte Rodney McKays Stimme mitten in das Chaos in Johns Kopf hinein.
Was?
„Rodney?"
„Nein, so gut bin ich nun auch wieder nicht, daß ich mich klonen kann. Obwohl das natürlich schon recht schmeichelhaft wäre für mich. Sheppard, Ihre kleine Freundin ist hier bei mir - und sie hat den verfluchten Steuerkristall, den Sie ja angeblich verloren haben."
Vashtu war ... John riß die Augen auf.
Vashtu war in Nevada bei McKay und half dem, die Antikerdatenbank weiter zu entschlüsseln? Wie kam sie denn jetzt ... ?
Das war nicht wichtig, rief er sich sofort zur Ordnung, während Babbis' Gesicht immer ungesünder wirkte. Der junge Mann blähte die Wangen auf, daß er aussah wie ein vollbeladener Hamster.
„Ist sie da?" platzte es aus John heraus.
Endlich hatte er die Möglichkeit, auf die er jetzt schon lauerte, seit er durch das Tor zurückgekommen war.
„Wenn sie nicht hier wäre, hätte ich Sie wohl kaum angerufen", entgegnete Rodney prompt und zauberte damit ein breites Grinsen auf Johns Gesicht.
Babbis' Hautfarbe war mittlerweile bei dunkelrot angekommen. Es sah aus, als würde der Nachwuchswissenschaftler gleich vor unterdrückter Wut platzen.
„Sie vermissen mich doch, sonst würden Sie nicht ständig mit mir telefonieren", behauptete John.
„Ich tue was? Soll das ein Witz sein?" brauste Rodney am anderen Ende der Leitung auf.
Johns Grinsen wurde noch breiter. „Geben Sie sie mir bitte. Sie werden es doch wohl aushalten, wenn ich einmal nicht stundenlang mit Ihnen turtele, oder?"
„Spielen wir jetzt wieder den Kirk?" Ein undeutlicher Stimmwechsel. Rodney hielt wohl die Sprechmuschel mit der Hand zu, so daß John nicht verstehen konnte, was sie da im einzelnen diskutierten. Doch sein Herz tat unwillkürlich einen Hüpfer, als er ihre Stimme hörte. Sie klang immer noch so, wie er sie in Erinnerung hatte, weiblich aber dunkel, mit einem leichten Akzent. Wenn sie sprach klang es, als täte sie das in einer Art Singsang.
Augenblicklich war es, als stünde sie vor ihm. Er würde jede Wette darauf eingehen, daß er sie haargenau beschreiben könnte, wenn er jetzt die Augen schließen würde.
„Sie will nicht." Rodneys Stimme klang trocken.
Johns kurzer Höhenflug endete abrupt. „Sie will was nicht?"
„Mit Ihnen sprechen." McKay war eindeutig zu wortkarg für sich selbst.
„Warum nicht?"
„Woher soll ich das wissen?"
„Dann fragen Sie sie doch."
„Sie ist weggegangen und kontrolliert noch einmal die Anschlüsse."
„Dann fragen Sie sie, wenn sie wieder zurückkommt."
„Warum sollte ich das tun?"
„Weil Sie mir damit einen Gefallen tun würden, Rodney."
„Und warum sollte ich Ihnen einen Gefallen tun, Sheppard?"
Weil wir Freunde sind, schoß es John augenblicklich durch den Kopf, doch er schwieg. Es fiel ihm schwer, über seine Gefühle zu sprechen, gleich ob es nun seine Freundschaft mit jemandem wie McKay anging oder das, was er für Vashtu empfand.
Himmel, er hatte diese Frau im Arm gehalten, sie an sich gedrückt, als wolle er mit ihr verschmelzen. Warum hatte er damals seine Chance nicht genutzt? Warum ... ?
Die Tür öffnete sich und ein Mann trat ein.
„Tut mir leid, wir reden später."
Ohne auf McKays Einwand zu warten legte John auf und wandte sich seinem neuen Gast zu:
Lt. Colonel Cameron Mitchell, der ihn kumpelhaft angrinste.
Sein Büro schien zum Taubenschlag zu mutieren, mutmaßte John, als er dem Leader von SG-1 grüßend zunickte.
„Sheppard?"
„War's das jetzt?" nörgelte Babbis in diesem Moment.
John hatte die Anwesenheit des jungen Mannes fast vergessen. Jetzt zuckte er tatsächlich zusammen, als er plötzlich seine Stimme hörte. „Ja, sicher." Irgendwie brachte er denn doch ein Lächeln zustande. „Wir sehen uns beim Briefing, Doc."
Babbis warf ihm einen deutlich unterkühlten Blick zu, während er sich erhob. So würdevoll es ihm offensichtlich möglich war schritt der junge Mann zur Tür, sah Mitchell noch kurz an, ehe er das Büro verließ.
John atmete tief ein. „Colonel, was kann ich für Sie tun?" fragte er und erhob sich so unauffällig wie möglich.
„Landry schickt mich", erklärte der Leader von SG-1 und kreuzte die Arme vor der Brust.
John runzelte die Stirn. „Was will der General?"
„Es geht wohl um einen Unfall, in den ein Mitglied der Atlantis-Mission verwickelt ist. Die Polizei weiß offensichtlich nicht weiter und hat um Berater gebeten." Mitchells Grinsen wurde noch breiter. „Wir beide fahren also nach Las Vegas!"
John riß ungläubig die Augen auf, dann erwiderte er das breite Grinsen, wenn auch aus einem anderen Grund.
Las Vegas und AREA 51 lagen beide nicht sonderlich weit von einander entfernt in Nevada. Wenn das also kein Wink des Schicksals war ...

TBC ...
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