13.11.2009

Der Planetenkiller II

Vashtu bemerkte erst, als sie den Jumper in den Gateroom schweben ließ, wie eng es hier war. Ihr war ein wenig unbehaglich zumute, kontrollierte noch einmal sicherheitshalber die Anzeigen, um sicherzugehen, daß sie den Gleiter auch nicht gegen eine Wand fahren würde.
„Miss Uruhk, Sie haben grünes Licht.“
Sie biß sich auf die Lippen und wählte mit dem Jumper-DHD die Adresse von R3Y-775 ein und wartete, bis das Wurmloch sich aufgebaut hatte, ehe sie langsam und sorgfältig näher an das Tor glitt. Der Autopilot übernahm die Steuerung. Seufzend lehnte sie sich zurück und ließ sich von der Erde zum Planeten am anderen Ende des Wurmlochs schicken, ehe sie die Steuerung wieder an sich brachte und eine Schleife flog, um an Höhe zu gewinnen.
„Faszinierend!“ Sage, der neben ihr auf dem Copilotensitz saß, starrte aus dem Fenster. „Sind Sie früher oft geflogen?“
Sie starrte auf die Hologrammanzeigen vor sich. „Solange es ging“, antwortete sie ausweichend. Schließlich wußte sie seit gestern, daß der Professor über sie nicht informiert war. Und sie wollte ihm nicht sagen, was es mit ihr auf sich hatte.
Um ehrlich zu sein, war sie im Moment fast soweit, daß sie am liebsten den Jumper genommen, ein anderes Gate angewählt und einfach verschwunden wäre. Seit sie auf der Erde angelangt war, war sie auf nichts als Widerstand getroffen, und allmählich überstieg dieser ihre Geduld. Sie wollte doch nur ein Leben, etwas, was ihr vor zehntausend Jahren nicht vergönnt gewesen war. Sie wollte Freunde, wenn sie schon keine Familie mehr hatte, sie wollte Vertrauen.
Aber immer nur Maßregelungen, unfähige Mitmenschen, viel zu lange sogar nicht einmal Zugang zum Tor. Es war fast ebenso schlimm wie damals auf Atlantis, als sie unter der Aufsicht des Rates stand.
Sie dachte kurz an das geheimnisvolle Gerät, da sprang der Bildschirm vor ihr auch schon um. Irgendwie schien es ihr einen Moment lang, als summe der Jumper ihr beruhigend zu. Das hatte er auch schon getan, als sie die Maschinen gestartet hatte.
„Ich werde mich vorsichtig annähern“, erklärte sie Sage. „Falls es die ... Waffe ist, die diesen Planeten in Stücke geschnitten hat, sollten wir es nicht darauf ankommen lassen. Wir sind zwar noch in den oberen Atmosphärenschichten, aber ...“
„Ist gut.“
Sie konzentrierte sich auf dieses finstere Etwas, das vor ihr schwebte. Der Bildschirm zoomte heran, so daß sie jede Kleinigkeit erkennen konnte.
Es sah aus wie eine Schachtel. Kein Schmuck, keine Verzierungen. Nur dieser schwarze Kasten, der da fast im Weltraum schwebte.
Sie stellte die Anzeigen um und las aufmerksam die Meldungen. „Keine Energiesteigerungen. Es sieht aus, als sei das Gerät abgeschaltet. Hoffen wir das beste.“
War es diesen Jumperflug tatsächlich wert, ihr Team aufs Spiel zu setzen? War dieser Kasten da vor ihr es wert?
Vashtu hielt von sich selbst als Wissenschaftlerin nicht sonderlich viel, doch sie wußte, sie konnte es mit ihrem Allgemeinwissen schon recht gut mit den heutigen Menschen aufnehmen. Sicher, sie war damals auf Atlantis einer mehr oder weniger geregelten Arbeit nachgegangen, hatte für den Rat, und damit auch für ihr Volk gearbeitet an Nahrungsersatzstoffen. Kein sonderlich ausfüllendes Thema, wenn man sie fragte.
Die Gentherapie, die sie sich selbst verabreicht hatte, hatte eigentlich ihr Vater entwickelt. Sie hatte ihr nur den letzten Schliff gegeben. Darin war sie immer gut gewesen, die Fehler anderer aufzuspüren und zu korrigieren. Aber vielleicht hätte sie schon vor zehntausend Jahren anders entscheiden sollen? Vielleicht hätte sie sich nicht auf Janus' Plan einlassen sollen? Vielleicht hätte sie sich für eine letzte Selbstmordmission auf eines der Wraith-Schiffe begeben sollen?
Der Jumper summte wieder leise.
Sie riß sich aus ihren Gedanken, wechselte wieder die Anzeige, während sie vorsichtig auf das Gerät zuhielt.
Soetwas hatte sie noch nie gesehen. Es wirkte nicht, als sei es von ihrem Volk erbaut, auch die Waffen der Goa'uld sahen anders aus. Zumindest die, die sie bis jetzt hatte sehen dürfen.
„Eigenartig. So etwas kenne ich nicht“, murmelte Sage neben ihr.
Sie ließ sich nichts anmerken, drosselte die Geschwindigkeit weiter hinunter.
Fliegen, das war schon immer ihr Traum gewesen. Seit sie das erste Mal in einem der Gleiter gesessen hatte, die die Menschen heute Puddlejumper nannten. Nachdem sie zum ersten Mal ein solches Gerät geflogen hatte, war schnell klar gewesen, daß sie eine Begabung für diese Maschinen hatte. Das hatte sie auch schon auf der Erde beweisen dürfen.
Sie wußte nicht, wer auf Atlantis in seinen Berichten über ihre Flugkünste geschrieben hatte. Irgendwie glaubte sie, es sei der Colonel gewesen. Zumindest war er sehr beeindruckt gewesen, nachdem sie einen Wraith-Aufklärer mit einem beschädigten Jumper zerstört hatte. Die AIs der Maschinen reagierten meist wohlwollend auf ihre Wünsche, wie sie es auch bei Sheppard taten. Die irdischen Fluggeräte dagegen ... Nun, zumindest half zureden.
Der Jumper stoppte.
Vashtu strich zärtlich mit dem Daumen über den Steuerknüppel.
„Okay, das Team soll sich bereit machen und in die Kanzel kommen“, sagte sie nach hinten gerichtet, wo sich SG-4 befand.
Die Männer kamen nach vorn, und sie ließ die Tür zwischen Cockpit und Passagierraum zugleiten.
„Bin bereit.“ meldete sich kurz darauf eine Stimme.
Sie nickte, ließ die Atemluft im Passagierabteil abpumpen und öffnete die Ladelucke.
War es all das hier wert gewesen? War es es wert, daß sie jetzt die Karriere von drei anderen riskiert hatte?
Vashtu meinte, einen kurzen mentalen Stupser zu spüren, hob eine Braue. Doch dann bemerkte sie nichts mehr.
Wenn sie sich nicht am Riemen riß, würde nicht nur sie darunter zu leiden haben. Und das nagte mehr an ihr, als sie eigentlich zugeben wollte. Die ganze Wahrheit, die Landry ihr gestern zu schlucken gegeben hatte, war ein zu großer Brocken für sie.
Sie wußte, wenn man ihren Leuten eine echte Chance einräumte, würden sie sie vielleicht doch zu nutzen wissen, zumindest hoffte sie das. Vor allem in Babbis hatte sie recht große Hoffnung. Nicht nur, daß er vom Wesen Rodney McKay ähnlich war, er war wirklich intelligent. Darum hatte sie ihn ja auch bei der Wanderung gestern mitgenommen. In ihm steckte Potenzial, er konnte groß werden, wenn man ihn ließ.
Nur leider war er ein schwieriger Charakter. Sie hatte gehofft, ihn halbwegs im Griff zu haben. Überließ man ihn sich selbst und gab ihm etwas zum Nachdenken, würde man recht schnell eine Antwort von ihm bekommen. Unter Druck neigte er etwas zur Hysterie, gab sich dann plötzlich aber auch wieder kühl und abgeklärt.
Sie dachte an die erste Mission zurück. Zunächst war sie nur verärgert gewesen über ihn und seine Art. Doch dann hatte sie etwas an ihm wahrgenommen, das ihr Interesse weckte. Und genau darum hatte sie ihn gestern dabei haben wollen. Und genau darum hatte sie Landry angelogen. Sicher, sie selbst hatte sich auch befleißigt gefühlt, etwas über dieses Phänomen herauszufinden, aber sie hatte eben auch Babbis eine Chance geben wollen.
Warum hatte sie ihm gestern abend nicht zugehört? Sein Lösungsansatz wäre sicher interessant gewesen.
„Noch immer keine Reaktion von dem Ding“, murmelte sie, als sie einen fragenden Blick auf sich ruhen fühlte.
„Bin gleich da“, meldete Corey Higgins, der Leader von SG-4.
Nein, ihr Team war kein Totalausfall, zumindest glaubte sie das nicht. Zu Wallace konnte sie eigentlich nicht wirklich viel sagen, ihn hatte sie noch nicht gut genug kennen gelernt. Aber Dorn und Babbis waren definitiv das eine oder andere wert. Dorn durch seine Erfahrung, Babbis gerade auch durch seine Jugend.
Sie war nun einmal hier, auf der Erde im 21. Jahrhundert, sie konnte nicht mehr zurück in das Atlantis ihrer Tage. Sie mußte nun einmal mit dem leben, was sie vorfand. Aber ihrer Gruppe pure Inkompetenz zu bescheinigen und sie abschieben zu wollen ... Nein, das hatte wirklich keiner verdient.
Vashtu fiel plötzlich etwas ein. Eine Kleinigkeit, die sie bisher noch nicht wirklich geklärt hatte: Bei ihrem ersten Einsatz auf dem Planeten des Warlords Bull dem Schlächter, hatte sie ihre P-90 zurücklassen müssen, weil sie nicht mehr viel Munition besaß. Als sie dann aber zu ihrem Team zurückkehrte, waren Schüsse aus eben dieser Waffe abgegeben worden. Dorn konnte es nicht gewesen sein, er hatte sein bewährtes Sturmgewehr benutzt, das hatte sie auch gesehen. Wallace kam für sie eigentlich auch nicht in Frage, nachdem sie ihn einmal auf dem Schießstand gesehen hatte. Da blieb eigentlich nur Babbis, der wie gelähmt am Abhang gehockt hatte, als sie die Senke endlich wieder betreten hatte.
Konnte er auf der einen Seite so abgebrüht sein und auf andere, Feinde, schießen, dann aber plötzlich wieder den hilflosen Wissenschaftler spielen? Sie wußte es nicht, doch irgendwie schien das zu ihm zu passen.
Der Jumper begann wieder leise zu summen.
Vashtu konzentrierte sich auf die Anzeigen vor sich, las sie mit wenig Interesse. Mehr als zu warten blieb ihr nicht. Ihr traute man inzwischen auch nicht mehr.
„Komme zurück.“
Sie nickte, bereitete sich vor.
Das Cockpit war eng, mit drei recht breitschultrigen Soldaten, dem Professor und ihr besetzt. Irgendwie freute sie sich inzwischen doch wieder auf den Rückflug, auch wenn er wesentlich länger sein könnte.
Keine Extra-Touren mehr!
Sie wartete, bis Higgins im Jumper war, dann ließ sie wieder Sauerstoff in das Abteil fließen und öffnete kurz darauf, als der Druck wieder ausgeglichen war, die Verbindungstür. Sie nahm Fahrt auf und steuerte den Gleiter zurück zum Tor, während der Professor bereits eifrig nach hinten eilte, um sich die Beute näher anzusehen.
„Wir beide haben es nicht leicht, was?“ wisperte sie dem Puddlejumper zu. Und wieder ertönte von irgendwo her ein beruhigendes Summen.

***

„Nun komm schon endlich!“ Babbis winkte seinem Kollegen und schlich sich in das Labor, gegenüber dem Lagerraum, in dem die beiden auf der Erde stationierten Jumper aufbewahrt wurden.
Wallace zögerte, blickte sich noch einmal um, dann aber tat er einen schnellen Schritt und schloß die Tür hinter sich.
„Was willst du denn hier?“ zischte er.
Babbis schaltete das Licht an und deutete auf den schwarzen Kasten, der auf einem Untersuchungstisch stand. „Da ist es. Das, was wir gemessen und berechnet haben. Das Ding hat Miss Uruhk heute von R3Y-775 geholt.“
Wallace zögerte, trat aber schließlich näher an den Kasten heran und musterte ihn interessiert. „Keine Öffnung, soweit festzustellen ist.“
Babbis glitt näher heran und beugte sich über das fremdartige Gerät. „Und trotzdem besteht der Verdacht, daß diese Apparatur für die Zerstörung von R3Y-775 verantwortlich ist. Und ich will herausfinden warum.“
Das, was die Antikerin gestern zu ihm gesagt hatte, nagte immer noch an ihm. Und jetzt wollte er ihr beweisen, daß ihr Vertrauen auch gerechtfertigt war und er durchaus mehr als nur heiße Luft produzieren konnte. Dieses Gerät sollte sein Studienobjekt sein. Er mußte nur schneller als Uruhk und Sage sein, dann hatte er eine Chance, endlich vom SGC ernst genommen zu werden.
Wallace tippte vorsichtig mit der Fingerspitze gegen den Kasten. „Fühlt sich warm an“, murmelte er.
„Würdest du sagen, daß es von den Antikern ist?“ Babbis holte seinen Palm-Top hervor und begann heftig zu tasten, um seine ersten Eindrücke festzuhalten.
„Sieht nicht so aus.“ Wallace blickte etwas ratlos zu ihm hinüber. „Was hast du vor?“
„Ich will Miss Uruhk beweisen, daß sie recht hat“, antwortete Babbis gedankenverloren. „Weißt du, sie ... Ach, nicht so wichtig.“
„Aber wir dürfen überhaupt nicht in der Anlage sein!“ Wallace sah sich nervös um. „Wenn wir nun irgendetwas falsch machen ...“
Babbis blickte auf. „Blödsinn. Wir passen auf, dann passiert nichts.“ Er schürzte die Lippen und schnippte mit den Fingern. „Sag mal, hast du dieses Gen?“
Wallace starrte ihn verblüfft an, schüttelte dann den Kopf. „Nein, warum?“
Babbis zuckte mit den Schultern.
Das allerdings ärgerte ihn. Er hätte gern einen Blick auf den Detektor geworfen, wenn dieser die Daten dieses Kastens las. Sicher würde die Antikerin nicht bemerken, wenn er sich das Gerät nur kurz auslieh - wenn sie es nicht wirklich die ganze Zeit am Körper trug wie diese merkwürdige Kette mit dem großen bläulich schimmernden Kristall.
Er blickte sich in dem Labor um und fand schließlich, was er suchte. Ein Spannungsmesser lag auf einem vollgerümpelten Tisch in der Ecke. Vielleicht gelang es ihm ja auf diese Weise, etwas herauszufinden.
„Nichts anfassen.“ Er hetzte hinüber und kramte das Gerät unter den anderen Werkzeugen hervor.
„Peter?“
„Sekunde.“ Ungeduldig zog er an dem Kabel.
„Peter!“
Ein durchdringendes Piepsen folgte auf den entsetzten Ausruf.
Babbis wirbelte herum und hielt den Atem an.
Der schwarze Kasten hatte sich von dem Tisch erhoben, rotierte nun um sich selbst. Giftig grüne Kabelstränge leuchteten durch das Gehäuse, und mit einem gemeinen Ticken schien sich etwas zu lösen in seinem Inneren.
„Was hast du wieder angestellt?“ Er stürzte zurück zum Tisch, versuchte, das Gerät mit den Händen einzufangen und schrie auf.
Die Oberfläche war heiß, brennend heiß.
„Was machen wir jetzt?“ Wallaces Stimme klang kleinlaut.
Babbis fuhr herum, nahm seinen Palm-Top wieder an sich und packte den anderen am Arm. „Erst einmal raus hier. Dieser Krach wird sicher nicht unbemerkt geblieben sein. Dann überlegen wir, wie wir diesen Schlamasel lösen können.“
Er hetzte zur Tür, öffnete sie und stürmte aus dem Labor hinaus. Da hörte er Schritte vom anderen Ende des Ganges.
Wallace immer noch hinter sich herziehend, raste er zur anderen Seite und stürzte in den Lagerraum. Schnell und so leise wie möglich schloß er die Tür hinter ihnen und lehnte sich mit keuchendem Atem dagegen.
„Und jetzt?“
Babbis biß sich auf die Lippen und horchte nach draußen. Da waren Stimmen, direkt auf dem Gang. Vielleicht wollte jemand zu den Jumpern.
Da fiel ihm das sanfte Licht auf, das diesen Raum beleuchtete. Stirnrunzelnd drehte er sich um und sah die Heckklappe des vorderen Jumpers, aus der ein sanfter Schimmer den Raum beleuchtete.
Wallace sah ihn groß an und folgte ihm kleinlaut, als er auf den Gleiter zuging, schließlich einstieg und sich aufmerksam umsah.
Ein leises, beruhigendes Summen drang an seine Ohren. Es schien aus dem Cockpit zu kommen.
Babbis staunte nicht schlecht. Es war das erste Mal, daß er einen atlantischen Puddlejumper von innen sah. Sonderlich komfortabel schien er zwar nicht zu sein, aber annehmbar. Die Bänke waren platzsparend an den Wänden angebracht, unter der Decke verlief offensichtlich ein Teil der Elektronik, mittels Klappen abgeschirmt. Ein schmaler Durchgang blieb in das Cockpit, der offensichtlich verschlossen werden konnte. Ein riesiges Frontfenster zog sich über die gesamte obere Fläche, während ein DHD in der Mitte der andersartigen Konsole leicht schimmerte.
Vorn war weniger Licht. Und eben das Summen.
Babbis runzelte die Stirn und schlich weiter, in den Durchgang hinein. Dann blieb er wie angewurzelt stehen und betrachtete die Gestalt, die auf dem Pilotensitz saß, den Kopf auf die Konsolen gesunken, ein Arm darunter. Vashtu Uruhk.
Plötzlich sprang die Beleuchtung wieder an, das beruhigende Summen schwoll etwas an und bekam einen anderen Klang.
Die Antikerin blinzelte verschlafen, richtete sich auf und gähnte. Mit beiden Händen fuhr sie sich durch ihr Haar, doch viel brachte das nicht.
„Miss Uruhk?“
Babbis sah, wie sie eine Sekunde erstarrte. Dann drehte sie sich langsam zu ihm um und sah ihn fragend an. „Was ... ? Wo kommen Sie denn her?“
„Ich ... wir ...“ Er zögerte, sah sie weiter an. Ihr Arm hatte die Haut ihrer Wange gerötet, das dunkle Haar war vom Schlaf an einer Seite etwas an den Kopf geplättet. Doch die ersten Strähnen lösten sich bereits wieder. Bald würde sie wieder aussehen wie mitten in einem Hurrikan.
In ihre lebhaften Augen trat ein wissendes Licht. „Sie haben etwas angestellt.“ Mit einem Ruck erhob sie sich, sah ihn an.
Babbis ging plötzlich auf, daß das Summen wieder verstummt war.
„Was ist passiert?“
„Wir wollten uns diesen Planetenkiller ansehen“, antwortete Wallace aus dem Abteil.
Die Antikerin wich zurück, das Gesicht mit einer fassungslosen Miene. „Jetzt sagen Sie mir bitte nicht ...“ Sie verstummte, hob flehend die Hände.
Babbis wußte nicht, was er sagen sollte, sah sie nur weiter an.
Ihre Augen weiteten sich. „Oh nein!“ entfuhr es ihr.
„Es war ein Unfall“, murmelte er.
Vashtu seufzte, sah kurz zur Kanzel hinaus. „Was ist passiert?“ wollte sie dann schließlich wissen.
„Äh, naja ... ich weiß es nicht. Der Kasten schwebte plötzlich und gab Geräusche von sich.“
„Er schwebte.“ Es klang nicht wie eine Frage. Verständnislos sah sie ihn an.
Babbis hob die Hände. „Ich habe das Ding nicht angerührt. Wallace stand am Tisch. Ich suchte etwas, womit ich es untersuchen konnte.“
Das Entsetzen wich Verärgerung. „Hat man Ihnen nicht klar und deutlich mitgeteilt, daß Sie nichts mehr mit der Sache zu tun haben?“
Babbis hob vorsichtig die Schultern. „Ich ... ich wollte helfen.“
Die Antikerin biß sich auf die Lippen, wieder glitt ihr Blick ins Leere. Dann nickte sie. „Kommen Sie, sehen wir uns den Schlamasel an, den Sie angerichtet haben.“
Gemeinsam gingen sie zur Tür zurück. Vashtu öffnete sie wie selbstverständlich, sie durfte ja auch hier sein, und ging hinüber in das Labor. Dabei aber sah sie sich aufmerksam um, winkte ihren beiden Begleitern schließlich, daß die Luft rein wäre und wartete, bis sie wieder in den anderen Raum geschlüpft waren, ehe sie ihnen folgte.
Der Kasten rotierte immer noch um sich selbst, das Ticken war inzwischen eindringlicher geworden. Und da war etwas oben an dem Kubus. Es sah fast aus wie ein Deckel.
Vashtu trat an das Ding heran und betrachtete es genau. Dann zog sie ihren Detektor aus der Tasche und schaltete ihn ein. Ihre Augenbrauen flogen Richtung Haaransatz, als sie die Werte betrachtete.
„Donnerwetter!“ Babbis reckte den Hals und betrachtete ebenfalls die Anzeige.
Das Energievolumen stieg immer mehr.
Sie steckte das Gerät wieder ein.
„Was haben Sie angefaßt?“ fragte sie schließlich.
„Ich habe ... gar nichts!“ Wallace sah sie verzweifelt mit geballten Fäusten an. „Ich habe nur einmal kurz meinen Finger darauf gelegt, mehr nicht.“
Skeptisch sah sie den jungen Wissenschaftler an, drehte sich dann zu Babbis um, der sich eifrig Notizen auf seinem Palm-Top machte. „Und Sie?“
Babbis reagierte einen Moment lang nicht, bis sie ungeduldig gegen das kleine Gerät in seinen Händen schlug, nicht fest, aber ausreichend, daß er in seiner Konzentration gestört wurde. „Was haben Sie angefaßt?“
„Ich habe nur versucht, es wieder auf den Tisch zu stellen. Ist verteufelt heiß.“
Die Antikerin nickte und sah sich den leuchtenden Kasten ratlos an.
Sie hatte immer noch keine Ahnung, mit was sie es zu tun hatten. Nur eine kleine, aber behaarliche Stimme sagte ihr, sie solle die Beine so schnell in die Hand nehmen, wie sie nur könne. Das Ticken behagte ihr vor allen Dingen nicht, ebensowenig wie die fremdartigen giftgrünen Zeichen auf dem Kasten.
„Kommt es von Ihrem Volk?“ fragte Babbis aufgeregt.
„Nein. Diese Technik kenne ich nicht.“ Vorsichtig näherte sie sich dem Kasten, prallte dann aber zurück, als eine Entladung sie traf. Nicht schwer, aber immerhin ausreichend, um Respekt vor dem Ding zu haben.
Wieder holte sie ihren Detektor hervor und betrachtete die Anzeigen. Dann ging ihr auf, was hier gerade geschah.
„Das Ding wird sich selbst zerstören!“
Babbis und Wallace starrten sie entsetzt an.
„Scheiße!“ entfuhr es ersterem endlich.
Vashtu sah sich in fliegender Hast nach irgendetwas um, womit sie dieses Ding hier entfernen konnte. Anzufassen wagte sie es nicht. Dann kam ihr ein Gedanke.
Sie fischte einen Metallstab aus einem Haufen Schrott und tippte den Kasten damit an. Sofort glühte das Ende rot auf.
Gut, was auch immer es war, es war heiß. Soviel stand fest. Und wenn sie nicht sah, daß sie es so schnell wie möglich von hier entfernte, konnte der gesamte Komplex in die Luft fliegen.
„Tür öffnen, schnell!“
Wie eine Billiardkugel schob sie den Kasten mit der Stange vor sich her, zurück in das Jumperlager. Dort verfrachtete sie es in den ersten, in dem sie geschlafen hatte und drehte sich um. „Und Sie beide, Sie verschwinden, so schnell es geht, klar?“
Die beiden Wissenschaftler nickten.
„Wir reden noch darüber.“ Damit schloß sie die Hecklucke, sprang auf den Pilotensitz.

***

Eine Vene auf Landrys Stirn zuckte, als er sie versuchte niederzustarren.
„Und es hatte natürlich auch gar nichts damit zu tun, daß sich zwei Mitglieder Ihres Teams just zu dem Zeitpunkt in dieser Anlage aufhielten, als Sie sich den Jumper 'ausgeliehen' und die Waffe durch das Gate gebracht haben, richtig?“
Vashtu nickte. „Ja, Sir. Es war meine Schuld. Ich wollte noch etwas an der Mine arbeiten. Dabei muß ich den Selbstzerstörungsmechanismus ausgelöst haben. Ich hatte keine Zeit, irgendjemanden zu informieren.“
„Eine Mine also, soso. Und seit wann wissen Sie das?“
„Seit dem Moment, als sie losging, Sir.“ Sie zuckte mit den Schultern und zog ein schuldbewußtes Gesicht.
Landry beugte sich über seinen Schreibtisch. „Miss Uruhk, Sie sind eine schlechte Lügnerin.“
„Sir, ich kann Ihnen nichts anderes sagen als das, was geschehen ist. Wenn jemand aus meinem Team zufällig in der Anlage war, so weiß ich nichts davon. Ich hatte alle Hände voll zu tun.“
„ R3Y-775 kann nicht mehr angewählt werden. Wir haben also nicht die blaßeste Ahnung, was passiert ist. Sie haben uns eine wichtige Waffe gekostet, Miss Uruhk, eine verdammt wichtige Waffe!“
Vashtu senkte den Kopf. „Ja, Sir, das ist mir klar.“ Sie seufzte schwer. „Wenn Sie also beschließen, mich nach Antarktica zu schicken, möchte ich Sie wenigstens bitten, SG-27 nicht aus dem aktiven Dienst ausscheiden zu lassen. Niemand außer mir trägt die Schuld an dem, was geschehen ist, Sir.“
Sie fühlte Landrys Blick auf sich, sank noch tiefer in den Stuhl hinein.
„Das einzige, was ich Ihnen glaube ist, daß Sie diese sogenannte Mine fortgeschafft haben, Miss Uruhk. Aber gut, wenn Sie so unbedingt die Konsequenzen tragen wollen ...“ Landry griff nach seinem Telefon und wählte eine Nummer.
Vashtu seufzte schwer, knetete mit den Händen ihre Knie.
Aus der Traum. Aber vielleicht hatte sie zumindest eines geschafft: Das ihr Team weiterhin Einsätze auf Fremdwelten ausführen konnte.
„Sir, hier Landry, SGC. Es gab einen Zwischenfall, an dem Miss Uruhk beteiligt war ...“

***

Als Vashtu gut eine Stunde später ihr Büro betrat, blieb sie wie erstarrt stehen und sah in drei sehr ernste Mienen.
Dorn saß auf dem Stuhl vor ihrem Schreibtisch, Wallace auf dem alten, zerschlissenen Sofa, das sie aus einem der Lagerräume erbeutet hatte und Babbis, offenbar mit einer unruhigen Wanderung beschäftigt gewesen, starrte ihr aus der Mitte des Raumes entgegen.
Vashtu schloß leise die Tür hinter sich, betrachtete ihren zusammengewürfelten Haufen mit leicht geneigtem Kopf, die Arme vor der Brust gekreuzt.
„Es war meine Schuld, Miss Uruhk“, meldete Wallace sich schließlich zu Wort. „Ich wollte nur sagen ...“ Er verstummte unter ihrem eindringlichen Blick.
Vashtu nickte langsam, ging dann zu ihrem Schreibtisch und ließ sich dahinter nieder. Sehr konzentriert begann sie, in einer Schublade zu kramen.
„Was geschieht jetzt?“ ließ Dorn sich vernehmen.
Vashtu richtete sich wieder auf, fixierte nun Dorn. Der hielt ihrem Blick stand. Dann begann er breit zu grinsen.
Babbis trat zögernd näher. „Miss Uruhk, es tut mir leid.“
Sie sah ihn kurz an, schob dann die Schublade wieder zu und faltete die Hände auf der Arbeitsfläche. „Es wird sich in Zukunft einiges ändern, meine Herren“, sagte sie mit fester Stimme.
Babbis schluckte. „Antarktica, Mam?“
Sie sah ihn noch einmal kurz an, hob dann stolz den Kopf. „Und wenn ich sage, es wird sich einiges ändern, dann meine ich das auch so. Wallace, Sie werden nie, nie, niemals wieder irgendein außerirdisches Gerät anfassen, es sei denn, ich persönlich erlaube es Ihnen. Verstanden?“
Der Wissenschaftler nickte mit puterrotem Gesicht.
Vashtu wandte sich wieder Babbis zu. „Dr. Babbis, erwische ich Sie noch einmal außerhalb Ihres Dienstes in dieser Anlage, schleife ich Sie persönlich zu General Landry. Und sollte Ihnen noch einmal in den Sinn kommen, eine außerirdische Technologie erforschen zu wollen, fragen Sie zunächst einmal mich.“
Babbis nickte stumm.
Vashtu wandte sich jetzt Dorn zu. „Serge, für Sie tut es mir ehrlich leid. Aber auf Ihren wohlverdienten Ruhestand müssen Sie wohl noch ein bißchen warten. Aber lassen Sie niemals wieder diese beiden Herren aus den Augen, nie wieder! Sollten sie noch einmal so etwas auch nur in Erwägung ziehen, haben Sie meine Erlaubnis, die beiden mit Waffengewalt davon abzuhalten.“
Dorn lehnte sich amüsiert zurück. „Schon klar, Mam.“
Vashtu erhob sich, fixierte noch einmal jeden des Teams einzeln. „Sollte soetwas noch einmal vorkommen, und das können Sie alle ruhig wissen, wird SG-27 aufgelöst und ich sitze auf Antarktica. Und wenn es einen Kontinent auf der Erde gibt, den ich ganz sicher nicht betreten möchte, ist es dieser. Eine letzte Chance bleibt uns also noch, und ich denke, wir alle wollen sie nutzen.“ Sie schwieg, sah wieder von einem zum anderen. „Damit auch das klar ist, ich werde nie wieder irgendeinen Fehler von einem von Ihnen auf meine Kappe nehmen. Niemals, verstanden? Wer von jetzt an Fehler macht, hat selbst dafür gerade zu stehen.“
Über Babbis' Gesicht huschte ein Lächeln. „Dann bleiben Sie also bei uns?“
Vashtu nickte ernst. „Ja, ich bleibe, zumindest noch. General Landry und ich sind überein gekommen, daß wir vier die nächsten Wochen nutzen werden, um uns besser auf zukünftige Aufgaben vorzubereiten. Wir sollen ein Team sein, keine Chaotentruppe, so der Wortlaut des General. Ich hoffe, daß ist bei Ihnen allen angekommen. Sobald sicher ist, daß wir, und zwar wir alle, soweit sind, werden uns neue Fremdwelteinsätze übertragen werden. Wir werden also wieder durch das Stargate gehen dürfen. Aber zunächst einmal werden wir trainieren und uns besser kennenlernen - in einem Überlebenscamp der Army.“
Ein Stöhnen von den beiden Wissenschafltern, dann aber Ruhe.
Sie setzte sich wieder und sah noch einmal in die Runde.
Wallace schien erleichtert zu sein, Babbis strahlte und Dorn schmunzelte sie an.
„Dann machen Sie sich bereit. Morgen früh geht es los. Weggetreten!“

ENDE

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