21.07.2009

Das Monster V

John richtete sich auf, als er hörte, wie der Riegel der Tür zurückschnappte. Innerlich wappnete er sich, wenn er auch nicht so recht wissen wollte und konnte wovor. Vielleicht vor einer neuen Vernehmung, vielleicht aber auch ...
Die Tür schwang auf und ein übernächtigt aussehender Mac Taylor betrat die Zelle, sah sich kurz um, ehe er, mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen nickte. „Guten Morgen, Major."
John zögerte, erwiderte dann den Gruß und richtete sich auf. Er würde wohl wieder verhört werden, wie es aussah.
„Sie können gehen", fuhr Mac unvermittelt fort. Und ganz offensichtlich war das seine eigene Art von Humor, nach der Art, wie er über Johns Gesichtsausdruck schmunzelte.
Damit allerdings hatte er nun gar nicht gerechnet, auf gar keinen Fall. Aber ... das bedeutete auch gleichzeitig ...
John blickte auf, Begreifen in seinen Augen. Macs Grinsen verblaßte. Langsam nickte er. „Es hat wieder einen Mord gegeben. Gleiches Muster, gleiche Spuren. Es war der selbe Täter. Und da Sie wahrscheinlich das beste Alibi vorzuweisen haben, was man sich nur vorstellen kann, Major ..." Mac zuckte mit den Schultern. „Lieber hätte ich es anders bewiesen, das müssen Sie mir glauben. Aber es ist gekommen, wie ich es vermutete. Sie sind frei."
John schluckte, hielt den Blick gesenkt, damit der Tatortermittler nicht den Schrecken in seinen Augen lesen konnte. In diesem Moment hatte er sich nicht wirklich im Griff, und er wußte es. Nein, besser, er ließ erst einmal ...
John atmete einige Male tief ein, sah dann doch hoch, als er glaubte, sich wieder halbwegs im Griff zu haben. „Aber es könnte auch ein Trittbrettfahrer gewesen sein", wandte er ein.
Mac schmunzelte humorlos, schüttelte dann den Kopf. „Ich möchte Sie bitten, sich sofort an uns zu wenden, sollte Ihre Erinnerung wieder zurückkehren, Major Sheppard. Ansonsten ... wünsche ich Ihnen alles Gute für die Zukunft und daß Sie nie wieder in eine solche Lage geraten."
Mit einem Ruck stand John aufrecht, seine Hände ballten sich wie von allein zu Fäusten. „Es könnte auch jemand gewesen sein, der mich entlasten wollte und deshalb die gleichen Spuren hinterlassen hat!"
Macs Augen wurden schmal. „Ihre Bekannten wurden überwacht, wenn Sie das beruhigt, Major. Sie waren es NICHT!" Er ließ seine Stimme an Schärfe gewinnen.
John schluckte hart und biß sich auf die Lippen.
„Sie quälen sich weiter selbst", bemerkte der Tatortermittler, trat einen Schritt auf den Militär zu. „Aber das sollten Sie nicht. Sie haben richtig gehandelt, Major, vollkommen richtig. Sie wollten einer Frau in Not helfen. Daß es nicht geklappt hat, ist nicht Ihre Schuld. Also ..."
„Ich hätte aber vielleicht etwas daran ändern können! Der Kerl ..." Die Unwissenheit würgte ihn.
John beugte sich vorn über und keuchte einige Male.
So viele, die er verloren hatte. So viel Schuld, die auf seinen Schultern lastete.
John stöhnte unterdrückt auf.
„Melden Sie sich, sollte Ihre Erinnerung zurückkehren. Wir brauchen Sie als Zeugen, Major", wandte Mac sich mit sanfter Stimme an ihn.
Und wenn er es doch gewesen war? Immerhin hatte er doch sein eigenes Gesicht gesehen in diesem Alptraum. Wenn es sich nun um eine Erinnerung handelte? Wenn er durchgedreht war und die Frau getötet hatte, diese Miss Lloyd?
„Ihre Sachen erhalten Sie an der Ausgabe zurück", fuhr Mac fort.
John richtete sich endlich wieder auf, atmete immer noch tief und preßte die Augen wie vor Schmerzen zusammen. Dann fiel ihm plötzlich etwas ein.
„Haben Sie meine Uhr gefunden?"
Mac, der sich hatte zurückziehen wollen, drehte sich nun doch wieder um. „Bitte?"
John öffnete die Augen und wandte den Kopf. „Meine Armbanduhr. Eine Armeeuhr." Er hob den linken Arm, so daß der helle Streifen auf seiner Haut gut zu sehen war.
Mac öffnete den Mund, schloß ihn dann wieder und nickte.
John kniff die Lippen aufeinander.
„Wir haben die Uhr unter einem Baum gefunden, in der Nähe des Tatorts", erklärte Mac endlich. „Es war Blut daran ... Ihr Blut, wie sich mittlerweile herausgestellt hat. Das Armband muß bei dem Kampf gerissen sein. Es sieht aus wie aufgeschlitzt."

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Er hob den Arm und fühlte den brennenden Schmerz, als die Klinge über seine Haut schrammte. Über das Jammern hinweg konnte er hören, wie die Schneide sich an ihm rieb und die Härchen auf seinem Arm zerschnitt. Und sie zerschlitzte das Band seiner Uhr, die beinahe unbeachtet zu Boden fiel.
Das Messer war scharf wie eine Rasierklinge!
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John taumelte einen Schritt zurück, die Augen geweitet. „Oh Gott!" entfuhr es ihm. Keuchend stützte er sich mit einer Hand an der Wand ab.
Mac trat alarmiert wieder einen Schritt näher. „Geht es Ihnen gut?"
John schluckte, während ein weiterer Flashback an ihm zerrte:

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Die Augen leuchteten in dem gleichen Grün wie das andere Licht.
Das Licht ... Licht ...
John wurde zurückgeschleudert, der Ast zerbrach, den er sich vorhin geschnappt hatte in Ermangelung einer anderen Waffe.
Taumelnd wurde er zur Seite geschleudert, während das Ding wieder diesen jammernden Schrei ausstieß, der seine Trommelfelle perforieren wollte.
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Das war KEIN Mensch gewesen!
Johns Augen weiteten sich, als er endlich begriff.
Nein, er hatte wirklich nichts mit den Morden zu tun, jedenfalls nicht so, wie er es befürchtet hatte. Er war nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und hatte sich mit etwas angelegt, was ...
„Mist!"
Er hob den Kopf und sah Mac forschend an. „Wenn ... ich mich erinnere ... ?" fragte er stockend.
Der Tatortermittler nickte mit ernster Miene. „Der Beamte am Tresen kann Ihnen die Durchwahl in mein Büro geben. Wenden Sie sich am besten direkt an mich, Major. Jeder andere ... Nun, sagen, wir, auch wenn wir Sie entlasten konnten, ist noch nicht wirklich jeder der Meinung, daß Sie auch unschuldig sind, wenn Sie verstehen, was ich meine."
John nickte. „Und ... die Uhr?" fragte er kläglich.
Sein Magen wollte sich ihm umdrehen.
Dieser schwarze Schatten war nie und nimmer menschlich gewesen, davon war er jetzt überzeugt. Wo auch immer dieses Ding herstammte ... er mußte das SGC informieren!
„Ist leider zunächst noch ein Beweismittel." Mac zuckte mit den Schultern. „Aber vielleicht könnten Sie mir beantworten, warum diese Uhr in der Lage ist, sechsundzwanzig Stunden anzuzeigen?"
Auch das noch!
John fühlte plötzlich eine gewisse Erleichterung und mußte wiederwillig schmunzeln.
Natürlich ließ sein Organismus noch nach Atlantis-Zeit, und mit ihm auch seine Uhr. Er hatte schlicht vergessen, sie wieder auf den 24-h-Rhythmus der Erde umzustellen.
„Das ist ... ein Fehler, den sie schon immer ab und an hatte, wenn die Batterie sich leerte", log er. Und er sah nur allzu deutlich, daß Mac ihm nicht ein Wort glaubte. Doch das war alles, was er aus ihm herausbekommen würde.
John zuckte mit den Schultern. „Ich hoffe, ich bekomme sie wieder."
Mac zögerte, nickte dann aber. „Wenn sie nicht mehr weiter relevant für den Fall ist, können Sie Ihre Uhr zurückfordern. Sie ist kein Beweismittel, das in irgendeiner Weise mit dem Täter in Verbindung gekommen ist."
Und ob sie das war!
John wünschte sich, sich an mehr erinnern zu können. Doch aus den Tiefen seines Geistes tauchten immer wieder nur kurze Fetzen auf, die er kaum richtig zusammensetzen konnte. Er wußte nicht, was er tun oder lassen sollte und konnte nur hoffen, daß ...
Er mußte unbedingt das SGC anrufen und Landry darüber informieren, daß hier nicht alles mit rechten Dingen zuging. Was auch immer diese Frauen ermordete, es mußte außerirdisch sein. Dieses Leuchten, das er immer noch nicht wirklich zuordnen konnte ... Irgendetwas hatte es mit McKay und Atlantis zu tun, da war er sich sicher.
„Ich habe mir übrigens erlaubt, in ihrem Hotel anzurufen. Man wird Sie abholen", wechselte Mac das Thema.
John nickte, strich sich mit einer Hand durchs Haar.
Gut, dann geriet er schneller als gedacht in die Lage, sich mit dem SGC in Verbindung zu setzen. Er wagte gar nicht sich vorzustellen, wie man ihm diese Eskapade nun wieder auslegen würde. Für den Generalstab war er doch ohnehin schon schuld daran, das die Erde überhaupt noch existierte.
„Und denken Sie daran ..."
John sah Mac an und dieser verstummte. „Sie meinten gestern, es könne helfen, wenn ich mich hypnotisieren ließe. Sind Sie sich da sicher?" fragte er.
Der Tatortermittler nickte. „Genau das wollte ich Ihnen vorschlagen, Major. Suchen Sie sich jemanden, dem Sie vertrauen und hoffen Sie, daß es gelingt. Es gibt einige Studien darüber, daß es die Erinnerung wieder heraufholen kann, wenn sie nicht von allein zurückkehren will."
John nickte, spannte die Kiefer an.
Gut, er hatte Beckett. Das war definitiv schon einmal jemand, dem er vertraute.
„Und ... Major, Sie sollten vielleicht auch Ihren Freunden sagen, daß es besser ist, wenn sie die Ermittlungen der Polizei überlassen. Ihre Bekannten haben sich da in ein Labor eingemietet und sind im Central Park gewesen, nahe des Tatortes des Mordes, zu dem Sie gestoßen sind. Das hätte nach hinten losgehen können, zumal ... Wir haben Ihre 'feuchte Wiese' gefunden. Was auch immer es ist, was da auf den Pflanzen liegt, es ist kein Tau."
John atmete wieder tief ein, nickte dann. „Ich werde daran denken. Und ich melde mich, sobald ich mich erinnern kann", antwortete er.
Dabei allerdings war er sich ziemlich sicher, daß er sich zwar melden würde, doch nur, um Mac und seinen Kollegen den Fall abzunehmen. Was auch immer dieser Schatten, dieses Monster gewesen war, es war kein Mensch!
Mac reichte ihm die Hand. „Viel Glück, Major."
John lächelte und nickte, als er einschlug.
Um wieviel Mac wohl älter war als er? Viel konnte es nicht sein, ging ihm auf, dazu hatten sie zu oft die gleichen Ansichten. Dieser Mann war ihm eindeutig sympatisch.

***

Dorn hatte vor der Tür Aufstellung genommen und ließ niemanden durch. Die Angestellten, alle schienen sie durchweg pünktlich zu sein, wenn der Marine sich nicht verzählt hatte, murrten mehr oder weniger enthusiastisch und versuchten, an ihm vorbei einen Blick auf die beiden Wissenschaftler zu erhaschen, die im Genlabor mit irgendetwas beschäftigt waren.
Dorn stand da, der leibhaftige Fels in der Brandung und wartete. Noch immer trug er seine Uniform vom Vortag, war bewaffnet mit seiner Standard-Automatik, auch wenn er nicht vorhatte, seine Hand auch nur in die Nähe der Waffe zu bringen. Er hatte wirklich genug Leben genommen in seiner langen, und recht fruchtbaren Militärkarriere.
Der mit dem schottischen Akzent klang aufgeregt, vielleicht sogar etwas ängstlich.
Dorn wagte nicht, den Kopf zu drehen, immerhin könnte ihm dann einer der Angestellten seines Neffen durchschlüpfen. Und soviel hatte er durchaus verstanden aus den wenigen Brocken: Dieser Beckett war auf irgendetwas gestoßen, was ganz und gar nicht harmlos war. Die Frage sollte hier und jetzt wohl eher sein, ob es nicht besser wäre, das ganze Labor zu räumen.
„Was ist denn hier los?"
Dorn erleichterte innerlich, als er die Stimme seines Neffen sich über das deutliche Gemurmel und Gemurre erheben hörte. Endlich war Al, wenn auch mit deutlicher Verspätung, eingetroffen. Sehr gut. Jetzt mußte man ihm nur noch begreiflich machen, daß ...
„Onkel George?"
Die Familienähnlichkeit zwischen Onkel und Neffe war beinahe frappierend. Albert sah aus wie ein jüngerer und deutlich fitterer George Dorn, wenn es auch bei ihm schon gewisse Anzeichen eines leichten Hanges zum Übergewicht gab.
Jetzt baute der Mann in den Dreißigern sich vor seinem Onkel auf, die Hände in die Hüften gestemmt, und funkelte den Marine an. „Ich habe doch gesagt, ihr habt bis neun Uhr Zeit. Danach ..."
„Sind noch nicht ganz fertig", fiel Dorn seinem Neffen ins Wort. „Kann nicht mehr lange dauern."
Dabei war er sich ziemlich sicher, es würde sogar deutlich länger dauern als Al sich jetzt vielleicht denken mochte. Was er da vorhin, als die ersten Angestellten gekommen waren, aufgeschnappt hatte, hörte sich alles andere als gut an. Der Begriff „Replikatoren" in Verbindung mit einem Mitglied der beiden großen Stargate-Stützpunkte - ob nun hier oder in der Pegasus-Galaxie - bedeutete nie etwas gutes, soviel wußte er.
„Ich habe dir gesagt, bis neun Uhr. Punkt!" Al funkelte ihn immer noch an. „Ich kriege mein Geld nur sehr selten vom Staat, Onkel, tut mir leid. Ich habe Termine!"
„Sind Sie der Inhaber dieses Labors?" Die akzentschwere Stimme des Schotten mischte sich nun in das Gespräch.
In Dorns Gesicht zuckte nicht ein Muskel. Er starrte weiter seinen Neffen an, durchdringend und durchaus beredt - wenn man ihn denn kannte.
Und Al kannte ihn. Der Inhaber von Scunlab.Inc wurde blaß. „Das ist nicht dein Ernst!" keuchte er.
Dorn sah ihm weiter in die Augen, starrte ihn richtiggehend nieder.
„Sind Sie ... ?"
„Ja doch!" Als Kopf ruckte zu Beckett herum. „Was soll das hier?"
Der Schotte wurde offensichtlich aus seinem Konzept gebracht durch den forschen Angriff und schwieg.
„Schick die Leute nach Hause", sagte Dorn ruhig.
Als Augen weiteten sich wieder. „Wie bitte?"
„Schick die Leute nach Hause!" Dorn ließ seine Stimme eindringlicher klingen.
„Das ... das wird sich leider nicht umgehen lassen ... fürchte ich", ließ Beckett sich jetzt wieder vernehmen. „Tut mir leid, mein Junge."
„Ich bin nicht Ihr Junge!" raunzte Al den Schotten an, der sichtlich zusammenzuckte.
„Al!" Dorns Augen schienen Funken zu sprühen.
„Uns ist ... äh, ein kleines Malheur passiert", begann Beckett zu erklären, auch wenn das selbstverständlich eine bodenlose Lüge war.
„Ein Malheur?" brauste Al auf.
„Al, die Leute", warnte Dorn wieder und brachte seinen Neffen damit aus dem Konzept. Doch dem Marine war nicht entgangen, wie einige der Wartenden durchaus interessiert die Ohren spitzten.
Al schwoll deutlich der Hals, wütend kniff er die Lippen zusammen, dann drehte er sich abrupt auf der Stelle um. „Ihr könnt nach Hause gehen", sagte er zu den gut zwanzig Menschen, die hier arbeiten wollten.
„Wenn es auf den unteren Etagen noch andere Labore gibt ..." Beckett verstummte unter dem nächsten bitterbösen Blick. Dann allerdings ging ein deutlicher Ruck durch den schottischen Mediziner.
„Hören Sie, junger Mann, ich will Ihnen nur helfen. Ich dürfte Ihnen eigentlich gar nichts sagen, sondern könnte Ihren Onkel einfach anweisen, Sie aus Ihrem eigenen Labor zu werfen. Ist Ihnen das denn immer noch nicht klar? Wir arbeiten für eine streng geheime internationale Behörde."
Al hatte plötzlich mit einem deutlichen Schluckreflex zu kämpfen.
Dorn konnte sich vorstellen, was im Kopf seines Neffen gerade vor sich ging. Ihm würde es sehr wahrscheinlich nicht sehr viel anders ergehen, wenn er außen vor gelassen würde, während ein großer Teil des eigenen Lebens gerade den Bach runterging.
„Das ist ..."
„Washington wird dir den Ausfall erstatten", fiel Dorn seinem Neffen ins Wort.
Und genau dafür würde er auch sorgen. Al hatte mehr als genug riskiert, damit man ihm ein wenig unter die Arme greifen konnte. Es würde irgendeine Möglichkeit geben, ihn für das zu entschädigen, was ihm da möglicherweise verloren gehen würde durch das, was hier gerade geschah.
„Wie bitte?" McKay war auf Dorns anderer Seite aufgetaucht, funkelte den Marine jetzt über die Schulter hinweg an. „Wie können Sie es eigentlich wagen, soetwas auch nur in Aussicht zu stellen?"
Der Marine hob nur eine Braue und warf dem Wissenschaftler einen scheelen Blick zu. Dann zuckte er wie entschuldigend mit den Schultern.
„Das ist eine Unverfrorenheit sondergleichen!" schimpfte McKay weiter. „Sie können nicht Gelder versprechen, die Ihnen überhaupt nicht zur Verfügung stehen!"
Al sah ihn fragend an.
Dorn zuckte wieder mit den Schultern. „McKay", sagte er nur, sog kurz die Wangen ein und dachte nach. „Kanadier", fügte er dann hinzu.
Der Wissenschaftler lief krebsrot an. „Wie können Sie es wagen?"
„Rodney!" ließ Beckett sich jetzt mit einem warnenden Unterton vernehmen, wandte sich dann wieder an den Betreiber des Labors: „Hören Sie, es tut mir leid, aber wie es aussieht, haben wir das Genlabor konterminiert. Selbstverständlich werden wir Ihnen den Ausfall ersetzen, so denn Gelder dafür freigemacht werden können. Auf jeden Fall sollten Sie aber wissen ..."
„Konterminiert?" unterbrach Al ihn, stemmte wieder die Hände in die Hüften. „Konterniniert? Wieso gehen Sie nicht in den Keller in unser BL4-Labor? Oder in die dritte Stufe, wenn es nicht ganz so schlimm gewesen ist? Statt dessen ..." Seine dunklen Augen, die hatte er definitiv von seiner Mutter, wurden groß. „Was zum Teufel tut dieser Kanadier da mit meinen Maschinen?"
Dorn drehte sich herum und beobachtete McKay, der gerade mit irgendetwas beschäftigt war, daß für ihn aussah wie in dieser alten Fernsehserie, die Laurell so gern gesehen hatte. War das nicht auch so ein Kerl mit einem „Mac" vor dem Namen gewesen ... ?
McKay blickte auf, als er die Blicke der anderen auf sich fühlte. „Ich versuche nur, die Na... den Befall einzugrenzen", erklärte er hastig, als Al sich wieder an seinem Onkel vorbeidrängen wollte.
„Schalten Sie den Magneten auch nur für eine Sekunde ein, bringe ich Sie persönlich um!" begehrte der Eigentümer des Labors wütend auf.
Dorn begriff. McKay wollte dem, was er und Beckett da gefunden hatten, mit einem EMP zu Leibe rücken. Soweit er wußte, würde das jeden Replikator außer Gefecht setzen - allerdings auch sämtliche elektronischen Anlagen. Und von denen wimmelte es im Labor.
„Wenn wir die Kisten abschalten?" schlug er vor und sah Beckett an.
Der Schotte stutzte, als sei er gerade aus einem tiefen Gedanke gerissen worden. Einen Moment lang sah er sehr desorientiert drein, dann aber ging ihm auf, was Dorn gemeint hatte. „Eine gute Idee", nickte er. „Aber leider wird das nicht für alle Gerätschaften hier gelten, fürchte ich. Einige Dinge können schlichtweg nicht ausgeschaltet werden."
„Ganz genau! Und zwar die teuersten. Und wenn Sie jetzt nicht sofort diese Bastelei aufgeben, werde ich die Polizei rufen!" wetterte Al wieder los und versuchte sich an seinen Onkel vorbeizudrängen.
In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Treppenhaus und die drei vermißten Mitglieder dieses zusammengewürfelten Haufens traten ein.
John erfaßte mit einem Blick den Ernst der Lage, wenn auch nicht den Grund für diesen Ernst. Sofort war er bei Dorn und legte Al beide Hände auf die Schultern. „Beruhigen Sie sich, Mann!" sagte er mit eindringlicher Stimme.
„Dann sagen Sie diesem kanadischen Idioten, er soll aufhören, meine Geräte zu Schrott verarbeiten zu wollen!"
„McKay!" John blickte auf. Seine Augen begegneten kurz den dunkelgrauen von Dorn, nur für den Bruchteil einer Sekunde sahen die beiden Männer sich an. Und trotzdem fühlten sich beide plötzlich um einiges wohler in ihrer jeweiligen Haut.
„Major, wir haben hier ein kleines Problem. Um nicht zu sagen, es ist winzig." McKay verzog das Gesicht und wies auf den Tisch, auf dem einiges lag, daß er nicht richtig zuordnen konnte auf diese Entfernung. Aber er wußte etwas anderes:
„Rodney, Sie werden sofort aufhören mit dem, was Sie da machen wollten! Haben Sie jetzt endlich verstanden?"
Der Wissenschaftler seufzte und hob die Arme. „Und jetzt?" fragte er genervt.
John nickte, ließ Al vorsichtig los. „Jetzt werden wir uns zusammensetzen und erst einmal beratschlagen, was wir tun können. Und irgendwie denke ich, ein Elektromagnet ist im Moment eine ganz falsche Wahl, Rodney."
Der Kanadier starrte ihn nieder, versuchte es zumindest. Doch er hatte kein Glück.
John nickte wieder, drehte sich dann zu Elizabeth und diesem Lorne um, der ihn mit interessierten Augen musterte.
Noch ein Spion, na toll!
John hatte keine Zeit, sich groß darum Sorgen zu machen. Er spürte deutlich, wie dieser Al wieder dabei war, sich in etwas hineinzusteigern, dessen Ende er lieber nicht erleben wollte. Also mußte er gegenrudern.
Wieder sah er diesen älteren Mann an, der ihm den Zugang zum Labor verweigerte. Entschlossen trat er ihm gegenüber. „Sergeant, geben Sie auf der Stelle diesen Durchgang frei!" befahl er.
Dorn sah ihn immer noch an. Dann richtete er sich nach Vorschrift gerade auf und salutierte. „Sir, tut mir leid, Sir. Meine Order lautet, alles tun, um das Leben so vieler wie möglich der Expedition zu retten, Sir. Wenn Ich Sie jetzt in diesen Raum lasse, Sir, wird es kein Zurück mehr für Sie geben."
John hob überrascht die Brauen.
„Das ist doch jetzt vollkommen unerheblich!" Al funkelte seinen Onkel an.
John fühlte sich plötzlich wie ein Kind, das mit einem unerlaubten Gegenstand hatte spielen wollen unter Dorns Blick. Zögernd trat er einen Schritt zurück und reckte den Hals.
Da fiel ihm Beckett ein, der immer noch hinter Dorn stand, seine Aufmerksamkeit allerdings Rodney zugewandt hatte.
„Major?" Elizabeth war zu John getreten, sah ihn etwas ratlos an.
„Moment, Dr. Weir." John lächelte kurz, trat wieder an Dorn heran. „Doc, kann ich Sie kurz sprechen?" fragte er.
Beckett kam wieder näher, beugte sich etwas über Dorns erhobenen Arm. „Ja?"
John zögerte nun doch, gab sich dann aber einen Ruck. „Gehe ich recht in der Annahme, daß Sie da etwas gefunden haben, dem wir schon mal begegnet sind und es eigentlich nicht wiedersehen wollten?"
Beckett blinzelte. „Naniten", wisperte er dann.
John nickte. Also hatte er McKay doch richtig verstanden.
Tief atmete er ein, ehe er weitersprach: „Ich erinnere mich inzwischen an einiges, aber nicht an alles. Dieser Detective Taylor meinte, ich könnte meiner Erinnerung mit Hypnose auf die Sprünge helfen. Könnten Sie das ähnlich wie bei Teyla machen?"
Beckett starrte ihn verblüfft an, nickte dann. „Sicher, aber ..."
John seufzte. „Dann lassen Sie uns jetzt mal machen und halten Sie Rodney davon ab, sich für den Rest seines Lebens unglücklich zu machen." Bei den letzten Worten hob er seine Stimme wieder. „Er wird sich nämlich einen neuen Job suchen müssen, wenn er wirklich mit einem selbstgebastelten Elektromagneten sämtliche Geräte grillt. Das wird man ihm dieses Mal nicht durchgehen lassen."
McKay wurde krebsrot und kniff die Lippen aufeinander. Der Blick, mit dem er John bedachte, war geradezu mörderisch.
„Ihnen fällt schon etwas anderes ein." John lächelte so liebenswürdig wie möglich, dann zwinkerte er Beckett noch einmal zu, ehe er sich umdrehte und seine Aufmerksamkeit diesem Al zuwandte. „Und jetzt sollten wir uns in Ruhe und bei einer guten Tasse Kaffee unterhalten. Die beiden da drin werden Ihren Geräten nichts mehr antun, vertrauen Sie mir. Und Ihr Laden wird bald wieder brummen."
„Das will ich auch hoffen", wetterte der Angesprochene los, drohte dann Dorn mit einem Finger. „Und denk ja nicht, daß ich dir zukünftig auch nur ein Taschentuch geben werde, wenn du mich darum bittest, Onkel George! Das war einer zuviel dieses Mal. Es war viel zu viel."
Dorn blieb weiter unbewegt, nicht einmal ein Nerv in seinem Gesicht zuckte. John konnte nicht anders, er mußte den Marine beneiden um diese stoische Ruhe. Beinahe wünschte er sich, er könnte das ebenso. Andererseits ...
„Kommen Sie, Al", wandte sich jetzt auch Elizabeth an den Eigentümer dieser Firma. „Wir reden jetzt in Ruhe darüber, was wir tun können, um Ihnen zu danken und Sie wieder friedlich zu stimmen."
John war sich ziemlich sicher, zumindest den Vorschlag für eines dieser Heilmittel zu kennen und tauschte mit Al einen Blick. Dann folgte er Elizabeth und dem Unternehmer aus dem Vorraum heraus, gab Lorne nur kurz den Befehl, Dorn zu unterstützen. Erst später, als sie schon eine Weile diskutierten, ging ihm auf, daß er eigentlich gar nicht Lornes Vorgesetzter war.

***

Einige Stunden später im Hotel wußte John zwar nicht genau, was McKay und Beckett getan hatten, aber zumindest waren die Wogen in der Firma von Dorns Neffen geglättet und alle Geräte noch einsatzbereit.
„Die Naniten breiteten sich nicht aus", erklärte Rodney gerade und löste damit das Problem. „Ich weiß nicht, was sie taten, aber sie breiteten sich nicht aus."
„Waren sie vielleicht deaktiviert worden durch irgendetwas?" fragte John hoffnungsvoll.
McKay verzog das Gesicht als habe er in eine Zitrone gebissen. „Irgendetwas?" echote er.
Elizabeth stellte ihre Tasse härter als nötig ab. „Haben Sie etwas herausfinden können, Sie beide? Etwas, was uns weiterbringt und wir vielleicht der Polizei geben können."
„Das ist ein schlechter Gedanke", kommentierte John und schüttelte den Kopf. „Ich kann mich nicht an viel erinnern, aber ich weiß, daß das, was ich gesehen habe, nicht ganz in das übliche Täterschema von Polizei oder FBI paßt, Elizabeth. Wenn etwas herausgefunden wurde, sollten wir das entweder selbst regeln oder dem SGC Bescheid geben. Wie wollen Sie denn nur allein die Naniten erklären, die Rodney und Beckett gefunden haben?"
Elizabeth sah ihn nachdenklich an.
Die Tür zur Suite wurde geschlossen, dann näherten sich Schritte.
John blickte auf und seufzte, als er die beiden ungleichen Helfer den Raum betreten sah. Dorn verzog sich sofort auf eines der Sofas. Offensichtlich war er der Meinung, für heute genug irgendwo herumgestanden und Wache gehalten zu haben. Lorne dagegen blieb abwartend stehen und erwiderte seinen Blick fragend.
John verzog das Gesicht.
Wenn er ehrlich zu sich selbst war, er war schon neugierig auf das, was Major Lorne eventuell leisten konnte auf und für Atlantis. Andererseits würde er wohl kaum eine Chance erhalten, mehr darüber herauszufinden. Verdammt, gerade hatte er sich noch wohl gefühlt, hatte seinen ganzen Ärger verdrängen können. Jetzt waren mit einem Schlag die ganzen Vorwürfe wieder da.
Aber, das ging ihm auf, es gab einen Unterschied: Er fühlte sich nicht mehr schuldig! Ja, er hatte Sumner erschossen, aber der hatte ihn darum gebeten, ihn legetemiert. Ja, er hatte Ford verloren, weil der durchgedreht war. Aber in diesem Moment war er mehr als sicher, daß sie beide sich wiedersehen würden. Würde nicht er Aiden finden, würde der ihn finden, davon war er überzeugt. Zwischen ihnen war noch nicht das letzte Wort gesprochen!
„Sind Sie sich da sicher, John?" Elizabeth klang zweifelnd.
Er zögerte, nickte dann aber, als er in das eigentliche Thema zurückfand.
Hier war er gut, hier wurde er gebraucht. Im Moment mochte es nicht sehr viel mehr als pure Ablenkung sein, was ihn vorwärts trieb, aber er hatte etwas zu tun und er konnte andere beschützen ... wenn er denn nur wüßte, was sein Gedächtnis ihm vorenthalten wollte.
Er holte tief Atem, stieß die Luft dann wieder aus. „Ich kann mich an eine eigenartige Masse erinnern", berichtete er dann stockend, „und an ein grünes Leuchten. Erst dachte ich, es seien die Augen des Rippers, aber jetzt erinnere ich mich, daß es die falsche Stelle für Augen war. Er hatte offensichtlich Schmerzen, jedenfalls schrie er die ganze Zeit über. Und er war ... er war so stark wie ein Wraith."
Die anwesenden Atlanter zuckten allein bei dem Wort zusammen. Zuviel hatten sie gerade in der letzten Zeit mit den Wraith erlebt.
„Eine eigenartige Masse?" McKay fing sich als erster. „Was bitte schön soll das sein?"
John kniff die Lippen aufeinander. „Ich griff ihn an, zumindest denke ich, daß ich das tat. Und ... und es war als würde der Ripper aus ... Götterspeise bestehen. Ich weiß nicht, wie ich das anders erklären soll. Er war wie ... amorph!"
Beckett trat aus seinem Zimmer, seinen Rucksack in der Hand. „Gut, Sohn, dann klären wir jetzt, was mit Ihnen geschehen ist."
John erleichterte. Seine letzte Hoffnung lag in der Hypnose.

***

Kurz darauf lag er wirklich in seinem abgedunkelten Zimmer. Beckett hatte ihm ein Beruhigungsmittel gespritzt und ihm einen Zugang gelegt. Eine Flasche mit irgendeiner Lösung wurde jetzt von Lorne gehalten, dem diese ganze Situation wirklich peinlich war.
John grinste schwach, konzentrierte sich dann wieder und drückte den Hinterkopf in sein Kissen.
„Es kann sein, daß es nicht funktioniert", bemerkte der Schotte in diesem Moment und neigte den Kopf ein bißchen. „Sie müssen die Hypnose zulassen, Sohn, und dazu ist nicht jeder fähig. Ist Ihr Wille zu stark ..."
John verzog unwillig das Gesicht und schloß die Augen. „Es wird funktionieren. Es ist unsere einzige Hoffnung", entgegnete er.
Und tatsächlich setzte ein leichtes Schwindelgefühl allmählich ein. Nach der Ruhe, die ihm die erste Spritze gebracht hatte, begann jetzt auch das Mittel zu wirken, das Beckett dieser Lösung beigemischt hatte.
„Gut, versuchen wir es." Beckett senkte seine Stimme. „Bleiben Sie ruhig und lauschen Sie auf meine Stimme - und nur auf meiner Stimme, Major. Lassen Sie sich fallen, wenn Sie müde werden. Wehren Sie sich nicht, das ist das wichtigste."
John nickte, öffnete den Mund und holte tief Atem, den er dann seufzend wieder ausstieß.
Und dann begann es ...

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John hing in seinen Gedanken fest und blieb stehen. Sich vornüberbeugend starrte er den Weg entlang, das Gefühl in sich, für eine Sekunde den Sorgen und Nöten entkommen zu sein, die ihn quälten.
Nach einigen tiefen Atemzügen biß er sich schließlich auf die Lippen und richtete sich wieder auf. In diesem Moment hörte er den Schrei. Fluchend wirbelte er herum, die Hand an seiner Hüfte, wo er es gewohnt war, seine Beretta vorzufinden. Doch da war nichts!
Wieder ein Schrei, diesmal noch eindringlicher und ... näher?
John zögerte nicht mehr, er raste los, mitten in die Finsternis des gewaltigen Parks hinein.
Er konnte kaum die Hand vor Augen sehen, dennoch verminderte er sein Tempo nicht. Unregelmäßig, mal lauter, mal leiser, hörte er weiter die Schreie einer Frau, orientierte sich eben an diesen Lauten.
Da rutschte er weg, auf etwas feuchtem und glibberigem, das sich sofort wie feuchtert Schleim auf seine Kleider legte.
John verzog angeekelt das Gesicht, während er sich schon wieder aufrappelte. Dabei bekam er etwas trockenes und auf ihn stabil wirkendes zu fassen - einen dicken Ast, der wohl beim letzten Sturm vom Baum gebrochen war.
John überlegte nicht lange. Die Schreie wurden inzwischen immer leiser, die Stimme immer schwächer.
Den Ast mit beiden Händen haltend rannte er weiter, in ein Dickicht hinein, das ihm auch noch das letzte bißchen Sicht raubte. Dafür aber ...
Da tauchte ein eigenartiger, grünlicher Schimmer zwischen den Büschen auf.
John packte den Ast fester, und hob ihn. Halb springend, halb rennend drosch er das Holz auf diesen eigenartigen leuchtenden Buckel so fest er konnte. Der Ast zersplitterte unter der Wucht, das Leuchten wurde deutlicher.
Im nächsten Moment wirbelte das Ding herum.
Das war nicht menschlich, ging es John auf, eine Sekunde, ehe er gepackt wurde. Ächzend wollte er zurückweichen, doch das Ding, ein riesiges schleimiges Etwas, stürzte sich jetzt auf ihn, packte ihn bei der Kehle und würgte ihn.
John versuchte, irgendwo Halt zu finden, um seinen Gegner vielleicht aushebeln zu können.
Dieses Leuchten wurde immer intensiver.
Er konnte nicht atmen. Verzweifelt krallte er sich an seinem Angreifer fest, schlug schwach mit den Fäusten auf die armähnlichen Auswüchse ein, während die Welt um ihn her sich drehte und immer kleiner zu werden schien.
Das Wesen brüllte die Schreie heraus, die es ihm untersagte. Es schien wirklich Schmerzen zu leiden, was ihm nicht so ganz aufging. Aber seine eigenen Kopfschmerzen waren intensiver geworden.
Kraftlos krallte John sich an einem festen Widerstand fest, während seine Lungen nach Atemluft schrien. Irgendwie mußte er wieder loskommen. Er würde nicht hier sterben, vor allem nicht ...
Er bekam etwas zu fassen, und im nächsten Moment wurde das Brüllen dieses Etwasses so laut, daß Johns Trommelfelle zu platzen drohten und ihm die Ohren klingelten. Und dann ...
Er riß die Augen auf, als er erkannte, WORAN er sich da festgekrallt hatte. Und mit dieser Erkenntnis wuchs das Grauen, denn aus der amorphen Masse, die dieses Wesen bis vor wenigen Minuten gebildet hatte, entstand plötzlich ein Gesicht, erschien einfach in dem feucht glänzenden Schleim, der die oberste Schicht bildete.
Das war ein persönlicher Schild, wie McKay ihn getragen hatte. Dieses ... dieses Ding trug einen Schild! Aber irgendetwas damit stimmte nicht, irgendetwas war falsch gegangen.
John japste verzweifelt nach Luft, starrte in ein Paar haselnußfarbene Augen, die sich in diesem Moment öffneten und glaubte sich in einem Alptraum.
Er sah sich selbst! Wer ihn da erwürgen wollte, war er!
Das Wesen - er! - brüllte noch einmal, dann wurde John herumgeschleudert und losgelassen. Die Kraft seines Doppelgängers war so gewaltig, daß er durch die Luft gewirbelt wurde. Und dann kam der Aufprall. Hätte er noch Luft in den Lungen gehabt, jetzt wäre diese aus ihm herausgetrieben worden.
John fühlte die rauhe Rinde eines Baumstammes, der seine Wange aufscheuerte, während sein Körper der Schwerkraft folgte.
Atmen! Er mußte atmen!
Tief und hektisch holte er Luft, japste und keuchte und würgte.
Allmählich nahm die Welt wieder Gestalt an, unendlich langsam, aber sie tat es. Und da hörte er den Laut und blickte mit tränenden Augen auf.
Die Frau!
John rappelte sich hoch und taumelte zu dem Bündel Stoff hinüber, das sich gerade schwach bewegt hatte.
„Ganz ruhig", krächzte er.
Oh Gott! Sie verblutete! Unter ihrem hellen Rock hervor strömte tiefschwarze, glänzende Flüssigkeit. Es roch nach Blut.
Ohne weiter nachzudenken öffnete John seine Jacke und zog sie aus, um sie der Fremden in den Unterleib zu drücken.
Die Frau war noch am Leben, ihre Lider flatterten ...
„Mam?" krächzte John, blickte sich hilflos um. „Haben Sie vielleicht ein Handy dabei?"
War das ein schwaches Kopfschütteln? Er war sich nicht sicher, andererseits aber sah er im Umkreis auch nichts, was irgendwie an eine Handtasche erinnerte.
War da nicht eine Telefonzelle gewesen auf seinem Weg?
„Hören Sie, ich komme gleich wieder", krächzte er weiter, beugte sich über die Gestalt. „Ich rufe Hilfe, dann bin ich wieder bei Ihnen. Halten Sie nur so lange durch, Mam."
Er war sich nicht sicher, ob sie wirklich verstanden hatte, er wußte nicht einmal, ob sie überhaupt noch bei Bewußtsein war. Aber er mußte etwas tun, er konnte hier nicht herumsitzen und darauf warten, daß es hell wurde.
John kam mühsam wieder auf die Beine, rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht kurz den Hals. Dabei fiel ihm auf, daß er wohl selbst blutete, rieb sich mit beiden Händen die Augen, ehe er sich schwankend umdrehte und davonhumpelte - hoffentlich in die Richtung, in der er das Telefon gesehen hatte ...
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Schweigen hatte sich über die Gruppe gesenkt, als John den Wohnraum wieder betrat. Blinzelnd blieb er im Türrahmen stehen und wartete.
Hatte er nicht gerade noch die Stimmen von Beckett und McKay gehört, die sich offenbar angeregt unterhielten? War nicht Elizabeth eingeschritten, zumindest hatte es sich so angehört?
Jetzt wandten sie sich allmählich ihm zu, sahen ihn an.
Dorn saß immer noch auf einem der Sofas, erwiderte als einziger der Runde seinen Blick unbefangen. Dem Marine schien es wirklich gleichgültig zu sein, was den anderen Kopfzerbrechen bereitete. Dabei, John war sich plötzlich sehr sicher, war diese stoische Ruhe eigentlich eine Fassade, hinter der der Mann sich verbarg. Vielleicht wäre das der richtige Weg gewesen, seine Karriere ruhig und ohne Probleme voranzutreiben, ging ihm auf, während er noch immer in diese grauen Augen blickte.
Dorn überließ ihm die Entscheidung, er würde nicht diskutieren darüber. Er würde tun, was man ihm sagte und damit seinen Dienst versehen. Mehr war da nicht, seine Leidenschaft hatte er wohl offensichtlich schon längst verloren.
John senkte die Augen, biß sich kurz auf die Lippen. „Was ist los?" fragte er dann, nachdem offensichtlich noch immer Schweigen ihm gegenüber herrschte. „Ich dachte, jetzt sei der Fall klar. Ich kann mich wieder erinnern und Sie alle sind meine Zeugen, daß ich weder diese Miss Lloyd noch eine der anderen Frauen getötet habe. Wo also ist das Problem?"
Probleme gab es noch mehr als genug, und das wußte er auch. Aber er war jetzt nicht bereit, sich auf eine lange Diskussion einzulassen. Er hatte schon mehr als genug Ärger gehabt in den letzten Wochen.
„Genau da liegt das Problem." Elizabeth, die neben Dorn gesessen hatte bisher, erhob sich und kreuzte die Arme vor der Brust. Tief holte sie Atem, stieß ihn dann seufzend wieder aus. Ein sicheres Zeichen dafür, daß sie sich Sorgen machte.
John zuckte mit den Schultern. „Ich sehe keines, das sich nicht lösen ließe."
McKay und Beckett tauschten einen Blick.
„Diese amorphe Masse, dieser Körper, den Sie erwähnten", begann der Kanadier dann schließlich. Er blieb ernst, ein sicheres Zeichen dafür, daß die Lage es ebenso war. „Elizabeth und Lorne haben diese Wiese, auf der Sie ausgerutscht sind, gefunden gestern und Proben genommen. Es waren die Proben, die wir heute vormittag vernichten wollten. Und inzwischen wissen wir auch, warum die Naniten sich nicht reproduzierten, wie sie es tun müßten."
„Sie sind anders programmiert", wagte Beckett zu bemerken.
John runzelte die Stirn, wechselte wieder einen Blick mit Dorn. „Anders programmiert?"
„Sie schreiben sich um und bilden Basenpaare", fuhr Carson fort. „Sie reproduzieren, ja, aber anders, als wir dachten. Sie replizieren nicht sich selbst, sondern einen anderen Organismus. Notfalls 'schreiben' sie auch noch ihren Wirt um, wie es wohl ausieht nach Ihrem Bericht."
John schwante etwas, doch noch schwieg er, fixierte weiter Dorn.
„Offensichtlich hat der persönliche Schild etwas damit zu tun", übernahm jetzt McKay wieder. „Vielleicht war er auch der bisherige Träger der Naniten. Irgendetwas ist da wohl schiefgegangen. Jedenfalls ... die Naniten tun, was sie für ihren Basisbefehl halten."
Beckett nickte, blieb jetzt aber stumm.
Wieder senkte sich diese bedrückende Stille über den Raum.
John sah forschend von einem zum anderen, schließlich blieben seine Augen an Elizabeth haften. „Und was heißt das jetzt?" fragte er zögernd.
„Mit Sicherheit wissen wir es nicht." Beckett wand sich sichtlich.
Elizabeth schüttelte ungeduldig den Kopf, erwiderte Johns nächsten Blick und hielt den Kontakt. „Rodney und Carson glauben beide, daß Sie durch die Berührung des Schildes den Befehl der Naniten geändert haben, John. Sie replizieren sich jetzt nicht mehr und bilden Zellklumpen, sondern sie replizieren Sie. Insofern sind Sie schon der Ripper, wenn auch auf Umwegen. Ihr Doppelgänger ist kein echter Doppelgänger, sondern von den Naniten umgewandelt."
John schluckte.
Da waren sie ja in etwas hineingeraten! Er wollte lieber gar nicht weiterdenken an das, was da möglicherweise noch auf sie zukommen konnte ...
Elizabeth schüttelte wie bedauernd den Kopf. „Es tut mir leid."
John atmete tief ein, richtete sich dann wieder auf und drehte sich zu Lorne um. „Major, wir warten auf Verstärkung. Ich werde das SGC informieren und hoffen, daß man uns so schnell wie möglich Hilfe schicken kann."
Nein, er würde nicht allein losziehen, wie seine Kritiker jetzt wahrscheinlich hofften. Er würde sich Rückhalt aus Colorado holen, Bestätigung und die Genehmigung, gegen dieses Wesen vorzugehen. Auf keinen Fall würde er sich noch irgendeinen Lapsus leisten, der ihn wieder in Teufels Küche bringen würde.
Lorne nickte und salutierte.
Himmel, sie beide waren gleichrangig!
John nahm dem anderen den Gruß ab und marschierte entschlossenen Schrittes zum Telefon. Dabei war er sich der Blicke der anderen mehr als nur bewußt und blieb unbewußt steif, als habe er einen Stock verschluckt.
„Wissen wir irgendetwas über den Ripper, das nicht mit mir zusammenhängt?" fragte er, die Hand schon auf dem Hörer.
„Rodney hat einen Namen", sagte Elizabeth sanft.
John atmete erleichtert auf und sah kurz zu dem Wissenschaftler hinüber. „Wie sind Sie denn daran gekommen, Rodney?" Er konnte tatsächlich wieder grinsen und machte jetzt Gebrauch davon.
McKay zuckte mit den Schultern. „Der Ripper hat einen Fingerabdruck auf Ihrer Unterhose hinterlassen."
Die Unterhose!
John hätte am liebsten erleichtert aufgelacht. An dieses Kleidungsstück hatte er nun gar nicht mehr gedacht. Und wohl auch der CSI nicht, was sich als Glück herausstellen konnte. Auf keinen Fall durfte der Ripper von der Polizei festgenommen werden. Nicht, wenn Naniten im Spiel waren. Am Ende würde sich SingSing noch mit hunderten John Sheppards füllen!
„Eines verstehe ich aber noch nicht." John hob die Hand wieder von der Gabel und drehte sich um. „Warum habe ich jeden Abend Kopfschmerzen? Und warum hat der Ripper die ganze Zeit geschrien, als er mich am Wickel hatte?"
Dieses Mal sah er in ratlose Gesichter. Offenbar konnten die anderen sich das genauso wenig erklären wie er.
„Vielleicht hängt es mit dem Gen zusammen", schlug Beckett zögernd vor. „Er muß schließlich Genträger sein, sonst würde der Schild nicht funktionieren. Vielleicht sind es die Naniten oder die Fehlprogrammierung, die zu einer Art Wechselwirkung führen."
„Das hört sich an, als hätten Sie wirklich nicht die blaßeste Ahnung!" stöhnte McKay und setzte zur nächsten Tirade an.
„Wie lautet der Name des Verdächtigen?" bremste John den Kanadier prompt aus und erntete einen bösen Blick.
„Bryan McGillup."
John nahm den Hörer ab.

TBC ...

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