31.07.2009

Das Artefakt VI

„Gut, Leute, wie weit sind wir jetzt also?" Mitchell klatschte auffordernd in die Hände.
McKay hatte sich hinter der Zeitung vergraben und war schlichtweg nicht ansprechbar, Sheppard und Uruhk saßen brütend nebeneinander und schienen ebenfalls aus der Wirklichkeit entkommen zu sein. Im Gegensatz zu den letzten zwei Tagen allerdings war ihr neuer Fluchtpunkt um einiges düsterer, jedenfalls strahlten sie sich gegenseitig nicht mehr an wie zwei Idioten.
Mitchell verzog unwillig das Gesicht über seinen zusammengewürfelten Haufen.
Hätte er Sheppard nicht machen lassen, wer konnte schon sagen, ob sie nicht vielleicht schon längst fertig gewesen wären. Immerhin hatte diese Antikerin ja erst mit dem Eiballen angefangen. Vielleicht wollte sie nur Zeit schinden, schließlich hatten die beiden die letzten zwei Tage damit verbracht, sich gegenseitig anzuturteln und sich wie Idioten zu benehmen.
„Jemand zu Hause?" fragte Mitchell ungeduldig.
Das IOA machte ihnen die Hölle heiß, wiesen sie nicht endlich Ergebnisse vor. Andere Ergebnisse als das Pärchen, das sich da so offensichtlich bildete. Und McKay, dem er im Stillen schon homosexuelle Neigungen zugesprochen hatte, ließ das auch noch zu!
„In der Datenbank habe ich einige Files gefunden", antwortete die Antikerin jetzt endlich. „Danach habe ich ein mögliches Datum des Schlüpfens errechnet. Ist zwar nur ein Richtwert, da wir das Datum der Eiablage nicht kennen, aber ..."
„Und wann tritt Ihre große Katastrophe ein, wenn wir sie nicht verhindern?"
„In zwei Tagen, plus/minus einen Tag." Uruhk starrte in ihre Teetasse hinein, als würde sie dort etwas interessantes finden können.
„Halloween", kommentierte Sheppard trocken und blickte auf. „Paßt doch."
Mitchell starrte die beiden einen Moment lang groß an, dann verhärtete sich seine Miene wieder. „Das IOA ist bisher sehr unzufrieden mit unseren Leistungen. Ich habe daher veranlaßt, daß dem CSI sämtliche Beweisstücke in diesem Fall umgehend entzogen werden. Sheppard, Sie begleiten mich, damit wir das ganze kontrollieren können."
„Dazu ist es noch zu früh", entgegnete der prompt. „Bei der Sache damals in New York haben wir gewartet, bis der Fall fast aufgeklärt war, um selbst Nutzen ziehen zu können. Und so sollten wir es jetzt auch halten. Alles andere ist sinnlose Vergeudung!"
Nun allerdings war Mitchell überrascht. Sheppard hatte demnach schon eine ähnliche Konfliktsituation hinter sich und diese selbst beendet? Wann?
„Wir sollten schon unterbinden, daß weiter an dem Iratus geforscht wird", wandte Uruhk ein.
„Dieser Grissom schien mir doch genug Verstand im Kopf zu haben, um sich nicht näher an das Vieh heranzutrauen."
„Schon, aber dennoch. Stößt nur eine Putzfrau gegen das Terrarium haben wir eine Sorge mehr. Noch dazu wissen wir immer noch nicht, wo sich das Nest befindet."
„Auch das kriegen wir noch raus."
„Wo ist eigentlich Ihr neuer Freund, Miss Uruhk? Ich hoffe doch sehr, Sie haben ihn darauf aufmerksam gemacht, daß er über das, was er hier gesehen hat, zu schweigen hat, oder?" unterbrach Mitchell dieses Gespräch.
Uruhk stutzte, als würde ihr erst jetzt aufgehen, daß einer in ihrer Runde fehlte, dann sah sie auf. „Coop mußte leider gestern abend noch weg. Eine dringende Sache. Irgendeine Bigfoot-Sichtung. Soll spannend sein, hat er mir erzählt."
„Bigfoot?"
Im welchem Affenzirkus war er hier eigentlich gelandet? Mitchell glaubte einen Moment lang, er sei in einem Alptraum gefangen.
Uruhk nickte. „Ja, ein Bigfoot. Er meinte, das sei eine Art Affenmensch, vielleicht etwas wie das Missing link zum Menschen."
Sheppard grinste. „Ich bin einmal einem Yeti begegnet", wandte er ein. „Und ich bin mir ziemlich sicher, daß deinem Freund Cooper eine solche Begegnung nicht sehr gefallen hätte. Stimmts, Rodney?"
Einen Moment lang sah es so aus, als würde der Physiker nicht reagieren. Dann aber senkte sich unversehens die Zeitung und ein sehr blasser McKay erschien dahinter. „Ich glaube, ich habe unser Nest gefunden ..."
Mitchell stutzte. „In der Zeitung?"
Uruhk beugte sich interessiert vor. „Wo?"
McKay räusperte sich, begann dann zu vorzulesen:

Highschoolschüler in Mord verwickelt? Polizei durchsucht Monsterhaus.
Die Hysteriewelle, die am Mittwoch Abend die Stadt erschütterte (wir berichteten) führte am gestrigen Donnerstag zwei Verhaftungen. Zwei Schüler der Abschlußklasse der Kennedy-Highschool wurden von der Polizei direkt vom Krankenbett verhaftet.
Die Massenpsychose, die die Besucher des Monsterhauses der Kennedy-High überfiel, scheint allerdings weitere Kreise zu schlagen. Wie eine ungenannt bleibende Quelle berichtete, führten die Ermittlungen der Beamten zu den rätselhaften Morden in der Washington Street vom Sonntagabend (wir berichteten). Genaueres ließ sich jedoch noch nicht verlauten und der Sheriff hüllt sich noch in Schweigen.
Allerdings durchsuchten die Tatortermittler des Sheriffbüros am gestrigen Abend das Monsterhaus der Kennedy-High und stellten dort wohl auch Beweismaterial sicher, das direkt auf die Morde in der Washington Street deutet. Ob die festgenommenen Schüler etwas mit den bestialischen Morden an einer Frau und ihrem Sohn zu tun haben wurde noch nicht bekannt gegeben, ebensowenig wie die Namen der Verdächtigen.
Das Monsterhaus der Kennedy-High wird jedoch am heutigen Abend wieder geöffnet sein. Wie Mr. Sheridan, Jahrgangsleiter der Abschlußklasse, sagte, sei mit keiner weiteren Gefahr zu rechnen. Auch sei das sichergestellte Beweismaterial von der Polizei mitgenommen worden und man habe aus dem Sheriff-Büro die Genehmigung eingeholt.
Die Öffnungszeiten für das Monsterhaus der Kennedy-High unter dem diesjährigen Motto „Monster im Wandel der Zeiten" sind auf der Homepage der Schule einsehbar."

Mitchell lachte bitter auf. „Und wo ist da die Rede von den Eiern?"
Uruhk und Sheppard tauschten einen Blick, dann erhob der Colonel sich. „Vielleicht haben Sie recht, Mitchell. Wir sollten dem CSI noch einen Besuch abstatten. Aber nicht, um die Sachen jetzt schon sicherzustellen, sondern um uns diese Kiste anzusehen."
„Was?"
Uruhk nickte. „Der Kokon wird für Menschen nicht leicht aufzuspüren sein. Diese Massenpsychose deutet darauf hin. Der Kokon schützt sich selbst. Wir müssen zu diesem ... Was ist ein Monsterhaus?"
„Oh bitte! Lassen wir diesen Kinderkram doch, ja?"
McKay blickte auf und sah ihn überrascht an. „Wie? Sie als erfolgreicher Militär haben nie die Vorzüge eines Monsterhauses schätzen gelernt? Also, wir waren immer führend in meiner Heimatstadt."
Sheppard grinste breit. „Ja, die Dinger waren klasse. Leider haben wir soetwas nie aufgezogen, aber ich bin immer fleißig in die der Umgebung gegangen." Er nickte.
„Und was sind diese Monsterhäuser jetzt?"
„Nichts als billiger Blödsinn!" Mitchell schnaubte. „Und wir sollten uns jetzt an die Arbeit machen, allesamt!"
„Monsterhäuser werden von Schulen, Arbeitsgemeinschaften oder Klubs in leerstehenden Gebäuden zur Halloweenzeit aufgebaut", begann Sheppard zu erklären.
„Oh bitte! Können Sie das Ihrer Freundin nicht nachher erzählen? Wollen Sie ihr jetzt auch noch Sinn und Unsinn von Halloween näherbringen?"
„Trick or Treat." Uruhk zuckte mit den Schultern. „Das kenne ich schon vom letzten Jahr. Von Monsterhäusern habe ich dagegen noch nie etwas gehört."
Sheppard und McKay tauschten einen Blick.
„Monsterhäuser sind, wie gesagt, meist leerstehende Gebäude, die für die Halloweenwoche angemietet werden ... im günstigsten Fall. Kids und Teenager stellen dort alles nach, was ihnen gruselig erscheint, ob irgendwelche Papmachee-Monster oder alltäglichen Horror, den sie erleben. Es wird Eintritt verlangt, der dann von den Veranstaltern des Monsterhauses verwendet wird, meist kaum mehr als ein Unkostenbeitrag. Manche der Dinger sind wirklich spannend." Sheppard nickte. „Und das Thema für dieses hört sich vielversprechend an. Also, auch wenn wir, was den Kokon angeht, nicht fündig werden, ein Besuch in diesem Monsterhaus wird sich bestimmt lohnen."
„Jaja, und jetzt sollten wir gehen."
Sheppard zwinkerte der Antikerin zu, dann folgte er Mitchell aus der Kantine heraus.

***

CSI-Labor:

Catherine Willows blieb mitten im Gang stehen und runzelte die Stirn, während sie sich langsam um die eigene Achse drehte.
Was hatte das denn nun wieder zu bedeuten? Wieso waren Grissom und Warrick im Video-Labor? Sie hatten doch alles Bild- und Tonmaterial analysiert, das sie hatten finden können oder selbst angefertigt hatten. War vielleicht etwas anderes aufgetaucht?
Catherine zögerte noch einen Moment, dann zuckte sie mit den Schultern und marschierte hinüber zu der gläsernen Abteilung, hinter deren Fenster sich die beiden männlichen Mitglieder des Teams aufhielten neben dem hier zuständigen Techniker.
Grissom starrte angestrengt auf den großen Plasmabildschirm an der Wand, auf dem gerade irgendeine Aufzeichnung aus den Laboren lief.
Catherine stutzte, als sie erkannte, daß es sich um diese schwarzhaarige Frau handelte, mit der sie erst gestern gesprochen hatten.
„Gil?" fragte sie, als sie die Tür aufschob und den Raum betrat.
Grissom schien einen Moment lang nicht zu hören, und Catherines Herz setzte dabei einen Schlag aus. Auch wenn es schon einige Jahre her war, die Zeit, in der ihr Vorgesetzter und Freund an einer genetisch bedingten Form der Gehörschwäche litt war ihr immer noch viel zu gegenwärtig und sie wollte sie niemals wieder erleben.
Endlich rührte Grissom sich doch, richtete sich wieder auf und drehte sich zu ihr um. „Seid ihr etwa schon soweit?" fragte er verblüfft statt einer Begrüßung.
Catherine wurde sich der dünnen Mappe bewußt, die sie mitgebracht hatte, und nickte. „Die Kiste war leer. Allerdings konnten wir noch Spuren von Holz finden. Es wird gerade analysiert, da die erste Untersuchung keine Ergebnisse brachte. Wahrscheinlich irgendeine Verunreinigung durch Holzlack oder ähnliches." Sie reichte ihm die Unterlagen, sah dann wieder zu dem Bildschirm an der Wand. „Und was macht ihr hier? Ich dachte, diese Air-Force-Leute seien aus dem Schneider?"
„Was die Toten angeht besitzen sie zumindest allesamt ein Alibi", antwortete Grissom, der gerade die magere erste Auswertung der Holzreste überflog. „Aber zumindest Sheppard und Uruhk wissen mehr als sie zugeben wollen. Und das erinnerte mich an den ersten Auftritt dieser Uruhk hier und der Tatsache, daß sie allein im Labor mit der neuen Spezies war. Also habe ich mir die Überwachungsbänder besorgt."
„Es läßt dir keine Ruhe, stimmts?" Catherine war nun doch amüsiert.
Grissom konnte manchmal wirklich mehr als berechenbar sein. Andererseits aber war es vielleicht gerade das, was sie brauchte, wenn er sich in einen Fall festbiß und nicht lockerlassen wollte.
„Sagen wir, ich schätze es nicht sonderlich, wenn ich etwas nicht beurteilen kann. Aber sieh selbst." Grissom nickte dem Techniker zu, der daraufhin das Überwachungsvideo erneut abspielte.
Uruhk betrat den Raum, ließ das Licht ausgeschaltet. Sie ging langsam, blieb dann stehen für vielleicht eine Minute, ehe sie einen letzten Schritt nach vorn tat, nur um gleich wieder zurückzuweichen.
Catherine beugte sich vor. „Sie wirkt angespannt, als würde sie irgendetwas tun", murmelte sie schließlich.
Warrick nickte. „Ganz genau. Und paß auf, wenn sie zurückspringt."
Tatsächlich! Es war in dem wenigen Licht schlecht auszumachen, aber diese Uruhk sagte etwas wie zu sich selbst, sah dann hoch und drehte sich um, um das Labor wieder zu verlassen.
„Und was hat das jetzt zu bedeuten?" fragte Catherine.
„Wir haben die Aufnahme durch mehrere Filter laufen lassen", erklärte jetzt der Techniker. „Um herauszufinden, was sie treibt, ehe sie auf diesen Riesenkäfer zugeht. Und dabei haben wir das hier entdeckt."
Dasselbe Bild, nur dieses Mal in Fehlfarben. Einen Moment lang glaubte Catherine, es handle sich um Infrarot oder gar Ultraschall, dann ging ihr auf, daß es keines von beiden war. Es war ein Feinspektrum, wie sie es bisher noch nicht bei Videos gesehen hatte, wohl aber bei Fotos.
Die jetzt eigenwillig in vielen Farben leuchtende Gestalt von Uruhk trat wieder ein, blieb stehen. In dieser Art der Aufzeichnung konnte man erkennen, daß sie sich wirklich kurz anspannte, ehe ... sich eine hell leuchtende Wolke um ihren Körper legte.
Catherine riß die Augen auf. „Was ist das?"
Grissom kreuzte die Arme vor der Brust. „Wenn du mich fragst, Duftstoffe, die dem Insekt im Terrarium die Information geben sollen, daß ein Verwandter da ist."
„Du willst mir doch wohl nicht allen Ernstes erzählen, daß diese Miss Uruhk in der Lage ist, bewußt irgendwelche Duftstoffe in einer solchen Konzentration auszusenden."
„Ich behaupte sogar, daß diese Miss Uruhk gar kein richtiger Mensch ist", entgegnete Grissom. „Sie hat irisierende Haut, und die gibt's nun wirklich nicht bei jedem."
„Wie bitte?"
Der Tatortermittler nickte erneut. „Ich habe einige Hautschuppen von Uruhk gefunden und untersucht. Die genaue Bestimmung steht noch aus, aber ich kann dir jetzt schon sagen, daß sie keine normale Haut hat. Ihre leuchtet tatsächlich etwas, wenn auch für das bloße Auge nicht wahrnehmbar."
„Das ist lächerlich! Gil!" Catherine wußte wirklich nicht, was sie noch sagen sollte. „Du solltest dich einmal selbst reden hören. Du hast doch mit ihr gesprochen!"
„Eben darum bin ich ja mißtrauisch geworden", entgegnete Grissom prompt.
„Vielleicht war sie ja in dieser Kiste", schlug Warrick vor. „Oder wurde auch ihr Alibi überprüft?"
„Ja, von mir", antwortet Catherine, wandte sich wieder ihrem Vorgesetzten zu. „Gil, denk doch einmal nach, was du da behauptest! Vielleicht hatte diese Miss Uruhk ja irgendein Lockmittel dabei, daß den Käfer friedlich stimmen sollte. Aber ganz sicher ist sie nicht die Verkörperung auf zwei Beinen."
Das Telefon schellte. Dem Klang nach die interne Leitung.
„Es kann sich durchaus um eine Anomalie ähnlich wie dem Chimären-Effekt handeln, vielleicht ebenso selten", entgegnete Grissom. „Ich behaupte ja gar nicht, daß diese Miss Uruhk ein Käfer ist, der aussieht wie ein Mensch. Über das Stadium der schlecht recherchierten Filme bin ich hinaus."
Erneut klingelte es.
„Aber ich denke, sie weiß wesentlich mehr über unseren potenziellen Mörder, als sie je uns gegenüber zugeben wird."
„Aus gutem Grund. Du hast es doch gehört: Die da draußen arbeiten unter präsidialer Sicherheitsstufe."
Beim dritten Klingeln erbarmte sich Warrick und nahm das Gespräch entgegen.
„Sie sagte aber auch, diese Iratus-Käfer kämen aus ihrer Heimat. Ich bin noch einmal sämtliche Bekanntmachungen der letzten fünf Jahre durchgegangen und habe absolut gar nichts gefunden, was auf diese Spezies hinweist", entgegnete Grissom. „So gründlich kann man kein ganzes Gebiet isolieren, daß aber auch absolut gar nichts nach draußen dringt. Noch dazu bei der Größe dieser neuen Art."
„Leute ..."
„Es ist trotzdem nicht richtig, wenn du ihr hinterher spionierst, Gil. Ich mochte sie und ich denke, ich kann dir sagen, daß sowohl sie als auch ihr großer Freund Sheppard uns gern weitergeholfen hätten, man ihnen aber beiden einen Maulkorb verpaßt hat."
„Das ist mir klar. Dennoch stimmt da etwas nicht."
„Leute, ich muß euch wirklich stören", wiederholte Warrick, hielt Grissom den Hörer hin.
„Was ist los?" fragte der irritiert.
„Draußen sind die beiden Offiziere der Air Force und wollen sämtliche Beweise, einschließlich der Leichen, konfiszieren", antwortete Warrick sichtlich irritert.
Catherine starrte ihren Kollegen ungläubig an, konnte einfach nicht glauben, was sie da gerade gehört hatte.
Aber, wenn sie ehrlich war, so ging es ihr schon, seit ihr dieser Fall zugeteilt worden war ...

***

AREA 51, McKays Labor:

„Könnten wir uns vielleicht wieder meinem Projekt zuwenden, Miss Uruhk?" McKay blickte unwillig auf und beobachtete Vashtu, die nervös mit weiten Schritten immer wieder den Raum durchmaß. „Machen Sie so weiter, habe ich bald eine Bodenwelle in meinem Labor."
Die Antikerin blieb plötzlich stehen, wirbelte herum und blitzte den Wissenschaftler wütend an. „Tun Sie doch auch einmal etwas zur Abwechslung!" schimpfte sie los.
McKay stutzte, schüttelte dann den Kopf und wandte sich wieder seinem Rechner zu.
Vashtu fühlte eine ungewisse Ungeduld in sich. Sie wollte etwas tun, sie konnte vielleicht helfen und wurde hier festgehalten, um McKay bei seinen hirnrissigen Bemühungen zu helfen, die atlantische Datenbank irgendwie in die Speicher von AREA 51 zu quetschen. Wenn man sie fragte, war dieses Unternehmen von vorn herein nichts weiter als ein frommer Wunsch gewesen. Inzwischen aber ...
„Sie könnten wenigstens einmal nachsehen, wo sich dieses Monsterhaus befindet!" Ihre Stimme klang plötzlich selbst in ihren eigene Ohren wie eine Peitsche.
McKay blickte wieder auf. „Wenn Sie von Ihrem Sheppard-Trip runter sind, können wir uns darüber unterhalten", entschied er.
Vashtu klappte das Kinn herunter. „Hä?"
McKay nickte. „Sie wollen doch die Heldin spielen, so wie damals mit dem Hive. Aber dieses Mal haben Sie eine denkbar schlechte Ausgangsposition, oder?"
Wütend schoben sich ihre Brauen zusammen und sie stemmte ihre geballten Fäuste in die Hüften. „Sind Sie noch ganz klar im Kopf, Rodney?"
„Ich ja, Sie nicht." war der ganze Kommentar, der auch noch halb genuschelt kam, da McKay sich wieder über seinen Rechner gebeugt hatte und bereit war, sich in seine Arbeit zu vertiefen.
„Sie können mir doch nicht erzählen, daß es Ihnen nicht in den Fingern juckt. Rodney!"
Unwillig sah er wieder auf und zog ein Gesicht, als habe er gerade in etwas sehr saures beißen müssen. „Ich möchte mit meinem Projekt weiterkommen, ehe Sie wieder von hier abgezogen werden, Vashtu. Für zu vollbringende Heldentaten sind Sheppard und Mitchell verantwortlich, immerhin spielen die sich ja immer gern als Weltenretter auf, während man mir die ganze Arbeit dafür aufbürdet. Also wäre ich Ihnen jetzt sehr verbunden, wenn Sie Ihr weibliches Heldenherz einpacken und statt dessen die Schnittstelle wieder anschließen, damit wir hier weiterkommen."
„Das glaube ich einfach nicht!" Vashtu fielen fast die Augen aus dem Kopf. „Und wenn John in Gefahr wäre? Was, wenn sein Leben in genau diesem Moment auf dem Spiel steht und wir beide hocken hier und tun nichts? Er ist Ihr Freund!"
„Er war mein Leader", entgegnete McKay, vermied es aber tunlichst, noch einmal den Kopf zu heben.
„Dann eben Ihr Leader UND Ihr Freund. So wie ihr zwei letztes Jahr schon zusammengeklebt habt, können Sie mir doch jetzt nicht erzählen, Sie läßt das alles kalt hier. Sie sind doch ebenso auf Abenteuer aus wie John."
McKay zuckte nur stumm mit den Schultern, tat sehr vertieft und tippte auf seinem Rechner herum.
Vashtu konnte einfach nicht glauben, daß er so ruhig blieb und dabei so kalt, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. War das wirklich der gleiche Rodney McKay, der letztes Jahr so fürchterlich eifersüchtig auf sie gewesen war?
Wenn sie ihrem Hirn Glauben schenken durfte war er es. Immerhin hörte sie noch immer seine Gedanken, wenn auch undeutlich. Was sie hörte, machte sie dagegen erst recht wütend.
„Ich gehe!" entschied sie endlich, im gleichen Moment, in dem das Telefon auf dem Schreibtisch neben McKay klingelte.
„Sie bleiben hier! Sie wurden mir von der Air Force zur Verfügung gestellt. Wenn Sie jetzt gehen, dann werde ich mich über Sie beschweren, Vashtu. Und Sie können sich darauf verlassen, daß man mir Gehör schenken wird!"
Erneut klingelte das Telefon, doch keiner von ihnen beiden dachte im Moment auch nur daran, den Anruf entgegenzunehmen. Statt dessen starrten sie sich gegenseitig nieder, zumindest, so gut es ging. Das Problem dabei war leider, daß sie beide im Stillen das gleiche wollten und sich im Recht fühlten ...
Zum dritten Mal klingelte es.
McKay kniff die Lippen aufeinander, wollte seine Hand ausstrecken. Doch dieses Mal war Vashtu schneller. Sie griff nach dem Hörer, noch ehe sie wirklich in Reichweite war, machte einen weiten Ausfallschritt und geriet fast aus dem Gleichgewicht. Doch sie hatte den Hörer, was sie McKay auch durch einen triumphierenden Blick bestätigte.
„Dr. McKays Labor. Uruhk hier?" meldete sie sich.
„Vashtu? Hier ist John", meldete sich eine vertraute Stimme am anderen Ende. „Wir müssen uns beeilen. Wißt ihr, wo dieses Monsterhaus ist?"
Einen Moment lang vergaß sie selbst das Atmen, dann holte sie tief Luft und bat darum, daß ihr Herz nicht mehr ganz so laut schlagen würde. „Wir suchen die Adresse heraus. Was ist los?"
„Das CSI hat die Kiste, aber die war leer", fuhr John fort. „Dafür haben wir durch Zufall gehört, daß es zu einer neuen Hysteriewelle am gleichen Ort gekommen sein soll. Uns fehlt nur die Adresse."
Vashtu richtete sich stocksteif auf, klopfte mit einem Finger auf die Tischfläche.
McKay verstand, auch wenn sie nichts sagte. Sofort begann er wie verrückt zu tippen, um das Programm zu verlassen und statt dessen über eine sichere Leitung ins Internet einloggen zu können.
„Auf der Daedalus steht ein Eingreifteam bereit, Mitchell hat aber den Kommunikator liegen lassen. Er müßte irgendwo in Rodneys Labor sein", fuhr John fort. „Sobald ihr wißt, wo sich das Monsterhaus befindet, gebt das bitte an Caldwell weiter. Er soll die Eingreiftruppe zu der Adresse beamen."
„Wir kommen mit", entschied Vashtu, die bereits damit beschäftigt war, in den Unterlagen, die wild verstreut lagen, zu wühlen, um das Funkgerät zu finden.
„Vash, ich möchte nicht ..."
„Ihr könnt mich vielleicht auch weiter gebrauchen, John. Und Rodney kann es kaum erwarten, selbst tätig zu werden." Vashtu grinste breit bei diesen Worten.
„Ich habs!" triumphierte McKay in diesem Moment hinter ihr.
„Wir sind in ein paar Minuten da."
„Vash, bitte!"
„Wir sind schneller als ihr und einer muß die Eingreiftruppe einweisen. Bis gleich!"
„Suchen Sie das hier?" Mit einem breiten Grinsen präsentierte McKay ihr das Funkgerät.
Vashtu warf den Hörer auf die Gabel. „Dann los!"
Einen Atemzug später fühlte sie, wie sie von Licht eingehüllt wurde.

***

Zwanzig Minuten später, Lagerhallenkomplex am Rande von Las Vegas:

John gingen fast die Augen über, als Mitchell den Wagen vor der nächsten Straßensperre halten und sie sich erneut ausweisen mußten.
Woher auch immer, hier war in Windeseile sehr präzise gearbeitet worden. Der fragliche Komplex, in dem neben dem Monsterhaus der Kennedy-High auch noch mehrere andere zu finden waren, war komplett hermetisch abgeriegelt worden mittels Stacheldrahtsperren. Im Moment war man offensichtlich damit beschäftigt, eine provisorische Zeltstadt zu errichten und die Wachen einzuteilen. Und von irgendwoher kam auch noch ein kurzer, gleißender Lichtstrahl, der anzeigte, daß gerade die nächste Gruppe von der Daedalus heruntergebeamt worden war.
„Das hat Ihre kleine Freundin angerichtet, Sheppard", knurrte Mitchell, während er seine Brieftasche wieder zurück in seine Uniformjacke stopfte. „Und Sie können sich darauf verlassen, daß sie deshalb noch mit einigen Konsequenzen zu rechnen hat."
Wenn er ehrlich war, war John jede Hilfe recht, die man ihm bot bei ihrem Insektenproblem. Iratus-Käfer waren gefährlich, daran bestand kein Zweifel. Die Frage war eher, woher hatte Vashtu in aller Eile soviele Leute genommen?
Wie um ihm eine Antwort zu liefern bog hinter ihnen ein Truppentransporter in die Straße ein und hielt vor der Sperre, um von dem Militärpolizisten, der sie genau durchgewunken hatte, kontrolliert zu werden.
Marines, MP, weiter hinten sah John ein Sanitätszelt, das in aller Eile aufgebaut wurde, Luftwaffenangehörige. Es mußten um die einhundert Leute hier sein. Wo kamen die alle so plötzlich her?
„Eine kleine Eingreiftruppe, mehr sollte es nicht sein. Und was haben wir jetzt?" knurrte Mitchell auf dem Fahrersitz. Seine Finger hatten sich so fest um das Lenkrad gekrallt, daß die Knöchel weiß wurden.
Sie kamen nur noch im Schrittempo voran, da überall Menschen umherschwirrten.
Ein SWAT-Team! Wo kamen denn jetzt auch noch Scharfschützen her?
John wäre am liebsten in seinem Sitz versunken. Er konnte sich jetzt schon vorstellen, was für eine Predigt Landry ihm halten würde zum Thema unnütze Kosten. Und ob dieses Großaufgebot sich günstig auf Vashtus Asylantrag auswirken würde, wagte er zu bezweifeln.
Mitchell wurde an den Straßenrand gewunken und stellte den Motor ab. „Hier sieht's aus wie in einem Bienenschwarm. Dann suchen wir doch einmal die Königin", murmelte er und löste den Gurt.
John tat es ihm mit gemischten Gefühlen nach und stieg aus dem Mietwagen.
Um sie herum herrschte immer noch Betriebsamkeit, doch jetzt konnte er, was er im Auto nicht vermocht hatte, die Sache überblicken. Kein Chaos, nein, es ging sehr geordnet zu. Die Leute holten sich ihre Anweisungen von einem schwarzen Van, der nur ein kurzes Stück weiter geparkt war, und gingen dann, um eben ihre Befehle auszuführen.
Jetzt ging ihm auch auf, daß einige Zivilisten zwischen den ganzen Armeeangehörigen zu finden waren. Sowohl wohl Mitglieder des Geheimdienstes wie auch ... Jugendliche?
„... da rüber. Und sagen Sie Bishop, er soll seine Leute bereit machen zum Reingehen", hörte er eine ihm sehr bekannte Frauenstimme befehlen. Dann erhaschte er endlich einen Blick auf die Antikerin: Sie stand in der Tür zur Ladefläche des schwarzen Vans, um ein bißchen größer zu erscheinen als sie war. Und offensichtlich koordinierte sie wirklich all das hier. Um sie herum jedenfalls befanden sich die Befehlsempfänger, machten sich entweder bereit wegzugehen und ihren Auftrag auszuführen, oder aber sie wollten wissen, was sie jetzt zu tun hatten.
„Und wir brauchen noch Nachschub an Sauerstoff. Rodney, teilen Sie das bitte Landry mit." Vashtu sprang von dem Van herunter, nachdem sie offensichtlich fertig war und ging, noch immer dicht gefolgt von einem halben Dutzend Männern, in die entgegengesetzte Richtung davon.
„Miss Uruhk!" rief Mitchell in diesem Moment. Allein in diesen beiden Wörtern gährte schon die Wut, die er empfinden mußte.
John dagegen fühlte sich zwar überrumpelt, war andererseits aber auch durchaus positiv überrascht und sah sich in seiner Einschätzung bestätigt. Hatte er nicht bereits vor einem Jahr gesagt, daß Vashtu in der Lage war, ein eigenes Team zu führen?
Die Antikerin schlüpfte in eine Überlebensweste, während sie jetzt auf sie beide wartete. Mit geübten Griffen kontrollierte sie den Inhalt der vielen Taschen, nahm dann von einem jungen Marine ein Hüfthalfter entgegen.
„Was soll das hier? Es war die Rede von einer kleinen Eingreiftruppe, nicht von einem Kleinkrieg!" warf Mitchell ihr vor, kaum daß er vor ihr stand.
Vashtu steckte das Hüfthalfter um, daß es für sie als Linkshänderin geeignet war. John erinnerte sich schwach daran, wie amüsiert er gewesen war, als sie beide wie in einer Spiegelpantomime in eine Höhle eingedrungen waren vor einem Jahr.
„Es war nicht meine Idee. Ich wollte nur ein paar Sanis mit dabei, das war alles", entgegnete die Antikerin, schnallte sich jetzt doch endlich das Halfter um und nahm die Beretta, die man ihr hinhielt.
„Ach, und wer ist dann für das hier verantwortlich?" Mitchells ganze Gestalt wirkte wie kurz vor dem Sprung.
„Das IOA dachte, es sei besser, der Gefahr so schnell und gründlich zu begegnen und hat eine Empfehlung an den Präsidenten ausgegeben. Wenn Sie sich beschweren wollen, dann tun Sie es bei ihm." Gekonnt kontrollierte Vashtu das Magazin, dann die Waffe, ehe sie sie einsteckte.
„Sie haben Panik gemacht, ist doch so!"
Vashtu kreuzte die Arme vor der Brust und schüttelte langsam aber unmißverständlich den Kopf. „Das habe ich nicht. Wie besprochen bin ich mit McKay zur Daedalus hinauf, um die Eingreiftruppe zu unterrichten und einzuweisen. Als wir hier ankamen ... Nun, um es kurz zu machen, wir sind ein bißchen spät."
Augenblicklich klingelten sämtliche Alarmsignale in Johns Kopf, während auch er sich jetzt ausrüsten ließ und als erstes aus seiner Jacke schlüpfte. „Die Iratus sind geschlüpft? Wann?"
Vashtu richtete ihre Aufmerksamkeit augenblicklich auf ihn. „Noch sind nicht alle geschlüpft, aber einige. Die Betroffenen werden gerade behandelt. Im Moment haben wir ein halbes Dutzend plus noch einmal zehn, die einen psychotischen Schub durchleben und nicht wirklich ansprechbar sind. Daher das Sanitätszelt."
„Wie bitte?" An Mitchells Hals schwoll eine Ader. „Und deshalb haben Sie Panik verbreitet und diesen Massenauflauf zu stande gebracht? Wie wollen Sie das erklären, Miss Uruhk? Haben Sie eine Ahnung, was das alles hier kostet?"
„Es könnte allerdings auch eine perfekte Tarnung sein", entgegnete John, dem plötzlich ein Licht aufging.
Vashtu grinste breit und nickte.
„Mam?"
Ein junger Marine hielt der Antikerin ein Funktelefon hin. Ehe sie allerdings danach greifen konnte, hatte Mitchell es schon am Ohr und meldete sich. Um dann krebsrot anzulaufen und es an sie weiterzureichen.
John beobachtete das ganze mit leicht gequälter Miene.
„Ja, Sir. Sicher, Sir", hörte er Vashtu antworten, wußte nicht so recht, was er jetzt tun sollte. Also rüstete er sich selbst weiter auf.
„Der Präsident", zischte Mitchell ihm zu. „Und er wollte Ihre Freundin sprechen."
John blinzelte, sagte aber nichts dazu.
Der Präsident sprach mit Vashtu, und sie antwortete. Was sollte er auch dazu sagen? Er hatte Hayes dummerweise nicht gewählt.
Die Antikerin beendete das Gespräch und reichte das Telefon zurück. „Tut mir leid", wandte sie sich an Mitchell. „Sie waren nicht aufzutreiben und wir wußten nicht, über welche Route ihr beide kommen würdet."
John mußte ein lautes Gelächter unterdrücken, als er begriff. „Du hast die Einsatzleitung?"
Vashtu nickte, während sie beinahe verschämt unter ihren Ponyfransen hochblinzelte zu ihm. Irgendwie wirkte sie dabei wie ein kleines Mädchen, das sich zwar diebisch freute, dies aber auf gar keinen Fall zugeben würde.
„Auf wessen Empfehlung hin wurden ausgerechnet Sie zur Einsatzleiterin bestimmt?" fuhr Mitchell die Antikerin an.
Deren Augen wurden noch größer. „Meines Wissens, auf Empfehlung von General O'Neill. Immerhin bin ich ja keine echte Militärangehörige." Wieder dieses zerknirschte Lächeln.
Mitchell hatte währenddessen alle Farbe verloren. „Ständig hocken Sie im SGC bei Landry, quatschen mit Vala, beraten Carter oder trainieren mit Teal'c. Die ganze Zeit habe ich immer Sie vor der Nase. Und jetzt hier auch noch?" Es fiel dem SG-1-Leader offensichtlich schwer, nicht das auszusprechen, was ihm wohl mehr als deutlich auf der Zunge lag.
„Mam, McKay wäre dann soweit. Er erwartet Sie im Technik-Zelt", meldete ein MP, der John vage bekannt vorkam.
„Tut mir leid." Vashtu zuckte noch einmal mit den Schultern, dann folgte sie dem Militärpolizisten.
„Wir sollten sehen, was dabei herauskommt", schlug John augenblicklich vor und folgte der Antikerin.
Ein Mädchen, vielleicht fünfzehn oder sechszehn Jahre alt, wurde, flankiert von zwei Sanitätern, an ihnen vorbeigeführt. Leise wimmerte sie, bis sie direkte an John vorbei mußte. Ruckhaft hob sie plötzlich den Kopf und begann zu schreien: „Das Monster! Passen Sie auf das Monster auf!"
John zuckte unwillkürlich zusammen, auch weil plötzlich unliebsame Erinnerungen in ihm aufstiegen.
Das Monster, so hatte er damals auch diesen armen Kerl genannt, der in New York von Naniten befallen wurde, die ihn dann komplett umbauten.
„Das Monster kommt, es kommt, um uns alle zu holen ..." Das Mädchen wimmerte, während die beiden Sanitäter es endlich in das Krankenzelt weiterführen konnten.
Vashtu, die offensichtlich auf die Schreierei in ihrem Rücken aufmerksam geworden war, kam mit ernstem Gesicht die paar Schritte zurück. „So sind alle, die nicht von den Iratus angefallen wurden und in der Halle gewesen sind", erklärte sie mit besorgter Stimme.
John runzelte die Stirn und sah dem Mädchen nach. „Alle reden sie von einem Monster?" fragte er vorsichtshalber nach.
„Ja." Vashtu drehte sich wieder um.
„Und warum sollte irgendjemand davon ausgehen, daß Ihre sechs Käferlein nicht die gesamte Brut gewesen sind?" fragte Mitchell.
„Weil sich das durch die Psychosefälle erklärt", antwortete die Antikerin, die schon wieder ihr vormaliges Ziel anstrebte und sich einen Weg durch die geschäftige Menge suchte.
John sah aufmerksam nach rechts und links und schürzte schließlich die Lippen. Er konnte sich denken, was dieser Massenauflauf wirklich sollte. Eine bessere Tarnung für diese Operation hätte sich keiner von ihnen wünschen können, ging ihm auf.
„Sie wollen mich hochnehmen!"
„Keinesfalls." Vashtu schüttelte zweimal den Kopf, bevor sie ihr Headset an ihrem Ohr befestigte. „Da die betroffenen Jugendlichen quasi sofort nach Betreten der Halle angegriffen wurden von den Iratus, die Psychosefälle aber immer noch vorkommen, muß das Nest noch existent sein und sich weiter schützen. Wären alle Jungtiere geschlüpft, gäbe es keinen Grund mehr, im Kopf von irgendjemanden ein beängstigendes Bild zu erzeugen."
„Ziemlich schwache Erklärung für etwas, für daß Sie noch immer keinen Beweis besitzen, Miss Uruhk", wandte Mitchell ein.
Sie betraten jetzt das Technik-Zelt, in dem in aller Eile das Equipment dieses Kontingents aufgebaut worden war. Bildschirme, Monitore, Rechner, Scanner, Funkgeräte, alles was das Herz begehrte und sogar noch ein bißchen mehr war hier, durch Zeltstoff vor der Sonnenhitze geschützt, zu finden.
Nach dem scheinbaren Chaos draußen herrschte hier drinnen dagegen zwar geschäftiges Treiben, aber in geordneten Bahnen. Und der, der diese Bahnen offensichtlich ordnete, war niemand anderes als Rodney McKay, der vor einem Bildschirm saß und mit irgendetwas beschäftigt war, das John nicht ganz erkennen konnte.
„Was ist eigentlich mit der Polizei und dem CSI?" erkundigte er sich plötzlich.
Vashtu drehte sich jetzt zu ihm um. „Oh, wir haben ein bißchen Abwechslung auf deren Weg gestreut. Die dürften noch etwas beschäftigt sein mit dem Durchkommen bis zur Straßensperre. Und weiter wird es dann für sie nicht gehen."
„So einfach, ja?" Mitchell kreuzte die Arme vor der Brust. „Und wie wollen Sie diesen Massenauflauf erklären, Miss Uruhk? Haben Sie das den Präsidenten gefragt?"
„Ein Manöver, bei der aus Versehen halluzinogenes Gas freigesetzt wurde und einige, sich widerrechtlich auf dem Gelände aufhaltende Jugendliche leicht verletzte", antwortete die Antikerin prompt.
„Ein Manöver ..." Mitchells Stimme klang trocken.
„Wirklich gutes Ablenkungsmanöver." John nickte anerkennend.
Tatsächlich hatte er sich das gedacht, seit Vashtu ihre Erklärung geliefert hatte. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, daß man ihr erst so viele Mittel zur Verfügung stellte, um sie dann ins Aus zu manövrieren. Offensichtlich hielt da jemand wirklich viel von ihr und ebenso offensichtlich wurde Vashtu mit der Leitung dieser Operation getestet, ob sie fähig war, eine solche Verantwortung zu tragen.
Und, irgendwie wunderte es ihn nun gar nicht, daß ausgerechnet O'Neills Name bei dieser ganzen Sache auftauchte. Eher war er überrascht, daß der General noch nicht hier war, um seinen neuen Schützling zu beobachten bei dem, was sie hier anstellen konnte.
Dabei ... bisher hatte Vashtu das ganze hier recht gut im Griff, befand John. Die Leute hörten auf sie und führten offensichtlich auch ihre Befehle aus. Selbst die Kommunikation, die sie immer wieder von ihrer eigentlichen Aufgabe abzulenken drohte, hatte sie unter Kontrolle. Jeder wußte, was er zu tun hatte, und, und da hatte Mitchell wirklich einen guten Vergleich gezogen, Vashtu befand sich wie ein ruhender Pol in der Mitte dieses ganzen wie eine Bienenkönigin, die ihrem Staat Anweisungen gab.
Nein, er zweifelte nicht einen Moment daran, daß sie dem ganzen gewachsen war. Vielleicht würde sie aufgrund der Umstände etwas zu vorsichtig sein, aber sie würde das hier zu einem Ende bringen, so oder so. Und er zweifelte nicht daran, daß dieses Ende positiv für sie ausgehen würde.
„Ach, da sind Sie ja endlich!" McKay war auf sie aufmerksam geworden, winkte ihnen jetzt ungeduldig zu.
„Haben Sie etwas für uns, Rodney?" Vashtu schien auf der Stelle alles um sich her zu vergessen, trat an die Seite des Wissenschaftlers und beugte sich über den Bildschirm, vor dem er saß.
„Könnte sein. Ist zwar nicht die beste Aufnahme, aber ich schätze ..." McKay tippte etwas herum, bis er zufrieden schien mit dem Ergebnis. „Besser geht's nicht."
John war der Antikerin gefolgt, beugte sich jetzt auf der anderen Seite über seinen Freund und starrte auf den Monitor, auf dem ein körniges Schwarz-Weiß-Bild zu sehen war. „Ihr habt ein MALP da drin?" fragte er verblüfft.
„Schien mir erst einmal sicherer. Irgendwelche Umweltdaten?" antwortete die Antikerin.
„Luftzusammensetzung normal für die Erde, Temperatur okay. Luftfeuchtigkeit ist etwas hoch", McKay verzog das Gesicht und schob die beiden, die ihn bedrängten, mit den Armen ein wenig von sich.
„Das Bild ist schlecht", merkte in diesem Moment Mitchell an, der hinter dem Wissenschaftler stand.
„Der Stahl in den Betonwänden stört die Übertragung", kommentierte McKay nur. „Außerdem ist es dunkel da drin. Entweder ist die Sicherung durchgebrannt oder die Bälger sind noch nicht dazu gekommen, das Licht einzuschalten."
„Letzteres ... hoffentlich." Vashtu schob sich wieder näher an den Bildschirm heran und kniff die Augen zusammen. Mit einem Finger deutete sie auf einen eigenartig geformten Umriß. „Was ist das?"
„Das versuche ich gerade herauszufinden", ätzte McKay und bewegte den Stick, mit dem die Sonde kontrolliert wurde.
Eine schnelle Bewegung war am unteren Rand des Bildes zu sehen.
John zuckte unwillkürlich zurück, sein Herz schlug schneller. „Was war das?" fragte er alarmiert.
„Da da drin nichts lebendiges außer den Iratus ist, dürfte es sich um einen Ihrer Lieblinge handeln, Sheppard", kommentierte McKay trocken.
John erschauderte unwillkürlich.
„Konzentrieren wir uns wieder auf das Ding, um die Iratus kümmern wir uns danach. Ich möchte keine unliebsame Überraschung erleben, wenn wir da reingehen", entgegnete Vashtu angespannt.
John holte tief Atem, schwieg jetzt aber.
Aus dem Dunkel und dem schneeigen Bild des Monitors schälte sich allmählich etwas, was für ihn entfernte Ähnlichkeit hatte mit einem alten Filmmonster. Da fiel ihm das Motto des Monsterhauses ein und einen Moment lang wollte er sich beruhigt aufrichten. Dann aber bemerkte er, daß dieses Ding ... sich bewegte.
„Jede Wette, wir haben das athosianische Kunsthandwerk gefunden", murmelte Vashtu.
„Das Monster ..." flüsterte John. „Wieso bewegt es sich?" Er warf einen ratlosen Blick zu der Antikerin hinüber.
„Nicht die Statue bewegt sich, der Kokon tut es", antwortete sie und richtete sich auf, um ihr Funkgerät zu aktivieren. „Bishop, wir gehen rein. Etwa fünf bis sechs Meter neben dem Eingang steht eine eigenartige, außerirdische Statue. Die beinhaltet das Nest. Und Vorsicht, ein weiterer Käfer ist geschlüpft."
„Verstanden, Mam", kam die verzerrte Antwort aus dem Funkgerät.
„Wenn ihr mitkommen wollt, ich gehe rüber." Vashtu klopfte einmal mit den Fingerknöcheln auf den Metalltisch, an dem McKay saß, dann drehte sie sich um und verließ das Zelt wieder.
John zögerte nicht, sondern folgte ihr sofort, ein flaues Gefühl im Magen.
Hoffentlich machte sie nicht ausgerechnet jetzt einen Fehler!

***

Vashtu war angespannt und sich durchaus der Verantwortung bewußt, die ihr von Präsident Hayes übertragen worden war. Sie verstand allerdings auch Mitchell, der natürlich alles andere als erfreut war darüber, daß ihm das Kommando sozusagen entzogen worden war. Andererseits hatte er das Funkgerät liegen lassen, nicht sie. Und sie war auch nicht diejenige gewesen, die Meldung machte auf der Daedalus, das hatte McKay getan.
Wenn sie ehrlich war, sie hatte sich eigentlich heraushalten wollen, nachdem das Nest lokalisiert war. Aus der Datenbank wußte sie jetzt zwar einiges mehr über die Iratus, aber dieses Wissen war für sie erst einmal theoretisch und mußte überprüft werden. Und für Überprüfungen war sie noch nie der Typ gewesen, nur für Korrekturen.
Aber wie auch immer, sie war jetzt die Verantwortliche für all das hier, ihr oblag es, die Insekten zu vernichten. Denn zumindest dieser Befehl des Präsidenten war sehr eindeutig gewesen, nachdem Caldwell und McKay ihm grob geschildert hatten, WAS genau die Iratus-Käfer taten: Keiner durfte entkommen. Für eventuelle Studien stand immer noch das sektierte Exemplar in der AREA 51 zur Verfügung sowie in Kürze das lebende, das das CSI eingefangen hatte. Alle anderen waren auf der Stelle, oder doch so schnell wie möglich, auszulöschen.
Aus diesem Grund, und nur aus diesem Grund, lieferte die Odyssee gerade noch einige Fässer mit Giftgas, das sie in die Lagerhalle leiten sollten, sollten sie des Befalls anders nicht Herr werden. Vashtu allerdings würde das Gas nur als allerletzte Möglichkeit einsetzen, das hatte sie sich gleich zu dem Zeitpunkt geschworen, als sie von dieser unverhofften Lieferung erfahren hatte. Sie vertraute auf altbewährte Methoden: Maschinenpistolen, außen Scharfschützen, die den Eingang zur Halle ständig kontrollierten und Flammenwerfer, die sie sich aus Armeebeständen hatte herbringen lassen.
„Sind wir soweit?" fragte sie, als sie bei der Gruppe, die das Lagerhaus betreten sollte, angekommen war. Captain Bishop, seineszeichens Marine mit Spezialausbildung und Leader von Gruppe A, bestätigte, während John und Mitchell nun auch eintrafen.
„Da drinnen äußerst vorsichtig sein", erklärte Vashtu den Männern noch einmal. „Die Insekten schlüpfen jetzt. Jungtiere sind noch nicht in der Lage, ein Lebewesen von der Größe eines Menschen zu töten, es sei denn, derjenige befindet sich ohnehin schon an der Schwelle zum Jenseits. Sie sind allerdings sehr flink und wendig. Was das Nest angeht ... Am besten fackeln wir die ganze Statue ab, damit dürften sich dann auch weitere schlüpfende Iratus erledigt haben. Und nicht vergessen, der Kokon sondert einen Duftstoff ab, der bei Menschen wie ein Halluzinogen wirkt. Kommen Sie der Statue also nicht zu nahe. Flammenwerfer auf größere Distanz einstellen."
Bishop sah sich kurz in seiner Gruppe um, dann nickte er. „Wir sind bereit, Mam."
Vashtu holte tief Atem.
Lieber wäre sie mit der ersten Gruppe reingegangen, naja, noch lieber wäre sie jetzt auf irgendeinem anderen Planeten, vorzugsweise so weit von der Erde entfernt wie nur möglich. Aber sie war jetzt nun einmal hier und hatte das Kommando. Also?
„Gruppe Alpha, Abmarsch!" Ihre Stimme klang, als würde sie einen solchen Befehl jeden Tag geben, doch ihr Magen zog sich beinahe schmerzhaft zusammen.
Sie hatte noch nie irgendein Kommando inne gehabt, ging ihr auf, während sie nun eine P-90 an ihrer Weste befestigte. Immer war sie die Befehlsempfängerin gewesen. Sicher, sie gab Tips, wenn sie eine Lösung parat hatte, vielleicht war sie dann wirklich ein bißchen herrisch. Aber sie meinte es gut.
John legte ihr eine Hand auf die Schulter und sah besorgt zu ihr hinunter. Ihr Herz, das ohnehin schon schneller als gewohnt schlug, tat einen Hüpfer bei dieser Berührung und sie überlief es heiß und kalt.
„Du solltest das ganze vielleicht besser von hier draußen koordinieren", schlug er mit sanfter Stimme fort. „Nicht daß ich dir das da drin nicht zutraue. Aber von hier hast du einen besseren Überblick."
In diesem Moment, als sie zu ihm hochsah und seine Augen sie beinahe anflehten, nicht die Halle zu betreten, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen, in dieser Sekunde, als der Klang seiner Stimme noch in der Luft lag und in ihr nachvibrierte, in diesem Atemzug wäre sie vielleicht wirklich bereit gewesen, draußen zu bleiben und diesen schwierigen Teil den Männern, die man ihr zugeteilt hatte, zu überlassen. Doch im nächsten Moment drängte sich Mitchell an ihnen beiden vorbei und warf ihr einen kalten Blick zu.
„Wissen Sie was, Miss Uruhk?" fragte er. „Sie müssen noch einiges lernen, ehe Sie wirklich ein Kommando wie dieses leiten können. Und vor allem müssen Sie sich durchsetzen. Sheppard, wir gehen rein!"
„Nein!"
Vashtu war wie gelähmt und konnte nur zusehen, wie Mitchell die Tür öffnete und im Dunkel der Halle verschwand.
„Verdammt!" fluchte John los.
Und sie riß sich los und stürzte dem SG-1-Leader nach. Auf keinen Fall durfte Mitchell ohne Deckung da drin sein, auf gar keinen Fall!
„Vashtu!" rief John ihr nach, dann fiel die Tür ins Schloß, noch während sie die Lampe an der P-90 einschaltete.
Von irgendwo hörte sie ein unterdrücktes Husten, dann leise Schritte.
Vashtu versuchte sich zu orientieren, da öffnete sich die Tür hinter ihr erneut und John kam herein, den Flammenwerfer, den sie für ihre Gruppe hatte haben wollen, mit sich schleifend.
„Du kannst doch nicht einfach so losstürmen", fuhr er sie an.
„Wir können Mitchell aber auch nicht allein hier lassen!" entgegnete sie lauter als sie wollte.
„Der kann schon auf sich selbst aufpassen." John kämpfte mit den Gurten, um sich den Flammenwerfer selbst auf den Rücken zu schnallen.
„Ach, und ich kann das nicht?" ätzte sie ihn an.
Er stutzte, dann runzelte er die Stirn. „Du bist die Kommandierende, das ist ein kleiner aber feiner Unterschied." Endlich gelang es ihm, die schwere Gasflasche richtig auf seinem Rücken zu positionieren, schloß den ersten Gurt.
Vashtu drehte sich wieder zu der sie um umgebenden Dunkelheit herum und blinzelte hinein. Ein Stück entfernt konnte sie andere Lichter ausmachen, sehr wahrscheinlich Bishop und sein Marines-Team.
„Mitchell?" rief sie in die Dunkelheit hinein, bis ihr aufging, daß sie ja immer noch ein Funkgerät hatte. Wie automatisch aktivierte sie es. „Bishop, Sie haben nicht zufällig Colonel Mitchell gesehen? Wir sind ... getrennt worden."
„Negativ, Mam", lautete die Antwort. „Wir nähern uns jetzt dem Nest, Mam. Sieht bis jetzt recht einfach aus."
„Wollen wir hoffen, daß das auch so bleibt", seufzte sie, drehte sich zu John um, der mittlerweile fortgefahren war, sich den Flammenwerfer anzulegen. „Können wir?"
Seine haselnußfarbenen Augen sahen sie abschätzend an, dann nickte er, hob noch einmal die Schultern, um die Gasflasche auf seinem Rücken in eine angenehmere Position zu bringen.
In diesem Moment hörten sie beide den ersten Schrei.
„Verdammt!" Vashtu wirbelte herum, hatte die Waffe bereits im Anschlag. „Wir müssen los!"
„Dann los, aber vorsichtig!" mahnte John, der seinerseits den Stutzen des Flammenwerfers fest umklammerte.
Vashtu kniff die Lippen aufeinander, nickte aber und ging vorsichtig los, während sie wieder ihr Funkgerät aktivierte. „Bishop? Status!"
Keine Antwort, nur ein mehrstimmiges Wimmern aus der Dunkelheit.
„McKay, irgendetwas zu sehen?" hörte sie John hinter sich fragen.
Warum hatte sie nicht daran gedacht? Immerhin war da vorn auch noch das MALP! Sie hätte einfach bei Rodney nachfragen können.
„Keiner auf dem Bildschirm", hörte sie die Antwort des Kanadiers und nickte stumm.
Das Wimmern wurde deutlicher, und dann ... tauchten ein Paar Beine im Licht ihrer P-90 auf. Beine, die in Armeehosen steckten.
Vashtu ließ sich auf ein Knie nieder und leuchtete dem Mann ins Gesicht. Es war einer von Bishops Männern, und an seinem Hals ...
„Oh Mann, sagtest du nicht, Jungtiere könnten keinen Menschen töten?" fragte John, nachdem auch er hatte erkennen müssen, was sich da wie ein bizarrer Schmuck um den Hals des Mannes wand.
„Er ist bewußtlos und steht vermutlich unter Schock", entgegnete Vashtu, richtete sich wieder auf und sah in die Dunkelheit. „Aber er lebt."
Nur ein kurzes Stück weiter hockte ein weiterer Marine auf dem Boden und wippte immer wieder vor und zurück, während er unverständliches Zeug brabbelte.
„Hier geht's ja mächtig ab", murmelte John.
Vashtu nickte stumm.
Es wurde ein Fiasko. Sie war sich ganz sicher, diese ganze Operation würde ein voller Fehlschlag werden. Hatte sie nicht schon zwei mehr oder minder Verluste? Zwei Männer waren ausgefallen, und sie konnte nur hoffen, daß sie sich wieder erholen würden.
Vashtu schnürte es die Kehle zu, dennoch zwang sie sich, sich wieder aufzurichten und erneut ihr Funkgerät zu aktivieren. „Bishop, wo sind Sie? Mitchell? Sind wenigstens Sie irgendwo in dieser Halle?"
Sie hörte ihre eigene Stimme, nur wenige Schritte weiter, und fluchte in ihrer Muttersprache.
„Falls es dich interessiert, ich denke, du machst deine Sache ganz gut", merkte John an.
„Gut zu wissen, daß ich Leute, die mehr über mein Versagen wissen wollen, nur zu dir schicken muß - den einzigen Mann auf der gesamten Erde, zu dem ich eigentlich keinen Kontakt haben dürfte", entgegnete sie.
Ein dritter Mann aus Bishops Gruppe stand wie angewurzelt da und starrte ins Nichts, bis sie ihm ihre Hand vor das Gesicht hielt. Dann begann er laut und sehr anhaltend zu schreien, bis ihm die Luft ausging. Er knickte mit den Knien ein und hockte dann, wie sein Kamerad, wimmernd am Boden.
John runzelte die Stirn, als Vashtu zu ihm hochsah. Nachdenklich betrachtete er den Marine, dann blickte er sie an. „Fällt dir vielleicht auch etwas auf?" erkundigte er sich.
Vashtu blinzelte, drehte sich um und sah in die Dunkelheit. Hier irgendwo mußte der Kokon sein. Sie konnte ihn beinahe riechen. Stumm schüttelte sie den Kopf.
„Fällt dir nicht auf, daß wir beide nicht beeinträchtigt sind, alle anderen aber schon ... es sei denn, an ihnen ist gerade ein Iratus angedockt?"
„Das ist Zufall", wiegelte sie augenblicklich ab.
„Nein, nein, vielleicht nicht."
Vashtu stutzte, als sie so plötzlich McKays Stimme hörte. Dann erst ging ihr auf, daß ihr Funkgerät noch immer offen und aktiviert war. Wahrscheinlich hatte der Kanadier jedes Wort mithören können. Also Schnitzer Nummer zwei!
„Sie sollten bedenken, daß Sie beide den anderen etwas voraus haben: Sie, Vashtu, tragen Iratus-Zellen in sich, und in Sheppards Fall könnten noch leichte genetische Anomalien vorliegen", fuhr McKay fort.
Vashtu blieb stehen.
Sie wollte besser nicht über das nachdenken, was der Kanadier ihr da gerade zu schlucken gegeben hatte. Andererseits aber ... konnte es durchaus sein, daß ...
„Das stimmt. Jedenfalls durfte ich bisher immer noch alle vier Wochen bei den Ärzten vorsprechen, um eine Genanalyse machen zu lassen", berichtete John. „Vielleicht erinnert sich ein Teil von mir tatsächlich noch daran und ich bin deshalb ..."
„Das Monster ... hütet euch ... Monster ..."
Vashtu wirbelte auf der Stelle herum und wollte schon loshetzen, als ihr bewußt wurde, daß sie ja nicht einfach so voranstürmen konnte. John war mit dem Flammenwerfer langsamer als sie, immerhin mußte er das ganze Gewicht mit sich herumschleppen.
„Mitchell? Sind Sie das?" rief sie statt dessen in die Dunkelheit hinein. „McKay, irgendetwas zu sehen?"
„Das Nest scheint sich wieder zu bewegen ... in Ihre Richtung! Was auch immer Sie vorhaben, Sie sollten es schnell zu Ende bringen."
„Mitchell!" rief Vashtu wieder in die Halle hinaus, wartete, bis John aufgeschlossen hatte, ehe sie weiterging, sich aber immer wieder bremsen mußte.
„Vashtu, ich bin mir ziemlich sicher, daß bisher jeder Iratus-Käfern jegliche Intelligenz abgeschworen hat. Aber ich bin mir auch sicher, daß ich meinen Augen trauen darf. Die Statue, und damit das Nest, bewegt sich wieder. Und es hält sehr zielgenau auf Sie beide zu!"
Waren Iratus doch intelligenter als allgemein angenommen? Hatten sie sich vielleicht in den letzten zehntausend Jahren zu einer intelligenteren Art weiter entwickelt?
Sie wußte es nicht, und ganz sicher wollte sie das auch nicht jetzt und hier herausfinden.
„Mitchell!" Dieses Mal brüllte sie so laut sie konnte, doch noch immer keine Reaktion.
Dann tauchte Bishop aus der Dunkelheit auf. Er saß zusammengesunken auf dem Boden, und es schien, als würde sein Körper nur durch den Flammenwerfer in dieser Position gehalten, den er auf den Rücken geschnallt trug.
„Bishop!" Vashtu hockte sich bei dem Marine nieder, suchte nach seinem Puls, fand ihn aber zunächst nicht. Dann aber stellte sie erleichtert fest, daß er doch noch lebte, nur sein Herz sehr schwach und unregelmäßig schlug. An seinem Hals fand sie zwei punktförmige Male.
„Es ist noch einer geschlüpft", wandte sie sich an John, ließ die P-90 los und begann statt dessen die Gurte des zweiten Flammenwerfers zu lösen.
„Was tust du da?" verlangte John ungeduldig zu wissen.
„Wir müssen das Nest zerstören, ehe noch mehr schlüpfen können. Und wir müssen die Männer hier herausschaffen", antwortete sie ungeduldig.
„Vashtu!"
Etwas in Johns Stimme alarmierte sie und ließ sie aufblicken.
John starrte in die Dunkelheit hinter ihrem Rücken, und soweit sie das in dem wenigen Licht ausmachen konnte, war er leichenblaß.
Langsam drehte sie sich auf den Fersen um und holte tief Atem, als sie nun zum ersten Mal die Statue in der Realität sah.
Um was es sich handelte, konnte sie nicht wirklich bestimmen, sehr wahrscheinlich war es wirklich ein mystisches Geschöpf, das sich irgendein Volk der Pegasus-Galaxie ausgedacht hatte. Es selbst bewegte sich auch nicht, dennoch aber hielt es eigenartig ruckhaft auf sie zu. Das außerirdische Holz schimmerte dabei und verstärkte den Eindruck einer unseligen Belebung noch.
„Komm da weg ..." Johns Stimme war nicht mehr als ein heiseres Flüstern.
Und sie hörte es. Das leise, brodelnde Zischen, das sie überall wiedererkannt hätte.
Das Jungtier lauerte in der Dunkelheit neben dem bewußtlosen Bishop, und sie stand gerade ganz weit oben auf der Speisekarte.
„Komm da weg, Vash!" John hob den Auslöser des Flammenwerfers und schwenkte ihn langsam in ihre Richtung ein.
Vashtu schluckte hart. Vor ihr erhob sich als Hindernis der bewußtlose Marine, zur Rechten näherte sich die Statue mit dem Nest und zu ihrer Linken lauerte irgendwo in der Dunkelheit ein Iratus. Der einzige Ausweg war das unsichere Dunkel in ihrem Rücken. Und sie wußte nicht, ob nicht eventuell noch weitere Käfer dort lauerten.
Vashtu kniff die Lippen aufeinander.
Der Kokon, der sich irgendwo innerhalb der fremdartigen Statue befand, gab ebenfalls eigentümlich zischende Laute von sich, was den Eindruck des Lebendigen des Holzes noch erhöhte.
„Vashtu, weg da!"
Wenn John jetzt den Flammenwerfer aktivierte würde er so oder so Bishop zumindest schwere Verbrennungen zufügen. Vielleicht würde der Marine sogar sein Leben verlieren, sollte der Flammenwerfer auf seinem Rücken noch in die Luft gehen. Und sie selbst hatte kaum eine andere Chance.
„Aktiviere ihn!" befahl sie John und holte Schwung. Im gleichen Moment, in dem auch der Iratus zum Angriff überging und die Statue auseinanderbrach.
Vashtu sprang vor, direkt auf Bishop hinauf, riß den Marine mit sich um zu Boden und betete einfach nur. Und über ihr, neben ihr, scheinbar überall um sie herum brüllte das Feuer ...

TBC ...

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