29.06.2010

Das Angesicht des Feindes 3/4 VIII

Danea sah aus dem kleinen Fenster und beobachtete die fremde Frau, die mit einigen Kindern sprach. Sie lächelte wieder. Das tat sie offensichtlich oft. Dennoch aber blieb kein Zweifel daran, daß sie offensichtlich die Anführerin diseres merkwürdigen Trupps war, der so plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht war.
"Halt dich von fremden Töpfen fern", sagte die Stimme seines Vaters.
Danea beobachtete noch, wie einer der Männer an die Fremde herantrat. Sie richtete sich wieder auf. Ihr Gesicht wurde starr und sie sprach mit jemandem, der offensichtlich nicht anwesend war. Dazu benutzte sie wohl dieses Ding, das in ihrem Ohr steckte.
"Ich habe nicht vor, mit dieser Major Uruhk ..." Danea schloß den Mund und drehte sich zu seinem Vater um. „Aber vielleicht haben wir die Lösung für unser Problem. Die Erethianer werden immer weniger, die letzten Abtriebe haben uns zuviel gekostet. Du siehst doch selbst, daß es kaum noch Kinder gibt."
Cornyr sah seinen Sohn einen Moment lang nachdenklich an. „Sie fragte nach der verbotenen Stadt der Schöpfer." Er schüttelte den Kopf. „Das ist zu gefährlich. Wenn die Dämonen ..."
"Die Devi werden so oder so kommen, Vater! Sie kommen immer!"
"Was willst du also tun? Sie in die Stadt führen und provozieren, daß sie schneller hier sind? Es wird ihnen nicht verborgen geblieben sein, daß Fremde uns besuchen." Cornyr hielt den Blick seines Sohnes einen Moment lang gefangen, dann senkte er seine Augen und seufzte. „Du hast zuviel des Blutes deiner Mutter in dir."
"Ich habe ihr Urteilsvermögen, das genügt mir." Danea kreuzte die Arme vor der Brust und nickte nach draußen. „Diese Menschen sind mit einem Schiff gekommen. Wenn wir ihnen helfen, nehmen sie uns vielleicht mit in ihre Heimat. Du hast es doch gehört, dort gibt es keine Dämonen." Ein träumerischer Ausdruck erschien auf dem Gesicht des jungen Mannes.
"Aber sie sagten auch, daß ihr Schiff beschädigt ist", wandte Cornyr ein.
"Dann ..." Danea biß sich auf die Zunge und sah seinen Vater wieder ein. „Es ist vielleicht unsere einzige Chance, überhaupt noch etwas zu retten von unserem Volk."
Der Älteste blickte ihn nachdenklich an, kniff die Lippen aufeinander. „Diese Major Uruhk ist eine sehr beeindruckende Persönlichkeit", wandte er schließlich ein. „Aber die anderen ... Elessa sagte, die Männer, die sie an den Rand des Dorfes geschickt hätte, wären längst nicht so nett und aufgeschlossen. Was, wenn uns auf ihrem Schiff ebenfalls mit Argwohn begegnet wird? Was, wenn die verbotene Stadt nichts bieten wird, womit sie etwas anfangen können?"
"Das müssen wir riskieren. Noch ein, höchstens zwei Abtriebe und die Erethianer wird es nicht mehr geben!"
Cornyr seufzte wieder und senkte den Kopf. Langsam wandte er sich ab und sah sich um. „Soweit sind sie noch nie gegangen. Sie müssen so viele sein wie nie zuvor", murmelte er schließlich.
"Dann laß mich in die Stadt, Vater. Ich nehme Major Uruhk mit. Dann können wir auch sicher sein, ob uns Gefahr von ihr droht." Danea atmete tief ein. „Wir können sie prüfen. Wenn sie zu den Schöpfern gehört, wie Nabuck meint, können wir uns ihrer immer noch entledigen."
Cornyr sah sich immer noch in der rauchigen Dunkelheit des Langhauses um. Dann nickte er. „Aber bleibt nicht zu lange. Die Devi haben sehr aufmerksame Wächter", entschied er.

***

Peter stand mit Frederics zusammen und atmete tief die frische Luft ein. Es tat gut, nach der rauchigen Dämmerung des Langhauses, wieder frei atmen zu können.
"Was hat es wohl mit diesen Dämonen auf sich?" fragte der junge Marine und reckte sich.
"Woher soll ich das wissen?" Peter schnaubte. „Wenn Sie mich fragen, vertun wir hier gerade unsere Zeit. Major Uruhk muß sich geirrt haben." Er drehte sich um, als er kreischendes Gelächter hörte, ging sofort noch mehr auf Abwehr, als fünf Kinder auf den kleinen Platz zwischen den großen Langhäusern preschten.
Vashtu drehte sich zu ihnen um und lächelte. Dann beugte sie sich zu ihnen hinunter und begann mit ihnen zu sprechen.
Mal wieder typisch! Sie steckten bis zum Hals in Schwierigkeiten und diese Frau scherzte mit irgendwelchen Kindern!
Peter seufzte und kreuzte die Arme vor der Brust. Als hätten sie nicht schon genug Probleme!
"Ich meinte ja nur." Frederics sah sich interessiert um. „Müssen vor nicht allzu langer Zeit wesentlich mehr Leute hier gewohnt haben. Was da wohl passiert ist?"
"Hä?" Peter richtete seine Aufmerksamkeit jetzt doch wieder dem Marine zu. Der sah zu dem Dach des nächsten Langhauses hoch und nickte. „Ist nicht mehr ausgebessert worden. Diese Leute sind offensichtlich seßhaft an diesem Ort", erklärte er.
"Sind Sie Antropologe oder Marine?" Peter blinzelte in den wolkenlosen Himmel hinauf. Die Sonne stand hoch, so hatte er einige Mühe, überhaupt etwas zu erkennen. Doch dann ging ihm auf, was Frederics gemeint hatte: Das Dach des Hauses war schon lange nicht mehr ausgebessert worden. Das rietähnliche Material war dunkel und feucht, an einigen Stellen offensichtlich in den Dachstuhl abgerutscht.
"Ich interessiere mich für Geschichte und Kultur, Doc", antwortete Frederics, richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Antikerin. „Hätte mir Spaß gemacht, wenn ich hätte studieren können."
Peter schüttelte den Kopf.
Was ihm jetzt noch zu seinem absoluten Unglück fehlte, war die Lebens- und Leidensgeschichte dieses Kerls neben ihm. Er mochte ja vielleicht nicht ganz so stumpfsinnig wie die meisten anderen Besatzungsmitglieder der Prometheus sein, aber es interessierte ihn nicht im mindesten. Er wollte nur irgendwie sehen, daß SG-27 aus den Klauen dieses größenwahnsinnnigen Irren auf dem Kommandosessel entkamen.
Vashtu hatte sich wieder aufgerichtet, sprach jetzt in ihr Funkgerät, nachdem einer der anderen Marines sie auf den stündlichen Bericht aufmerksam gemacht hatte.
Peter sah, wie sich ihr Gesicht unwillig verzog.
Wieder Ärger mit Pendergast. Wahrscheinlich würde die nächste Order sogar lauten, wieder zur Prometheus zurückzukehren und den nächsten Planeten anzufliegen.
Aber wenn es hier tatsächlich einen Antiker-Außenposten gab?
Peter zupfte nervös an seinem Ohrläppchen und wünschte sich ein Stück Schokolade. Dann beobachtete er, wie dieser Danea aus dem Langhaus trat und direkt auf Vashtu zuhielt.
Peter richtete sich auf. Immerhin war von einer versunkenen Stadt gesprochen worden während des vorhergehenden Gespräches. Allerdings hatte der Anführer dieses Völkchens es vehement abgelehnt, ihnen diese Stadt zugänglich zu machen. Sollte sich daran jetzt etwas geändert haben?
Vashtu beendete ihren Bericht mit erhobener Hand, tippte dann einmal kurz auf ihr Funkgerät, um es zu deaktivieren. Erst dann wandte sie sich Danea zu. Der Erethianer begann sofort auf sie einzureden. Peter sah, wie ihre Augen immer größer wurden. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
Sein Herz schlug schneller.
Hatten die Erethianer sich jetzt doch entschlossen, sie in die Stadt zu lassen?
Die Antikerin nickte, dann kam sie plötzlich zu ihnen herübergejoggt.
"Danea will mir die Stadt nun doch zeigen", erklärte sie aufgeregt, hob die Hände. „Allerdings nur mir", fuhr sie fort. „Lieutenant, sollte ich in einer Stunde nicht wieder zurück sein, übernehmen Sie bitte meinen Bericht. Sie können Colonel Pendergast ruhig sagen, daß ich unterwegs und vielleicht nicht erreichbar bin. So wie es Danea angedeutet hat, scheint diese Stadt ... nun etwas verborgen zu sein."
"Aber ..."
"Peter, Sie gehen zu den Jumpern zurück und warten dort", wandte sie sich unvermittelt an ihn und zwinkerte ihm zu. „Wenn etwas sein sollte, wissen Sie, wie und wo Sie mich erreichen können."
Es ging los!
Er nickte aufgeregt.
Vashtu schlug ihm kameradschaftlich auf den Oberarm, dann joggte sie dem Erethianer nach, der bereits den Weg aus dem Dorf suchte.

***

Vashtu kletterte hinter Danea die Felsen hinauf. Sie mußte sich zwingen, nicht alle paar Minuten zu fragen, wie lange sie noch brauchen würden.
Mehr als zwei Wochen hatten sie auf diesem verdammten Mond festgesessen. Zwei Wochen! Sie konnte nur hoffen, daß sie, wenn sie ins SGC zurückkehrte, nicht erst lange und breite Erklärungen abgeben mußte, sondern sofort nach Atlantis weitergeschickt wurde, wie es eigentlich auch geplant gewesen war.
Vashtu mußte zugeben, sie freute sich unendlich auf eine Rückkehr zur Erde, noch mehr darauf, endlich Atlantis wiederzusehen. John hatte sie längst seinen Fauxpas vergeben, und McKay gegenüber würde sie dieses Thema nicht einmal mehr anschneiden. Sie wollte nur zurück in die vertraute Umgebung und diesen Idioten Pendergast weit hinter sich lassen.
Natürlich würde sie Landry mitteilen, was hier vor sich ging. Und sie war sicher, man würde eine Rettungsmission schicken, um zumindest die Atlanter einzusammeln und vielleicht auch die Prometheus zu bergen. Was mit Pendergast und seiner Crew passieren würde, war ihr dagegen herzlich gleichgültig - naja, bis auf einige Ausnahmen.
"Wir sind gleich da", rief Danea über die Schulter zurück.
Vashtu blickte zu ihm auf und nickte.
Der Weg war ziemlich steil. Aber dennoch war es ihr, als könne sie den Rest einer relativ breiten Straße ausmachen, zumindest deren Begrenzungen.
Wer konnte schon sagen, was sie hier vorfinden würden? Vielleicht konnte dieser Außenposten weiterhelfen bei dem Kampf gegen die Ori. Immerhin mußte ihr Volk doch damit gerechnet haben, daß diese fernen Brüder und Schwestern irgendwann einen Kreuzzug eröffnen würden. Oder eher nicht?
Vashtu wußte es nicht. Sie hatte nicht einmal geahnt, daß sie, um wieviel Ecken auch immer, mit den Ori verwandt war bis Landry und Daniel Jackson sie darauf aufmerksam machten. Andererseits war die Geschichte ihres Volkes, noch dazu dessen Frühgeschichte, nicht gerade ihre starke Seite gewesen. Dazu war ihr Geist schon immer zu sehr in der Gegenwart und der Zukunft verhaftet gewesen.
Danea richtete sich auf, klopfte sich den Steinstaub aus den Kleidern und drehte sich zu ihr um. Respektvoll beobachtete er, wie nun auch sie das schmale Plateau erkletterte, auf dem er stand.
"Du hälst dich gut, Major Uruhk", bemerkte er anerkennend.
Vashtu drehte sich kurz um und sah in das Tal hinunter. In einiger Entfernung konnte sie die einsame Rauchfahne aus dem Langhaus ausmachen, von den Jumpern dagegen war nichts zu sehen, was sie beruhigte.
Dieser Planet schien an für sich sehr friedlich zu sein. Stand zu hoffen, daß ...
Sie hatte sich bei diesem Gedanken langsam herumgedreht, erstarrte jetzt. Ihre Augen weiteten sich.
Ein gutes Stück weiter den Hang entlang, den sie hochgeklettert waren, war etwas. Vashtu trat näher an die Kante des Felsens heran und reckte den Hals. Dann tastete sie über die Tasten ihrer Weste und zog ihr Fernglas hervor.
"Was ist das?" Danea war neugierig hinter sie getreten.
Eine Stadt! Sie war direkt in den Hang gebaut. Aber sie wirkte nicht wie irgendetwas, was sie je zuvor gesehen hatte.
Vashtu nahm das Fernglas wieder von den Augen und runzelte die Stirn. „Was ist das da?" Sie nickte zu den eigentümlichen Gebäuden hinüber.
"Die Stadt der Dämonen", antwortete Danea mit kühler Stimme.
Vashtu drehte sich irritiert zu ihm herum. „Die Stadt der Dämonen? Ist es das, was du mir zeigen wolltest?"
Danea schüttelte den Kopf, drehte sich um. „Ich wollte dir das da zeigen", antwortete er und hob den Arm.
Vashtu folgte der Weisung.
Ein Höhleneingang. Aber ... ?
Sie warf der Dämonenstadt noch einen Blick zu. Diese merkwürdigen Gebilde schienen ungefähr drei oder vier Meilen entfernt. Außerdem hätte Danea sie wohl kaum auf diesen Felsen gescheucht, wenn er ihr das zeigen wollte.
Aber, auf jeden Fall ...
Sie steckte das Fernglas wieder ein, holte statt dessen den Detektor hervor und aktivierte ihn.
Die Energiequelle, die sie bereits vom Weltraum aus wahrgenommen hatte, wurde wieder angezeigt. Aber die Anzeige war deutlich und wies sie ebenfalls zu dem Höhleneingang.
Nach einem letzten Blick auf die merkwürdigen Gebilde folgte sie dem jungen Erethianer in die Höhle hinein, fand sich auf einer breiten Straße wieder.
"Es heißt, die Schöpfer der Dämonen hätten hier gelebt", erklärte Danea ihr.
Vashtu steckte den Detektor nun auch wieder ein und nickte. „Schöpfer der Dämonen? Dann kamen die also nicht von irgendwoher?"
"Die Schöpfer wohl." Danea nickte. „Sie hatten ein Rund, das sie mit Wasser füllten. Warte." Er holte etwas unter seinem Wams hervor.
Vashtu bekam große Augen. Das war eine Lampe, wie sie sie ähnliche früher benutzt hatte, vor zehntausend Jahren. Sie holte tief Atem, zwang sich den Mund zu halten.
Das wurde allmählich immer interessanter.
Dann ging ihr auf, wovon der Erethianer gerade gesprochen hatte. Ein Rund, das wie mit Wasser gefüllt aussah - ein Sternentor!
Sie seufzte erleichtert.
"Wenn sie dieses Rund gefüllt hatten, konnten andere hindurchkommen", fuhr Danea mit seinem Bericht fort. „Was sie hier genau taten, wissen wir nicht. Aber irgendwann erschienen die Dämonen. Sie zerstörten Teile der Stadt der Schöpfer und verheerten den Planeten."
Der Weg wand sich langsam vor ihnen um diverse Felsensäulen herum.
Vashtu schaltete die Lampe ihrer P-90 ein und leuchtete interessiert nach oben. Das Gestein wirkte an vielen Stellen brüchig. „Es kommt wohl nicht oft jemand her, oder?" erkundigte sie sich dann.
"Es heißt, wenn wir die Stadt betreten, werden die Wächter dies bemerken und einen endgültigen Abtrieb befehlen", antwortete Danea.
Vashtu stutzte. „Abtrieb?" Sie schloß wieder zu ihrem Führer auf. Dann bemerkte sie etwas am Rande des Weges, das kurz aufleuchtete.
Wieder blieb sie stehen, beugte sich dann vor und wischte mit einer Hand über eine sehr regelmäßige Form. Verwirrt richtete sie sich wieder auf.
Eine, im Boden versenkte Lampe.
Sie sah den Weg hoch und wieder hinunter. Dabei fiel ihr auf, daß es noch mehr dieser Formen gab. Der Weg, dem sie folgten, schien in früheren Zeiten einmal beleuchtet gewesen zu sein. Und diese Lampen stammten von ihrem Volk.
Aber warum ... ?
Vashtu wandte sich wieder Danea zu, sah ihn fragend an.
Der zuckte mit den Schultern, drehte sich wieder um und wanderte weiter. „Komm, Major, es ist nicht mehr weit."
Sie warf der Lampe noch einen Blick zu, dann folgte sie ihm wieder. „Was geschah mit diesen Schöpfern?" erkundigte sie sich.
"Sie wurden getötet." Daneas Gesicht war hart geworden bei diesen Worten.
"Und was war jetzt noch einmal ein Abtrieb?" Vashtu hob die Brauen.
Der Gang beschrieb eine Kurve. Dahinter schien ein undeutlicher Lichtschimmer zu liegen.
"Die Dämonen kommen und treiben uns zusammen. Die besten werden mitgenommen. Wir sehen sie niemals wieder." In seinem Gesicht arbeitete es. „Aber wir finden die Leichen, wenn es denn welche gibt. Sie sind ausgesaugt."
Vashtu stutzte wieder.
Hatte sie sich am Ende doch geirrt und war wieder in Pegasus gelandet? Das hörte sich zumindest so an. Aber die Wraith als Dämonen zu bezeichnen, auch wenn es zweifellos stimmte, davon hatte sie noch nie gehört.
"Wir sind da." Danea blieb stehen und nickte ihr zu. „Die Stadt der Schöpfer."
Vashtu zögerte, wandte sich dann von ihm ab und blickte auf eine weite Höhle hinunter. Eine Höhle, die ihr sehr bekannt vorkam.
Unwillkürlich trat sie voller Unglauben näher und starrte auf das hinunter, was sich da vor ihren Augen ausbreitete.
Und kurz, nur ganz kurz sprangen die Lichter an. Alle Lichter auf einmal. Für einen Atemzug lang konnte Vashtu sehen, was sie bisher nur einmal gesehen hatte. Als Hologramm unter der Decke einer Eishöhle auf Antarktica.
Vineta!

Fortsetzung in Teil 4

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen